Was ist neu

philosophisches

Genre: philosophisches

  1. Henkersfrühstück

    Vorgestern hatte Rudolf am Küchentisch den Brief so oft gelesen, bis ihm die Buchstaben vor den Augen schwammen. Jetzt haben sie mich aufgespürt, die Juden. Dieser Gedanke ließ seine Hand zittern, als er das halbseitige Schreiben auf dem Tisch ablegte. Im Rücken steif vom langen Sitzen stakste...
  2. Liebe in Zeiten der Abstraktion

    Ich fliehe schnell und unbewegt und hinter mir scheint erst die innere Fakultät, dann die Außenwand, die schnörkelige, schließlich gar der ganze Regentenbau sich langsam einzuklappen, in sich einzusaugen. Draußen herrscht eine drückende Schwüle, die mir schier den Boden unter den Füßen wegzieht...
  3. Die Stimme

    Öffne deine Augen! Sie ist leise, aber sie ist da. Diese Stimme... Sie ist schön. Sie lebt in meinem Kopf. Niemand anders kann sie hören. Sie spricht nur zu mir. Es ist meine Stimme. Oder? Woher kommt sie? Ist sie ich? Wieso lebt sie dort in meinem Kopf, wenn ich sie doch immer wieder überhöre...
  4. Das Dachgeschoss

    "Wir alle haben im Dachgeschoss der Seele ein Geheimnis unter Verschluss. Das hier ist das meine." so beginnt Óskar Drai seine Erzählung in Carlos Ruíz Zafon´s Marina. Dieses Geheimnis kann alles mögliche bedeuten und jeder wird an dieser Stelle wohl - bewusst oder unbewusst - nach dem kleinen...
  5. Serie Die Weisen des Zen 2

    An einem bewölkten Tag kam der Schüler Feng zu seinem Meister und sagte zu ihm: "Ich habe einen Koan über einen anderen Meister gehört, der seinen Schüler getötet hat. Widerspricht dies nicht dem Geist des Zen?" Der Meister nahm einen Stein und zeigte ihn Feng. "Sieh. Der Geist des Zen ist wie...
  6. Kraniche ziehen in den Süden

    Kawanabe sitzt auf der Terrasse. Im Teich ziehen Karpfen gemächlich Kreise. Wind lässt den Bambus rascheln. Letztes Laub wirbelt durch den Garten. Kawanabes Augen richten sich zum Himmel, dunkle Wolken ziehen über den Bergen von Norden auf. Er greift zum Pinsel, taucht ihn in den Tuschbehälter...
  7. Totengräber oder Maria

    Kahle Äste streckten mir ihre Klauen vor, als ich ruhelos rastend an der Lichtung ankam. In den Wipfeln der Bäume brach sich das Licht wie in einem ungeschliffenen Kristall und wie Sternenstaub glitzerten gläserne Augen aus zerbrochenen Gesichtern vom Nachthimmel. Unter den Krallen der, aus der...
  8. Drei Worte

    Halten Sie Ausschau nach einer Flaschenpost! Wir haben Hunderte dem Meer anvertraut. Jede Flasche birgt einen kleinen weißen Zettel, einen Zettel mit einer Botschaft. Drei Worte. Drei Worte, die ihr Leben verändern könnten. Als ich den anderen das erste Mal begegnete, geschah es auf einem...
  9. Ein Haus liegt in Trümmern

    „Was hast du getan“, fragte er ihn, „wieso hast du dein Haus zerstört? Es gab dir lange Zeit Wärme und Geborgenheit. Als es regnete schützte es dich vor Nässe, als es stürmte, vor dem Wind. Du konntest dich wohl und sicher darin fühlen! Wieso tust du deinem Haus so etwas an? Wieso schlägst du...
  10. Der Regen

    „Wenn du leben willst, warte auf den Regen.“ Diese Weisheit vertraute mir einmal jemand an, den ich sehr schätzte, und es klang so klug, dass ich darauf hörte. Ich wartete. Tage, Wochen, Monate. Doch der Regen kam nicht. Ich saß in meinem Sessel hinter dem Fenster und sah nach draußen, ohne mich...
  11. Glanz und Schatten

    Alle rufen danach aber keiner hört dem Anderen zu. Jeder glaubt für sich an seine Einzigartigkeit und es käme ihm nicht in den Sinn, die gleichen Bedürfnisse wie sein Nachbar zu haben. Während er diese herausschreit hört er nicht mehr, nach was die armen Menschen neben ihm schreien. Genauer...
  12. Schritt

    Schritt. Feiner Regen benetzte ihr Haar mit kühler Feuchtigkeit. Einzelne Tropfen glitten von ihnen herab und liefen ihr Gesicht herunter. Wie Tränen. Schritt. Sie ging Richtung Klippe und sah auf das Meer hinaus. Seltsam rötlich durch den Sonnenun-tergang. Seltsam. Magisch. Schritt. Auf der...
  13. Die grüne Tomate

    Es war einmal eine kleine, kaum sichtbare Pflanze. Eine Tomatenpflanze, die gerade erst aus dem Boden entsprungen war und ihre ersten Blätter der Welt entgegen streckte. Sie wuchs nur langsam in diesen ersten Tagen ihres Lebens, so wie auch die vielen anderen Tomatenpflanzen in dem Beet, dicht...
  14. Das Rückwenden ins Tierische

    EINS 1. Ein Schiff, Fischfänger, schmal und lang, nicht sehr groß. Es ist zu weiten Teilen hölzern und steht man auf ihm, geht es von ihm steil ins Meer. 2. Es ist mild und sonnig. Die See ist ruhig. Auf dem Schiff sind der Kapitän und die geschäftige Crew. 3. Plötzlich, wie ohne Grund...
  15. Aline der Mensch

    Aline betrat das Rednerpult und begann zu sprechen. Sie sprach von Vergangenheit und Zukunft, gut und böse, Leben und Tod, doch sie bemerkte es nicht einmal richtig. Wie in einem Rausch gab sie alles Preis, was sie ihr ganzes Leben lang beschäftigt hatte. Sie fasste sich selbst vollkommen...
  16. Der Einsiedler

    Es war tiefster Winter und der Schnee bedeckte den Berg und seine Wälder. Auf einem Felsvorsprung stand eine unbeholfen zusammen gezimmerte Holzhütte, aus dessen Schornstein, den man eher als überdecktes Loch in der Decke bezeichnen sollte, wenig, aber gleichmäßig grauer Rauch emporstieg. Das...
  17. Eli, Eli, lama asabtani

    Hinter seinem Schreibtisch wirkte der Pfarrer größer als er war. Die Arbeitsfläche aus dunklem Holz, auf der nichts stand, außer einer Figur des gekreuzigten Jesus, gab ihm in ihrer Kahlheit etwas von Autorität und Macht – den strengen Ernst eines Richters. Dabei waren Kas Züge scharf...
  18. Im Nebel

    Teil 1 Herr Schmidt ist mittleren Alters, mittlerer Statur, hat mittellanges Haar - d.h. da wo noch Haar wächst -, und ist Büroangestellter eines mittelständischen Unternehmens, welches Maschinen herstellt die Fischstäbchen ihre Form geben. Die wachsen ja schließlich nicht auf Bäumen. Er hat...
  19. Resozialisierung

    Ein heftiger Windstoß fegte unbarmherzig durch die zwischen heruntergekommenen Altstadtbauten gelegenen Gassen und traf die Passanten wie Wartende an einem Bahnsteig, an denen ein ungebremster Güterzug vorbeirauscht. Regenschirme klappten nach oben, Frisuren wurden verwüstet, Köpfe demütig...
  20. Weiße Lilien

    „Haste ma' 'ne Mark?“ „Wir zahlen jetzt mit Euros!“ „Haste ma' 'ne Mark, 'ne Mark?“ „Nein, lass mich in Frieden!“ „Haste...“ Der Mann hält mir eine weiße Lilie entgegen. Verkaufen will er sie. Loswerden. Er ist alt, grau, verwirrt, mit einem Bein mehr bei den Toten als bei den Lebenden. Und...

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