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Stille

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Seniors
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21.04.2015
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Stille

Durch die Dachfenster fallen erste Strahlen des Morgens aufs Parkett. Marla reibt sich die Augen, schwingt die Beine aus dem Bett und steht auf. Ihr schlaftrunkener Blick tastet das Zimmer ab. Das Holz ist warm unter ihren nackten Füßen und sie verweilt einen Moment, die Augen halb geöffnet, Zehen in der Sonne. Während sie durch den Raum tapst, fällt der Schlaf von ihr ab. Sie stellt sich vor, wie er von den Schultern leise auf den Boden rieselt, kurz vor sich hinglitzert und verschwindet.
Das Fenster quietscht, als sie es öffnet. Marla streckt sich, blinzelt in den blauen Himmel, lauscht hinaus auf die Straße. Wo ist das Dröhnen der Lieferwagen, die jeden Morgen vorbeibrettern? Das Klingeln der Fahrradfahrer, wenn ihnen jemand die freie Bahn verstellt? Und weshalb schreit heute keins der Kinder im Hausflur, wieso knallt keine Tür im Treppenhaus? Die Stille fühlt sich an wie eine dicke Schicht Watte, die um ihren Kopf gewickelt ist.
Sie beugt sich vor, die Hände aufs Fensterbrett gestützt, und sieht hinunter. Keiner, der zur U-Bahn eilt oder mit dem Rad um die Ecke biegt. Mit dem Auto Richtung Innenstadt fährt. Nur hin und wieder lösen sich gelbe und rote Blätter von den Herbstbäumen und segeln hinunter aufs Kopfsteinpflaster. Ihr Blick huscht zum Nachbarhaus, sie sucht das Fenster des dicken Manns, der jeden Morgen im braunen Bademantel dasteht, eine Zigarette qualmt und ins Leere starrt. Er ist nicht da.
Langsam weicht sie vom Fenster zurück, dreht sich um und geht ins Bad. Während sie nach der Zahnbürste greift und einen dicken Streifen Zahnpasta auf die Borsten drückt, lauscht sie noch immer. Nach einem Türknallen, Schritten im Hof. Am besten wäre eine Stimme. Eine andere als ihre. Ein Lachen, Schreien, Fluchen, sie wäre da nicht wählerisch – ihr bleibt nur das schaumige Schrubben ihrer Zahnbürste, das Spucken ins Waschbecken, das Wasserplätschern.
Sie zieht sich an, kämmt die Haare, schminkt sich. Ganz genau achtet sie darauf, dass die Wimpern nicht verkleben, lenkt die volle Konzentration auf das Auftragen des Mascaras. Ihre Gedanken lassen sich davon nicht einfangen, sie kreisen immer wieder um diese eigenartige Stille. Es gibt sicher eine Erklärung dafür, dass es im Haus heute so ruhig ist. Reiner Zufall, dass sie gerade in dem Moment aus dem Fenster gesehen hat, als niemand auf der Straße war.
Auf dem Weg Richtung Flur schnappt sie Handtasche und Schlüssel, schlüpft in die Schuhe und zieht die Wohnungstür hinter sich zu. Ein dumpfes Gefühl begleitet sie auf dem Weg nach unten.

Vor dem U-Bahn Aufgang bleibt Marla stehen, dreht sich im Kreis. Eine Plastiktüte weht vorbei. Ansonsten bewegt sich nichts.
Beim Kiosk gegenüber ist die Markise ausgefahren, der Stehtisch für die Stammgäste wie jeden Morgen neben dem Eingang aufgestellt. Ein Lächeln huscht über Marlas Gesicht. Sie sieht Herrn Zupcic vor sich mit seinem grauen Haar und den Fältchen um die Augen, wie er sie hinter dem Tresen begrüßt und sagt: „Wie immer?“ Er wird wissen, was los ist – und Zigaretten braucht sie sowieso. Sie überquert die Straße und betritt den Laden.
Der Stuhl hinter der Kasse ist leer.
„Guten Morgen“, ruft sie und beugt sich über die Theke. Keine Antwort. Sie geht um den Verkaufstresen herum, um in die Abstellkammer zu sehen, die sich dahinter befindet.
„Hallo? Herr Zupcic?“
Ein Schal und eine Strickjacke hängen über der Lehne des Stuhls in der Ecke, auf dem kleinen Tisch steht eine volle Kaffeetasse. Langsam geht Marla wieder zurück in den Verkaufsraum. Ihr Blick huscht über das Regal mit den Zigaretten. Vielleicht ist Herr Zupcic nur kurz weg. Besorgt sich Frühstück oder hat was vergessen. Soweit sie weiß, wohnt er nur ein paar Häuser weiter. Sie greift nach einer Schachtel Gauloises, kramt den Geldbeutel hervor und legt das Geld auf den Tresen.
Zurück auf dem Gehsteig, zündet Marla sich eine Zigarette an. Ihre Hand zittert. Sie inhaliert den Rauch und sieht immer wieder die Straße entlang, hält Ausschau nach Herrn Zupcic. Oder sonst irgendjemandem.
In der Bäckerei nebenan brennt Licht. Durch das Schaufenster erkennt Marla Brot, Brezeln, süße Teilchen, die sorgfältig nebeneinander aufgereiht in der Theke liegen, aber niemand steht dafür an. Wo ist die alte Dame, die dort jeden Morgen ihre Semmeln holt und den Verkehr aufhält, weil sie mindestens fünf Minuten mit der Verkäuferin schwatzt? So oft steht Marla hinter ihr und verdreht die Augen. Jetzt würde sie gerne hören, was die Frau zu erzählen hat.
Leise kriecht Kälte die Beine hinauf, breitet sich in ihr aus, drückt auf den Magen. Marla schmeißt die Kippe weg, will die Übelkeit wegschlucken, aber es hilft nichts. Sie zieht das Handy aus der Tasche, öffnet die Nachrichtenseite. Weißer Bildschirm. Der Ergebnisbalken am oberen Rand des Displays kommt nur mühsam voran. Als er endlich am Ende angelangt ist, bleibt der Bildschirm unverändert.
Das blaue U-Bahn-Schild ein paar Meter weiter springt ihr ins Auge. Sie presst die Lippen zusammen und steigt die Treppen hinunter. Um die Uhrzeit sind die Bahnsteige normalerweise voll. Da unten muss jemand sein!
Der Bahnsteig ist leer.
Auf dem rechten Gleis steht ein Zug mit geöffneten Türen, aber die Beleuchtung ist ausgeschaltet. In jedes Abteil späht sie hinein, bis zum ersten Waggon geht sie, hebt die Hand, um an die Scheibe zu klopfen, den Lokführer zu fragen, was hier los ist. In der Fahrerkabine sitzt niemand. Auf dem Boden steht ein Rucksack, aus dem eine Thermoskanne herausragt.
„Hallo?“
Die Frage hallt von den gewölbten Wänden des Schachts wider.
„Hallo, ist hier jemand?“
Vorsichtig geht sie zum gegenüberliegenden Bahnsteig, beugt sich vor und starrt die Gleise entlang. Nichts. In ihrem Bauch rumort es. Plötzlich ist es viel zu eng hier, der Tunnel scheint zu schrumpfen, das Licht schwächer zu werden. So still, so verdammt still, warum ist hier niemand? Marla dreht sich um und geht mit großen Schritten zum Aufgang, nimmt zwei Stufen auf einmal, bis sie wieder an der Oberfläche ist.

Ihre Finger zittern, als sie das Internet-Symbol auf dem Handy antippt und erneut die Nachrichtenseite aufruft. Weißer Bildschirm.
„Scheiße!“ Marla lässt den Kopf sinken. Am liebsten würde sie mit den Füßen aufstampfen und schreien, so wie sie es als Kind getan hat. Schreien und stampfen, bis jemand kommt und sie fragt, was das soll. Aber sie reißt sich zusammen. Steuert auf eine Bank zu und sackt auf ihr zusammen.
Für einen Moment schließt sie die Augen. Ihr Brustkorb wird eingeklemmt von der Stille, die sich auf sie legt, sobald sie sich nicht mehr bewegt. Der Druck auf den Ohren ist wieder da. Sie wünscht sich eine Baustelle, einen Presslufthammer direkt hier vor der Bank, brüllende Arbeiter, blecherne Schritte auf Stahlgerüsten, Chaos, ohrenbetäubendes Chaos, und sich mittendrin.
Ein braunes Ahornblatt landet vor ihren Füßen. Sie hebt es auf, zerbröselt es in der Hand. Es raschelt und knistert. Sie springt auf, stapft in dem Grünstreifen zwischen Gehweg und Straße durch das getrocknete Laub, wirbelt die Blätter auf, tritt auf Äste, wirbelt, knackst und tritt. Erneut zieht sie ihr Handy hervor, versucht es im Internet. Scheitert.
Kristina! Sie wird sicher wissen, was los ist. Marla öffnet das Adressbuch, wählt die Nummer ihrer besten Freundin. Schrilles Pfeifen ertönt, als hätte sie ein Faxgerät angerufen. Okay, kein Problem, macht nichts. Sie probiert es bei Laura. Pfeifen. Die Buchstaben und Nummern auf dem Display verschwimmen.
„Komm schon“, flüstert sie und wischt sich über die Augen, sucht die Nummer ihrer Mutter heraus und drückt auf den grünen Hörer. Ein paar Sekunden lang geschieht nichts. Sekunden, in denen sie nicht atmet, sich nach dem Freizeichen sehnt, diesem gleichgültigen Tuten, dem Versprechen, dass am anderen Ende der Leitung ein Telefon klingelt, laut klingelt, und gleich jemand abhebt.
„Fuck!“
Das Handy landet im Gras, die Handtasche ebenfalls.
„Scheiße, verdammt, wollt ihr mich verarschen?!“
Ihr Blick springt zwischen den Baumkronen hin und her, flitzt über Hauswände, Straßenlaternen, Hecken. Sie dreht sich im Kreis, sucht nach offenen Fenstern.
„Es reicht jetzt!“
Jemand muss sie doch hören. Muss dafür verantwortlich sein, was hier passiert.
Schweigend blicken ihr die Fassaden entgegen. Ruckartig zieht sie Luft ein, lehnt sich an den Baum, der hinter ihr steht, als wolle er sie beschützen. Sie ballt die Hände zu Fäusten, atmet aus, langsam und kontrolliert, horcht auf den Herzschlag, darauf, dass er sich beruhigt. Sie bückt sich, wühlt in den Blättern herum, bis sie ihr Handy wiederfindet, wählt erneut die Nummer ihrer Mutter, kneift die Augen zusammen, zählt die Sekunden, nichts, kein Freizeichen, nur Stille. Sie lässt die Hand sinken. Lehnt den Kopf an den Stamm, fühlt das trockene Holz auf der Haut und schließt die Augen – nur für einen Moment will sie die toten Straßen aussperren.

Vorbei an Autos ohne Fahrer, leeren Bussen am Straßenrand und umgeworfenen Fahrrädern stapft sie in Richtung Innenstadt. Nach einer Weile öffnet sie die Musik-App auf dem Handy und drückt auf Play. Ein alter Soulklassiker ertönt aus dem Lautsprecher des Telefons, Marvin Gayes Stimme begleitet Marla, umgibt sie wie eine weiche Decke. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Sie durchquert den Westpark, der in seinen bunten Herbstfarben in der Sonne leuchtet, und spürt ihn wieder, den Kloß im Hals. Hier sitzt sie oft in dem kleinen Open-Air-Café am Mollsee und beobachtet die durcheinandergewürfelten Menschen. Die Mütter, die ihre quengelnden Kinder mit einem Eis besänftigen wollen, die Hipster, die ihre Hosen noch weiter hochkrempeln, um Sonne an die blassen Waden zu lassen, die Omis, die sich bei einem Kaffee über ihre Nachbarn beschweren. Heute stehen die Stühle und Tische verlassen am Wasser, die Luke des Bauwagens ist geschlossen, aus dem die Studenten sonst Getränke verkaufen.
Je näher sie dem Zentrum kommt, desto schwerer werden die Füße. Nach einer Stunde erreicht sie die Bavaria. Die Statue thront stolz auf ihrer Erhebung und wacht über die Theresienwiese. Als Marla auf die riesige Fläche schaut, die sich vor ihr ausbreitet, auf die letzten Reste der Oktoberfestzelte, die noch nicht abgebaut wurden, fühlt sich ihr Herz plötzlich an, als würde es reißen. Sie holt tief Luft und brüllt. Die Namen ihrer Freunde, ihrer Eltern. Stößt Hilferufe aus. Schreit an gegen die Leere in ihrem Bauch, gegen das Schweigen der Stadt.
Erst als ihre Stimme bricht und sie so heftig hustet, dass sie sich fast übergibt, hört sie auf. Die Augen glasig, der Hals von innen ganz wund, lehnt sie sich an eine Hauswand. Sie will sich auf den Boden schmeißen, um sich treten und weiterkreischen. Sieht ja keiner. Nur dass sie dann vielleicht nicht mehr aufsteht und dort auf dem kalten Asphalt den Verstand verliert.
Sie wendet den Blick von der Bavaria ab und macht sich auf den Weg nach Hause. Blendet sie aus, all die verlassenen Straßen und blinden Fenster. Mitten auf den Straßenbahngleisen läuft sie und bildet sich ein, hinter sich das schrille Klingeln der Tram zu hören, das Fluchen des Lokführers.
An einer Kreuzung bleibt sie stehen, biegt rechts ab und steht vor dem Supermarkt, in dem sie immer einkauft. Die gläsernen Schiebetüren öffnen sich. Marla steht davor, starrt in den Gang, der zur Obstabteilung führt. Unter leichtem Scharren schließen die Türen sich wieder. Erst beim zweiten Öffnen wagt Marla hineinzugehen.

Wie ferngesteuert greift sie nach dem Einkaufskorb, hängt ihn sich über den Arm und geht auf die Äpfel und Bananen zu. Wandelt zwischen den bunten Fächern voller Obst und Gemüse umher und kann nicht begreifen, versteht nicht, was sie in den Korb legt und warum. Hier drinnen surren Kühlschränke, das konstante Brummen kriecht in Marlas Kopf, begleitet sie durch den Markt, vorbei an Regalen voller Essen. Wie lange der Strom wohl noch funktionieren wird?
„Ist jemand hier?“
Sie hofft auf den schlechtgelaunten Kerl, der hier die Regale befüllt, auf sein faltiges Gesicht, das er nur hat, weil er immer so zornig um die Ecke schaut, wenn er gerufen wird.
Keine Antwort.
Im nächsten Gang bleibt sie ruckartig stehen. Vor ihr liegt einer dieser kleinen Einkaufswagen für Kinder auf dem Boden. Eine Tafel Schokolade ist auf den glatten Fliesen halb unter das Regal gerutscht. Mit zitternden Knien geht Marla rückwärts aus dem Gang und eilt zur Kasse.
Sie beginnt, die Sachen aufs Band zu legen, verscheucht das Bild des winzigen Einkaufswagens, das immer wieder vor ihr auftaucht. Erst nach ein paar Sekunden kapiert sie, dass das Band still steht, dass sie den Geldbeutel in der Tasche lassen kann, weil keiner kassiert, dass sie sich nicht beeilen muss, weil hinter ihr niemand ansteht. In dem Fach neben der Kasse liegen stapelweise Papiertüten, Marla zieht eine heraus, wirft die Lebensmittel hinein und hastet nach draußen.
Sie hält die Tüte mit beiden Armen umschlungen, klammert sich an den letzten Rest Alltag. Ihr Blick fällt auf die Bushaltestelle der 151er-Linie. Marla geht hinüber und setzt sich ins Wartehäuschen. Alles wird wieder gut. Halb so wild. Morgen fährt der Bus wieder. Voll mit Menschen, die sich laut unterhalten, in ihre Handys plappern, die sie anrempeln, ihr auf die Füße treten, sich vielleicht entschuldigen, vielleicht auch nicht.

 

Hi Zirbelqueen

Sie stellt sich vor, wie er von den Schultern leise auf den Boden rieselt, kurz vor sich hinglitzert und verschwindet.
:Pfeif:
Sprachlich solide, handwerklich ausgewogen, fehlen mir doch die Glitzerstellen, die du in anderen Texten manchmal unterbringst. (eine habe ich immerhin gefunden).

Was den Plot, die Struktur des Textes betrifft, reihe ich mich unter die Kritiker ein. Wenn du eine derart außergewöhnliche Idee aufgreifst, muss ein besonderer, bisher nicht benutzter Ansatz her, sonst schreie ich Remake, gähn: extreme Innen- oder Außensicht oder ein völlig unzuverlässiger Erzähler, der den Leser täuscht, alles zur Illusion umwandelt. Da kommt es gar nicht drauf an, was genau geschieht, eher wie es gestaltet ist. In dieser Hinsicht wirkt der Text auf mich noch reichlich unentschlossen. Mit ein bisschen Mut, ein paar Effekten/Überraschungen lässt sich deutlich mehr draus machen, glaube ich.

liebe Ich-geh-mal-raus-und-schau-nach-ob-ich-wen-finde-Grüße
Isegrims

 

Hey @Isegrims,

danke für deinen Kommentar. Ich finde, die Glitzerstellen müssen schon gut dosiert sein, überall passt das nicht. Diese hier am Anfang ist bewusst gewählt, weil sie natürlich auch dazu da ist zu beschreiben, was Marla für ein Mensch ist. Der Text befindet sich ja in ständiger Überarbeitung, aber ich habe nicht das Gefühl, das solche Stellen, solche bildhaften Vergleich in den Rest der Geschichte passen.

Zum Thema wurde schon viel gesagt, auch zum "Remake", da bin ich mittlerweile ein wenig erschöpft, gebe ich ganz offen zu ;) Wie schon erklärt, ich hatte Bock auf das Thema, kannte die Vorgänger nicht, habe erst im Nachhinein gemerkt, was das bei manchen auslöst und welche Probleme das Thema mit sich bringt. Aber ich habe mich dazu entschieden und habe diesen Text gerne geschrieben. Viel mehr kann ich jetzt nicht mehr zu meiner Verteidigung vorbringen. Ich setze mich immer wieder dran, gehe Szene für Szene durch, überlege und feile. Grundsätzlich weiß ich aber schon, was ich da wie erzählen wollte. Daher empfinde ich selbst den Text auch nicht als unentschlossen. Mir geht es darum, diesen allerersten Tag zu beschreiben. Was passiert mit Marla, wie geht sie mit der Situation um, wie wirkt sich die Lage auf sie aus. Es ist ein bisschen wie verhext. ich habe das Gefühl, ich befinde mich da gerade zwischen den Stühlen, manchen gefällt das, andere verdrehen eher gelangweilt die Augen. Im Moment arbeite ich an den Feinheiten, da mir die Struktur des Textes und der Ablauf eigentlich gefallen - bzw. es das ist, was ich erzählen wollte.

Aber es ist definitiv ein Text, bei dem ich wieder viel dazulerne! Und dafür hat es sich doch schon gelohnt.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hey Rina Wu,

sprachlich gefällt mir der Text, inhaltlich finde ich das schon auch stimmig, allerdings packt er mich nicht. Ich werde den schnell wieder vergessen, fürchte ich.
Ich denke, das liegt an der Beschränkung, die du dir auferlegt hast. Dieser Rahmen – nur den allerersten Tag zu beschreiben – engt halt ziemlich ein. Interessanter fände ich vielmehr den zweiten, dritten, zehnten, hundertsten. Wenn ersichtlich, schmerzlich spürbar wird, dass es zu Verlusten kommt (gekommen ist). Und was das bedeutet.

Es gibt ja 'ne Menge Theorien darüber, weshalb Dystopien so einen Reiz auf uns ausüben, warum es deutlich mehr Dystopien als Utopien gibt, weshalb wir unsere Fantasie leichter mit Negativszenarien verknüpfen können, als mit positiven – darauf möchte ich aber jetzt nicht im Allgemeinen eingehen. Nur soviel: Verlustängste spielen dabei sicher eine große Rolle.

Spannend für mich ist halt weniger der dystopische Rahmen, sondern das, was er erzwingt. Was macht der mit uns? Wie verändert uns der? Werte, Normen, Träume, Wünsche, Ziele etc. Das Was-wäre-wenn-Ding eben. Besonders interessant dabei fände ich dann die Entwicklung dahin. Und darauf gehst du halt nicht ein, was eben daran liegt, dass du dich auf den ersten Tag beschränkst. Die Figur ist noch zu sehr in der Gegenwart verortet und sie hält halt noch an ihr fest. Dir steht deswegen einfach kein Raum zur Verfügung, um mehr in Richtung Veränderung zu machen. Dein Text scheint mir sehr auf den Rahmen gewichtet, weniger auf die Figur, sie dient mMn eher dazu, die Umgebung, den Rahmen zu spiegeln. Der Text - so wie er dasteht - würde besser als Einleitung zu einem längeren funktionieren, finde ich, der dann die (für mich) spannenden Felder beackert.

Keine Ahnung, ob das irgendwie hilfreich für dich ist, du hast nun mal eine Entscheidung getroffen.
Um mal ein wenig zu spielen, vielleicht wählst du einen anderen Tag und stellst dem den ersten gegenüber. Das Handeln deiner Prota am Tag 274 vs. das Handeln deiner Prota am Tag 1 - so als Innenschau, Rückblende, Selbstreflexion oder so – dann wäre auch Ironie, bisschen Zynismus angebrachter und nachvollziehbarer.

Ist natürlich – wie sooft – Geschmackssache.

Unterhalten gefühlt habe ich mich dennoch, RinaWu, und auch dieser Text zeigt wieder mal dein sprachliches Talent. Gut geschrieben ist der allemal.

Das mal meine ... ähm ... 5 Cent dazu.


Danke fürs Hochladen!


hell

 

Hey @hell,

danke dir für deine Gedanken zu meinem Text.

Und darauf gehst du halt nicht ein, was eben daran liegt, dass du dich auf den ersten Tag beschränkst.
Richtig. Mir ging es hier eher um das Erkennen der Situation. Um die Entwicklung, die allein an diesem ersten Tag stattfindet. Ich gebe dir recht, dieser Text könnte durchaus als Einleitung zu etwas Längerem dienen, wo dann mehr darauf der Fokus gelegt wird, was diese Einsamkeit aus Marla macht, wie sie mit dem Verlust umgeht (Nähe/Gespräche/Geräusche). Aber da ich nun ja weiß, dass das so ähnlich schon bearbeitet wurde, suche ich mir lieber eine andere Idee für einen neuen Roman/eine längere Erzählung, den/die ich vielleicht irgendwann mal zustande bringe ;) Ich habe mittlerweile begriffen, dass das Thema einfach zu speziell ist, entweder ich habe irgendwann einen Einfall, wie ich das sprachlich aufbrechen/neu gestalten könnte, so dass es eine neue Variante des Themas ist, oder ich lasse das einfach.

Immerhin konnte ich dich ein wenig unterhalten, das nehme ich mal als Positives mit. Der Rest dient als Lernstoff für mich.

Liebe Grüße!
RinaWu

 

Hallo @RinaWu

ich möchte ein paar Punkte verdeutlichen, weil ich glaube, dass ich mich nicht präzise genug ausgedrückt habe. (vielleicht bist du auch ein wenig genervt vom kritischen Ton, kenne ich allzu gut :D)

Ich finde, die Glitzerstellen müssen schon gut dosiert sein, überall passt das nicht.
Einverstanden. Ich glaube andererseits, dass eine Dystopie von Überraschungseffekten lebt, sprachlich oder inhaltlich. Davon würde ich mir mehr in dem Text wünschen.

Grundsätzlich weiß ich aber schon, was ich da wie erzählen wollte. Daher empfinde ich selbst den Text auch nicht als unentschlossen. Mir geht es darum, diesen allerersten Tag zu beschreiben.
Ja, die Geschichte hat schon Fokus, erzählt den ersten Tag vom Staunen bis zum Entsetzen, Außen- und Innensicht wechseln sich ab, Bilder, die auf sie einprasseln, etwas in ihr auslösen. Diesen Wechsel meine ich. Dadurch werde ich als Leser hin- und her geworfen. Im zweiten Teil des Textes wünschte ich mir mehr Innensicht, im ersten extremere Außensicht.

Aber es ist definitiv ein Text, bei dem ich wieder viel dazulerne! Und dafür hat es sich doch schon gelohnt.
unbedingt, genau dafür taugen solche Experimente, das sind Texte, die ganz unersetzbare Erfahrungen ermöglichen:thumbsup:


Liebe Grüße aus der Nachtkälte
Isegrims

 

Hallo @Isegrims,

nein, ich bin nicht genervt, ich kann die Kritik ja durchaus nachvollziehen. Ich habe dich schon so verstanden, wie du es jetzt auch noch einmal verdeutlichst, das ist angekommen, trotz Zirbel und so - keine Sorge ;)

Zu der Innenansicht habe ich schon geschrieben, dass ich das nachvollziehen kann und da auch immer wieder ein bisschen nachbessere, aber ich habe Angst, dass das dann zu emotional-cheesy wird. Also zu viel denken, fühlen, fürchten, zittern, all sowas. Dass also diese Innenansicht dann irgendwie alles kaputt macht, weil sie too much wird. Ich wollte ja eben nicht zu sehr in Monolog verfallen, sondern eher durch ihr Verhalten ausdrücken, was da in ihr passiert. Es ist total schwierig, da einen Weg zu finden, damit diese Innenansicht nicht nervt. Weißt, was ich meine? Naja und da habe ich in meinem Kopf noch keine Lösung gefunden ...

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe @RinaWu,
Ich muss gestehen, dass ich auch mit dem Gedanken gespielt habe, eine Geschichte mit diesem Thema einzustellen. Die Vorstellung, dass man aufwacht und plötzlich allein auf der Welt ist, ist auch einfach krass. Und so wird man damit logischerweise kein unberührtes Terrain betreten. Aber so etwas gibt es ja eigentlich auch nicht mehr. Na ja, und tröste dich, mir waren die genannten Bücher auch nicht bekannt ;-)
Anyway, nun zu deiner Version.
Ich denke auch, dass die Geschichte mehr Raum braucht. Das Ende finde ich unbefriedigend. Ich meine, da passiert dieser Marla so etwas Verrücktes und es endet mit "Halb so wild, morgen ist alles wieder gut".
Da ist mehr drin, ich wäre sehr interessiert, die Entwicklung von Marla zu sehen. Über welche Stufen der geistigen Gesundheit geht das?

Spontan fällt mir ein, dass du diese Szene im Supermarkt dazu nutzen könntest. Am ersten Tag stellt sie sich brav an, legt die Waren auf das Band, irgendwann fängt sie vielleicht an, mit einer nicht vorhandenen Kassiererin zu sprechen und schließlich bedient sie sich nur noch wortlos oder zerstört die Regale oder vergleicht akribisch die Zutatenlisten auf den Verpackungen oder oder. So etwas wäre auch am Kiosk möglich. Ein bisschen wie das täglich grüßende Murmeltier.

Das Ende. Vielleicht ja so etwas wie ein Tagebucheintrag oder ein Handyvideo. Wochen/Monate später. Marla vollkommen verrückt oder auch im Gegenteil, sie rafft sich auf und beschließt loszuziehen, um zu sehen, ob es irgendwo da draußen noch jemanden gibt. Viele Möglichkeiten sehe ich da.

Irgendwie verlangt der Text außerdem für mich nach der Ich-Perspektive. Das würde das Gefühl der Verlorenheit intensiver machen, denke ich.

Das sind meine ersten, ziemlich spontanen Überlegungen (geht das?) dazu, die ich dir mitteilen wollte, bevor ich mich wieder auf die Jagd nach einer guten Idee für die Challenge mache.

Beste Grüße,
Fraser

 

Hallo @Fraser,

Ich muss gestehen, dass ich auch mit dem Gedanken gespielt habe, eine Geschichte mit diesem Thema einzustellen
Ich fände es total interessant zu sehen, wie du das meisterst. Wirklich! Aber ich weiß nicht, ob du dich jetzt schon umentschieden hast ...

Na ja, und tröste dich, mir waren die genannten Bücher auch nicht bekannt
Danke ;) Ich werde mich dran machen, sie zu lesen, angefixt bin ich jetzt auf jeden Fall.

Ich denke auch, dass die Geschichte mehr Raum braucht.
Ja, total. Das wird mir auch immer bewusster. Und irgendwie hätte ich auch Bock drauf, das zu machen, in Form einer Erzählung beispielsweise, bin jetzt aber ein bisschen ausgebremst dadurch, dass ich weiß, wie sehr das dann doch den genannten Buchvorlagen ähneln könnte. Ich glaube, ich werde mir die mal durchlesen und dann entscheiden, ob ich etwas Neues daraus machen könnte, bzw. eben eine andere Variation des Ganzen.

Deine Ideen finde ich übrigens super, gerade anhand des Beispiels mit dem Supermarkt. Das gefällt mir total. In meiner Ursprungsversion fing Marla ja an, mit einem Plakat für Weißbierwerbung zu sprechen, auf dem ein älter Herr in Tracht munter im Biergarten sitzt und selig aus dem Plakat rausgrinst mit dem Bier in der Hand. Der Schorsch. Aber dann hatte ich das Gefühl, ich verzettel mich. Hätte ich vielleicht gar nicht. Ach, ich bin verwirrt, nach wie vor. Ich glaube, für diese Challenge werde ich das so belassen, im Moment habe ich das Gefühl, ich verschlimmbessere nur. Aber auf lange Sicht sehe ich da auch noch mehr Potential in der Geschichte.

Auf jeden Fall coole Gedanken, die du dir da gemacht hast, hat Spaß gemacht, sie zu lesen. Ich bin gespannt auf deine Geschichte!

Viele Grüße
RinaWu

 

Liebe RinaWu,

jetzt hast Du ja schon eine ganze Menge zum Text gehört, und da bleibt eigentlich auch gar nicht viel übrig für mich zu sagen, deshalb plaudere ich jetzt ein wenig mit Dir :).
Mich hat der Text sehr an einen eigenen Text erinnert, den ich hier in meiner Anfangszeit eingestellt habe. Da ging es auch um die "Stille". Die Kommentare waren ähnlich gelagert wie bei Dir. Manchen gefiel es, andere bemängelten, dass es drei Szenen waren, in denen eigentlich nichts passierte, die Stille nichts mit meinen Figuren machte, außer eben da zu sein. Insofern bin ich gerade ganz bei Dir. Unsere Ansätze sind zwar ganz verschieden, mir ging es eher darum die verschiedenen Arten von Stille zu zeigen, es gibt ja auch die angenehme, die Normale, die unerträglich, aber so wie Du jetzt mit "Die Wand" kämpfst, habe ich den Kapitalfehler begangen, die Stille zu personifizieren. Bis heute kann ich aber daran eigentlich gar nichts Schlimmes finden. In anderen Punkten gebe ich den Kritikern heute recht, wenn man den klassischen Aufbau (bei Dir v.a. den Spannungsbogen) als Maßstab anlegt. Also, wegen deines Textes habe ich mein Dingens nochmal gelesen, auch die Kommentare, und weißt, wenn ich auch sprachlich heute drei Ministücke weiter bin, irgendwie mag ich den Text noch immer. Verstehe zwar auch die Kritik, aber die würde zu einem ganz anderen Text führen, als was ich gewollt habe und er berührt mich (auch nach all der Zeit) auf seine eigene Art. Und wenn dein Text das auch bei einigen Lesern tut, und das allerwichtigste, Du deinen Text als Leser gern lesen würdest, dann ist eigentlich alles in Butter. Manchmal ist schwer, die eigenen Ansprüche gegen die der Leser/Kritiker hier zu verteidigen. Wenn ich in den Kommentaren lese, worum es Dir ging, wo Du mit dem Text hin wolltest, dann bist Du für mein Empfinden dem schon sehr, sehr nah gekommen. Und ich musste mich weder durch die Geschichte quälen, noch habe ich sie ungern gelesen. Im Gegenteil. Ich fand es nicht unspannend zu erfahren, wie und was Du deine Prot. als nächstes tun lässt. Nur die Auflösung, die war dann bisschen wie - und morgen erwacht sie aus ihrem Traum ;). Aber wer weiß, vielleicht will man so was ja denken, vielleicht klammert man sich an diesem Strohhalm fest. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, von daher halte ich es nicht mal für unrealistisch. Da könnte man jedoch mit drei, vier Einschübe zuvor auf dieses Ende hinarbeiten, es vorbereiten, damit das nicht so ganz wie Kasper aus der Kiste springt.

So, jetzt gebe ich Dir noch paar (für mich) sehr schöne Stellen mit, damit Du Löwin (die um ihren Text kämpft) mal durchatmen kannst, und auch paar Anmerkungen, von denen ich hoffe, sie gehen in die Richtung deines Zielvorhabens.

Während sie durch den Raum tapst, fällt der Schlaf von ihr ab. Sie stellt sich vor, wie er von den Schultern leise auf den Boden rieselt, kurz vor sich hinglitzert und verschwindet.
Auch wenn ich hinglitzern jetzt nicht so prickelnd in Verbindung mit Schlaf finde, die Stelle mochte ich sehr.

Ihr Blick huscht zum Nachbarhaus, sie sucht das Fenster des dicken Manns, der jeden Morgen im braunen Bademantel dasteht, eine Zigarette qualmt und ins Leere starrt.
Er ist nicht da.

Ich würde hier keinen Zeilenumbruch machen zu: Er ist nicht da, aber es ist ein wirklich hübsches Detail.

Wo ist die alte Dame, die dort jeden Morgen ihre Semmeln holt und den Verkehr aufhält, weil sie mindestens fünf Minuten mit der Verkäuferin schwatzt? So oft steht Marla hinter ihr und verdreht die Augen. Jetzt würde sie gerne hören, was die Frau zu erzählen hat.

Auch hübsch.

„Scheiße!“ Marla lässt den Kopf sinken. Am liebsten würde sie mit den Füßen aufstampfen und schreien, so wie sie es als Kind getan hat. Schreien und stampfen, bis jemand kommt und sie fragt, was das soll. Aber sie reißt sich zusammen. Steuert auf die Bank zu, die ein paar Meter weiter steht, und setzt sich.

Setzt sich oder sinkt auf sie hinab? Ich glaube, die ist mal richtig fertig. Ich hätte auch gut gefunden, wenn sie da wirklich ihrer "Panik" mal Lauf gelassen hätte, und ausgerastet wäre. Ich meine, die hatte jetzt gut Zeit, aufzukommen. Und ich glaube ja, die kommt ganz sicher.

Sie wünscht sich eine Baustelle, einen Presslufthammer direkt hier vor der Bank, brüllende Arbeiter, blecherne Schritte auf Stahlgerüsten, Chaos, ohrenbetäubendes Chaos, und sich mittendrin.

Was man hasst wird zur Wunschvorstellung. Guter Moment!

„Hallo, ihr da! Ich hab genug, hört ihr? Mega Aktion, was haben wir gelacht, aber is gut jetzt!“
So sehr sie sich für den Irrsinn schämt, den sie hier veranstaltet, so inständig hofft sie, dass er wahr ist.
... Ihre Beine geben nach und Marla sackt auf den Boden, vergräbt den Kopf in den Händen. Ruckartig zieht sie Luft ein, schluchzt, schnieft, wühlt in den Blättern herum, ... Sie lässt das Telefon fallen und schreit auf. Wie kann das sein? Wo sind die Menschen hin? Wieso erreicht sie niemanden?
Nur langsam geht ihr Atem wieder ruhiger, ein paar letzte Tränen gleiten die Wangen hinab, ...

Der Ausraster kommt für mich bisschen spät. Hier in diesen kleinen Absatz steckst Du den ganzen Emotionskatalog und handelst ihn mit paar Worten ab. Ich würde das über den Vormittag verteilen und da auch bisschen tiefer drin gründeln. Realisieren - Verwirrung - Angst - Panik - Resingnation ... So Step bei Step, nicht alles auf einmal, und vor allem nacheinander.

Nach einer Weile öffnet sie die Musik-App auf dem Handy und drückt auf Play. Ein alter Soulklassiker ertönt aus dem Lautsprecher des Telefons, Marvin Gayes Stimme begleitet Marla, umgibt sie wie eine weiche Decke. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Alles, bloß nicht diese niederschmetternde Stille.

Der letzte Satz hat etwas vom Erklärbär. Schon klar. Ansonsten - das muss ein wirklich guter Moment sein, wenn man sich wieder kurz in Normalität wähnen kann. Auch da, würde ich dem Text drei Worte mehr gönnen.

Wenn keiner mehr da ist, nirgendwo? Sie holt tief Luft und brüllt. Die Namen ihrer Freunde, ihrer Eltern. Stößt Hilferufe aus. Schreit an gegen die Leere in ihrem Bauch, gegen das Vakuum über der Stadt.

Erst Heulen, dann Wut? Mein Empfinden sagt eher andersrum. Überhaupt dreht sich das gegen Ende hin bisschen im Kreis. Sie erlebt die Stille ständig aufs neue und durchläuft jedes Mal die Emotionsspirale, nur das die Heftigkeit zu nimmt.

Erst als ihre Stimme bricht und sie so heftig hustet, dass sie sich fast übergibt, hört sie auf.

Guter Satz.

Blendet sie aus, all die verlassenen Straßen und blinden Fenster. Mitten auf den Straßenbahngleisen läuft sie und bildet sich ein, hinter sich das schrille Klingeln zu hören, das Fluchen des Lokführers, weil sie die Frechheit besitzt, nicht aus dem Weg zu gehen.

Hier auch wieder der Erklärbär. Und ja, das finde ich eine sehr richtige, sehr menschliche Verhaltensweise, die mich überzeugt hat.

Zitternd hofft sie auf den schlechtgelaunten Kerl, der hier die Regale befüllt, auf sein faltiges Gesicht, das er nur hat, weil er immer so zornig um die Ecke schaut, wenn er gerufen wird.
Niemand antwortet.

Das ist jetzt die wievielte Ausführung von - keiner da? Supermarkt finde ich ja gut, aber das muss jetzt nicht nochmal festgestellt werden. Das weiß Leser und Marla inzwischen. Dagegen wäre eine Antihaltung, ich geh jetzt einkaufen und werde mir was richtig leckeres machen, ich muss auch nicht bezahlen, ich mache mir das jetzt alles schön und damit erträglich, ich zieh mich in meine Wohnung zurück und mach ganz laut Musik an und morgen wird alles wieder gut sein - also noch eine neue Facette öffnen, fände ich gut. Du hast ja nur die Emotionen, also spiel diesen Trumpf auch in all seiner Vielfalt und Wandlungsmöglichkeit voll aus.

Soweit von mir. Und nein, ich fand gar nicht schlimm, dass ich den Haushofer Roman kannte :D.

Liebe Grüße, Fliege

 
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Hallo @Fliege

:kuss: Danke! Was für ein schöner Kommentar das ist!

Also, wegen deines Textes habe ich mein Dingens nochmal gelesen, auch die Kommentare, und weißt, wenn ich auch sprachlich heute drei Ministücke weiter bin, irgendwie mag ich den Text noch immer. Verstehe zwar auch die Kritik, aber die würde zu einem ganz anderen Text führen, als was ich gewollt habe und er berührt mich (auch nach all der Zeit) auf seine eigene Art. Und wenn dein Text das auch bei einigen Lesern tut, und das allerwichtigste, Du deinen Text als Leser gern lesen würdest, dann ist eigentlich alles in Butter.
Ich habe deinen Text gesucht und eben "Stille Momente" gelesen. Was soll ich dir sagen - ich finde ihn toll. Und das sage ich nicht, weil ich deinen Kommentar gerade immer wieder lese und er mir echt gut tut, sondern weil ich deine Geschichte über die Stille wirklich schön finde. Ich kann gut verstehen, dass er dich noch immer berührt! Ich denke nicht, dass es ein Kapitalfehler war, die Stille zu personifizieren - ich empfinde es genau andersrum. Soviel mal dazu :shy:
Mir geht es tatsächlich ähnlich wie dir. Ich verstehe die Kritik und habe sie versucht, an Stellen, wo es mir möglich ist, umzusetzen. Allerdings merke ich eben auch, dass ich genau weiß, was ich da erzählen will und dass ich eben dafür auch kämpfe. Ich habe ja weiter oben schon geschrieben, vor allem den Einwand, dass die Geschichte mehr Raum braucht, kann ich total nachvollziehen und vielleicht werde ich ihr irgendwann in ein paar Monaten auch mehr Raum geben, da warte ich mal ab. Aber für diese Challenge wollte ich sie genau so erzählen. Ich muss und will mich mit den Problemen, die damit einhergehen, auseinandersetzen, andererseits mag ich den Text auch dafür, was er ist und was er darstellt. Ja, ich mag ihn und ich würde ihn als Leser gerne lesen. Deshalb kämpfe ich "wie eine Löwin", wie du so schön sagst. Ich finde, es ist immer ein schmaler Grat, sich treu zu bleiben, nicht "für andere" zu schreiben in dem Sinne, dass man sich verbiegt, um Erwartungen zu erfüllen – und gleichzeitig die Kritik anzunehmen, die ja immer weiterhilft und in den meisten Fällen eben dem Text wirklich gut tut. Ich merke immer wieder, dass man da aufpassen, ganz genau hinschauen und auch auf sich selbst hören muss.

Aber wer weiß, vielleicht will man so was ja denken, vielleicht klammert man sich an diesem Strohhalm fest. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, von daher halte ich es nicht mal für unrealistisch. Da könnte man jedoch mit drei, vier Einschübe zuvor auf dieses Ende hinarbeiten, es vorbereiten, damit das nicht so ganz wie Kasper aus der Kiste springt.
Ja, so war das eigentlich gedacht, also als Strohhalm, an den sie sich klammert. Den Kasper aus der Kiste wollte ich da gar nicht so sehr, in meinem Kopf wacht Marla am nächsten Tag auf und ist noch immer allein. Ich überlege mal, wie ich das Ende galanter machen könnte.

Setzt sich oder sinkt auf sie hinab? Ich glaube, die ist mal richtig fertig. Ich hätte auch gut gefunden, wenn sie da wirklich ihrer "Panik" mal Lauf gelassen hätte, und ausgerastet wäre. Ich meine, die hatte jetzt gut Zeit, aufzukommen. Und ich glaube ja, die kommt ganz sicher.
Sie sinkt hinab. Du hast recht, das habe ich geändert. Ich wollte sie hier noch nicht ausrasten lassen, weil es mir zu früh erschien. So wie die Ruhe vor dem Sturm. Erst versucht sie noch, jemanden zu erreichen. Als das dann auch nicht geht, bricht das erste Mal etwas von ihrer Selbstbeherrschung weg. In der Szene danach rastet sie dann ja das erste Mal aus, weil sie niemanden erreichen kann. Hier wollte ich sie dann eben wirklich mal zusammensacken lassen, ihren Gefühlen kurz freien Lauf geben. Ich muss mir mal ansehen, ob ich das noch besser dosieren kann über den Text verteilt.

Der letzte Satz hat etwas vom Erklärbär. Schon klar. Ansonsten - das muss ein wirklich guter Moment sein, wenn man sich wieder kurz in Normalität wähnen kann. Auch da, würde ich dem Text drei Worte mehr gönnen.
Den Erklärbär habe ich zurück in den Wald geschickt. Ja, es stimmt, diesen kleinen Moment der Normalität könnte ich noch ein wenig vertiefen. Ich denke darüber nach, wie.

Hier auch wieder der Erklärbär. Und ja, das finde ich eine sehr richtige, sehr menschliche Verhaltensweise, die mich überzeugt hat.
Der ist ganz schön hartnäckig. Dieser Bär. Ja, du hast recht, habe ich gestrichen. Klingt ohne den Zusatz wirklich besser.

Dagegen wäre eine Antihaltung, ich geh jetzt einkaufen und werde mir was richtig leckeres machen, ich muss auch nicht bezahlen, ich mache mir das jetzt alles schön und damit erträglich, ich zieh mich in meine Wohnung zurück und mach ganz laut Musik an und morgen wird alles wieder gut sein - also noch eine neue Facette öffnen, fände ich gut.
Gute Idee! Da bastel ich die nächsten Tage mal mit rum. Danke für diesen Gedankenanstoß.

Und danke auch dafür, dass du mir deine Lieblingsstellen gezeigt hast, das war schön :)

Fliege, das war toll. Ich werde weiter basteln und sehen, was ich da noch rausholen kann.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hej @RinaWu ,

eloquent und überaus ausführlich führst du mich durch Marlas Dilemma. Vom Aufwachen bis zum Gedanken: Ab Morgen ist alles beim Alten. Dazwischen Beschauliches. Es gefällt mir, dass du München, also einen realen Schauplatz gewählt hast. Das macht ihre Situation noch seltsamer und ich kann dank deiner Beschreibungen sehr gut sehen, was Marla sieht. Was sie fühlt schon weniger, denn sie realisiert, aber sie leidet nicht sonderlich unter der abstrakten Situation. Sie wird weder panisch, noch sonderlich ängstlich oder wütend, und als mir dadurch zwischenzeitlich der Verdacht kommt, Marla lebt immer in ihrer eigenen Welt, möglicherweise sogar in einer Psychiatrie und ist gar nicht wirklich draußen auf Münchens Straßen und in den Supermärkten dort, sondern bildet sich alles bloß ein, da ist die Geschichte zu Ende und nichts bestätigt meine rasante Idee. :D
So bin ich am Ende ratlos und weiß nicht so recht, was ich mit diesem Text anfangen soll, außer dass du wieder einmal unter Beweis stellst, gut erzählen zu können. ;)

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hey @Kanji,

Es gefällt mir, dass du München, also einen realen Schauplatz gewählt hast. Das macht ihre Situation noch seltsamer und ich kann dank deiner Beschreibungen sehr gut sehen, was Marla sieht
Das freut mich. Es hat auch wirklich Spaß gemacht, sich an dieser Beschreibung eines leeren Münchens auszuprobieren. Ich finde ja schon, dass sie leidet ... Sie bricht zusammen, weint, schreit, resigniert. Ich spreche nicht aus "sie leidet", aber ich finde ja, das wird anhand ihrer Handlungen eigentlich deutlich. Es ist wirklich ein schmaler Grat. Erzählt man zu viel oder zu wenig ...

als mir dadurch zwischenzeitlich der Verdacht kommt, Marla lebt immer in ihrer eigenen Welt, möglicherweise sogar in einer Psychiatrie und ist gar nicht wirklich draußen auf Münchens Straßen und in den Supermärkten dort, sondern bildet sich alles bloß ein
Das ist mal eine interessante Überlegung. Ja, das Ende ist offen. Es sollte weder so eine "Tadaaa, alles nur eingebildet" oder "Hör zu, das ist passiert!"-Auflösung sein, sondern das ist schon gewollt so offen gelassen. In meinem Kopf wacht Marla am nächsten Morgen wieder allein auf. Aber in anderen Köpfen darf sich da natürlich auch was ganz anderes entwickeln.

Auch wenn du am Ende nicht so recht weißt, was das sollte, freue ich mich doch, dass dir die Erzählweise an sich gefallen hat :)

Danke dir für deinen Eindruck!
Liebe Grüße
RinaWu

 
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Liebe @RinaWu ,

Ich habe die neue Version vor mir und finde den Einstieg jetzt sehr gut. Wie sich die Stille einschleicht und das Kommando übernimmt. Es scheint so zu sein, dass alle Geräusche, die direkt oder indirekt von Menschen erzeugt werden, zusammen mit ihnen auf einen Schlag verschwunden sind, außer denen, die Marla selbst erzeugt. Und dass sie dies erst nach und nach realisiert, bis sie schließlich in einer Erwartungshaltung erstarrt: Alles wird gut. Dem Leser bleibt überlassen, ob er er Marla darin folgen möchte.

Zwei "Vorbilder" werden hier angeführt, die du, ohne sie zu kennen, "kopiert" hast: der Film mit Will Smith, "I am Legend" und der Roman von Marlen Haushofer, "Die Wand".
Ich kenne beide Werke und war beim Lesen sofort beim Vergleichen.

Das hat mich aber keinesfalls gestört, denn es bestehen doch erhebliche Unterschiede: Will Smith muss sich gegen Zombies wehren, Haushofers Protagonistin hat immerhin eine funktionierende Tierwelt, für die sie die Verantwortung übernimmt.
Das ist für mich ein gravierender Unterschied zu den "Vorlagen", denn deine Prota hat nichts, aber auch gar nichts, keine Aufgabe und daher keinen Plan zum Überleben. Sie erstarrt in der Illusion: Alles wird wieder gut, wenn ich nur stillhalte, mich der Stille unterwerfe.

Hier, finde ich, hast du durchaus ein Alleinstellungsmerkmal, indem du Marla auf jeden Aktionismus verzichten, sie um nichts kämpfen lässt.

Das Fenster quietscht, als sie es öffnet. Quietscht hinein in die Stille.

Marla geht hinüber und setzt sich ins Wartehäuschen. Alles wird wieder gut. Halb so wild. Morgen fährt der Bus wieder.

Spannung entsteht durch Marlas mäandernde Gefühlslage, das auf und Ab ihrer Emotionen.
Als letztes Bild sehe ich sie in der Haltung eines Embryos auf der Bank im Bushäuschen, wartend auf die Wiedergeburt. Das ist mein Bild eines psychischen Zusammenbruchs.

Ich weiß, nicht ob, du das so beabsichtigt hast. Aber mir gefällt, dass dein Text eine so starke Wirkung auf mich ausübt. Es ist ein sehr strenger Text, sprachlich ausgefeilt. Und vom Inhalt her durchaus plausibel.

Eine Frage noch: Die Prota heißt Marla, ist das mit Marlene ein Zufall?

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo @wieselmaus,

danke dir für deinen Kommentar. Es freut mich, dass der Einstieg für dich so nun auch besser funktioniert. Manchmal muss man einsehen, dass bestimmte Worte/Sätze nicht so wirken, wie man es wollte und dann auch dazu bereit sein, sie zu überarbeiten. Ich habe ja recht lange an dem ursprünglichen Anfang festgehalten, habe viele Nächte drüber geschlafen und es dann einfach mal anders probiert. Tja und dann habe ich festgestellt, dass der Anfang, so wie er jetzt ist, tatsächlich besser zum Text passt, als der davor ;)

Zwei "Vorbilder" werden hier angeführt, die du, ohne sie zu kennen, "kopiert" hast: der Film mit Will Smith, "I am Legend" und der Roman von Marlen Haushofer, "Die Wand".
Nein. Die Vorlagen, die genannt wurden, waren "Die Arbeit der Nacht" und "Die Wand". Den Film I AM LEGEND habe ich selbst ins Spiel gebracht, weil ich während des Schreibens oft an Szenen aus diesem Film denken musste, speziell eben die, welche die leere Stadt zeigten, die Stück für Stück von der Natur zurückerobert wird.
Was mir also nicht bekannt war, waren die beiden Buchvorlagen. Im Moment lese ich "Die Arbeit der Nacht", danach werde ich mir dann irgendwann mal "Die Wand" vornehmen. Ist ja ganz cool, dass ich so auf neuen Lesestoff gestoßen bin :)

Das hat mich aber keinesfalls gestört, denn es bestehen doch erhebliche Unterschiede: Will Smith muss sich gegen Zombies wehren, Haushofers Protagonistin hat immerhin eine funktionierende Tierwelt, für die sie die Verantwortung übernimmt.
Es freut mich sehr, dass du dich trotzdem auf den Text einlassen konntest. Und ja, ich sehe es genauso.

Spannung entsteht durch Marlas mäandernde Gefühlslage, das auf und Ab ihrer Emotionen.
Das ist schön zu hören! Wirklich. Denn genau durch dieses schwankenden Gefühlslagen wollte ich Spannung hineinbringen. Es tut gut zu lesen, dass das bei dir funktioniert hat.

Eine Frage noch: Die Prota heißt Marla, ist das mit Marlene ein Zufall?
Die Frage verstehe ich nicht ... Wer ist Marlene? Hab ich was überlesen?

Viele Grüße
RinaWu

 

Marlene Haushofer "Die Wand";) Ist doch toll, so eine Verwandtschaft im Untergrund.

Gruß wieselmaus

 

Ich dachte, sie heißt Marlen ... Deshalb habe ich das nicht verstanden ;) Aber so oder so - ja, das ist Zufall.

Gruß
RinaWu

 

Hallo RinaWu,

ich habe die Geschichte schon recht bald gelesen, nachdem du sie eingestellt hattest. Da konnte ich nicht viel mehr sagen als das, was schon gesagt wurde. Heute habe ich die Geschichte noch einmal gelesen.
Da hast du eine Menge dran geschraubt, oder?
Also ich finde sie jetzt sehr viel besser, richtig gut sogar bis auf das Ende. Etwas straffen in der Mitte könnte man noch, denn es kommt eigentlich kein neues Element dazu, es wird nur die bestehende Fassungslosigkeit wiederholt.
Die Szenen, in denen deine Prota mit der Einsamkeit konfrontiert wird, finde ich gut ausgesucht. Da hast du schöne Alltäglichkeiten gefunden, die dein Szenario in ein stimmiges Licht tauchen.
Angefangen in der Wohnung über Kiosk, U-Bahn, Supermarkt, Park. Doch das gefällt mir.
Die Mitte hängt etwas, aus genannt, Grund, vll könnte man eine Station streichen oder etwas kürzen.
Für die Dramaturgie wäre es sicher auch spannend, wenn ein Auto durchsucht wird oder gar eine Wohnung. Vor allem das gute alte Radio vermisse ich. Würde man das nicht ziemlich schnell versuchen?
Das Ende ... finde das wie abgebrochen. Klar, soll offen bleiben, aber irgendwie ist mir dieser Satz, hm ... so belanglos. Da würde ich noch mal überlegen, etwas aufgreifen, einen Gedanken, den sie zu Beginn hatte, vielleicht eine neue Idee, die ihr kommt, wo sie Menschen finden muss, oder eben ein Zurückziehen in sich selbst, nach Hause, einrollen im Bett? Warten, bis sie aufwacht und der Alptraum vorbei ist?

Noch ein paar Überlegungen:

Da hängt eine Jacke über dem Fahrersitz
das hast du schon zuvor beim Imbiss mit der hängenden Jacke. Würde ich hier streichen, der Rucksack ist doch ein starkes Bild mit der Kanne, das reicht.
Die Frage fliegt durch den U-Bahn-Schacht, hallt von den gewölbten Wänden wider.
also fliegen, das assoziiert eher Leichtigkeit, was schönes. Hallen, das Verb reicht doch. Bau den Satz da drum, das ist auch, was du eigentlich sagen möchtest
Vorsichtig geht sie zum gegenüberliegenden Gleis, beugt sich vor und starrt die Gleise
WW Gleis
Vor dem Kiosk gegenüber steht der Stehtisch für die Stammgäste auf dem Gehsteig und die Markise ist ausgefahren
WW Steh, auch Stehtisch und Gehsteig klingt ... naja
Steuert auf die Bank zu, die ein paar Meter weiter steht, und sinkt auf sie hinab.
auch hier steht eine Bank, weiß nicht, ob das Verbfaulheit ist? Und auf sie hinabsinken. Auch hier wieder eine Leichtigkeit, die sich mit der Situation beißt
Irgendjemand hat den Kiosk aufgesperrt. Ein anderer hat heute Morgen in der Backstube gestanden und Semmeln aus dem Ofen geholt. Wo sind die jetzt?
Das würde ich dringend lassen. Denn bisher vermeidest du klar formulierte Fragen. Lässt du dich auf dieses Gedankenspiel ein, müsste viel mehr davon her.
Ein Blatt landet vor ihren Füßen. Sie hebt es auf, zerbröselt es in der Hand.
Blatt, ist an dieser Stelle nicht klar, dass es Laub ist
gegen das Vakuum über der Stadt.
Vakuum über? Kann man das so sagen? Ist ein Vakuum nicht in etwas?

Die Überarbeitung hat dem Text sehr gut getan.
Gern Gelesen :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo @weltenläufer,

ich habe die Geschichte schon recht bald gelesen, nachdem du sie eingestellt hattest. Da konnte ich nicht viel mehr sagen als das, was schon gesagt wurde. Heute habe ich die Geschichte noch einmal gelesen.
Also erst einmal danke dafür, dass du dir die Geschichte noch einmal angesehen hast, das freut mich sehr. Ja, es stimmt, ich habe geschraubt ;) Also nicht, dass ich sie strukturell oder inhaltlich krass zerlegt hätte, aber ich habe viele kleine Szenen erweitert, verdeutlicht, oder auch gekürzt und umformuliert. Es ist natürlich toll zu hören, dass sie dir nun besser gefällt. Mir auch :)

Die Szenen, in denen deine Prota mit der Einsamkeit konfrontiert wird, finde ich gut ausgesucht. Da hast du schöne Alltäglichkeiten gefunden, die dein Szenario in ein stimmiges Licht tauchen.
Angefangen in der Wohnung über Kiosk, U-Bahn, Supermarkt, Park. Doch das gefällt mir.
Die Mitte hängt etwas, aus genannt, Grund, vll könnte man eine Station streichen oder etwas kürzen.
Ach super, das freut mich, genau das wollte ich schaffen. Also, ihre Einsamkeit anhand dieser Szenen zu beschreiben und eben nicht explizit zu schreiben "sie fühlt sich allein". Ich schaue mir die Mitte noch einmal genauer an, was mögliche Kürzungen betrifft.

Vor allem das gute alte Radio vermisse ich. Würde man das nicht ziemlich schnell versuchen?
Da bin ich wohl wieder zu sehr von mir und meinem Umfeld ausgegangen. Ich kenne niemanden, der noch Radio hört :D Also klar, Podcasts, Spotify oder welchen Anbieter auch immer, aber Musik wird sehr gezielt konsumiert. Das klassische Radio, das im Hintergrund läuft oder zum Nachrichten hören oder wie auch immer, findet gar nicht mehr statt. Deshalb kam mir der Gedanke wohl nicht ...

Das Ende ... finde das wie abgebrochen. Klar, soll offen bleiben, aber irgendwie ist mir dieser Satz, hm ... so belanglos. Da würde ich noch mal überlegen, etwas aufgreifen, einen Gedanken, den sie zu Beginn hatte, vielleicht eine neue Idee, die ihr kommt, wo sie Menschen finden muss, oder eben ein Zurückziehen in sich selbst, nach Hause, einrollen im Bett? Warten, bis sie aufwacht und der Alptraum vorbei ist?
Das ist interessant, denn ich finde, genau diese Überlegung/Stimmung schwingt in meinem Ende mit ;) Der Satz in all seiner Schlichtheit sagt - finde ich - schon mehr aus. Sie denkt ja davor, okay gut, ich war jetzt einkaufen, ich gehe jetzt nach Hause und alles wird gut. Das ist ja eine Art zurückziehen für den Moment. In der Bushaltestelle denkt sie daran, dass morgen der Bus wieder fahren wird, sie denkt an die Menschen, die dann wieder da sein werden. Mit ihren guten und schlechten Eigenschaften. Manche drängeln, sind laut, trampeln rücksichtslos herum, manche nicht. Was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass sie sich auf sie freut, egal wie ungehobelt oder rücksichtslos sie manchmal sind. Das klassische nach Hause gehen und sich auf dem Bett zusammenrollen, war mir zu gewöhnlich, ich wollte an einer anderen Stelle, bei einer anderen Überlegung aus der Geschichte aussteigen. Aber so unterschiedlich sind da die Geschmäcker :)

Deine sprachlichen Anmerkungen waren sehr hilfreich, ich habe die Stellen gleich mal alle ausgebessert. Vielen Dank dafür!

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe @RinaWu,

du hast ja schon so viele Kommentare bekommen, dass für mich wirklich nichts mehr Neues zu sagen bleibt. Trotzdem will ich dir aber dalassen, dass ich deine Geschichte sehr gerne gelesen habe, zumal ich kurz davor in München war - nicht zum, aber während des Oktoberfestes, und ich habe München als sehr volle Stadt in Erinnerung. Deswegen kam die gruselige Vorstellung, was wäre, wenn, sehr gut bei mir an. Und natürlich aufgrund deiner sehr anschaulichen Schilderung von Marlas einsamer, morgendlicher Stadttour. :)
"Die Wand" habe ich übrigens als Film gesehen, aber beim Lesen deiner Geschichte gar nicht daran gedacht. Manchmal schreibe ich auch in Kommentaren, die Geschichte erinnert mich an dies oder das, aber nie denke und meine ich dabei, der Autor hätte abgekupfert. Ähnlichkeiten kann es immer geben, und trotzdem schreibt jeder seine unverwechselbare Sache.

In deiner Antwort auf den letzten Kommentar hast du überlegt, in der Mitte vielleicht zu kürzen. Ich könnte mir das hier knapper vorstellen, den ganzen Absatz.

Je näher sie dem Zentrum kommt, desto schwerer werden die Füße. Nach einer Stunde erreicht sie die Bavaria. Die Statue thront stolz auf ihrer Erhebung und wacht über die Theresienwiese. Als Marla auf die riesige Fläche schaut, die sich vor ihr ausbreitet, auf die letzten Reste der Oktoberfestzelte, die noch nicht abgebaut wurden, fühlt sich ihr Herz plötzlich an, als würde es reißen. Was soll sie jetzt tun? Was, wenn sie wirklich der einzige Mensch in ganz München ist? Wenn keiner mehr da ist, nirgendwo? Sie holt tief Luft und brüllt. Die Namen ihrer Freunde, ihrer Eltern. Stößt Hilferufe aus. Schreit an gegen die Leere in ihrem Bauch, gegen das Schweigen der Stadt.
Erst als ihre Stimme bricht und sie so heftig hustet, dass sie sich fast übergibt, hört sie auf. Die Augen glasig, der Hals von innen ganz wund, lehnt sie sich an eine Hauswand. Sie will sich auf den Boden schmeißen, um sich treten und weiterkreischen. Sieht ja keiner. Nur dass sie dann vielleicht nicht mehr aufsteht und dort auf dem kalten Asphalt den Verstand verliert.
Für mich wirkt das Schreien und die Hilferufe und das reißende Herz nicht wirklich so stark wie die echten Wahrnehmungen bzw. Erinnerungen, wie hier:
Sie durchquert den Westpark, der in seinen bunten Herbstfarben in der Sonne leuchtet, und spürt ihn wieder, den Kloß im Hals. Hier hat sie oft in dem kleinen Open-Air-Café am Mollsee gesessen und die durcheinandergewürfelten Menschen beobachtet. Die Mütter, die ihre quengelnden Kinder mit einem Eis besänftigen wollten, die Hipster, die ihre Hosen noch weiter hochkrempelten
Hier läuft mir viel eher ein Schauer über den Rücken, weil man die Abwesenheit der Menschen wirklich greifen kann. Ich fände das im Präsens übrigens besser: Hier sitzt sie immer …. am Mollsee usw.
Dann käme mMn das Nichtwahrhabenwollen noch stärker zum Ausdruck.

Der Schluss an dieser Stelle gefällt mir richtig gut, ich empfinde das so, wie du es sagst, das passt:

Das klassische nach Hause gehen und sich auf dem Bett zusammenrollen, war mir zu gewöhnlich, ich wollte an einer anderen Stelle, bei einer anderen Überlegung aus der Geschichte aussteigen.
In der Bushaltestelle denkt sie daran, dass morgen der Bus wieder fahren wird, sie denkt an die Menschen, die dann wieder da sein werden. Mit ihren guten und schlechten Eigenschaften. Manche drängeln, sind laut, trampeln rücksichtslos herum, manche nicht. Was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass sie sich auf sie freut, egal wie ungehobelt oder rücksichtslos sie manchmal sind.
Ein Gedanke nur, aber ich denke mir, du wirst das nicht ändern wollen, also nur mal so dahingeschwafelt: Wenn sie einen bestimmten Menschen, wie die, die im letzten Absatz erwähnt werden, immer wieder glauben würde, kurz wirklich zu sehen … Jemand richtig Ekligen, mit dem sie wirklich gar nichts zu tun haben will im echten Leben, aber wie sich dann die Vorstellung aufbaut, wie toll das doch wäre mit dem. Also nur so als Nebenstrang. Du hast das natürlich in gewissem Maße auch so drin … Aber vielleicht noch etwas stärker, dann würde sich noch eine weitere zweifelhafte Option auftun. Aber, wie gesagt, nur mal so dahingeschwätzt. Mir hat's ja gefallen und ich habe mich richtig einsam und verzweifelt gefühlt in deinem ausgestorbenen München.

Liebe Grüße von Raindog

 

Hallo @Raindog,

danke erstmal, dass du mir deine Gedanken dagelassen hast.

Trotzdem will ich dir aber dalassen, dass ich deine Geschichte sehr gerne gelesen habe, zumal ich kurz davor in München war - nicht zum, aber während des Oktoberfestes, und ich habe München als sehr volle Stadt in Erinnerung.
Ich finde es gut, dass du nicht zum Oktoberfest da warst, ich kann es nämlich nicht ausstehen. Da warst du aber natürlich zu einer Zeit hier, in der die Stadt wirklich extrem voll ist. Ich arbeite mitten in der Stadt und finde die drei Wochen immer mega anstrengend ... Aber man muss auch sagen, es bringt Leben in die Stadt, das hier manchmal ein bisschen fehlt, von daher hat alles seine guten und schlechten Seiten :) Es freut mich auf jeden Fall, dass dir die Geschichte gefallen hat und du dir das gut vorstellen konntest, mein leeres München ;)

Manchmal schreibe ich auch in Kommentaren, die Geschichte erinnert mich an dies oder das, aber nie denke und meine ich dabei, der Autor hätte abgekupfert. Ähnlichkeiten kann es immer geben, und trotzdem schreibt jeder seine unverwechselbare Sache.
Nein, das ist ja auch gar nicht das Problem gewesen, das ich hatte und worüber jetzt in meinem Kopf auch schon wieder Gras gewachsen ist. Ich habe auch schon an Ähnlichkeiten zu anderen Geschichten gedacht, wenn ich hier was gelesen habe, sei es nun wegen des Stils oder des Inhalts, und habe das auch geäußert. Ich sehe das genauso wie du, und das ist eben das Wichtige für mich in dieser Diskussion gewesen, trotzdem schreibt jeder sein eigenes Ding.

Hier läuft mir viel eher ein Schauer über den Rücken, weil man die Abwesenheit der Menschen wirklich greifen kann. Ich fände das im Präsens übrigens besser: Hier sitzt sie immer …. am Mollsee usw.
Dann käme mMn das Nichtwahrhabenwollen noch stärker zum Ausdruck.
Ja, es stimmt, ihre Einsamkeit kommt anhand dieser Erinnerungen stärker rüber. Ich überlege mal, wie ich in der Mitte noch kürzen könnte. Momentan ist bei mir beruflich und privat aber halligalli, deshalb finde ich die Ruhe dafür nicht. Vielleicht am Wochenende ... Und ja, die Sache mit dem Präsens wurde schon mal angesprochen, ich weiß leider nicht mehr, von wem. Lustigerweise hatte ich diese Sätze sogar anfangs im Präsens und habe sie dann doch wieder abgeändert. Ich glaube aber, ihr habt recht und das Nichtwahrhabenwollen kommt besser zur Geltung, wenn ich wieder zum Präsens zurückkehre.

Der Schluss an dieser Stelle gefällt mir richtig gut, ich empfinde das so, wie du es sagst
Das freut mich :)

Raindog, vielen Dank - auch für den Denkanstoß am Schluss, da denke ich mal drauf rum.
Liebe Grüße
RinaWu

 

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