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Genre: gesellschaft

  1. Ein Riesenhunger

    Ausgemergelt in seinem schmutzigen weißen Anzug, begleitet von einem beißenden Gestank und besessen von einem Riesenhunger, durchwühlte er die Ascheimer der Innenstadt und trieb sich länger als sonst in den Wirtshäusern herum. Die Passanten machten einen Bogen um ihn. Niemand wollte sich mit ihm...
  2. Eigengrau

    »Die älteste und stärkste Emotion des Menschen ist Angst, und die älteste und stärkste Form der Angst ist die Angst vor dem Unbekannten.« — H. P. Lovecraft # Nachts liege ich wach und starre in die Leere, die nie ganz schwarz, sondern anthrazit ist, obwohl ein Rollladen das Straßenlicht...
  3. Das, was uns am Leben hält

    Meine Freundin liegt regungslos im Bett, die schwarze Schlafmaske wie die Augen eines Insekts. Ich öffne die Box mit den Blutzuckermessstreifen. Die Sonne strahlt durchs Fenster. Glänzender Schweiß in meinen Handflächen, die Linien darin wie eine Maserung. Der Kühlschrank brummt. Draußen das...
  4. Schuld ist stumm

    Es ist leise, zu leise, eben noch hat sie ihren Sohn in der Legokiste wühlen gehört. Was ist denn jetzt schon wieder, denkt Nora und drückt die Klospülung. Sie wäscht sich eilig die Hände und fährt zusammen; der Schrei ist aus der Küche gekommen. Vor dem Spülbecken steht Aron mit dem...
  5. Schwarzbau

    Das Haus seines Vaters lag am Fuß eines Hügels, zur Hälfte von einem schmalen Feldgehölz verdeckt. Ein junger Imker aus der Gegend hatte im vergangenen Jahr um Erlaubnis gebeten, seine Beuten dort aufstellen zu dürfen. In der angehenden Dämmerung erkannte er den goldgelben Anstrich der...
  6. Terminus

    Im Westen glühte der Smog über der Stadt. Schwarz glänzten die Türme der mittleren Bezirke im letzten Licht des Tages. Ausflugsschiffe, Gleiter und Frachter zogen hoch über der Skyline dahin. Abri Sanara steckte sich eine Zigarette an. Sie stand vor Eric’s Diner, rauchte und schaute nach oben in...
  7. Punchlines

    Punchlines I Ihre Rechte tastet nach dem Smartphone, doch diesmal verfehlt sie die Snoozefunktion und es knallt auf den Boden. Es hilft ja doch nichts. Ächzend setzt sie sich auf und greift nach dem nervtötenden Teil. Endlich Ruhe. Sie steht auf. Selbst verwundert, dass ihr Körper diesem Befehl...
  8. Manuel Bongesa

    Himmelsgeschenk (I/III) Die knorrigen Äste der Schwarzrinden-Bäume warfen noch langgestreckte, bizarre Schattenmuster auf den Dorfplatz, trotzdem flirrte die Luft schon vor Hitze. Es würde wieder einen sehr heißen, staubigen Tag geben, obwohl sich das Ende der Trockenzeit schon durch...
  9. Kirschblütenfest

    “So macht es sich doch bezahlt, dass ich mir noch kurzentschlossen bei aldi ein E-Bike gekauft habe”, denke ich und sehe zufrieden die neidischen Blicke der Anderen, an denen ich auf der Kynaststraße, die nach der Sanierung vom Ostkreuz zu einem steilen Berg geworden ist, vorbeiziehe. Sonst muss...
  10. Nachtschattengewächs

    Fast fünfzig Jahre. Beinahe ein halbes Jahrhundert sind wir schon verheiratet. Schau sie dir an. Zauberhaft, wie sie lächelt. Ich liebe dich, formte Werner die drei Worte mit dem Mund, während er Sylvia durch die Glasscheibe zum Wintergarten hinaus betrachtete. Eingezwängt in seinem Sessel...
  11. Unentdeckt

    13. Mai. Wendepunkt: Wärme. Am Morgen, vor dem Glockenläuten. B. sitzt am Küchentisch. Der Rücken berührt die stählerne Lehne, die langgliedrigen Finger umklammern die Oberschenkel. Auf dem Tisch ein Eierbecher aus Bernsteinglas; daneben die Tageszeitung. Das Ei hat B. vor wenigen Minuten...
  12. Der Berger

    Scheinwerfer und Blaulichter tanzen über die Autobahn. Der Berger denkt an Weihnachtsbeleuchtung. Weint beinahe. Unterm letztem Christbaum lag ein Smartphone, dass er kaum bedienen konnte. Kann man ihn damit orten? Sicher. Er stolpert über den Abhang. Seine Knie schmerzen und Sirenen heulen...
  13. Novelle Total normal

    „Weißt du eigentlich, was ein Tisch ist?“, fragte meine kleine Cousine. Ich spürte ihre warme Hand in meiner. Sie zog mich vorwärts, vermutlich, um in die nächste Pfütze zu springen. Erst gestern hatte es geregnet, was im Herbst nicht ungewöhnlich war. Ich schüttelte den Kopf. „Ist das nicht...
  14. Chrissy (11): Abschied von Papa

    Am Abend, bevor Weitoma uns besuchte, schickte Mama mich ins Dorf, um Papa zu holen. Ich ging zuerst in den Hirsch und hatte Glück, er war dort. „Da kommt meine Große, willst du eine Limo? Ich trinke noch ein Bier, danach gehen wir nach Hause.“ Papa klopfte auf den freien Stuhl neben sich. Zu...
  15. Fallende Blätter

    Die Blätter winken mir von außen zu. Sie winken noch beinahe gänzlich grün, wie die Frauen in alten Schwarz-weiß Filmen, die ihre Männer für die weite See verabschiedeten und dabei vertikal ihre Hände nach oben und unten hoben und neigten. Wieso winken in meiner Zeit plötzlich alle wie...
  16. Vergessen Sie das nicht!

    Quentin saß mit seiner Frau auf der Veranda und rauchte. Die Sonne stand hoch über den Feldern, die nur noch Staub und Dreck waren. „Hast du gehört?“, fragte seine Frau Daniella. „Jerome verkauft.“ Quentin zog an seiner Zigarette, sagte nichts dazu. „Wir sollten auch verschwinden“, schob sie...
  17. Der Koffer

    An den Gepäckbändern der internationalen Flughäfen wiederholt sich regelmäßig das gleiche Szenario. Gespannt wartet man mit anderen Fluggästen auf seinen Koffer, währenddessen rattert und quietscht das sich drehende Band, beladen mit Koffern. Die glücklichen Finder nehmen ihren Koffer lächelnd...
  18. Grabas

    Grabas steht am Fenster und schießt auf die Ratten im Hof. Er schaut durch das Zielfernrohr seines Luftgewehrs. Zwei, drei Mal ist der peitschende Knall der Waffe zu hören. Er sichert das Gewehr, stellt es in den Winkel einer Zimmerecke und verlässt die Wohnung. Draußen geht er bei den...
  19. Der Gesang der Goldammer

    Die Felder waren bestellt, silberne Jauchewagen glänzten in der Sonne, verkuppelt mit Traktoren, an deren Reifen Brocken lehmiger Erde klebten. Über den Wipfeln des angrenzenden Waldstreifens schwebte ein Heißluftballon, der Passagierkorb voll mit Touristen, die ihre Blicke über die Garanten der...
  20. Noviziat

    Das Postulat liegt hinter mir. Seit gestern trage ich die graue Ordenstracht, die Schwestern des Monasterio del Maria tragen schwarz. Noch immer bin ich die neue. Obgleich ich schon sechs Monate hier lebe, betrachten sie mich nicht als ihresgleichen. Das würde sich auch mit den ersten Gelübden...

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