Ok, Fortsetzung:
Hi @Dion,
Dion schrieb:
Will sagen, das Thema ist nicht neu, nur wurde damals nicht so emotional argumentiert wie heute.
Ich hab auch nicht behauptet, dass das Thema neu sei. Neu ist aus meiner Sicht, dass es im Alltag spürbar ist.
Zum Thema „Emotionalität“: Wissenschaftler:innen haben sich jahrzehntelang redlich darum bemüht, mit rein fachlichen Argumenten dafür zu sorgen, dass dem Thema die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ohne größere Erfolge.
Erst seitdem wir eine Bewegung haben, die Menschen auf emotionaler Ebene anspricht, ändert sich das langsam.
Von daher finde ich das Naserümpfen („Hysterie“) fehl am Platz.
Danke für den Link zu deiner Geschichte. Ich hab sie gestern gelesen und sie gefällt mir aus verschiedenen Gründen nicht, aber ich möchte gern herausfinden, was es von Wortkrieger-Seite bisher zu dem Thema gibt, und da gehört sie mit dazu.
Dion schrieb:
Es wird schlicht vergessen, dass das, was wir bisher auf dieser Erde angerichtet haben, die Folge einer göttlichen Anweisung ist: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“
Es waren vor allem Christen, die den technologischen Fortschritt samt der Ausbeutung der endlichen Ressourcen vorangetrieben haben – erst später, nachdem sie gesehen haben, welchen „Erfolg“ wir damit haben, sind auch Anhänger anderer Religionen (Japaner, Chinesen) auf diesen Zug gesprungen.
Ich stimme zu, dass christliche Vorstellungen die Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft stark geprägt haben. Aber die Idee, dass unser heutiges Verhalten in Bezug auf Klima und Umwelt damit zu tun hat, dass die Mehrheit der Menschen sich an religiöse Gebote halten möchte … sorry, aber das finde ich, freundlich ausgedrückt, nicht überzeugend.
Ich bin bestimmt keine Freundin der Kirche oder von Religionen im Allgemeinen, aber man muss fairerweise sagen, dass es schon seit langem einen christlich geprägten Teil der Umweltbewegung gibt, der sich auf die „Bewahrung der Schöpfung“ beruft. In Europa spielt der eine geringe Rolle, in den USA, wo Religion noch eine wesentlich größere Bedeutung für das gesellschaftliche Leben hat, sieht das schon anders aus.
Unabhängig davon: Die Weltbevölkerung könnte zu 100% aus Atheist:innen bestehen, ich bezweifle, dass das an der Situation irgendetwas ändern würde.
Aber um wenigstens den Versuch zu starten, etwas weniger Offtopic zu sein: Eine literarische Auseinandersetzung mit dem Thema, welche religiösen Vorstellungen unseren Umgang mit der Natur prägen, kann natürlich spannend sein. In der „Maddaddam“-Trilogie von Margaret Atwood (Das sind die drei Romane „Oryx und Crake“, „Das Jahr der Flut“ und „Die Geschichte von Zeb“) kommen verschiedene Neureligionen vor, die ich interessant finde: Einmal eine religiöse Ausprägung der fossilen Brennstofflobby, und auf der anderen Seite „God‘s Gardeners“, eine Art Ökologie-Religion. Andere Beispiele fallen mir nicht ein, aber ich könnte mir vorstellen, dass das im Bereich Climate Fiction schon mehrfach bearbeitet wurde. Wenn jemand andere Beispiele kennt, immer her damit. 
Hi @Geschichtenwerker,
Geschichtenwerker schrieb:
Solche Vergleiche hinken also gewaltig und haben für mich daher einen stark propagandistischen Beigeschmack. Warum ich mich darüber aufrege? Weil ich es unerträglich finde, dass "wir Deutschen" uns immer wieder völlig selbst überschätzen. Nachdem es mit der Weltherrschaft nicht geklappt hat, träumen wir jetzt von der Weltrettung?! Wir könnten morgen allesamt kollektiv als deutsches Volk Selbstmord begehen und das würde am Klimawandel bei einem Gesamtbeitrag von ca. 2% am Welt-Co2-Ausstoß praktisch nichts ändern. Und dass wir mit erhobenen Zeigefinger anderen Ländern erklären, dass sie falsch wählen, das falsche System haben und/oder Umweltschweine sind, macht es auch nicht besser.
Das ist auch sehr Offtopic, aber da das Argument „Deutschland trägt nur 2% bei“ so häufig auftaucht und aus meiner Sicht sehr problematisch ist, will ich doch etwas dazu sagen.
Diese Rechnung betrachtet die Emissionen, die hier vor Ort entstehen. Wenn die Emissionen von Produkten, die wir importieren (zum Beispiel aus China) mit berücksichtigt werden, sieht sie ganz anders aus.
Aber lass es von mir aus „nur“ 2% sein (das wäre immer noch viel, dafür dass Deutsche nur 1% der Weltbevölkerung ausmachen). Deutschland ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt, und – ich denke, das kann man durchaus sagen, ohne dass es als Arroganz verstanden wird – ist auch ein Vorbild für viele andere Länder. Wenn wir die Entscheidung treffen würden, unsere Wirtschaft nach dem Kriterium zu gestalten, was für das langfristige Überleben der Ökosysteme und der Zivilisation am förderlichsten ist, dann hätte das weitreichende Auswirkungen – am direktesten in der EU, aber natürlich auch auf alle anderen Handelspartner. Diese „Hebelwirkung“ hat das Potenzial, viel mehr zu verändern als nur 2%.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Deutschland alleine „die Welt retten“ kann oder soll. Aber das behauptet doch auch niemand. Die Umweltbewegung existiert doch nicht nur hier, sondern ist global unterwegs und richtet Forderungen an alle Regierungen und Unternehmen – und an jede:n einzelne:n. Von daher kann ich den Ärger, der in deinem Post zum Ausdruck kommt, nicht wirklich nachvollziehen.
Aber: Wenn du noch weiter darüber diskutieren möchtest, lass uns das nicht hier tun. Wenn du denkst, es wäre cool, da mit mehreren Menschen aus dem Forum weiter drüber zu reden, mach gerne den Aufschlag im Kaffeekranz, oder ansonsten schreib mir eine PN.
Hey @Analog,
Analog schrieb:
Ersterer ist naiv, letzterer macht einen Denkfehler. Denn für den Wald, den er hier vielleicht rettet, werden am anderen Ende der Welt gigantische Waldgebiete für Baumwoll- und Orangenplantagen gerodet, Flüsse und Landschaften durch Fabriken, Chemiedünger und Pestizide verseucht, die Erzeugnisse tausende Kilometer weit verschifft. Jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag. Alles nur, damit er täglich frisch gepressten Orangensaft trinken kann.
Wieso nicht auf Orangensaft komplett verzichten? Für die Umwelt. Wäre nur folgerichtig und konsequent.
Um es noch mal deutlich zu sagen: Das war ein plakatives Beispiel. Es ist mir in der Realität weder in der einen noch der anderen „Reinform“ jemals begegnet. Die Menschen innerhalb der Klimabewegung, mit denen ich zu tun habe, sind alle sehr darum bemüht, ihren persönlichen Lebensstil möglichst „unschädlich“ zu gestalten. Aber es ist wichtig, anzuerkennen, dass niemand in dieser Hinsicht „perfekt“ sein kann, und es ist aus meiner Sicht absolut nicht zielführend, sich gegenseitig vorzurechnen, wie weit der oder die jeweils andere von Perfektion entfernt ist. Und dass es kein bestimmtes Maß von „Umweltfreundlichkeit“ des persönlichen Lebensstils braucht, bevor sich jemand politisch engagieren „darf“, ohne als Heuchler:in verschrieen zu werden.
Ich nehm mal ein anderes, vielleicht alltagsnäheres Beispiel. Wenn jemand, der auf dem Land wohnt, beschließt, sich in Zukunft vegan zu ernähren, um nicht mehr zu den Umweltauswirkungen der Massentierhaltung beizutragen, und du ihm dann vorwirfst, dass in dem pflanzlichen Brotaufstrich, den er sich gekauft hat, aber Palmöl drin ist – was genau soll das bringen?
Es kann sein, dass er das gar nicht wusste, weil wie schon erwähnt viele Unternehmen alles andere als transparent sind mit solchen Informationen. Es kann sein, dass er sich den teureren Aufstrich ohne Palmöl nicht leisten kann, oder dass es den in dem einzigen für ihn gut erreichbaren Supermarkt nicht zu kaufen gibt.
Es ist doch viel sinnvoller, anzuerkennen, dass es in der Hinsicht eben tatsächlich „kein richtiges Leben im Falschen“ gibt, und sich gemeinsam für Änderungen auf systemischer Ebene einzusetzen, als ihm Vorwürfe zu machen oder sich selber überlegen zu fühlen, weil man selbst (in diesem einen Punkt) etwas „besser“ weiß oder macht.
Auch bei dem Thema die Bitte: Wenn es den Bedarf nach weiterem Austausch gibt, gerne in einem Offtopic-Thread oder per PN.
Hi @Chutney,
Chutney schrieb:
In meiner Geschichte "Schwalbensommer" habe ich den Versuch gemacht, eine Ehegeschichte mit dem Klimathema zu verbinden. Es war ein Gefühl von Zweigleisigkeit, denn einerseits hatte ich das Bedürfnis, bestimmte ökologische Informationen rüberzubringen, andererseits wollte ich eine spannende Geschichte erzählen. Ein bisschen kam es mir so vor, wie ein trojanisches Pferd. Das Interesse der KommentatorInnen lag eher auf der Ehegeschichte, würde ich sagen.
Danke!

Vielen, vielen Dank!
Ich wusste doch, wenn ich hier frage, finden sich Sachen in der Richtung, die ich mir vorstelle.
Deine Geschichte finde ich toll! Mal sehen, vielleicht komme ich dazu, einen Kommentar zu schreiben, sie ist zwar schon älter, aber vielleicht fühlen sich ja auch noch andere durch die Diskussion hier angeregt, sie zu lesen und zu diskutieren.
Chutney schrieb:
Mich reizt es aber schon, realistische, alltägliche Geschichten zu schreiben, in denen diese Themen eine Rolle spielen, auch die Konflikte und Widersprüche, die sich hier in der Diskussion abzeichnen. Die verschiedenen Arten mit dem Gefühl von Verzweiflung und Ohnmacht umzugehen, wenn man sich klarmacht, was da auf uns zukommt. (Das führt bei mir dazu, dass ich mir manchmal einfach die Ohren zuhalten möchte. Tierfilme gerne, aber bitte ohne die Anmerkung, dass es sich hier gerade um die letzten überlebenden Exemplare handelt.)
Es freut mich sehr, dass du das auch reizvoll findest!
Ich war ja bisher hauptsächlich in SF, Fantasy und Horror unterwegs, und die Ideen, mit denen ich mich momentan beschäftige, sind auch fast alle mehr oder weniger in diesen Genres angesiedelt, da fühle ich mich beim Schreiben einfach am meisten zuhause. Aber lesen will ich momentan sehr gerne Sachen, die hier unter „Alltag“ oder „Gesellschaft“ angesiedelt wären.
Das Gefühl, dass man das Thema manchmal einfach wegschieben möchte, kann ich nur zu gut nachempfinden– und ich denke, im Interesse der eigenen psychischen Gesundheit ist es sogar ratsam, dem hin und wieder nachzugeben. Die Auseinandersetzung damit kostet viel Kraft. Nicht umsonst gibt es mittlerweile die „Psychologists for Future“, die Klimaaktivist:innen unterstützen, wenn es denen nicht gut geht. Ich hab auch bewusst an den Anfang des Threads die Warnung gesetzt, dass es Leute die gerade an anderen Sachen zu knabbern haben, gegebenenfalls lieber nicht lesen.
Chutney schrieb:
Ich denke, es wäre wichtig, sich missionarische, pädagogische Attitüden bei dem Thema zu verkneifen, das kommt nicht gut und wäre auch nicht angemessen. Auf der anderen Seite gibt es meiner Meinung nach zur Zeit kein Thema, welches gesellschaftlich so relevant ist, wie die Umweltzerstörung bzw. der Klimawandel. Wenn man sich mehr damit befasst, versteht man eigentlich nicht, warum nicht alle sofort auf die Straße rennen und schreien. Und warum nicht jede zweite Geschichte in diesem Forum diese zum Thema hat.
Ja, ich denke wir sind uns alle einig, dass Sachen mit dem Tenor „Ihr seid alle Umweltschweine, schämt euch“ nicht prickelnd sind.
Momentan habe ich allerdings – nicht nur, aber auch in diesem Thread – den Eindruck, dass bei manchen Leuten die Kernaussage „Es gibt die Klimakrise, und das hat Auswirkungen auf unser Leben“ schon ausreicht, um eine Antwort zu provozieren, als wäre „schämt euch“ gesagt worden.
Ich bin mir nicht sicher, wie man damit gut umgehen kann. Es scheint mir auch bei anderen gesellschaftlichen Debatten immer häufiger zu werden, dass man etwas sagt und einige Mitmenschen hören etwas völlig anderes heraus.
Jede zweite Geschichte … das würde ich nicht erwarten. Es gibt ja auch andere „schwierige“ Themen – soziale Ungleichheit wäre ein Beispiel – die sehr wichtig sind und unser ganzes Leben durchziehen und trotzdem vergleichsweise selten thematisiert werden. Aber ich freue mich, dass du nachvollziehen kannst, warum ich das Gefühl habe, dass es im Hinblick auf Klimakrise und ökologische Krise „wenig“ ist und dass es mehr davon geben könnte.
Chutney schrieb:
Ich mag gerne Kurzgeschichten von der Autorin Lauren Groff. Dort steht die Umweltzerstörung nicht im Vordergrund, aber sie wird auch nicht ausgespart, die Reaktion darauf, der Umgang damit, charakterisiert zum Beispiel die Protagonistin in "Geister und Leerstände", der ersten Geschichte aus dem Band "Florida". (Ich habe gerade nochmal reingeguckt, sonst geht es nicht so viel um Klimawandel, aber es hat mich in dieser ersten Geschichte einfach positiv überrascht.)
Ein Buch, das mich tief beeindruckt hat, ist "Die Wurzeln des Lebens" von Richard Powers.
Und wer zum Thema Tierschutzaktivisten einen wirklich lesenswerten Roman geschrieben hat, ist unser Mitkrieger @Peeperkorn. Was der Igel weiß - Peter Zimmermann
Vielen Dank auch für diese Tipps!
Hi @jimmysalaryman
jimmysalaryman schrieb:
Jetzt geht es hier so ab, dass ich befürchte ich kann den Versuch, wie bei einem Geschichtenthread auf jeden einzelnen Beitrag zu reagieren nicht auf Dauer durchhalten.
Warum startest du dann so einen Thread?
Ich denke, dass ich schon mehrmals hinreichend deutlich gesagt habe, welche Fragestellungen mich bewegen.
Davon abgesehen konnte ich nicht vorhersehen, dass es so viele Reaktionen geben würde. Einige Posts haben ja schon thematisiert, dass es durch die häufige Darstellung in den Medien teilweise eine Art „Müdigkeit“ in Bezug auf das Thema eintritt – den Eindruck hatte ich bislang auch. Und dass wenig Belletristik (ggf. mit Ausnahme von SF) darüber geschrieben wird, war ja für mich der Anlass für die Diskussion. Von daher habe ich den Thread in der Annahme gestartet, dass vielleicht eine Handvoll Leute ein paar Lesetipps für mich haben und eventuell jemand etwas über darüber sagt, was Besonderheiten oder Schwierigkeiten sind, wenn man über das Thema schreibt. Nicht, dass Dutzende Leute hier ihre Meinung über alles Mögliche von Bevölkerungswachstum bis Christentum zum besten geben.
In deinem Post kommt für mich eine gewisse Erwartungshaltung rüber, als ob ich, nun wo ich den Thread gestartet habe, verpflichtet wäre, auf alles was hier gesagt wird eine Antwort zu haben. Auch, wenn ich mich bisher bemüht habe, auf alle halbwegs themenrelevanten Beiträge einzugehen, sehe ich mich da überhaupt nicht in der Pflicht. Bei einem Geschichtenthread, wo sich Beiträge direkt auf einen von mir geschriebenen Text beziehen, ja klar, da gehört es zum guten Ton, allen zu antworten.
Aber in einem Diskussionthread ist das überhaupt nicht üblich, was sich auch leicht nachprüfen lässt, wenn man sich einige der längeren Threads hier unter „Autoren“ oder in „Kritiker“ anschaut. Die laufen teilweise weiter, wenn die Person die ursprünglich die Diskussion gestartet hat, gar nicht mehr im Forum aktiv ist.
Trotzdem, ich werde mich bemühen, auf die Fragen die du mir gestellt hast einzugehen. Aber auch dich bitte ich, wenn du dann noch weiteres Diskussionsbedürfnis haben solltest, das in einem separaten Thread oder per PN zu machen, sofern sich deine Argumente nicht auf das Thema Literatur beziehen.
jimmysalaryman schrieb:
Das ist überhaut nicht unproduktiv. Wenn jeder vernünftig konsumieren und verzichten würde, würde sich sicherlich etwas ändern. Die meisten reden eben nur. Sein Auto verkaufen, nachhaltig einkaufen, dafür weite Wege, recylcen, Dinge nicht wegschmeißen - kostet Mühe, kostet Zeit, will keiner so richtig. Lieber Hambi retten mit I-Phone in der Hand und geile Photos von den Scheiß-Bullen schießen!
Du kannst so nachhaltig einkaufen, wie du willst – solange wir Gesetze haben, die dafür sorgen, dass „nachhaltig“ teuer ist, bzw. die es überhaupt erlauben, dass nicht nachhaltig produziert wird und die Kosten dafür der Allgemeinheit aufgebürdet werden, ist das Veränderungspotenzial deines persönlichen Einkaufsverhaltens relativ gering, und nach meiner Überzeugung wird politisches Engagement für die Änderung dieser Gesetze schneller zu positiven Veränderungen führen. Die EU-Agrarrichtlinien, die in dem Thread auch schon irgendwo zur Sprache kamen, sind ein gutes Beispiel – vergleich mal die Milliardenbeträge, um die es da geht, mit deinem monatlichen Einkaufsbudget. Das ist natürlich kein Argument dagegen, sich individuell um sein Konsumverhalten Gedanken zu machen. Aber diese individuelle Ebene ist eben nicht alles, und aus meiner Sicht momentan auch tatsächlich nicht die oberste Priorität.
Ich könnte dir hier auflisten, worauf ich persönlich alles verzichte und welchen Aufwand ich betreibe, um einen kleinen ökologischen Fußabdruck zu haben. Aber wie gesagt – ich halte das nicht für produktiv. Das ist kein Wettbewerb, wer ein ökologisches Goldsternchen bekommt, sondern eine globale Krise.
Eins noch zu dem Thema: Der Umweltaktivist, der im Mercedes in den Hambi fährt und da mit i-Phone Fotos von der Polizei macht, ist ein Strohmann.
Vereinzelt mag es die geben. Aber nach meiner persönlichen Erfahrung sind die Menschen, die in ihrem politischen Engagement am weitesten gehen – bis hin zum zivilen Ungehorsam – sehr oft auch die, die ihr persönliches Konsumverhalten am stärksten anpassen.
jimmysalaryman schrieb:
Und was ist denn genau dein "Weichenstellungsproblem?" Sprich doch mal Klartext. Was kommt denn nach der Weichenstellung? Sozialismus? Kommunismus?
Ich kenne dich ja nicht persönlich, aber hier im Forum habe ich dich bislang als unheimlich klugen Autoren mit einem sehr ausgeprägten Sinn für Nuancen erlebt.
Diese Darstellung, als ob das Wirtschaftssystem, das wir jetzt haben, und Sozialismus wie in China oder der DDR die einzigen zwei Alternativen wären und Menschen, die das eine kritisieren zwangsläufig das andere wollen müssen – das passt gar nicht zu dem Bild, dass ich von dir habe.
Dass wir beide politisch sehr weit auseinanderliegen, ist mir schon klar, aber ich finde es wirklich bedauerlich, dass du hier mit lauter Strohmannargumenten um dich schmeißt.
Ich hab weiter oben in meiner Antwort an Friedrichard schon einige wirtschaftswissenschaftliche Theorien genannt, die potenzielle Lösungsansätze skizzieren. Ich bin zugegeben in diesem Bereich noch nicht so belesen, wie ich gern wäre, aber vielleicht empfehle ich doch mal ein Sachbuch: „Donut-Ökonomie“ von Kate Raworth. Darin geht es darum, dass wir eine Wirtschaft brauchen, die sowohl die Bedürfnisse aller Menschen erfüllt (symbolisiert durch den inneren Rand des Donuts) als auch die planetaren Grenzen, d.h. die Kapazitäten der Ökosysteme, nicht überschreitet (äußerer Rand des Donuts). Das Buch zeigt aus meiner Sicht sehr anschaulich, welche Denkfehler in unserem bestehenden System stecken, und welche Korrekturmöglichkeiten es gibt.
jimmysalaryman schrieb:
Scheint mir ein recht klassistisches Problem zu sein - Akademiker denken über Weltrettung und Klima nach, einfache Erwerbstätige darüber, ob die Rente reicht und der Lohn für den Monat. Vielleicht auch mal bedenkenswert.
Erst Strohmann, jetzt Whataboutism.
Soziale Gerechtigkeit muss bei den Lösungen, die wir anstreben, mitgedacht werden (auch dafür liefert das Buch von Kate Raworth gute Denkanstöße), und das ist vielen in der Umweltbewegung wohl bewusst (nicht allen, da müssen wir nicht drüber streiten. Auch die Tatsache, dass die Bewegung sehr stark von Akademiker:innen geprägt ist, stelle ich nicht infrage).
Aber wenn wir mit diesen Sachen „entweder-oder“ anstatt „sowohl-als auch“ spielen, dann werden manche von denen, die sich jetzt wegen ihrer Renten sorgen, vielleicht nicht soviel von ihrem Rentenalter haben, weil sie in einer Hitzewelle an Kreislaufkollaps sterben, oder an neuen Krankheitserregern, etc.
jimmysalaryman schrieb:
Das "Schulen der Vorstellungskraft." Das ist dann keine Literatur mehr, die ja eben nicht schulen, sondern einen freien Geist produzieren soll, der selbst entscheidet, sondern Propaganda, Indoktrination. Das ist es, was du möchtest?
Gut, die Formulierung gefällt dir nicht. Ich versuche es anders auszudrücken.
Es ist dir doch sicher schon mal so gegangen, dass dir ein Buch „die Augen geöffnet“ oder „deinen Horizont erweitert“ hat. Dass es dir eine neue Perspektive gezeigt hat und hinterher dein Blick auf ein bestimmtes Thema ein bisschen anders war, als bevor du das Buch gelesen hattest.
Wenn du das selbst noch nie erlebt hast, dann wird dir zumindest bewusst sein, dass andere Menschen das erleben – vielleicht sogar, weil sie eine deiner Geschichten gelesen haben.
Ist das für dich „Indoktrination“?
jimmysalaryman schrieb:
Was denn jetzt? Entweder es sind die 1% oder es sind eben wir alle. Entscheide dich mal. Und wenn es egal ist, wieviel Engagement ich zeige, weil ich irgendwie immer noch ein Teil des Problems bin und wahrscheinlich auch immer sein werde, warum sollte ich dann auch nur einen fuck drauf geben, was nach mir kommt, was überhaupt passiert?
Ganz ehrlich, ich bin gerade nicht sicher, ob du mich wirklich nicht verstanden hast, oder ob du mich nicht verstehen
willst.
Es sind sowohl die 1% als auch wir alle (traditionell lebende indigene Völker und richtig bitterarme Menschen sollte man denke ich ausklammern, aber uns im globalen Norden kann man da definitiv dazu zählen). Die 1% in einem weitaus größeren Maße – aber das heißt eben nicht, dass wir nicht auch mit drin stecken.
Und es geht halt nicht um das, was nach dir kommt, sondern auch um dein Leben. Wenn dir das egal ist, hindert dich nichts daran, die ganze Diskussion um das Thema einfach zu ignorieren.
Und wenn du zum eigentlichen Thema dieses Threads – zur Erinnerung, das war Schreiben über die Klimakrise und die ökologische Krise –scheinbar nichts beizutragen hast oder das nicht möchtest, dann zwingt dich auch niemand, hier mitzulesen und zu diskutieren.