Zitat vom 8. d. M. von einem unbekannten Meister:
Zitat von Dion Beitrag anzeigen
Musstu, kannstu, ischwöre – das kann man gelegentlich auch hier auf kg.de lesen. Aber es gibt starke Widerstände gegen dieses Kiezdeutsch, natürlich aus dem Bildungsbürgertum, das schon Dialekte wie Bayerisch oder Berlinerisch kaum zulässt.
Musstu, kannstu wird ja gerade auf Kg.de vom selbsternannten Wikipediablindzitierenden Bildungsbürgertum verwendet, um sich irgendwie abzugrenzen -
als hätte ich Zeit in meiner einstündigen Sitzung im INTERNETcafé Wiki & andern Schlunz zu nutzen!
“But when Quinn the Eskimo gets here
All the pigeons gonna run to him.”
Bob Dylan, Mighty Quinn
’s ist immer wieder ein Freude, zwei Senioren auf der Galerie der Muppet-Show bewundern zu können, wenn sie ihren Spott über die vermeindlich niederen Ränge zu ergießen. Hier auf kg.de haben sich nun ein griechischer Gott, leider weniger enthusiastisch als voll des Weines, und ein amerikanischer Eskimo zusammengerauft, dem Vorbild zu folgen – was schief gehen muss, treffen sich die beiden Motzopas hier ihrem Alter entsprechend auf einem Friedhof, eben hier. Was ist ihr Thema:
hasstu & hastu zumindest nich' gern und ähnliche Belanglosigkeiten.
Ergänzen lässt sich dies um einen Dialog aus der WAZ von heute:
„Lassma Kino gehen.“ – „Ich frag mein Schwester. Danach ich ruf dich an. […] „ischwör“ […] „Wir sind gleich Alexanderplatz.“ [Britta Heidemann, „Sprech isch so deutsch so“, in: WAZ Nr. 46 vom 23.02.2012] Heike Wiese, ihres Zeichens Prof. zu Potsdam, was heutigentags weniger besagen muss als zu Altvater Humpdy Dumpty's Zeiten, meint, mit diesem „Kiezdeutsch“ [so auch der Titel ihrer Veröffentlichung bei Beck] entstehe ein neuer Dialekt. Tatsächlich handelt es sich um eine Jugendsprache, die wie die literarisch durch Feridun Zaimoglu festgehaltene „Kanaksprak“ mit begrenzter Halbwertzeit ist. Und: Im Slang sieht der Verein für Deutsche Sprache schon immer den Sprachverfall.
Zwischen diesen Positionen liegen unsere Motzopas. Wendungen – wie ich sie auch gelegentlich gebrauche – als Mundart („Dialekt“ wie [Nord-, Ost-, West-]Friesisch bis hinab zu Schwäbisch, Alemannisch und Bairisch in ihren unzähligen Variationen) anzusehen, erscheint mir abenteuerlich. Mit einem imaginären Bildungsbürgertum - als könnte es nach Bolognaprozess und Schavanismus diese Klasse noch geben – sträuben sich unsere Helden auf’m Friedhof dagegen. Aber wo Fachidiotie zum Wohle der Wirtschaft erwünscht ist, verwandelt sich das Bildungsbürgertum zum Einbildungsbürgertum.
Aber verwenden unsere Helden nicht auch Wendungen wie „ans" für „an das“; „ins“ statt „in das“; verkürzen sie nicht auch „über das“ zum „übers“; gebrauchen sie kein „zum“, statt „zu dem“; „zur“ anstelle des „zu der“ usw. usf.?
Selbst jene, welche den Verfall befürchten, befolgen uralte Verkürzungsregeln, wie derjenige, der mit einem Sprachschatz von 300 Wörtern auszukommen meint, weil ihm das dreihunderunderste Wort nie gesagt wurde?
Mich führen die Regeln immer wieder auf den scheinbaren Friedhof toter Sprachen, die verdammt rationell mit der Sprache umgegangen sind. Wenn nämlich häufig unbetonte oder wenig betonte Wörter in*nerhalb einer zusammengehörigen Satzgliedgruppe an das nächstste*hende betonte Wort angelehnt werden, konnten im Mittelhochdeutschen mehrsilbige Wörter ver*kürzt werden, z.B. herre neben her, vrouwe neben vrou - die dann auch ein Unbewanderter noch heute darin erkennen wird - oder vro; einsilbige Wörter können zu Lauten reduziert werden, z.B. daz und ez > z. Als charakteristisch fürs Mittelhochdeutsche gilt die Abschwächung unbetonter Wör*ter (bes. Artikel oder Prono*men) zu einem einzigen Laut, der dann mit dem vorangehenden oder folgenden Wort zu einer Ein*heit ver*schmilzt, die als solche lexikalisch nicht erfasst sein müssen. Ich geb noch’n paar Beispiele: am, aufn, aufm, aufs, ichs, im, ins, übern, ums, unterm u. a., und wenns sein muss, auch umen!
Lieber Dion,
nun können wir uns übers Dual unterhalten. Am besten über die bairischen Reste!