Geschrieben von chaosqueen
ich frage mich immer wieder, warum so viele Schauplätze unserer Geschichten irgendwo in Amerika liegen, warum immer mehr englische Namen auftauchen und warum das anscheinend keinen großartig stört.
Wieso sollte man sich daran stören? Wenn jemand seine Geschichte im Heimatland oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft spielen lässt – schön. Wenn sie woanders spielt – auch gut.
Ich schreibe im Grunde das, was ich gerne lesen würde. Mein Interesse liegt hauptsächlich im Bereich der Phantastik, und da bin ich natürlich von dem beeinflusst, was ich bisher gelesen habe. Das Allermeiste kommt nun mal aus dem angloamerikanischen Raum – das kann man jetzt gutheißen oder verteufeln, es ist schlicht und einfach so.
Dadurch müssen meine eigenen Geschichten nicht zwangsläufig alle in Amerika spielen (und spielen sie auch nicht), aber ich sehe nichts Verwerfliches darin, sie auch in Amerika spielen zu lassen.
Und es ist nicht nur in Deutschland, Österreich oder der Schweiz so, dass Autoren ihre Geschichten in Amerika spielen lassen, das erlebt man in Frankreich, Polen oder selbst Australien ebenso. Vielleicht liegt es daran, dass durch die Medien, durch Filme und Bücher die USA für uns eigentlich gar nicht so weit weg, sondern „fast um die Ecke“ liegen. Wenn man schon zig Filme über Amerika, amerikanische Familien, „Way of Life“ etc. gesehen hat, ist einem das Land bei weitem nicht so fremd wie vielleicht Norwegen, China oder Mexiko – oder Nordfriesland.
Außerdem gibt es einen nicht unerheblichen Grund dafür, eine Geschichte in Amerika oder England spielen zu lassen (wenn man darauf aus sein sollte, etwas zu veröffentlichen, und zwar nicht nur im Heimatland): Geschichten, die dort spielen, werden in der ganzen Welt gelesen, vor allem, wenn es um Unterhaltungsliteratur im weitesten Sinne geht (unabhängig davon, ob die Geschichte von einem amerikanischen, deutschen oder polnischen Autor stammt). Wenn eine Geschichte in Deutschland oder Polen usw. spielt, ist die Chance geringer, dass sich so ein Buch außerhalb des Heimatlandes des Autors verkauft.
Auf mich üben bestimmte Örtlichkeiten (z.B. in den USA oder Kanada) zudem einen gewissen Reiz aus – vor allem die, die ich schon besucht habe. Ich kann mir einfach gut (und bildlich) vorstellen, dass diese oder jene Geschichte dort spielt – oftmals kann ich mir das im Phantastikbereich bei deutschen Schauplätzen nicht.
Dass meine Lesegewohnheiten aufs Schreiben auch bei den Schauplätzen abfärben kann ich nicht leugnen. Vielleicht gibt es ja bald auch deutsche Pendants zu King, Barker, Crichton, Preston/Child usw., dann wird das im Lauf der Zeit möglicherweise etwas anders werden.
Wenn mir bei einer Geschichte vorschwebt, dass sie in Deutschland spielen könnte, dann wird sie das vielleicht auch. Allerdings werde ich mir jetzt sicherlich nicht krampfhaft Storyplots überlegen, für die mir als Schauplatz Deutschland geeignet erscheint.
Ist es wirklich so schwer, eine Geschichte, die auf Deutsch geschrieben wird, in Deutschland / Österreich / der Schweiz spielen zu lassen, also eben im Heimatland? Damit meine ich natürlich nicht Geschichten, in denen der Protagonist im Urlaub etc. in Amerika ist, sondern die ganz normalen Schauplätze.
Wieso soll sie denn im Heimatland spielen? Wenn ich eine Geschichte erfinde, sehe ich sie quasi wie einen Film vor mir. Wenn da im Hintergrund das Meer und die Golden Gate Bridge zu sehen ist und eine Szene in Chinatown spielt, dann ist der Schauplatz eben San Francisco und nicht Hamburg oder Berlin.
Bei Geschichten aus dem Alltagsbereich gebe ich dir aber Recht.
Wir lesen viele Bücher, die aus dem Amerikanischen übersetzt werden, aber müssen wir deshalb selber auch noch in dieser Manier schreiben? Können unsere Protagonisten nicht Anna, Axel und Klaus heißen, Herr Meier und Frau Müller? Dürfen sie nicht in Bönningstedt, Castrop-Rauxel oder Elend leben? Ja, es gibt wunderbare deutsche Namen, sowohl für Menschen als auch für Orte, benutzt sie!
Wir müssen nicht auch in dieser Manier schreiben, jedoch ist es auch nicht verboten. Und wieso soll eine Geschichte in Castrop-Rauxel spielen? Wenn es einen guten Grund dafür gibt – okay. Wenn einem an Castrop-Rauxel viel liegt – auch okay.
Mich persönlich reizt es nicht, über die Probleme eines Obdachlosen in München oder die Abenteuer eines Zeitungsausträgers in Üchtelstücht oder mysteriöse Vorgänge im Tierheim um die Ecke zu schreiben (wobei – bei Letzterem könnte man ja ...
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).
Jeder schreibt doch über das, was ihn interessiert. Und die Schauplätze orientieren sich daran.
Wenn z.B. Echnaton über die Antike schreibt, wählt er eben Schauplätze wie Rom oder Babylon, er wird seine Geschichte nicht in Nordsibirien oder Germanien spielen lassen, weil das für die Story ungeeignet ist.
Manche Geschichten spielen eben nicht in Deutschland. Wenn ich z.B. über einen indianischen Medizinmann schreiben will, muss die Geschichte halt zwangsläufig in Amerika spielen
Der positive Nebeneffekt ist, dass sich ein deutschsprachiger Leser mit einer Geschichte, in der Herr Karsten Riemenschmidt von Berlin nach Warnemünde fährt, viel besser identifizieren kann, er wird sich in die Geschichte besser eindenken können
Das sehe ich nicht so.
Die Aufgabe des Autors ist, so zu schreiben, dass sich der Leser mit dem Protagonisten identifizieren kann und dass er sich in die Geschichte hineindenken kann, egal ob sie in Castrop-Rauxel, New York, auf dem Mond oder in Mittelerde spielt. Das ist ja gerade die Kunst – die Geschichte für den Leser lebendig werden zu lassen.
Wenn das Interesse bei dem liegt, was einen direkt umgibt oder berührt, dann wird man darüber schreiben und einen heimischen Schauplatz wählen, wenn es um eine etwas „exotischere“ Handlung geht, dann wird sich der Schauplatz dem anpassen.
Wenn es einem befremdlich vorkommt (oder unrealistisch), einen Massenmörder in seiner näheren Umgebung agieren zu lassen, warum soll so eine Geschichte dann nicht in London oder New York spielen?
Es ist auf jeden Fall leichter, über Örtlichkeiten zu schreiben, die man kennt oder die man schon mal besucht hat. Muss aber nicht zwangsläufig so sein. Durch gute Recherche lässt sich das wettmachen, und oftmals ist eine genaue Beschreibung der Örtlichkeiten gar nicht notwendig.
Den Untergang der eigenen Kultur sehe ich nicht, wenn Geschichten oder Romane nicht im Heimatland des Autors spielen. Und ein bisschen in fremde Kulturen hineinzuschnuppern hat noch keinem geschadet. Das kann auch bereichern.