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Ich darf das!

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08.01.2002
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Ich darf das!

„Du musst mir unbedingt beibringen, wie man das mit dem Ersteigern genau macht“, sagte er und während sie nickte, hatte sie seinen Wunsch schon wieder vergessen.
Aber er ließ nicht locker, erinnerte immer mal wieder daran und irgendwann stand er vor ihrem Schreibtisch:
„Du wolltest mir das mit dem Ersteigern doch erklären, hast du jetzt Zeit?“
Klar hätte sie ihm vorflunkern können, just etwas Dringendes erledigen zu müssen. Aber wenn ihr Vater sich einmal in etwas verbissen hatte, hätte es ihr auf Dauer nichts genützt.
Wie damals, wenn sie erst vom Esstisch wieder fortkam, nachdem sie auf seine Fragen zur Fotosynthese der Pflanzen korrekt geantwortet hatte oder als 10-Jährige den Unterschied zwischen Kohlenmon- und dioxid erklären musste.
Sie zeigte ihm das Ersteigern im Internet. Er stellte ein, zwei Verständnisfragen, die ihr signalisierten, dass er es verstanden hatte und danach belagerte er sie nicht mehr.

Obendrein wird er sowieso nichts ersteigern. Was auch? Was konnte ein gut betuchter 87-Jähriger denn noch gebrauchen, was er nicht bereits schon besaß? Er war längst in dem Alter, in welchem man sich von etlichem unnützen Kram trennte, aufräumte, verschenkte, wegwarf, begriff, wie überflüssig Vieles war.

Ein paar Tage nach ihrer kleinen Internet-Einweisung fuhr der erste Paketwagen vor. Vom Parterrefenster ihres Büros hatte sie freien Blick auf die Straße und als der Paketbote zielstrebig den Eingang des Hauses ansteuerte, erhob sie sich, um ihm zu öffnen. Das Paket konnte selbstverständlich nur für sie sein, denn ihre im 1. Stock wohnenden Eltern hatten in den zurückliegenden Jahren nie etwas bestellt.

Obendrein hatten sie ja noch nicht einmal eine funktionierende Klingel.
Als sie das Paket sah, stutzte sie. Der Verpackung nach zu urteilen, war es ein Bild oder Gemälde, und sie hatte keins bestellt.

„Ist da grad was für mich abgegeben worden?“, hörte sie ihren Vater, der oben auf dem Treppenabsatz stand und mit langsamen Schritten die Stufen herunter kam.
Sie las die Anschrift.
„Ja!“
„Das ist ein Gemälde, das hab ich ersteigert“, verkündete er stolz.
„Dann gratuliere ich zur ersten Auktion.“
„Da wird in den nächsten Tagen mehr kommen.“
„Dann solltest du die stillgelegte Klingel wieder aktivieren, denn ich bin ja nicht immer hier. Ich verstehe eh nicht, wieso du sie ausgeschaltet hast.“
„Die will ich nicht. Die stand ständig unter Strom, die reinste Verschwendung.“
Es dauerte ein paar Monate, bis er eine eher provisorische Klingel, als kleiner an die Hauswand geklebter Knopf, installiert hatte. Bis dahin verbrachten die meisten der Pakete Stunden im Vorgarten.
Der Paketwagen fuhr seit der ersten Ersteigerung durchschnittlich dreimal die Woche vor. Anhand der Verpackungen erkannte sie, dass ihr Vater wieder ein Gemälde ersteigert hatte.
„Was willst du mit denen? Ihr habt da oben gar nicht den Platz, alle aufzuhängen.“
„Das frag ich ihn auch immer“, kam ihre Mutter der Antwort des Vaters zuvor, „ich will die nicht an den Wänden haben und mir Ungeziefer in die Wohnung holen, außerdem stinken sie.“
„Ich darf machen, was ich will.“

Die Gemäldephase, in der ihr Vater circa sechzig Stücke erstand, erstreckte sich über ein paar Monate.
Dann begann die Steinphase.
Angefangen von kleinen Halbedelsteinen für seine Sammlung, über größere Bergkristalle und Drusen, gipfelte seine Ersteigerungslust in einem medizinballgroßen, irrsinnig schweren Meteoriten aus den USA.
„Dort sind die längst nicht so teuer wie hier“, erläuterte er, „ich hab den sehr günstig ersteigern können.“
Ihre Fragen, was er mit all diesen Sachen wolle, hatte sie längst eingestellt.
Die Mutter gab jedoch nicht klein bei und es kam immer öfter zu so lauten Auseinandersetzungen, dass sie jedes Wort ihrer Eltern hörte.

Während der Steinphase verdoppelten sich die Paketlieferungen. Ihr schien, es wurde nun völlig wahllos gekauft, freiflottierend irgendetwas bestellt oder ersteigert. Mal war es eine Schultafel, dann Plüschtiere, die er vergeblich versuchte, den Nachbarskindern zu schenken, mal waren es Buntstifte und Malkreiden, die ebenfalls keiner haben wollte.

Und dann kamen die größeren, schweren Pakete mit chinesischen Schriftzügen.
„Das sind Taschenlampen“, erklärte ihr Vater, „die will ich noch umbauen, dann sind sie technisch noch besser. Es kommen noch Pakete mit Umrüstteilen.“
„Ziemlich groß, das Paket, wie viele Taschenlampen sind denn da drin?“
„500.“
„Wozu so viele?“
„Muss ich noch überlegen, vielleicht verschenken.“
Es gab mit Mühe fünfzig Personen, denen er etwas hätte schenken können, aber niemanden, der keine Taschenlampe besaß.

„Kannst du mal raufkommen?“, bat die Mutter sie eines Tages, „das musst du dir unbedingt ansehen.“
Sie betrat die elterliche Wohnung mit mulmigem Gefühl. Bereits im Flur versperrten große Pappkartons den Weg. Sie blickte sich in der ehemals geräumigen Wohnküche um.
Der Esstisch war übersät mit teils auseinandergenommenen Taschenlampen und unzähligem anderen Elektronikzeugs. Unter dem Tisch haufenweise Tüten und Taschen. Bis auf zwei Stühle war alles belegt.
Überall stapelten sich Kartons. Nur die Couch war noch frei geblieben.
Ihre Mutter, die ihren prüfenden Blick erfasst hatte, sagte:
„Da macht er seinen Mittagsschlaf, deswegen liegt da nix rum. Aber komm mal mit in sein Zimmer.“
Umgeben von Kartontürmen saß ihr Vater auf einem wackeligen Hocker vor einem riesigen Fernseher.
„Was du hier veranstaltest, das ist nicht mehr normal“, sagte die Mutter.
„Was soll das? Du machst jetzt Stunk. Ich will nicht, dass du so über mich redest!“
„Schau dir das an! Da ist nur noch Platz für den Hocker. So weit ist es hier schon gekommen.“
Der Anblick des vollgestellten Zimmers verblüffte sie. Da mussten deutlich mehr Pakete angeliefert worden sein, als sie im Laufe der letzten Monate mitbekommen hatte.
„Was sagst du denn dazu?“, sagte die Mutter, „das kann doch so nicht bleiben!“
„Du hast hier gar nichts zu sagen“, sagte der Vater und es war nicht klar, ob er sie oder seine Ehefrau meinte.
„Ich guck Fernsehen. Ich will nicht gestört werden! Und ich möchte nicht, dass ihr über mich redet.“
Sie gingen in die Wohnküche zurück und setzten sich.
„Der ist verrückt! Das muss aufhören! Kannst du da nicht was machen?“
„Und was?“, fragte sie, „wie soll ich ihm das denn verbieten? Er hört doch auf niemanden.“
Die Mutter schwieg, Tränen stiegen ihr in die Augen.

„Hast du eine Ahnung, was er mit den fünfhundert Taschenlampen will?“
„Fünfhundert?“, lachte ihre Mutter bitter. „Es sind zweitausend. Die will er alle umrüsten und verschenken. Schau dir das Chaos hier an.“
„Wem will er die denn schenken, so viele Leute kennt er doch gar nicht.“
„Wem? Wir waren letztens bei der Weihnachtsfeier der Pensionäre, da konnte ich das miterleben. Er ging von Tisch zu Tisch mit seinem Beutel voller Taschenlampen und verteilte sie, als sei er der Nikolaus persönlich. An wildfremde Leute!“
„Und wie haben die reagiert?“
„Erst haben sie versucht, ihn abzuwimmeln. Aber du kennst ihn ja. Am Ende haben sie alle ein paar mehr genommen und über ihn gegrinst. Da geh ich mit ihm nie wieder hin.“
Ratlos und bedrückt verließ sie die elterliche Wohnung.

In der Nacht suchte sie ein Albtraum heim. Sie hetzte durch Schluchten von übermannshohen Kartons und wie in einem Irrgarten fand sie den Ausgang ins Freie nicht mehr. Kartontürme brachen krachend hinter ihr zusammen, die Gänge wurden immer enger und sie musste die Wände mit aller Kraft auseinanderdrücken, um durchzukommen. Ihre Atemnot steigerte sich in Panik. Sie erwachte mit Pappegeschmack im Mund.

„Jetzt hat ihn der Zoll am Wickel“, sagte die Mutter schadenfroh.
„Die sind davon überzeugt, dass er ein Gewerbe betreibt mit den zweitausend Taschenlampen und wollen Zoll von ihm. Geschieht ihm ganz recht.“
„Vielleicht hört er nun auf“, sagte sie und ihre Mutter verdrehte die Augen.

Die Paketwagen fuhren munter weiter vor.

„Gestern Nacht ist er von der Polizei nach Hause gebracht worden. Die haben ihn bei den Obdachlosen aufgegriffen und wollten nicht glauben, dass ihm die ganzen Taschenlampen gehören.“
„Wollte er die den Obdachlosen schenken?“
„Das vermute ich. Mir sagt er ja nie, was er vorhat.“

Tage später fiel ihr auf, dass etwas anders war als sonst. Zuerst erkannte sie nicht, was es war: Es hielt kein Paketwagen mehr vor dem Haus.
„Hast du mit dem Ersteigern aufgehört?“
„Bin letztens betrogen worden, hatte vorweg bezahlt und dann hat man mir die Ware nicht geschickt. Und der Anwalt hat gemeint, das sei ein Fakeverkauf gewesen. Er kann da nichts machen.“
„Und deswegen ersteigerst du nichts mehr“, resümierte sie.
„Wenn ich nicht erkenne, wer Betrüger ist und wer nicht, macht es keinen Sinn.“
„Da geb ich dir Recht“, freute sie sich.

„Komm mal mit in den Keller“, forderte die Mutter sie auf, „ich muss dir was zeigen.“
Mit Unbehagen folgte sie ihr die Kellertreppe hinunter, wo sich bis an die Decke Gebinde an Gemüse-, Würstchen- und Keksdosen, Kirschgläsern, Nudelpaketen, Unmengen von H-Milch-Tüten, Wasser- und Saftflaschen stapelten.
„Das ist ja ein ganzes Warenlager. Seid ihr unter die Prepper gegangen?“
„Keine Ahnung, was das ist, nun kauft er Sonderangebote wie ein Besengter. Und immer in großen Mengen. Hier ist schon kein Platz mehr.“
„Ich dachte, er hat mit dem Kaufen aufgehört“, sagte sie enttäuscht.
„Der? Der ist wie von der Leine gelassen. Der wird damit nie aufhören. Immer, wenn die Prospekte von den Supermärkten kommen, wird mir schon ganz anders.“
„Ich sag der Postbotin Bescheid, dann bekommt ihr keine Werbung mehr.“
Die Mutter schaute skeptisch.

„Ich brauche deine Hilfe“, sagte ihr Vater, „hab im Internet entdeckt, dass grad Glühwein im Angebot ist für 1,99 Euro. Fährst du mich zum Supermarkt, ich will die Flaschen nicht alle selbst tragen.“

Entgeistert schaute sie ihn an.
„Ihr beide trinkt doch gar keinen Wein.“
„Wenn ich dich mal ausnahmsweise um etwas bitte, dann hast du nicht mit mir darüber zu diskutieren.“
Seufzend erhob sie sich und fuhr mit ihm zum Supermarkt.
„Ich warte im Auto."
Nach einer Dreiviertelstunde klopfte es an die Scheibe.
„Machst du mal den Kofferraum auf?“
Sie stieg aus und musste sich am Wagen festhalten.
Vor ihr standen acht Einkaufswagen je bis zur Kante mit Glühweinflaschen gefüllt.
„Hat ein bisschen länger gedauert, die mussten erst noch mit dem Gabelstapler eine Palette aus dem Lager holen. Ach, und wenn der Platz im Kofferraum nicht reicht, packen wir die Flaschen auf die Sitze und falls wir den Beifahrersitz brauchen, gehst du einfach zu Fuß nach Hause.“
„Du willst dann fahren? Du hast doch im Frühjahr deinen Führerschein abgegeben.“
„Na und?“, trotzig zog er die Achseln hoch, „das Autofahren verlernt man nicht.“

Und so war es.

 

Auf jeden Fall ist sie nicht gänzlich misslungen.
Hi Lakita, das ist aber nicht korrekt zitiert; ich schrieb, sie ist auch in dieser Form (schon) gelungen ;) -- 'nicht gänzlich misslungen' wäre eine andere Aussage ...

Gruß von Flac

 

Moin,

ich finde den Text gut, wie er ist. Ich würde ihn vermutlich noch etwas verknappen, eher die Handlungen sprechen lassen, weniger Begleitendes. Ich denke, was mir ein wenig fehlt ist die unerhörte Begebenheit. Hier bietet sich ja das Potential, auch etwas im Dreck zu wühlen; warum kauft er nicht hunderte von Gummipuppen, die er dann eventuell alleinstehenden Witwern vermacht? Er sieht das als vollkommen harmlos an, aber wie sieht das sein Umfeld? Bei so angelegten Texten denke ich, muss ein Brecher kommen, etwas was wirklich außerhalb der Gewohnheit liegt. Es gibt einen Film, ich glaube ein englischer, wo es um eine ältere Frau geht, die Geld braucht um ihren krebserkrankten Enkel zu helfen, und in einer schäbigen Absteige/Nachtclub/Puff gibt sie dann gegen Geld Handjobs, aber sie bleibt dabei unerkannt. Irina Palm! Das ist ein tragisches und bizarres Setting, was aber mit viel Humor aufgelöst wird, dieser Humor entsteht durch und in der Situation, und es ist natürlich nicht das Gleiche wie hier in deinem Text, aber es ist vielleicht eine Situation, die man mit ähnlichen Mitteln auflösen kann; absurd, grotesk, aber mit einer dafür größeren Fallhöhe. Hier ist es doch so, dass niemand wirklich etwas riskiert; ja, die Wohnung wird zugemüllt etc, der Vater ist ein Arschloch, unfähig zur Kommunikation, seine Frau erträgt das alles: aber es geht um nichts Essentielles. Die Tochter könnten denken: der haut mein Erbe auf den Kopf! Oder er tut tatsächlich etwas Illegales, bewußt oder unbewußt. Warum tut er überhaupt, was er tut? Da ist auch noch Raum für einen psychologischen Unterbau, fehlt ihm etwas, hat er etwas zu viel, warum, und warum gerade jetzt? Das sind natürlich nur Fragestellungen, die mich persönlich umtreiben, aber ich denke, dies alles ist im Text so schon angelegt, da liegt noch Potential brach. Sind so meine ersten Gedanken.


Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

„Ich darf machen, was ich will.“
...
„Wenn ich dich mal ausnahmsweise um etwas bitte, dann hast du nicht mit mir darüber zu diskutieren.“

Fröhlich ist das Familienleben und stell Dear mal vor,

liebe @lakita,

Altvordere von wem auch immer könnten dessen eigenen Wünschen angepasst oder auch nur „ersteigert“ werden (gilt selbstverständlich umgekehrt auch für potentielle Plagen), Familiengeschichten verliefen unwesentlich anders, als ohne Ersteigerung und das nicht nur wegen eines ungezählt vertretenen und nur unter Zwang zu beendenden

Ich darf das!
Auf wessen Seite auch immer (wobei Altvordere definitionsgemäß den zeitlichen Vorsprung genießen). Aber das besondere hier ist, dass ein Altvorderer was von einem Nachkommen erklären lassen will ...
„Du wolltest mir das mit dem Ersteigern doch erklären, hast du jetzt Zeit?“

Obendrein würde er sowieso nichts ersteigern.
Warum Konjunktiv bei einem mutmaßlich sicheren Ereignis?

Was konnte ein gut betuchter 87-Jähriger denn noch gebrauchen, was er nicht bereits schon besaß?

„Das ist ein Gemälde, das hab ich ersteigert“, verkündete er stolz.
„Dann gratuliere ich zur ersten Aktion.“
Wortspiel zur „Auktion“?

„Was willst du mit denen? Ihr habt da oben gar nicht den Platz, die alle aufzuhängen.“
Ja, so spricht man, aber es geht auch ohne „die“

Ihre Mutter schwieg, Tränen stiegen ihr in die Augen.
...
„Hast du eine Ahnung, was er mit den fünfhundert Taschenlampen will?“
„Fünfhundert?“, lachte ihre Mutter bitter.

Spricht aus der Flut an Possessivpronomen Verlustangst?,

fragt "sich" der Friedel ...

der die Unterstreichung zu ignorieren rät ...

 

Hallo @lakita ,
lustige Geschichte finde ich. Auf die Ursachen der Kaufsucht des Vaters wird zu wenig eingegangen, oder ich habe das überlesen. Vielleicht will er dadurch noch ein Mal jung sein. Die Anhäufung von Dingen schützt ihn vor der feindlichen Umwelt. Oder er kann nichts mehr unternehmen und sucht das so auszugleichen.
Die blöde Kauferei ist wohl seine Methode auszubrechen. Sein Lebtag war er immer rational, jetzt will er auch Mal Blödsinn machen.
Das mit der Kaufsucht ist ein ernstes Problem. Bekommt der ältere Herr denn nicht mal Geldsorgen?
Ich habe dabei gelacht, als ich gelesen habe, dass er im Supermarkt sogar noch die Lagerbestände aufgekauft hat.
Gruß Frieda

 

Lieber @jimmysalaryman ,

danke für dein Feedback und deine Gedanken dazu.

ich finde den Text gut, wie er ist.
Das freut mich sehr.
Ich denke, was mir ein wenig fehlt ist die unerhörte Begebenheit. Hier bietet sich ja das Potential, auch etwas im Dreck zu wühlen; warum kauft er nicht hunderte von Gummipuppen, die er dann eventuell alleinstehenden Witwern vermacht? Er sieht das als vollkommen harmlos an, aber wie sieht das sein Umfeld? Bei so angelegten Texten denke ich, muss ein Brecher kommen, etwas was wirklich außerhalb der Gewohnheit liegt.
Das verstehe ich gut. Oft geht es mir genauso, dass ich mir in Geschichten zusätzliche Sachverhalte, Vertiefungen, Erweiterungen, Zuspitzungen wünsche. Ich habe den Eindruck, dass jeder Kritiker darunter etwas anderes versteht.
Für den einen wäre diese wirklich pfiffig provokante Gummipuppen-Idee genau das Richtige, der nächste findet die Idee gut, wenn Mutter und Tochter ausziehen müssen, weil der Vater weiter das Haus zumüllt, der nächste fühlt sich beglückt, weil der Vater nachts 10 Rasenmäherroboter die Straße rauf- und runterfahren lässt oder beginnt im Vorgarten eine Suppenküche zu errichten und nur, wer eine Taschenlampe nimmt, bekommt einen Teller Erbsensuppe.
Ich werde es kaum jedem Recht machen können.
. Es gibt einen Film, ich glaube ein englischer, wo es um eine ältere Frau geht, die Geld braucht um ihren krebserkrankten Enkel zu helfen, und in einer schäbigen Absteige/Nachtclub/Puff gibt sie dann gegen Geld Handjobs, aber sie bleibt dabei unerkannt. Irina Palm! Das ist ein tragisches und bizarres Setting, was aber mit viel Humor aufgelöst wird, dieser Humor entsteht durch und in der Situation, und es ist natürlich nicht das Gleiche wie hier in deinem Text, aber es ist vielleicht eine Situation, die man mit ähnlichen Mitteln auflösen kann; absurd, grotesk, aber mit einer dafür größeren Fallhöhe.
Den Film "Irina Palm" kenne und schätze ich sehr. Er wird einerseits von der überzeugend spielenden Marianne Faithful (die mal mit Mick Jagger liiert war) getragen und dem ungewöhnlichen Plot, dass eine ganz normale ältere Frau, die nicht aus dem Milieu stammt, schnell Geld benötigt, das sie nur auf diese Weise bekommen kann. Der Film hat ziemlichen Nachhall und wenn ein Film so etwas hat, ist er meist (nicht immer) ein guter. Der dortige Humor, aber das bestätigst du ja selbst, ist ein deutlich anderer, diese Frau bewahrt in allen Situationen ihre Würde, das ist das Faszinierende an dem Plot. Eindeutig ein Plot, der nichts zu wünschen übrig lässt. Danke für diese schöne Gedankenanregung mit diesem Film. Ich verstehe sofort, was du meinst.
Warum tut er überhaupt, was er tut? Da ist auch noch Raum für einen psychologischen Unterbau, fehlt ihm etwas, hat er etwas zu viel, warum, und warum gerade jetzt? Das sind natürlich nur Fragestellungen, die mich persönlich umtreiben, aber ich denke, dies alles ist im Text so schon angelegt, da liegt noch Potential brach.
Ich freue mich, miterleben zu können, dass diese kleine Geschichte so viele unterschiedliche Gedanken und Fragen auslöst. Das ist gut, weil ich nichts schlimmer finde als einen Text, bei dem man nach dem Lesen die Achseln hochzieht, so what sagt und sich die nächste Geschichte reinzieht.
Dass diese Geschichte keine abschließenden Antworten auf all die Fragen, die auftauchen gibt, finde ich nicht nachteilig. Denn das ist ein gewisser Bezug zur Realität. In der würde man auch nicht sofort die Antworten finden, würde sich auch lauter Fragen stellen, was da die Ursache sein könnte, ob es bestimmte Auslöser gab, ob es eine Erkrankung ist oder einfach nur ein schräger Charakter, wobei ich da schon selbst in meine eigene Falle tappe, denn sobald man anfängt, eingrenzen zu wollen, was dahinter steckt, verläuft man sich.

Daher schreibe ich einfach nur ein großes Dankeschön für deine guten Gedanken und Anregungen.

Lieben Gruß

lakita


Lieber @Friedrichard,

lieben Dank für das konsequente Durchlesen und Fehler rauspicken.
Da der Text keine Überlänge hat, sind es auch zum Glück nicht so viele und du kannst dir sicher sein, ich werde sie alle bearbeiten.

Warum Konjunktiv bei einem mutmaßlich sicheren Ereignis?
Ändere ich in "wird". Keine Ahnung, wieso ich würde genommen hatte, vielleicht, weil ich selbst so umständlich rede?
Wortspiel zur „Auktion“?
Prima Idee, denn das Wort Aktion ist nicht so attraktiv, finde ich.
Spricht aus der Flut an Possessivpronomen Verlustangst?, fragt "sich" der Friedel ... der die Unterstreichung zu ignorieren rät ...
Haha ... ironische Frage. Vom Bauchgefühl her ist "die" Mutter etwas unpersönlich, aber ich werde über den Text gehen und es verändern.

Nochmals lieben Dank für deine Hilfe, ich weiß das immer sehr zu schätzen.

Lieben Gruß

lakita


Hallo @Frieda Kreuz,

ha, du kommst mir zuvor. Ich wollte heute Abend eigentlich deine Geschichte lesen und dir ein Feedback geben, bin aber davon abgekommen. Nun bist du diejenige, die sich zuerst meldet.
Danke für deine Gedanken und dein Feedback.

lustige Geschichte finde ich.
Das freut mich.
Auf die Ursachen der Kaufsucht des Vaters wird zu wenig eingegangen, oder ich habe das überlesen.
Du hast nichts überlesen. Aber mal ehrlich: Weiß man immer, wieso jemand kaufsüchtig wird? Ich bin psychologisch nicht gebildet und wage da auch keine Diagnose, denn ich glaube auch, dass es so viele individuelle Gründe geben kann, wie es Menschen gibt.

Es ist ja nicht so, dass man sagen kann, der Alte hat den 2. Weltkrieg und die Hungerjahre miterlebt, nun gönnt er sich exzessiv was. Das ist doch viel zu kurz gegriffen, weil, wenn es so wäre, müssten alle 87jährigen kaufsüchtig sein. Ich verstehe aber, dass du gerne eine klare Antwort hättest.
Ich hoffe, ich habe den Alten so angelegt, dass man ihm alles andichten kann als Ursache für sein Verhalten. Vielleicht hat er einfach nur den Kick hundertfach ausgenutzt, den man hat, wenn man was ersteigert? Vielleicht ist das Anhäufen von vielen Gegenständen ein beruhigendes Gefühl für ihn? Vielleicht ist er nicht in der Lage, sich zu entziehen, wenn ihm etwas besonders preiswert erscheint, siehe den Meteoriten oder den Glühwein? Vielleicht ist er auch schlicht psychisch erkrankt, es könnte alles Mögliche sein und nichts wäre falsch.


Lieben Gruß

lakita

 

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