Warum seid Ihr alle so pessimistisch?
Durch Zufall gelangte ich auf diese Seite und habe erst zu spät gemerkt, dass es eigentlich eine relativ "jugendliche" Website ist - die aber wirklich sehr gut gemacht ist. Das sollte man ruhig einmal sagen und den Betreibern bzw. Initiatoren ein ganz großes Kompliment!
Lange habe ich mir überlegt, ob ich mich in diese Diskussion einmischen bzw. diesen Beitrag schreiben soll - ich tu es letztlich doch, weil ich denke, dass einige von Euch eine etwas falsche Vorstellung vom "Autorendasein" haben.
Und auch das: Ich habe mir die Seite gründlich angesehen und dabei sehr, sehr viele und gute und sogar erstklassige Geschichten und Beiträge gefunden, vor denen man nur noch den Hut ziehen kann (immer nur soweit ich das beurteilen kann). Was mich jedoch abschreckt, ist die Tatsache, dass Ihr fast alle – durch die Bank – eine relativ pessimistische Einstellung habt.
Nun – ich bin schätzungsweise „ein paar“ Jahre älter als ihr, habe fünf Bücher geschrieben, etliche Theaterstücke, zwei meiner Bücher wurden sogar Bestseller im Humorbereich, ich bin publizierender Journalist in führender Position bei einer großen Computerzeitung (Vogel Verlag Würzburg) und ich sage das nicht aus Angabe oder gar Profilierungssucht, sondern um damit anzudeuten, dass ich genügend Erfahrung habe – ich lebe vom Schreiben. Ich erhebe auch ganz sicher nicht den Anspruch darauf, „der Nabel der Welt“ zu sein – aber vielleicht sind meine Tipps es dem einen oder anderen von Euch wert, darüber nachzudenken. Und wenn ich nur einem von Euch damit helfen kann, dann bin schon zufrieden...
Ich will hier einmal eine Reihe von Fragen aufwerfen, die ich dann nacheinander beantworten möchte – so gut ich es aufgrund meiner langjährigen Erfahrung kann, zumindest.
Die erste Frage, die sich zuerst einmal stellt, ist die: Was bedeutet schriftstellerischer Erfolg und wie kommt man dazu?
Zweitens: Welche Voraussetzungen muss ein Autor „mitbringen“?
Drittens: Wo ist die Zielgruppe?
Viertens: Kann man davon leben?
Fünftens: Wie ist das mit den Verlagen?
Und sechstens: Was tut man, wenn man plötzlich Erfolg hat?
Hier die Antworten, die - und das möchte ich betonen – einzig und allein meine eigenen Erfahrungen widerspiegeln:
Zu 1) Von schriftstellerischem Erfolg kann man dann reden, wenn möglichst viele Leute das lesen, was man geschrieben hat, davon begeistert sind und wenn man als Autor die Fähigkeit hat, etwas im Leser „zum Klingen zu bringen“. Das kann nun sein, dass man seine Lachmuskeln reizt, aber auch, dass man in der Lage ist, ihn anderweitig gefühlsmäßig anzusprechen. Die Palette ist hier sehr breit gefächert. Der Leser sollte das Gefühl bekommen, man hat ihn „allein“ angesprochen. Erfolg geht also meistens über das Gefühl und selten über den Verstand.
Zu 2) Man sollte sich darüber klar sein, dass das Leben eines Autors grundsätzlich hart ist – nicht nur dann, wenn es sich um einen „armen Poeten“ handelt, (dann hat er finanzielle Probleme und nagt am Hungertuch) sondern auch, wenn er mit seiner Schreibe Erfolg hat, denn gerade dann ist er ständig Kritiken ausgesetzt – egal ob negativ oder positiv. Er braucht das nötige Nervenkostüm, um damit umgehen zu können. Man sollte sich ob einer schlechten Kritik nicht sofort totärgern, auch wenn sie unsachlich oder persönlich daherkommt (die Geschmäcker sind nun mal verschieden), man sollte bei einer positiven Kritik wiederum nicht sofort „abheben“, denn selbst ein Kritiker urteilt nie objektiv, sondern kann ein Werk immer nur aus seiner Sicht heraus beurteilen. Hier auf dieser Site kritisiert Ihr Euch nur gegenseitig, doch tut das erst einmal die Presse, sieht die Sache schon ganz anders aus – wobei man dazu aber sagen muss: Besser eine schlechte Kritik als gar keine, denn man ist dann zumindest im Gespräch – und Bücher werden bekanntlich auch gekauft, wenn die Kritik „schlecht“ ist.
Es kann – im Erfolgsfall – durchaus passieren, dass man vonseiten des Verlags unter Druck gesetzt wird, denn merkt ein Verlag, dass der Autor zufällig den Publikumsgeschmack getroffen hat (und das ist Glücksache und hängt auch von der Zeitqualität und einigen anderen Faktoren ab), dann hätten die gerne weiteres „Futter“, denn ein Verlag ist ein Geschäftsbetrieb, der Gewinne machen möchte – und bei vielen Verlagen ist das heute (leider) keine Frage der Qualität mehr, sondern eine Frage der Masse. So wird die Kür schnell zur Pflicht, doch das Projektil kommt zurück: Der Leser merkt es – zumindest unbewußt – und somit wird die schriftstellerische Kunst (was sie letztlich ist und auch sein sollte) schnell zum Kommerz degradiert. Ich sage es einmal ganz drastisch: Es ist wie in der Film- oder Musikindustrie auch: Der Autor wird „ausgesaugt“ oder „verheizt“. Wiegesagt: Kann sein, muss aber nicht...
Dass ein Autor das nötige handwerkliche Rüstzeug haben sollte, will ich gar nicht groß erwähnen – viel wichtiger sind gute Ideen – ein Autor muss ständig auf der Suche nach Ideen sein, denn sie stellen die eigentliche Triebfeder des Schreibens dar. Doch leider liegen die auch nicht auf der Straße herum – ergo: Er braucht einen offenen Blick, auch für Details, für Verhaltensweisen und für das, was um ihn herum vorgeht. Doch zum Trost sei gesagt: Das Leben selbst schreibt schon eine Menge guter Geschichten, die man mit Phantasie (ganz wichtig!) super-toll ausbauen kann, nicht wahr?
Man sollte sich spezialisieren. Wenn man beispielsweise Humor oder gut gemachten Blödsinn schreiben kann, bedeutet das nicht automatisch, das man auch in der Lage ist, ein Drama zu schreiben. Lieber ist man also in einem Bereich gut, baut den entsprechend aus und verzettelt sich nicht. Hier sollte man sich überlegen, was den eigenen Neigungen entspricht und nach dem Motto handeln: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Merkt man, dass man es nicht mehr kann, oder so kann, dass es den Leuten gefällt, dann sollte man aufhören (ich schreibe zum Beispiel nie mehr Kurzgeschichten ;-) )
Jeder von Euch kennt es und ich denke, alle, die wir schreiben, sitzen im gleichen Boot: Man hat eine Idee, fängt begeistert zu schreiben an, es geht locker von der Hand, es „sprudelt“. Doch nach einiger Zeit merkt man, dass es in Arbeit ausartet. Bei einer KG noch nicht das große Problem vielleicht – doch was ist mit einem ganzen Buch? Hier kommt das ins Spiel, was ich unter „Bezwingung des inneren Schweinehunds“ verstehe. Durchhaltevermögen ist angesagt. Im normalen Arbeitsleben als Angestellter beispielsweise gibt es einen Boss, der antreibt und darauf besteht, dass eine Arbeit erledigt wird – als Autor ist man frei, sich selbst verantwortlich und muss in der Lage sein, sich selbst anzutreiben – (manchmal macht es auch der Verlag, wenn beispielsweise das Buchcover schon im Katalog abgebildet ist und der Erscheinungstermin feststeht...hihi), aber das ist eher nicht der Fall. Dazu kommt, dass ein Autor nicht immer schreiben kann, weil er vielleicht gerade eine Schreibblockade hat, einfach nicht weiß, wie er an seinem Manuskript „weitermachen“ soll oder weil er schlichtweg einfach keinen Bock hat... Langer Rede kurzer Sinn: Man braucht sehr viel Selbstdisziplin.
Der eigene Stil ist ebenfalls maßgebend und den gilt es zu entwickeln. Es ist dabei völlig unsinnig, sich an „Vorbildern“ zu orientieren, wie ich meine. Die wirklich großen Schriftsteller und Autoren sind nicht deshalb groß geworden, weil sie irgend jemand kopiert haben, sondern ihren eigenen Stil hatten. Wie der aussieht, ist eigentlich meiner Ansicht nach völlig egal – aber er sollte einfach autoren-spezifisch sein, sollte beim Leser „ankommen“ und den sollte man gegen jede Kritik verteidigen! Man muss als Autor also auch noch mutig sein und zu dem stehen, was man produziert...
Es ist durchaus legal, wenn man zu einem der „ganz Großen“, sei es nun Stephen King oder Ephraim Kishon, Thomas Mann oder wen auch immer, ehrfurchtsvoll aufblickt. Doch zu sagen, „ich schaffe sowas nie“ ist hirnrissig, denn viele Autoren – gerade die jungen – wissen noch gar nicht, was alles in ihnen steckt! Und last but not least: Auch die Großen haben einmal klein angefangen, nachweislich Schrott produziert und viel Papier weggeschmissen...
Zu 3). Für wen schreibt Ihr? Für wen schreibe ich? Wir schreiben alle nur für unsere Leser! Der Leser ist es also, der im Vordergrund steht. Viele Autoren machen den Fehler und schwelgen in mehr oder weniger sinnreichen Wortspielen, „hören“ sich selbst gerne schreiben und wissen am Satzende nicht mehr, was sie am Satzanfang sagen wollten – und wundern sich dann, wenn sie nicht verstanden werden. Man sollte bedenken, dass der Mensch grundsätzlich faul ist – auch im Gehirn - und die Masse der Leser will letztlich unterhalten werden und kein pseudo-intellektuelles Gefasel lesen. Dazu kommt, dass nicht jeder Abitur hat oder gar ein Studium hinter sich, will sagen: Viele Menschen sind eben nicht intellektuell, sondern „durchschnittlich gebildet“ – und das ist auch heute immer noch die Mehrzahl bzw. die Masse. Fazit: Will ich als Autor Erfolg haben – und das bedeutet, ich will Bücher verkaufen, dann muss ich viele Leute ansprechen, also die Masse. Von einer normalen Taschenbuchauflage mit 30.000 Stück kann kein Autor leben, ist noch kein Autor reich geworden, damit kann er sich bestenfalls einen schönen Urlaub finanzieren und er hat vielleicht sein Ego befriedigt, schon mal veröffentlicht zu haben. Die Folgerung daraus: So schreiben, dass man verstanden wird, dass man den Leser unterhält – denn er ist es letztlich, der über die Höhe eines Autorenhonorars entscheidet, nicht der Verlag.
Zu 4). Diese Frage ist schnell beantwortet. Wie bereits erwähnt, kann man von einer Taschenbuchauflage (in der Regel so zwischen 7000 und 30000 Stück), kaum leben. Interessant werden erst Stückzahlen über 100.000 Stück, nach oben gibt es keine Grenze. Der Autor wird nämlich abhängig von den Stückzahlen bezahlt, er erhält normalerweise zwischen fünf und zwölf Prozent vom Ladenverkaufspreis abzüglich der gesetzlichen sieben Prozent Märchensteuer. Newcomer beginnen meist mit fünf oder sechs Prozent, was normalerweise akzeptiert wird, weil man sofort „ja und amen“ sagt. (Man fühlt sich ja zuerst mal als ganz toller Hecht, bricht in Jubelgeschrei aus – und wer sollte einem das auch verdenken...) Doch von einem Werk allein wird man auch noch nicht unbedingt reich. Beobachtet man den Buchmarkt, wird man feststellen, dass die meisten Autoren zwei, drei oder vier Bücher auf dem Markt haben – und auch das ist noch keine Garantie, um davon leben zu können.
Aber: Man sollte nicht vergessen, dass es auch eine sehr schöne Sache ist, wenn man mit seinem Hobby nebenbei etwas Geld verdienen kann. Viele Buchautoren haben ja ihren Hauptberuf und schreiben nebenbei – geht auch, macht Spaß und ist letztlich eine erstklassige Freizeitgestaltung.
Zu 5) Es gibt Verlage. Und es gibt Verlage. Die einen, die Euch das Geld aus der Tasche ziehen, weil sie einen Druckkostenzuschuss wollen. Ich meine: Finger weg davon! Ein Verlag, der an einem Manuskript wirklich interessiert ist, eine Marktchance sieht und vom Erfolg überzeugt ist, tut das nicht – im Gegenteil: Man bekommt ein sogenanntes „Garantiehonorar“, das auch im schlimmsten Fall, also auch dann, wenn das Werk floppen sollte, nicht mehr zurückgezahlt werden muss. Im Erfolgsfall wird es „ins Verdienen“ gebracht, was nichts anderes heißt, als dass es dann von den Tantiemen in Abzug gebracht wird.
Zudem weiß man bei einem kleinen Verlag nie, wie hoch die Auflage ist. Man bezahlt beispielsweise 10.000 € und dann wird das Buch aber nur in einer Kleinstauflage von 1000 Stück gedruckt, von diesen 1000 Stück vielleicht nur 100 verkauft – vollkommener Quatsch, denn ein Werk zu drucken, damit es gedruckt ist, und das dann nicht die ihm zustehende Verbreitung findet, ist absolut hirnrissig. Bei kleinen Verlagen hapert es meist am Vertrieb, es ist kein Außendienst vorhanden, der die Buchhandlungen betreut – und wenn ja, dann nur sehr ungenügend. Dazu kommt: Der Buchhandel ist verwöhnt, unterscheidet sehr genau, ob ein großer, bekannter Verlag anbietet oder einer, der nicht oder kaum bekannt ist. (Nischenverlage mal ausgenommen).
Ich meine: Wenn man als Autor überzeugt ist, dass man was Gutes im Rohr hat, dann sollte man sich nicht scheuen, einen großen Verlag anzugehen, selbst wenn der seine Stammautoren hat, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass auch Newcomers eine Chance gegeben wird, wenn sie etwas nicht Alltägliches haben. Ein Kriterium dabei ist aber auch: Das Werk sollte ins Verlagsprogramm passen – und das heißt, sich vorher schlau zu machen, worauf der Verlag den Fokus gesetzt hat.
Ich gebe aber auch zu: Es ist schwieriger geworden, ein Manuskript unterzubringen. Die Gründe dafür liegen einmal in der momentanen wirtschaftlichen Situation; auch den Buchverlagen geht es nicht mehr so gut wie früher. Neue Medien haben ebenfalls ihren Beitrag dazu geleistet, dass möglicherweise nicht mehr soviel gelesen wird. Auch die Anzahl der Autoren ist drastisch gestiegen. Die alten, etablierten Autoren sind noch im Geschäft, haben sich bewährt und sind für die Verlage weniger „risikoreich“. Bedenkt man, dass es allein in Deutschland jährlich 80.000 Neuerscheinungen gibt, ist es durchaus verständlich, wenn man als junger, angehender Autor mutlos wird. Doch gerade diese Tatsache sollte einem den Mut geben, sich zu sagen: Ich mache mal was ganz anderes...
Zu 6.) Tja – dann sollte man ihn demütig genießen – und bedenken: Erfolg ist ein gar flüchtig Ding... Das heißt im Klartext: Hat man einmal ein Werk veröffentlicht und damit Erfolg gehabt, ist noch lange nicht sicher, ob es beim nächsten genauso ist. Es ist wie an der Börse: Man kann einfach nicht vorausahnen, wie das Publikum – sprich: der Leser – morgen reagiert. Ist man in der glücklichen Lage, etwas mehr Geld damit verdienen zu können, sollte man es weise anlegen, man weiß nie, wie lange das Glück währt. Es ist oft so wie in der Musikbranche – es gibt „Superstars“ doch anderntags hat man sie vergessen und nur die wirklich Guten bleiben über Jahre oder gar Jahrzehnte oben.
Vielleicht noch eins: Auch im Erfolg sollte man daran denken, nicht abzuheben – denn man bleibt letztlich immer ein Mensch unter Menschen. Einen großen Eindruck hat eine Aussage von Ephraim Kishon bei mir hinterlassen, der mir anlässlich eines Radiointerviews im Bayerischen Rundfunk einmal sagte: „Wissen Sie, ich hab geschrieben 52 Bicher, ich habe verdient finfzig Millionen – aber ich immer werd bleiben Kishon...“
Ich meine, Chancen gibt es immer noch und junge Autoren sind die Bestsellerautoren von morgen – also: weniger Pessimismus, sondern Mut und frohes Schaffen!
Grüße Sprenzi