Ich lese gerade Stephan Harbort: Das Hannibal-Syndrom, Phänomen Serienmord.
Der Autor hat sich mit allen deutschen Serienmördern von 1945 bis ca. 2000 befasst, hat dutzende Akten durchgelesen, den Tätern Briefe geschrieben und mit manchen persönlich gesprochen. Was dabei herausgekommen ist, liest sich fast wie eine erfundene Anthologie von Krimi-Geschichten, wenn man nicht wüsste, dass alles wirklich passiert ist ...
Ich bin nicht von den Tathergängen selbst erschüttert, auch wenn die teilweise wirklich grausam sind. Es ist eher das Drumherum. Man erfährt, wie die Täter vor den Morden aufgewachsen sind und wie sie ihrer ersten Tat näher und näher kamen. (Btw: Es liegt nicht immer an einer schlimmen Kindheit, überhaupt nicht.)
Mittlerweile könnte ich echt Kotzen, wenn ich darüber nachdenke. In vielen Fällen gab es vorher deutliche Anzeichen. Von einem ist die Rede, den haben Waffen fasziniert, die haben in sexuell erregt. Er hat die Waffe mit ins Bett genommen [...] und hast es auch genossen, wahllos draußen auf Bäume etc. zu schießen. Er hat seinem Vetter Briefe davon geschrieben, wie er sich vorstellte, auch mal auf Menschen zu schießen, um zu sehen, wie das ist.
Aber es sind nicht nur solche Vorzeichen, die übersehen wurden. Viele der Täter wurden inhaftiert, haben selbst oft gesagt, dass sie wieder töten würden, aber wenn sie nach einigen Jahren frei kommen und die nächste Mordserie geschieht, dauert es erst wieder, bis die Polizei sie erneut aufgreift.
Es erschüttert mich, dies so zu lesen. Weil unser Strafsystem beschissen ist (wenn schon Hirnanomalien oder solche fehlgeleiteten Verhaltensweisen erscheinen, gehören die Leute auch vernünftig weggesperrt). Weil es immer neue Serienmörder geben wird, egal, was wir tun. Weil jeder von uns zum Opfer werden kann, jederzeit. Weil es eigentlich keine geistig gesunden Menschen gibt und in jedem von uns ein Täter schlummern könnte. Und es erschüttern mich meine persönlichen Reaktionen, weil ich leider auch viel über die Abgründe meiner eigenen Seele erfahren muss ...
Also wer schwache Nerven hat oder meint, selbst geringe soziopathische Tendenzen aufzuweisen, sollte die Finger von dem Buch lassen.
Ich schreibe dies direkt aus dem Einfluss des Buches heraus und habe es zu ca. 3/4 durch.