Was ist neu

alltag

Genre: alltag

  1. Schneewittchen

    Hildegard saß am Fenster, wie sie es fast immer tat. Ihr Blick ging durch den Garten und verweilte bei den Apfelbäumen, die jetzt schon viele Blätter verloren hatten. An den Ligusterhecken vorbei spazierte er dann in den Park und die Pappelallee mit den gold-gelb gefärbten Blättern entlang. Ihr...
  2. Depression - oder einfach Horst?

    „Sie sind depressiv.“ sagt meine Ärztin. Und während ihre in so ruhigem, gelassenem Tonfall dargebrachten Argumente, die ihre Einschätzung stützen, noch verklingen, reagiert mein so lapidar umrissenes Hirn empört, mit Unverständnis und ich entsprechend mit gereizt hochgezogenen Augenbrauen...
  3. Aasfresser

    alltag 
    Bei Frechen führte die Strecke über einen Hügel und die Autobahn sah aus wie ein rot-weißes Leuchtband. Das aufgepeitschte Moderatorenduo im Radio kündigte den nächsten Popsong an, als wollten sie mir meine Müdigkeit unter die Nase reiben. Ich musste gähnen, was Günther sofort amüsiert...
  4. Remembrance

    alltag 
    Jean Paul schrieb einst, Erinnerungen seien das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können – aber manchmal irrt sich auch ein Schriftsteller. Diese Erkenntnis kam Rémy bei einem Besuch seiner Oma Celia. Er fuhr morgens mit seinem Firmenwagen aus Rheinbach nach Auw bei Prüm. Er...
  5. Feuerlöscher

    „Müssen wir da hin?“, fragt Jonathan. „Müssen wir!“, sagt meine Frau zu unserem Sohn. „Oma Hilde wird 85.“ „Das ist aber ganz schön alt“, sagt meine Tochter. Sie hat einen Schuh verkehrtherum angezogen und streift ihn wieder ab. Ich schleppe die Koffer zum Auto und befestige den Kindersitz auf...
  6. Alleine zu zweit

    alltag 
    „Erinnerst du dich noch an all die Abende? Wir haben Chopin gehört, schwenkten im Wohnzimmer. Ich erinnere mich an den Geruch deiner Haare, an die Wärme deiner Wangen und wie ich mich fühlte.“ „…“ Er packte den Korb: zwei Teller, zweimal Besteck, zwei Gläser und einen Wein. Über zehn Jahre...
  7. Es darf nicht wieder sein wie vor einem Jahr

    „Dirk, was ist mit dir?“ fragt Steffen in einem ruhigen Moment. Dirk wirkt gedankenverloren. Sein Blick liegt auf seinem Sohn, der am Rand einer Gruppe Kameraden in der Fahrzeughalle steht. Seine Augen scheinen in die Ferne zu blicken, als wären sie an einem Ort, den niemand sonst betreten...
  8. Begraben

    alltag 
    Nach gut zweihundert Kilometern tauchte seine Heimatstadt das erste Mal auf einem der blauen Schilder am Straßenrand auf. “Es wird ernst.” Sie lachte. “Vielleicht sollten wir uns doch ein Zimmer im Zentrum nehmen”, sagte er. Sie legte ihre Hand auf sein Knie. “Mach dir nicht so viele Gedanken!”...
  9. Rauchmelder

    alltag 
    Das Aufstehen ist ein Problem. Manchmal geht es einfach nicht. Selbst dann nicht, wenn ich auf die Toilette muss. Hüfte, Knie – morsches Holz. Die Frau, die zweimal die Woche klingelt, die mir die Wäsche macht, die das Geschirr aus weißem Hartplastik von der AWO rausstellt, sie würde gerne mehr...
  10. Verheerung

    Welches Lied pfiff Jack the Ripper? Ich fand den nie besonders komisch, obwohl ich trotzdem gelacht habe. Der Witz ist eben, wie man ausblenden kann, dass man Menschen aufschlitzt. Trotzdem habe ich nie an Melodien gedacht. Das ist Roberts Marotte, mich lenkt es nur ab. Ich wünschte, er würde...
  11. Melancholie in Rubin

    alltag 
    Die Rose ist verblüht. Sie schaut etwas melancholisch auf die braunverfärbten, welken Blütenblätter, die langsam abfallen. Der Blick nach draussen zeigt den beginnenden Herbst, regnerisch und diesig. Melancholie - die positive Traurigkeit ,I've got the Blues' ... Solche Tage mit...
  12. Zwanziger Schrot

    In den letzten Tagen brachte ich ihm morgens eine Handvoll Munition, und jedesmal fragte er mich nach der guten Flinte und dem 20er Schrot. Nein, sagte ich. Das Luftgewehr reicht. Wir haben hier keine Nachbarn, sagte er. Das hat keine Sau zu interessieren, das ist immer noch mein Grundstück...
  13. Haselnüsse

    Wie überrascht mein Opa war, als ich ihn umarmte, fest um seinen runden Bauch, wie beschämt er mir da die große Hand auf den Kopf legte, als ob er gar nicht wüsste, dass die Welt sich weitergedreht hat, dass jetzt ich am Fenster stehe und raus starre, wie er es immer getan hat, dass jetzt ich...
  14. Wahnbachtalsperre

    Es ist dunkel, und wir stehen auf dem schmalen Vorsprung hinter der Dammmauer. Warst du wirklich noch nie hier? Sie schüttelt den Kopf. Ich nehme einen der Steine, der auf dem Boden liegt und lasse ihn fallen. Er schlägt ein paarmal gegen die Mauer, bevor er auf die Oberfläche trifft. Gugung...
  15. Das erste Mal

    Sie erinnert sich genau an den faszinierenden Moment, als sie das Meer das erste Mal sah. Ihre Reise an die See begann am Abend vorher mit einer Kindergruppe aus Sachsen, die in ein Kinderferienlager der Baumwollspinnerei Mittweida auf Usedom fuhr. Sie fuhr als Ferienbetreuerin mit. Gemeinsam...
  16. Die Romantik in Florenz

    alltag 
    Ich trennte mich von Sebastian in Florenz. Mitten auf der Ponte Vecchio gegen Abend. Der Arno floss unter uns, Lichtreflexionen tanzten auf den Wellen. „Was siehst du?“, fragte ich ihn. „Eine amorphe Masse von Touristen, die sich über die Brücke wälzt“, antwortete er. Ich hatte diese Reise...
  17. Zwei Wochen

    alltag 
    Ich hatte Frühschicht. Setzte mich in den Lieferwagen und kurbelte das Fenster hinunter. Der Geruch von Diesel stieg mir in die Nase, die Sonne wärmte meinen Arm, den ich lässig auf das kalte Blech gelegt hatte. Frühstück für 120 Bewohner eines Altenheims – vorsichtig bog ich aus dem Hof der...
  18. Brüder

    alltag 
    Als ich ein Kind war, erschienen mir meine Brüder unerreichbar. Manchmal machten sie sich über mich lustig und lachten nur, wenn meine Mutter ihnen sagte, sie sollen mich in Ruhe lassen. Sie erwischte die beiden einmal, wie sie hinter dem Haus mit Streichhölzern kokelten. Sie rannten davon und...
  19. Der Schrei

    „Sie müssen aufpassen, dass Ihnen die Sache mit Ihrem Hobby nicht aus dem Ruder läuft. Warum entspannen Sie sich nicht mal? Verreisen Sie, gehen Sie wandern. Das wird Ihren Nerven guttun“, hatte mir meine Psychologin geraten, und da war ich nun, in einem Örtchen an der Westküste Irlands. In den...
  20. Ausputzholz

    Mein Vater steht auf der betonierten Fläche hinterm Haus und verbrennt Laub. Er hat einzelne Haufen gemacht - Schnittholz, kleine Äste, große Äste, Haselnusssträucher. Das Verbrennen ist seine Sache. Feuer ist Sache der Männer. Mein Vater hat große Hände. Ich mag es, wenn er mir damit über den...

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Neue Kommentare

Zurück
Anfang Bottom