@falk
Auch wenn ich ebenfalls dazu tendiere, die Ursache für erhöhte Gewaltbereitschaft auf Fehler in der Erziehung zurückzuführen, denke ich, daß Deine Argumentation hinkt.
ich gehe davon aus, daß kein Mensch einen angeborenen Charakter hat, sondern das sich dieser Charakter in den ersten lebensjahren bildet.
Du hast wohl noch nicht viel mit kleinen Kindern zu tun gehabt, oder? Ich kann Dir aus Erfahrung sagen, daß jedes Kind eine gehörige Potion Charakter mitbringt, niemand kommt als "ungeschriebenes Blatt" zur Welt, das wird Dir jeder bestätigen, der Kinder hat. Wie sonst erklärst Du z.B. den teilweise sehr unterschiedlichen Charakter von Geschwisterkindern oder gar Zwillingen?
Trotzdem bin ich der Meinung - da könnt Ihr mich auf den Kopf stellen - daß jemand, der so extrem gewaltbereit ist, praktisch immer auch eine entsprechende Vorgeschichte hat. Was von außen wie eine "normale, intakte Familie wirkt, kann hinter geschlossenen Türen völlig anders aussehen. Das heißt nicht, daß jeder Gewalttäter brutal mißbraucht worden sein muß. Ich würde aber jede Wette eingehen, daß der allergrößte Teil tatsächlich außergewöhnliche Gewalterfahrungen in irgendeiner Form gemacht hat.
@Kritiker
Und dass die Erziehung schuld sein soll, ist leicht daher gesagt, ändert aber nichts an der fehlenden Faktengrundlage für diesen doch ziemlich schwerwiegenden Vorwurf.
Eine Faktengrundlage gibt es tatsächlich: Bereits in den 70ern wurde nachgewiesen, daß wiederholte Erfahrung von Gewalt ein Ansteigen der Ausschüttung derjenigen Hormone zur Folge hat, die für Aggression zuständig sind und gleichzeitig ein Absinken der Hormone, die erstere regulieren und zwar nicht nur für eine gewisse Zeit, sondern dauerhaft. Ich muß nochmal recherchieren, wo genau ich das gelesen hab, dann kann ich auch näher darauf eingehen.
Jemand, der in der Kindheit mißhandelt wurde, wird seine eigenen Kinder wahrscheinlich auch mihandeln,
wenn er sich nicht damit auseinandersetzt und sich bewußt für einen anderen Weg entscheidet. Ebenso wie ein Mann, der als Kind erleben mußte, wie die Mutter vom Vater mißhandelt wurde, dazu neigt, später selbst seine Partnerin zu mißhandeln. Ich meine, daß kein Mensch solchen Dingen unabänderlich ausgeliefert ist und deswegen keine Verantwortung für das trägt, was er tut. Jeder Mensch kann entscheiden, ob er seinen Impulsen nachgibt oder sich um einen anderen "Katalysator" bemüht.
Aber allgemein tut es ja der eigenen Seele bekanntermaßen richtig gut, mit dem Finger auf andere zu zeigen, stolz darauf zu sein, dass dieses Schicksal seinem eigenen Kind erspart worden war, und sich selbst dafür in den Himmel zu loben.
Ich denke, daß es sehr wichtig ist, sich mit den Folgen einer gewaltgeprägten Erziehung auseinanderzusetzen. Eltern, denen bewußt ist, was für Folgen daraus entwachsen können, entscheiden sich wahrscheinlich für einen bewußteren Umgang mit ihren Kindern.
@stephy
Nicht jeder, der eine scheiß Kindheit hatte, wird zum Mörder! Und nicht jeder, der eine gute Kindheit hatte, bleibt ein Leben lang ein guter Mensch!
Das kann man doch nicht so pauschalisieren.
Selbstverständlich nicht, aber Tatsache ist, daß Gewalt in der Kindheit die Gewaltbereitschaft fördert. Jeder, der mit Kindern zu tun hat, wird bestätigen, daß Kinder, die zu Hause geschlagen werden, fast immer dadurch auffallen, daß sie entweder selbst aggressiv oder aber sehr in sich gekehrt sind. Natürlich werden viele sich im Erwachsenenalter damit auseinandersetzen und diese Erfahrungen verarbeiten, ohne daß deswegen von außen sichtbare "Schäden" zurückbleiben. Aber das ist harte Arbeit und setzt mE einen entsprechenden Grundcharakter und auch eine gewisse Intelligenz voraus.
Es stinkt mir, daß hier teilweise so getan wird, als hätte die Erziehung kaum Enfluß auf die spätere Entwicklung. Wieso mach ich mir dann überhaupt so viele Gedanken über den Umgang mit meinem Kind, bemühe mich, eine liebevolle Umgebung zu schaffen und meiner Tochter mit Respekt und Verständnis zu begegnen? Wenn das, was ich tu, nicht dazu beiträgt, ob mein Kind sich zu einem verantwortungsbewußten Menschen entwickelt, der seine Probleme mit dem Kopf, anstatt mit den Fäusten oder einer Knarre löst, dann kann ich auch den einfachen Weg gehen, meinen (z.T sehr drängenden) Impulsen nachgeben und Konflikten mit einer Ohrfeige, Zwang und einer "ich bin die Mutter, also hab ich automatisch Recht"-Einstellung aus dem Weg gehen.