Was ist neu

alltag

Genre: alltag

  1. Segel setzen

    Er stand in der Tür zu seinem Büro und sog mit geschlossenen Augen den Geruch ein. Bohnerwachs, altes Papier und die unverwechselbare Würze von kaltem Zigarrenrauch. Natürlich durfte man hier schon lange nicht mehr rauchen, aber der Geruch war noch da. So viele Jahre hatte ihn dieses Aroma...
  2. Spring!

    Paul stand zögernd auf dem Fünfmeterturm. Das weiß getünchte Dach des Hallenbades erschien ihn so nah wie eine Kellerdecke. Er lunzte in die Tiefe und tastete sich langsam weiter. Der körnige Belag kratzte an den Fußsohlen, er merkte es kaum. „Papa, spring endlich!”, rief Linus. Fröhlich winkte...
  3. Gedankenwirbelsturm

    Beim dünnen geteerten Weg auf dem keinen Hügel bleib ich stehen. Ein Kaktus befand sich in meiner Brust und ein eiskalter Wind wehte mir zu. Meine übergrosse Kapuze verdecke mein Gesicht fast vollständig. Nebelschwaden machten die Dunkelheit weniger dunkel. Ich drehte mich. Niemand. Ich wusste...
  4. 31.10.

    Mark steuerte direkt auf die Abfahrtsrampe des Parkhauses zu. Schon von weitem erkannte man diesen zweckmäßigen, brachialen Bau, dessen Standorte überall auf unserem Planeten mit der kornblumenblauen Farbe des Firmenlogos versehen waren. Eigentlich hasste er diese hektischen Einkäufe nach...
  5. Nichts Schlimmes

    Ich stelle das leere Glas zurück auf die Theke und schüttle den Kopf, als der Wirt mir ein neues geben will. „Das wird schon wieder“, meint Hannes und stößt mich von der Seite an. „Werde mir eine kleinere Wohnung suchen. Den Wagen verkaufen …", murmle ich. „Abwarten. Bei mir hat's auch...
  6. Stunden des Todes

    Ein Uhr nachts Der Tod wirft einen Blick auf die Liste und schüttelt unwillig den Kopf. So viele! Und jeder für sich allein! Er ist lustlos und träge, des immer härter werdenden Kampfes müde. Und macht sich auf. Um diejenigen aufzustöbern, deren Uhr abgelaufen ist, bedarf er weder Anschrift noch...
  7. Der moderne Romeo

    Der moderne Romeo O. wachte in seinem Bett auf. An diesem Morgen war jenes Gefuehl, mit dem er schon lange gekämpft hatte, wieder stärker denn je zu spüren, und er wusste, dass es passieren würde, unbedingt passieren müsse, heute noch. Wann auch immer etwas Unabänderliches bevorstand, so...
  8. Chance verspielt

    Ich blickte mitten in den Lauf einer Heckler & Koch USP als mir der Arsch auf Grundeis ging. Warum ich mir das Modell der halbautomatischen Handfeuerwaffe gemerkt hatte, war mir ein Rätsel und erschien mir unpassender denn je. Es passte weder zu mir, denn ich konnte Waffen nichts abgewinnen...
  9. So nah

    Bald werden die grauen Schallschutzwände kommen und mit ihnen die Graffitis, die nach Heimat und Freiheit zugleich schreien. Sie sieht aus dem Fenster, sieht die Landschaften, die neben den Gleisen vorbei huschen. Austauschbar und oft gesehen. Und mit ihnen erscheinen bald Stationen, deren...
  10. Gefühlig gefügig

    alltag 
    „Alles gut? Was ist?“ Er fragt mich das. Ich sage: „Ja, klar.“ Er muss schon noch ein bisschen bohren. Ich kann sonst nicht so tun, als würde ich ihm ernsthaftes Interesse an meiner Antwort abnehmen. Wirklich daran glauben tue ich aber sowieso schon lange nicht mehr. Trotzdem fordere ich dieses...
  11. Von Wassermenschen und Seerosen

    Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mir das mit den Wassermenschen ausgedacht habe, aber ich glaube, es war im Juni. Ich erinnere mich noch daran, dass die Seerosen auf der Wasseroberfläche leuchteten wie weiße und pinke Sterne. „Hier gibt es Wassermenschen, wusstest du das?“, sagte ich. Mia...
  12. Wollmilch

    Ich bin schon ewig nicht mehr in den verdammten Bergen gewesen! Mama sagt verfickt und verdammt zu ziemlich allem, sodass Max nie genau weiß, ob sie etwas toll oder doof findet. Im Kindergarten schimpfen sie immer, wenn er diese Wörter benutzt, aber die verdammten Berge sind auf jeden Fall...
  13. Mondschlaf

    Vivien lauscht den Äpfeln, die vom Baum fallen. Sie streifen trockenes Laub und Äste. Und während sie tagsüber diesen Vorgang kaum wahrnimmt, hört es sich nachts an, als lösen sie sich vom Zweig, um hinabzustürzen. Sie hört, wie sie im Hof auf den Boden treffen. Manche springen einmal auf, wie...
  14. The Hitchhiker

    Sie rannte. Ihr Haar flatterte im Wind und der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Es war so dunkel, dass sie kaum etwas sehen konnte. Wieso habe ich mich bloß darauf eingelassen? Mit ihm war es anders. Er war anders. Sonst hatte sie immer minutenlang, manchmal sogar stundenlang, am Straßenrand...
  15. Unterhaltung

    Schon wieder ertappte ich mich dabei. Wobei von Ertappen wohl kaum die Rede sein kann, denn ich stellte mich absichtlich vor die geöffnete Tür. Ich wollte ihn beobachten, einfach beobachten. Ich wollte sehen was er macht, wie er es macht. Ich wollte sehen, wie seine Hand über das nackte Papier...
  16. Die Verspätung

    Während ich auf die Bahn wartete, lag mein Blick auf einer Gruppe Senioren, welche sich im Kreis um einen emporragenden Erzähler stehend abmühten. Hinter mir lag ein Graben voll Blumen. Als die Bahn kam, warf sich einer der Gruppe, die ich beobachtete auf die Gleise. Der Bahnführer erschrak und...
  17. Das andere Leben

    Die erste Zigarette, noch im Bett sitzend, war kein Genuss auf der pelzigen Zunge, das war sie noch nie gewesen, und das Kopfkissen war von den Rotweinrändern an seinen Mundwinkeln verfärbt. Den Bezug hätte seine Frau längst gewechselt, hätte sie im letzten Winter nicht den Mann gewechselt. Sie...
  18. Alexanderplatz

    Über diverse Leichen, die wie Konfetti auf dem Boden verstreut liegen, steigen wir hinweg. Leben, die so verschieden aussahen, sich hassten, sich liebten, sich verabscheuten, verehrten oder auch alles auf einmal. Nun liegen sie hier, alle vermischt. Und letztendlich alle gleich. Wir gehen...
  19. Staubsauger

    Er geriet ins Straucheln bei dem Versuch, sich seine Hose auszuziehen. Hart prallte er auf den Staubsauger, der neben seinem Bett stand. Der heftige Aufprall auf die Rippen raubte ihm die Luft. Der viele Alkohol in seinem Körper dämpfte rasch den stechenden Schmerz. Er schlief ein, so wie er da...
  20. Abendrot

    Das Telefon zeigt eine unbekannte Nummer, und das gefällt mir gar nicht. Schließlich bin ich ein gebranntes Kind. Telefonbelästigung. Keine schöne Sache, wenn man allein wohnt. Doch ich kann dem Klingelton nur selten widerstehen. Dazu bin ich viel zu neugierig. Wenn es wieder so ein ekelhafter...

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