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Pickelige Jungs versus wimmerlgesichtiger Buben - das Dilemma sprachlicher Minderheit

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05.05.2004
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Pickelige Jungs versus wimmerlgesichtiger Buben - das Dilemma sprachlicher Minderheit

Dies ist in erster Linie ein Thread für Österreicher, Schweizer und sonstige sprachliche Minderheiten im deutschen Sprachraum. Wie geht ihr mit diesen lokalen Eigenheiten um?
Soll ich meine Protagonisten Kukuruz und Karfiol essen lassen und hoffen, dass auch in Norddeutschland alle verstehen, dass das Mais und Blumenkohl sind?
Soll ich männliche Kinder wirklich Buben nennen? Ganz besonders, da dies keine Eins-zu-Eins-Übersetzung von "Jungen" ist (Buben werden früher zu Burschen als Jungen, und Bube wird zumindest in Teilen Deutschlands als abwertend salopp für "Spitzbube" aufgefasst.)
Soll ich Polster schreiben und riskieren, dass meine Leser darunter in erster Linie Möbelpolsterung oder Luftpolster verstehen und nicht - so wie ich als Österreicher es meine - Kissen?
Soll ich Geschoss mit "ß" schreiben (was aufgrund der österreichischen Aussprache in Österreich völlig korrekt ist) und riskieren, dass sich Deutsche denken, ich wüsste nicht, wie man das richtig schreibt?
Soll ich riskieren, dass sich Lektoren deutscher Verlage (von denen es ja ein bisschen mehr gibt als österreichische ...) denken, dass sie im Zweifelsfall lieber ein Buch veröffentlichen, das alle des Deutschen mächtigen verstehn, und nicht nur die Österreicher?
Oder soll ich auf meine kulturelle Identität pfeifen (Ich werde nie verstehen, warum man das nicht mit doppel F schreibt) und mich der Kritik aussetzen, ich würde mich an die Norddeutschen anbidern und in Österreich als gespreizt empfundene Begriffe wie Rührei verwenden?

Gruß, Woodwose (der sich offenbar auch als Einziger weigert, Tomate statt Paradeiser zu sagen)

 

Ich als Norddeutscher und für gewöhnlich Ablehner sämtlicher Dialekte ( ;) ) empfehle Dir, soviele seltsame Regionalbegriffe zu verwenden, wie Du magst, wenn die Geschichte in Österreich spielt (alles andere wäre albern).
Wenn die Geschichte im (nichtösterreichischen) Weltraum oder in obskuren Fantasy-Welten spielt, lass die Leute einfach keinen Mais essen.
Wenn Du Geschoss schreiben willst, schreib einfach Geschoss. Bei Wörtern die doppelt vorkommen, würde ich die genormte Schreibung verwenden.
"Buben" versteht in D (dank der fortschreitenden verbayerung) jeder.

 

Wie geht ihr mit diesen lokalen Eigenheiten um?
Gar nicht. Habe mich komplett an die Deutschen angepasst, weil es dann weniger Ärger mit der Kritik gibt. :D

Oder soll ich auf meine kulturelle Identität pfeifen
Wenn du dich eher an der breiten Masse orientieren willst, dann ja. Ich habe solche sprachliche Eigenheiten in Büchern (von Christine Nöstlinger z.B.) immer gehasst, weil selbst ich als Österreicher nicht die ganzen wienerischen Ausdrücke verstanden habe, die darin vorkommen.

 

Also ich schreibe natürlich auch in unserer Sprache. Das hat ja nichts mit Dialekt zu tun, sondern es ist anerkanntes österreichisches Deutsch.
Ich hatte bisher keine Probleme damit, manchmal hab ich einen Ausdruck mit * erklärt. Stehen ja auch sehr viele österreichische Ausdrücke im Duden, ich glaub sogar das Geschoß, und wer etwas nicht versteht oder glaubt, es sei falsch geschrieben, kann es gerne nachschlagen.

Ich finde es schon gut, wenn jeder jeden versteht. Aber das sollte nicht durch einseitiges Anpassen oder Einschränken geschehen, sondern dadurch, daß jeder den anderen verstehen lernt.

 

Hi Woodwose,
auch ich hab Missverständnisse erlebt mit Leuten aus der Schweiz oder Österreich und habe mich schon gefragt, wie ihr euch fühlt, wo wir doch die Mehrheit sind. Und selbst Sim musste einen Begriff wie "Schlindern" im Ruhrgebiets-Wörterbuch nachschlagen; ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt.
Wenn man sich nicht bewusst ist, dass ein Ausdruck regional ist, kann das natürlich dazu führen, dass eine Geschichte für andere unverständlich ist. Andererseits bin ich auch immer neugierig und habe mich Susi gefragt, was Häferl :kaffee: bedeutet oder mich von unserer Wölfin über Häkelball oder krutschelig aufklären lassen.
Genieße es doch, eine internationale Leserschaft zu haben und verrate mal, was du zu Rührei sagst?

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Naut:Dialekte würde ich auch nicht verwenden, ohne dass es besonderen Sinn hat, aber das sind ja noch nicht mal Dialekte. Alles, was ich oben geschrieben habe, ist offizielles, amtliches österreichisches Hochdeutsch, das ich in einer Deutschmatura (manche Menschen sagen dazu auch Abitur ...) oder einem amtlichen Dokument schreiben dürfte.
Klar, ich würde keinen Protagonisten, der eindeutig aus Berlin stammt, "Paradeiser" sagen lassen, und auch keinen Raumschiffkommandanten auf Wega IV. Aber was mache ich zB bei einer Beschreibung oder jeder anderen Szene, in der keine Figur sondern der Autor spricht? Sollte ich jemals versuchen, "Frikadellen" statt "Faschierte Laibchen" zu schreiben, würde ich mir wahrscheinlich die Handgelenke dabei verrenken (Ups, jetzt hab ichs ja gerade getan)

PS: Mir war gar nicht bewusst, dass es offenbar einen sehr-wohl-österreichischen Weltraum gibt. ;) Hat vielleicht was mit Franz Viehböck zu tun (dem ersten - und wohl auch letzten - österreichischen Astronauten).

@ Häfer: Ein Häferl kann natürlich auch jemand sein, der leicht in diesen Zustand zu bringen ist: :mad: :bonk:

 

Ich finde es völlig in Ordnung, bei einem österreichischem Kollegen von Marillen und Schlagobers zu lesen. Sprachliche Eigenheiten machen einen Text charmant.
Natürlich muss es passen und wenn der Berliner schon in einem Wiener Café bestellt, dann würde ich es wahrscheinlich nicht Melange, sondern Melannsche schreiben. ;)
Mal im Wörterbuch nachzuschlagen schadet ja nichts. Oder habe ich "schlindern" dann etwa als falsch bezeichnet? Ich hoffe doch nicht.

 
Zuletzt bearbeitet:

Mal im Wörterbuch nachzuschlagen schadet ja nichts.
Na ja, aber es fördert nicht gerade den Lesefluss, oder? Aus diesem Grund soll man ja auch nicht mit Fremdwörtern und Fachvokabeln um sich werfen.
Versteht mich nicht falsch, ich finde, Sim hat durchaus Recht. Aber ich bin mir sehr unsicher, wann ich damit zu weit gehe.

 

Ich finde es völlig in Ordnung, bei einem österreichischem Kollegen von Marillen und Schlagobers zu lesen.
Ach, daher kommt Marillen? :idee:
Ich habe mal so einen Saft in einem Cafe ausprobiert und mich gewundert, dass das ein anderer Name für Aprikosen (?) ist.
Zitat von Sim:
Oder habe ich "schlindern" dann etwa als falsch bezeichnet? Ich hoffe doch nicht.
Nein *beruhig*, hast du nicht. Nur draufhingewiesen. Und das ist ja auch gut so. :)
Mich hat mal ein Stuttgarter (!) gefragt, welchen Dialekt ich spreche, und ich war etwas empört, dass das, was ich als hochdeutsch empfinde, anscheinend ruhrpöttisch eingefärbt ist.

 

Habt ihr Ösis (darf ich überhaupt Ösis sagen, oder fühlt ihr euch da beleidigt) eine eigene Sprache; also "Hochösterreichisch"; eine sprache, die in öffentlichen Ämtern gesprochen wird (Ich kenn eigentlich nur das Beispiel Kassa für Kasse (auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt scheissa red)), oder ist das einfach deutsch?

Wenn ihr eine eigene Sprache habt, würde ich in dieser schreiben, egal, wie Brokolie, oder was das da oben war (bin jetzt zu faul nachzusehen *gähn*), dann heisst.

Wenn auf Ämtern hochdeutsch gesprochen wird (oder werden sollte), würde ich auch bei dem bleiben.

Das ist jetzt meine Meinung als... :hmm: hmmmm ich wohn in Bayern. Da kann man gut Halbösterreicher sagen :D

 
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Habt ihr Ösis (darf ich überhaupt Ösis sagen, oder fühlt ihr euch da beleidigt) eine eigene Sprache; also "Hochösterreichisch"; eine sprache, die in öffentlichen Ämtern gesprochen wird (Ich kenn eigentlich nur das Beispiel Kassa für Kasse (auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt scheissa red)), oder ist das einfach deutsch?
Ich fühle mich zumindest nicht von Ösi beleidigt, auch wenn ich das noch weniger sagen würde als Frikadelle.
Das Österreichische Hochdeutsch ist eine Variante des "normalen" Hochdeutsch, genauso wie das amerikanische Englisch vom britischen. Auch da kann es zu Missverständnissen kommen, wenn sich ein Ami und ein Brite im "First Floor" treffen wollen.
Kassa und Kasse ist (leider ?) bei Weitem nicht das einzige Beispiel

 

Ach so, Susi, hast du eine Direktleitung zu deinem PC, eine spezielle Suchfunktion, die immer dann anschlägt, wenn "Häferl" erwähnt wird? :D

Und ein Häferl ist sowas.
Und dann immer einen/eins (Richtige Lösung bitte ankreuzen) dabei?

 

Wenn ich Fantasy schreibe, dann benutze ich meistens sowieso keine Wörter wie Mais und Tomaten, oder Schlagrahm :D. Falls ich mal eine Geschichte schreiben sollte, die in der Schweiz spielt, würde ich wahrscheinlich "Velo" und "Trottoir" anstatt "Fahrrad" und "Bürgersteig" (?) benutzen. Ansonsten nerve ich mich natürlich immer darüber, dass mich alle auf die fehlenden "ß" aufmerksam machen :D.

Blaine schrieb:
ch habe solche sprachliche Eigenheiten in Büchern (von Christine Nöstlinger z.B.) immer gehasst, weil selbst ich als Österreicher nicht die ganzen wienerischen Ausdrücke verstanden habe, die darin vorkommen.
Ja, das kenne ich von manchen schweizerischen Autoren ... als Schaffhauser ist man sowieso irgendwie im Nachteil, da man nicht so urchige (!) Begriffe wie die Berner benützt. Aber andererseits finde ich es auch spannend, da dann der typisch schweizerische Charakter besser zur Geltung kommt.

 

verrate mal, was du zu Rührei sagst?
Eierspeis'
Um wieder mal ganz pingelig(?) zu werden: Das ist noch nicht mal wirklich das selbe: Eine Eierspeis wird normalerweise aus Eiern und Milch gemacht und - wenn ich nicht ganz falsch liege- ein Rührei nur aus eiern.

 

@sirwen:

Ansonsten nerve ich mich natürlich immer darüber
das heißt bei uns, dass ich mir auf die Nerven gehe :Pfeif:
@woodwose:
Eine Eierspeis wird normalerweise aus Eiern und Milch gemacht und - wenn ich nicht ganz falsch liege- ein Rührei nur aus eiern.
Nö, bei Rühreiern ist die Milch inbegriffen ( zumindest in diesem Teil des Landes und in dieser Familie :Pfeif: )

 

Das mit der Milch ist nur der "Geheimtip", den man entweder kennt oder nicht, egal ob Rührei oder Eierspeis. :)

Falls ich mal eine Geschichte schreiben sollte, die in der Schweiz spielt, würde ich wahrscheinlich "Velo" und "Trottoir" anstatt "Fahrrad" und "Bürgersteig" (?) benutzen.
Mit Velo und Trottoir hat glaub ich auch niemand Probleme. Aber wenn es unbekanntere Begriffe sind, ist es vorteilhaft, sie am Ende der Geschichte zu erklären. ;)
Ansonsten nerve ich mich natürlich immer darüber, dass mich alle auf die fehlenden "ß" aufmerksam machen
Mit der Zeit weiß man ja, wer Schweizer ist - ich freu mich dann immer, weil die Korrekturlisten für Schweizer viel kürzer sind... :D

Ach so, Susi, hast du eine Direktleitung zu deinem PC, eine spezielle Suchfunktion, die immer dann anschlägt, wenn "Häferl" erwähnt wird?
Das haben wir beim Geheimdienst alle. :D
Und dann immer einen/eins (Richtige Lösung bitte ankreuzen) dabei?
Das lag nur daran, daß das Häferl auf einer Seite ist, die ich bei meinen Favoriten hab. ;)

 

Also wir Steirer machen die Eierspeis` so, indem wir Ei/er zerrühren. Und ab ins Reind´l (Pfanne). Das mit der Milch ist Geschmackssache, macht aber nicht die Eierspeis` aus...

 

das heißt bei uns, dass ich mir auf die Nerven gehe
Verfluchte Helvetismen ... :D

Aber wenn es unbekanntere Begriffe sind, ist es vorteilhaft, sie am Ende der Geschichte zu erklären.
Die kenne ich dann selber nicht, ich habe ja auch österreichische Wurzeln ;).

 

Hmm. Ich habe jetzt den ganzen Thread gelesen und mir ist kein Wort begegnet, das ich in einer Geschichte nicht verstanden hätte. Marillen kennt sogar hier jeder (schließlich gibt es ja Marillenschnaps & Marillenlikör *würg*) und was eine Eierspeis' ist, kann ich mir gerade noch so vorstellen, ohne jemals in Ö gewesen zu sein.

"Kassa" habe ich das erste mal in einer Geschichte von groovekill@ gesehen, da habe ich ihn einfach gefragt, ob das korrekt ist (ist ja kein Problem). Ich gebe zu, dass ich sirwen einige male ein "ß" angeboten habe, beim dritten Versuch hatte ich es mir aber gemerkt.

Insgesamt sehe ich also überhaupt kein Problem, im Gegenteil: Amerikanische Schriftsteller lassen in ihren Büchern Texaner, Briten, Schotten, Hawaianer und was weiß ich alles für seltsame Mundarten sprechende Figuren auftreten. Dagegen ist Österreichisch oder Schweizerdeutsch doch recht verständlich (zumindest geschrieben) und verleiht einer Geschichte eine schöne Farbe, oder?

 

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