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"What Is Living and What Is Dead in Social Democracy?" nennt Tony Judd einen Artikel in der New York Review of Books vom 17. Dez. 2009. Der Titel trifft den Inhalt. In den Blättern für deutsche und internationale Politik ist nun eine Übersetzung erschienen, die allein schon wegen des weltliterarischen Bezuges zitierenswert ist:
»Nehmen wir den "Personal Responsibility and Work Opportunity Act" von 1996, das US-Gesetz über "Persönliche Verantwortlichkeit und Beschäftigungsschancen" (ein Name, dessen Nähe zu Orwell schwer zu überbieten sein dürfte). Mit diesem Gesetz aus der Clinton-Zeit sollte der Sozialstaat in den USA ausgeweidet werden. Seine Sprache erinnert an ein anderes Gesetz, das in England vor fast zwei Jahrhunderten in Kraft trat: das New Poor Law von 1834. Mit den Bestimmungen dieses "Neuen Armengesetzes" sind wir dank der Schilderungen vertraut, die Charles Dickens im "Oliver Twist" von seiner Wirkungsweise gab. Wenn da ein gewisser Noah Claypole in einerberühmten Szene den kleinen Oliver verächtlich "Work'us" nennt (a "Workhouse", Arbeitshaus), so entspricht dies unter den Verhältnissen von 1838 genau dem, was heute in herabsetzenden Bezeichnungen wie "welfare queens" oder "Sozialschmarotzer" mitschwingt.«
Tony Judt, Sozialdemokratie der Angst. Was lebt und was ist tot an der sozialen Demokratie?, Bl. F. dt. u. internationale Politik 5/10, S. 41 ff., hier S. 46 f.