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Genre: alltag

  1. Das erste Mal

    Sie erinnert sich genau an den faszinierenden Moment, als sie das Meer das erste Mal sah. Ihre Reise an die See begann am Abend vorher mit einer Kindergruppe aus Sachsen, die in ein Kinderferienlager der Baumwollspinnerei Mittweida auf Usedom fuhr. Sie fuhr als Ferienbetreuerin mit. Gemeinsam...
  2. Die Romantik in Florenz

    alltag 
    Ich trennte mich von Sebastian in Florenz. Mitten auf der Ponte Vecchio gegen Abend. Der Arno floss unter uns, Lichtreflexionen tanzten auf den Wellen. „Was siehst du?“, fragte ich ihn. „Eine amorphe Masse von Touristen, die sich über die Brücke wälzt“, antwortete er. Ich hatte diese Reise...
  3. Zwei Wochen

    alltag 
    Ich hatte Frühschicht. Setzte mich in den Lieferwagen und kurbelte das Fenster hinunter. Der Geruch von Diesel stieg mir in die Nase, die Sonne wärmte meinen Arm, den ich lässig auf das kalte Blech gelegt hatte. Frühstück für 120 Bewohner eines Altenheims – vorsichtig bog ich aus dem Hof der...
  4. Brüder

    alltag 
    Als ich ein Kind war, erschienen mir meine Brüder unerreichbar. Manchmal machten sie sich über mich lustig und lachten nur, wenn meine Mutter ihnen sagte, sie sollen mich in Ruhe lassen. Sie erwischte die beiden einmal, wie sie hinter dem Haus mit Streichhölzern kokelten. Sie rannten davon und...
  5. Der Schrei

    „Sie müssen aufpassen, dass Ihnen die Sache mit Ihrem Hobby nicht aus dem Ruder läuft. Warum entspannen Sie sich nicht mal? Verreisen Sie, gehen Sie wandern. Das wird Ihren Nerven guttun“, hatte mir meine Psychologin geraten, und da war ich nun, in einem Örtchen an der Westküste Irlands. In den...
  6. Ausputzholz

    Mein Vater steht auf der betonierten Fläche hinterm Haus und verbrennt Laub. Er hat einzelne Haufen gemacht - Schnittholz, kleine Äste, große Äste, Haselnusssträucher. Das Verbrennen ist seine Sache. Feuer ist Sache der Männer. Mein Vater hat große Hände. Ich mag es, wenn er mir damit über den...
  7. Ein Abend im Juli

    Den Grill hatte Lohmeyer im letzten Monat gekauft. Etwas groß für seinen Balkon, passte aber genau rechts in die Ecke, wo vorher der Topf mit dem Pampasgras stand, das im Laufe der Jahre immer ausladender wurde. Ein Elektromodell wegen der Nachbarn, die er nicht mit rauchenden Holzkohleschwaden...
  8. Wettstreit der Gefühle

    Sie kam gerade aus der Metzgerei, als sie ihn sah. Ihn, der sie einst hatte schwanger sitzen lassen, weil sie angeblich seiner Karriere im Wege gestanden hatte. Ihn, der sich kurz darauf die reiche Erbin einer Hotelkette geangelt, aber nie auch nur einen Pfennig Unterhalt gezahlt hatte. Er stieg...
  9. Leimrute

    In der Klasse hatte keiner aufgepasst, auch ich nicht, und doch wusste ich als einziger die Antwort. Von da an war ich die Leimrute, Leimrute Oskar, weil es im Unterricht um den Vogelfang ging. Ich war die Leimrute und vor allem ein großer Betrüger in den Augen meiner Klassenkameraden. Die mir...
  10. Trauergestecke

    alltag 
    I9.03.1989 - 22.05.2005, das sind die Daten, es ist einer dieser ganz glatten Steine, tiefschwarz und so poliert, dass man sein eigenes Spiegelbild auf der Oberfläche erkenne. Ich mag diesen neuen Bereich; ruhig und gepflegt und jede Menge junger Menschen. Gab es da nicht einmal diesen Spruch...
  11. Broken Shadow

    Vincenzo DiLuca saß auf der Veranda, eine dampfende Tasse Tee vor sich. Die Sonne streifte bereits den Horizont, der Lärm der Zikaden war betäubend. Gedankenverloren blies er den Dampf von der Tasse, nippte von dem Tee. Als er den Wagen kommen hörte, lehnte sich Vincenzo zurück.
 Eva trat zu ihm...
  12. Wenn die Liebe sterben muss

    alltag 
    Ihr brach das Herz. Wieder einmal. Trennungen, warum immer wieder Trennungen? Diesmal war es zwar nur für eine Woche, dennoch hatte sie das Alleinsein gründlich satt. Sina fuhr aus der Parkgarage des Flughafengebäudes und reihte sich ein in den Berufsverkehr. Ein Blick auf die Uhr – Philipp...
  13. Was einem bleibt

    alltag 
    Die Särge wurden zweimal im Monat angeliefert. Keine Ahnung, wie viele das waren, meist war es ein ordentlicher Schwung. Gestorben wird immer, sagte der Chef. Das sagte er bei jeder Gelegenheit. In dem Sommer waren es besonders viele. Die Tage waren unerträglich heiß, selbst nachts gab es kaum...
  14. Montag bis Freitag

    alltag 
    25 Jahre waren sie zusammen gewesen. Tagein, tagaus. Morgenlicht fällt golden ins Büro, schimmert durch die Lamellenvorhänge. Ulli starrt ins nichts, versucht zu greifen, was diese Zeit für sie bedeutet hat, und kann nur in Stichpunkten denken, Gedankenfetzen eigentlich: Sie kannten einander in-...
  15. Grüne Welle

    Wolfgang Bramenkamp hielt an der Kreuzung Luisenstraße, das rote Licht der Ampel glühte in der Dämmerung. Er war mit den anderen Disponenten noch auf ein schnelles Feierabendkölsch in den Marktkrug eingekehrt. An der Theke hatten sie über die Kurzarbeit debattiert, die Belegschaft war seit...
  16. Die innere Schwelle

    Ich öffne die Tür zum Sprechzimmer. Sehe ihm in die Augen. Sehe einen klareren und offeneren Blick, als ich es die letzten Wochen von ihm gewohnt war. Nach Bruchteilen von Sekunden weicht er meinem Blick aus. Ein inneres Lächeln kann er jedoch nicht verbergen. Ich schwinge mich auf meinen Stuhl...
  17. Der Mann von der Stange

    Getrieben von meiner Sammelleidenschaft bin ich viel unterwegs, um Menschen mit außergewöhnlichen Hobbys kennen zu lernen. Die Aufzeichnungen über sie kann ich dann meiner Sammlung hinzufügen. Eine meiner letzten Reisen führte mich nach Berlin und als ich dort durch die Straßen schlenderte, kam...
  18. Die Kontur eines Hirsches

    Ich stelle mir Carlo mit langen, schwarzen Haaren vor. Er stammte aus dem Tessin und half Großvater auf dem Hof. Heute ist er alt, damals war er schön. Er wohnte in einem Zimmer im oberen Stock, gegessen hat er stets mit der Familie. Großvater starb an Schuppenflechte. Meine Mutter war noch...
  19. Tee mit Honig

    Fünf Stunden war er weg. Im Regen ohne Schirm. Er hängt die nasse Jacke auf einen Bügel an die Garderobe. Feuchtigkeit sammelt sich, rinnt die Ärmel hinunter und tropft auf das Parkett. Er schlurft in die Küche und betätigt den Wasserkocher. Die Tasse ist oben im Schrank, der Teebeutel in der...
  20. Hundstage

    Mit jedem Kilometer, den sie weiter aus der Stadt fuhren, spürte sie selbst im klimatisierten Auto, dass die Außentemperatur sank. Natürlich war das pure Einbildung, aber sie hatte einen ermüdenden Tag in ihrer überhitzten Wohnung hinter sich. Arbeiten bei diesen Temperaturen von beinahe 30 Grad...

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