Was ist neu

alltag

Genre: alltag

  1. Die Kraft der Gedanken

    „Ist er zurechnungsfähig?“ Hauptkommissar Winevsky schaut über den Brillenrand. Polizeimeister Ajdin Bulut klappert mit dem Kugelschreiber auf der Schreibunterlage seines Tisches. Er wendet sein Gesicht nicht vom Bildschirm ab, starrt auf das flimmernde Foto. Ein junger Mann, unrasiert...
  2. Der Blick einer Krähe

    „Passen die da nicht durch?“ Kai zeigt auf die Abstände zwischen den Holzleisten der Kiste. Seine hellen Augen wechseln den Blick zwischen mir und dem Stapel vor uns. „Nee, guck mal“, antworte ich, balle meine Faust und versuche sie durch den Zwischenraum zu schieben. Es gelingt mir nur mühsam...
  3. Schweigen

    Wenn wir uns im Treppenhaus begegnen, sage ich: „Hallo!“ Ich sage: „Guten Morgen!“, oder sage: „Abend!“ Sie schaut mich nicht an. Grüßt nicht. Sagt nie etwas. Manchmal, wenn ich unten am Briefkasten stehen bleibe, um nach der Post zu sehen, höre ich, wie sie ihre Schlüssel hervorkramt. Wie sie...
  4. Ganz ich

    alltag 
    Ich habe fast Zwillinge geboren. Ein Mädchen hat mich im Pool beinahe aus Eifersucht ertränkt und ich dachte wirklich, ich müsse sterben. Ich bin in ein Land gezogen, dessen Sprache ich nicht spreche und musste dafür nicht weit gehen. Ich wollte unbedingt die beste Freundin von jemanden sein...
  5. Die Nachbarin

    alltag 
    Meal Preparation heisst das offiziell, was Du gerade im Gefrierschrank verstaust und bedeutet Wochen im Voraus gekochte, appetitliche Mini-Mahlzeiten in hübschen, verschliessbaren Designerförmchen. Proteinwerte sind berechnet, kcal Angaben nochmals überprüft. Kohlenhydrate kommen nicht, oder nur...
  6. Bei wieviel Grad brennt Papier von allein

    alltag 
    Wie schön war der Barchetto del Duca bei Nacht, dachte ich, und wie sanft lag der Mondschein über dem Park! Bassani, Giorgio. Die Gärten der Finzi-Contini Warum dieser ungewöhnliche Titel, und was hat ausgerechnet dieses Zitat am Anfang zu suchen, werden sich viele fragen. Das klingt ja, wie...
  7. Immer

    alltag 
    Eylül legt die beiden Luftpolsterumschläge einzeln auf die Waage und zieht sie danach durch den Formatmesser. Sie passen wie immer und sie sind nicht schwer, auch wie immer. „Die gehen für eins-sechzig jeweils oder sollen die als Einschreiben?“ Seine Antwort kennt sie, sie ist immer gleich...
  8. Das Maisfeld

    Ich bremste und kam zum Stehen. Paul fuhr mir fast hinten rein. »Was ist los?«, fragte er mich. Ich schaute über die Schulter nach hinten und sagte »Wir sollten durch die Felder fahren. Außen rum dauert es ewig.« Paul zog die Augenbrauen zusammen, runzelte die Stirn und drehte seinen Kopf zu dem...
  9. Der Frauenversteher

    Ernst schließt sein Fahrrad neben dem Warnemünder Leuchtturm an und atmet genussvoll ein. Salz, Wärme und der leicht beißende Geruch von Algen – Heimat. Neugierig schaut er den Dünenweg hinunter zum weißen Ostseestrand. Totale Flaute, kein Lüftchen. Nur die Brandung schwappt über den Streifen...
  10. Triebsand

    Mit den Kindern kam er ins Haus. Schon im Treppenhaus, im feinen Gewebe des Teppichs, nistete er sich ein, und zwar so tief, dass Pascal ihn mit dem Staubsauger - maximale Saugkraft - nicht ganz herausbekam. Er war in all ihren Schuhen, auch unterhalb der Einlage. Man konnte die Schuhe gegen die...
  11. Hauchzarte 10 Denier

    Von Montag bis Samstag war Kurt an den Vormittagen Verkäufer in der Strumpfabteilung des größten Warenhauses in Hamburg-Altona. An den Nachmittagen entfernte er in Heimarbeit an seiner Repassiermaschine Laufmaschen. „Bist du lieber hier oder zu Hause bei den Nylons?“, fragte ihn seine Kollegin...
  12. Ein unhappy Happy End

    Ich gehe die Treppe hoch. Das Atmen und auch meine Beine werden schwerer. Ich überlege eine Pause einzulegen, doch ich versuche nicht anzuhalten, da das nie zum Ziel führt. Endlich habe ich mein Ziel vor Augen. Die schwüle Juni-Luft, die mir entgegenkommt, hilft meiner Entscheidung und meine...
  13. Plastik-Kollaps

    Ayaka bündelt mit der rechten Hand ihre schwarze Mähne. Die linke schiebt den Gummiring über die Haare. Ihre Ohren stehen ab und Thorsten lächelt, sieht wieder irritiert auf den Bildschirm. „Was ist?“, fragt sie und versenkt beide Hände in die Taschen ihres gelben Sakkos. Sie verengt ihre...
  14. Besuch

    alltag 
    An ein erstes Treffen kann ich mich gar nicht erinnern, denn irgendwann war er einfach da. Er hat sich auch nie richtig vorgestellt. In meiner Kindheit hat er meist einfach nur neben mir gesessen und seine schwere Hand auf meine kleine Schulter gelegt. Auch jetzt im Erwachsenenalter steht er oft...
  15. Groß und Klein

    alltag 
    Ich stocherte mit dem Löffel im Mittagessen herum. Der Reis war verkocht und die restlichen Zutaten klebten aneinander. Auf dem Nachhauseweg hatte ich getrödelt, wegen dem verfluchten Schatz in meinem Rucksack und beim Essen musste ich ständig daran denken. Ich ließ den Brei vom Löffel tropfen...
  16. Doppelgänger

    Im zweiten Stock muss Markus seine Einkaufstaschen absetzen. Er schnauft schwer, sein linkes Kniegelenk schmerzt. Das Licht geht aus, und einen Moment lang steht er im Dunkeln. Seit der Zeitumstellung fällt durch das Dachfenster kein Tageslicht mehr in das schmale Treppenhaus, wenn er gegen halb...
  17. Hühnerdiebinnen

    alltag 
    „Gibt es denn gar nichts, was ich für dich tun kann?“ „Doch. Halt die Welt an und lass mich aussteigen.“ aus „Nur Pferden gibt man einen Gnadenschuss“ von Horace McCoy Jacqueline und ich sind in einem Lebensmittelladen. Über meiner Schulter hängt die strohgeflochtene Umhängetasche, die mir...
  18. Einzelhaft

    alltag 
    Der Song macht etwas mit mir. Ich klicke auf Repeat, schalte das Licht aus und tanze. Ein seltenes Gefühl des Glücks breitet sich in mir aus. Die Kopfhörer lassen keinen Ton nach außen dringen. Ich verliere mich in meiner eigenen Welt. Der Regen prasselt. Ich habe meinen Schirm vergessen. Meine...
  19. Stacheln

    Wenn ich meinen Vater beschreiben müsste, würde ich mit Äußerlichkeiten beginnen. Glatze, Tattoos, Bart. Muskulöse Arme und ein Bauch, die Arme hatte er von der Arbeit, den Bauch, weil er trank: Nach jeder Schicht, egal, ob früh oder spät, wenn er mir einen Kuss gab, roch es nach Bier, Bier mit...
  20. Novelle Hinter den Dingen

    Samstag, 30. Juli Ich blinkte, bog in die Auffahrt ein und fuhr durch den Schatten des Walnussbaums auf den sonnigen Hinterhof. Als Kind hatte ich hier mit meinen Freundinnen gespielt. Wäscheleinen, auf denen die Wäsche der Hausbewohner trocknete, waren zwischen Metallpfosten gespannt. Nach der...

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