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Doch – du vergisst, Indien und Südostasien wurden von Europäern kolonisiert. Die einheimischen Eliten eiferten uns schon im 19. Jahrhundert in allem nach, was sich nach deren Befreiung noch verstärkte: Für diese Länder sind Europa, USA und Japan bis heute Vorbilder. Denn auch Japan hat bereits im 19. Jahrhundert angefangen, uns nachzueifern, um in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert mit uns gleich-, wenn nicht vorbeizuziehen.Ja, Religion (allen voran, aber nicht ausschließlich, die abrahamistischen) ist neben morbid overbreeding der zweite Elefant im Raum, den kaum eine Bewegung benennt (und sorry, erst recht nicht Extinction Rebellion - da geht es ausschließlich gegen soft targets). Indien, Südostasien und China kriegst du allerdings nur zum Teil über das Christentum erklärt.
China verharrte lange in der Selbstisolation, was zu einem technologischen Rückstand ohne gleichen geführt hatte. Das wurde erst mit der japanischen Invasion Chinas richtig erkannt und führte zum „Großen Sprung nach vorn“, der zwar im Desaster endete, aber seit dem Tod von Mao im Grunde weiter geführt wird, diesmal mit Mitteln der Marktwirtschaft, also des Kapitalismus, allerdings ohne der regelnden Kraft der Demokratie, was zur beispiellosen Ausbeutung der Natur und der Menschen durch die Menschen führt.
Kapitalismus protestantischer Prägung hat in China gesiegt, weil die politische Führung das so wollte, und nicht, weil dort Protestanten bzw. überhaupt das Christentum eine Rolle spielte: China hat nur die Methode übernommen, nicht das Denken dahinter.
Das Beispiel der Evangelikalen, die ja auch aus dem Protestantismus kommen und großen und noch zunehmenden Einfluss in den USA und in Brasilien ausüben, zeigt uns, dass dieser Glauben an Gott, der die erfolgreichen Menschen mit Reichtum belohnt und die anderen mit Armut bestraft, immer noch existiert und nach wie vor die treibende Kraft hinter alledem ist.
Mehr noch, dieser Glaube hat sogar dazu geführt, dass indem es Menschen durch demokratische Wahlen an die Hebel der Macht brachte, die sich als erstes daran machten, eben diese Demokratie zu missachten und zu beschädigen. Indem Gott zulässt, so deren Logik, dass die Führer dieser Staaten zum Erreichen ihrer Ziele Lügen verbreiten dürfen, werden diese nicht mehr als Lügen wahrgenommen, sondern als gottgewollte alternative Wahrheiten.
Und was den Klimawandel betrifft ist für sie ohnehin klar: Gott wird es schon richten.
Na ja, das Denken dahinter, im Alter versorgt zu sein, ist in den Entwicklungsländern nach wie vor die treibende Kraft, um möglichst viele Kinder zu haben. Wir haben eine Rentenversicherung, die uns diese Sorge abnimmt. Und wir haben eingesehen, dass Kriege, die bei uns bis zum Weltkrieg I. für die „Entsorgung“ der überschüssigen Söhne sorgten, keinen Sinn haben. Beides zusammen führte dazu, dass wir weniger Kinder in die Welt setzen. Das im Gegensatz zu den Ländern der sog. III. Welt.Da werden Kinder gemacht, weil "etwas von einem weiterlebt" (so die Illusion jedenfalls). Und je näher sich Leute am Tod fühlen, desto mehr wird gezeugt als gäbe es kein Morgen. Ein Teufelskreislauf.
Hysterie ist nie gut, und die Emotionalität nur dann, wenn sie noch ein Gehör für Fakten hat. Das hilft bei den anstehenden Aufgaben einen coolen Kopf zu bewahren. Sprich nicht in Aktionismus zu verfallen, das dann u.U. mehr Schaden anrichtet als nützt.Ich hab auch nicht behauptet, dass das Thema neu sei. Neu ist aus meiner Sicht, dass es im Alltag spürbar ist.Dion schrieb:Will sagen, das Thema ist nicht neu, nur wurde damals nicht so emotional argumentiert wie heute.Zum Thema „Emotionalität“: Wissenschaftler:innen haben sich jahrzehntelang redlich darum bemüht, mit rein fachlichen Argumenten dafür zu sorgen, dass dem Thema die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ohne größere Erfolge.
Erst seitdem wir eine Bewegung haben, die Menschen auf emotionaler Ebene anspricht, ändert sich das langsam.
Von daher finde ich das Naserümpfen („Hysterie“) fehl am Platz.
Wer alt genug ist, wird noch wissen, dass in den 1980er Jahren Waldsterben ein großes Thema war, dann aber, als man die Ursache dafür herausfand, einfach einschlief. Die Ursache waren hohe Schornsteine und Rußfilter, die man baute bzw. per Gesetz bauen musste, um die unmittelbare Umgebung vom Ruß zu befreien. Die Folge war, dass die Sulfat- und andere Aerosole, die bis dahin mit dem Ruß in unmittelbaren Umgebung niedersanken, nun in die weit entfernte Gebiete fliegen konnten, wo sie unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung zerfallen und mit Wasserdampf den sauren Regen bilden konnten.
Als das erkannt war, schrieb man Rauchgasentschwefelungsanlagen vor, was im Hinblick auf den sauren Regen natürlich richtig war. Jetzt stellt man aber fest, dass die Abwesenheit dieser Aerosole in der Atmosphäre dazu führt, dass die Sonnenstrahlung ungehinderter als zuvor auf die Erde trifft und sie entsprechend mehr erwärmt. Ozeangewässer werden auf dieser Weise wärmer, was zu vermehrtem Auftreten von Hurrikanen führt – im Atlantik gab es in diesem Jahr 29 davon, während der Schnitt über ein halbes Jahrhundert bei 12 pro Jahr liegt.
Unsere Bemühungen, die Luft reinzuhalten, haben also die Klimaerwärmung noch verstärkt. Aus Unkenntnis der Zusammenhänge. Es ist so, wie @jimmysalaryman es sagte: „Wirtschaft ist, wie Klima, eine so hochkomplexe Angelegenheit, da gibt es keine einfachen Lösungen.“
Daraus folgt: Wir müssen Aktionismus vermeiden. Denn der entsteht, wenn der öffentliche Druck auf die Politik zu groß wird. Dann ist die Gefahr groß, dass etwas beschlossen wird, das u.U. gut gemeint ist und die Gemüter beruhigt, aber mittel- und langfristig mehr schadet als nutzt. Was zu beweisen war.
Ja, die Geschichte ist nicht perfekt. Ich habe sie 2009 mehr aus Jux geschrieben, weil damals eine ähnliche Diskussion hochkochte wie heute, aber verglichen mit heute war sie geradezu manierlich.Danke für den Link zu deiner Geschichte. Ich hab sie gestern gelesen und sie gefällt mir aus verschiedenen Gründen nicht
Ich bitte dich, meine Antwort oben an Katla zu lesen, denn ohne diesen Glauben an Gott, der alles richten wird, wären Aufstiege von Trump, Bolsonaro, Orban und Kaczyński nicht möglich gewesen. Und das sind genau die Staatsführer, die die Klimaerwärmung negieren oder deren Ursache nicht dem Menschen zuschreiben.Ich stimme zu, dass christliche Vorstellungen die Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft stark geprägt haben. Aber die Idee, dass unser heutiges Verhalten in Bezug auf Klima und Umwelt damit zu tun hat, dass die Mehrheit der Menschen sich an religiöse Gebote halten möchte … sorry, aber das finde ich, freundlich ausgedrückt, nicht überzeugend.Dion schrieb:Es wird schlicht vergessen, dass das, was wir bisher auf dieser Erde angerichtet haben, die Folge einer göttlichen Anweisung ist: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“Es waren vor allem Christen, die den technologischen Fortschritt samt der Ausbeutung der endlichen Ressourcen vorangetrieben haben – erst später, nachdem sie gesehen haben, welchen „Erfolg“ wir damit haben, sind auch Anhänger anderer Religionen (Japaner, Chinesen) auf diesen Zug gesprungen.
Du irrst – wären jene Religionen nicht (Christentum und Islam), die sich im Krieg der Gebärmütter befinden und deswegen Kondome und Abtreibungen verbieten, wäre der weltweite Bevölkerungszuwachs nicht so groß ausgefallen. Gut, Europa ist bis auf einige ehemalige Ostblockstaaten weitgehend aufgeklärt und hört nicht auf diese Prediger, aber in Afrika und in beiden Amerikas bestimmen darüber Katholiken und Evangelikale.Unabhängig davon: Die Weltbevölkerung könnte zu 100% aus Atheist:innen bestehen, ich bezweifle, dass das an der Situation irgendetwas ändern würde.
Gerade Länder mit strenggläubigen Bevölkerung – egal ob diese christlich oder muslemisch ist – haben die höchsten Geburtenraten, was zusammen mit der europäischen Medizin zur Youth Bulge führt – und in der Folge zu lokalen Kriegen, Umsturzversuchen und Migration.
Zu behaupten, Religionen hätten damit nichts bis wenig zu tun, ist wissentliches Wegschauen.
Das finde ich auch. Aber nicht nur im Sinne von „religiöse Ausprägung der fossilen Brennstofflobby“ oder als „Ökologie-Religionen“, wie du sie anscheinend gut findest, sondern als Texte über konkrete Geschehnisse von gestern und heute, die dazu führten und führen, dass z.B. Trump und Bolsonaro ungestraft gegen die ganze aufgeklärte Welt arbeiten und deren Bemühungen um eine bessere Zukunft sabotieren können.Aber um wenigstens den Versuch zu starten, etwas weniger Offtopic zu sein: Eine literarische Auseinandersetzung mit dem Thema, welche religiösen Vorstellungen unseren Umgang mit der Natur prägen, kann natürlich spannend sein.