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Ich bin der Käferkönig

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22.10.2011
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Ich bin der Käferkönig

Erst war es nur die Zeichnung auf der Sprühflasche, die mir auffiel: Ein gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen. Ich fand das ungerecht.
Und meine Mutter natürlich, die war eine Schau, wenn sie nach der Flasche griff. Sie verwandelte sich in eine Walze, ja, eine echt gefährliche Mutterwalze, die quer durch das Haus stampfte und Käfer vergaste. Sie merkte nicht einmal, dass ich hinter ihr herschlich. Die ersten Male interessierte mich nur das Gezappel der Käfer, weil sie so lustig mit den Beinchen winkten. Einmal wollte ich sie zu einer Strampelkette binden und die meiner Schwester umhängen. Aber genau da, als ich einen der Käfer hochhob, entdeckte ich seine Augen.
In einem Buch habe ich gelesen, ein Käferauge sehe aus wie Glasbausteine. Das ist Quatsch. Ganz tief drin, man muss nur genau schauen, da ist so ein Punkt. Wie ein winziger Schacht, der immer enger wird, und ins Innere des Käfers führt. Dieser Punkt ist das Käferauge.
Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder. Da mochte ich es nicht mehr, wenn die Käfer auf dem Boden zappelten, bis sie starben.

„Theo!“ Ich drehte mich um. Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet. „Lass die Küchenschaben liegen. Das ist widerwärtig.“
„Ich tu sie nur raus, Mama.“ Ich hielt den Käfer hoch und lachte. Ganz laut und prustend, als kitzelte einen jemand wie wild. Halt einfach Freds Lachen. Zum Glück klappte es, Mama haute ab und übersah die Schachtel hinter meinem Rücken. Meinen Käferkrankenwagen. Wenn sie den entdeckt hätte, ohje, das Gekeife wäre endlos, was ich für ein Kind bin, von wem ich sowas hätte, von ihr jedenfalls nicht.
Beim Hinausgehen hörte ich noch: „Und sag nicht immer Mama zu mir, Katharina sollst du sagen. Ist das denn so schwer zu merken?“
Ja, das war es, aber das wiederum konnte Mama sich nicht merken.
Der Käfer in meiner Hand zappelte. Falls Käfer ihre Mütter kennen, dachte ich, dürfen sie bestimmt Mama sagen. Ich ließ die Tür ein bisschen zu fest zufallen und tat, als liefe ich in den Garten. Kurz vor der Haustür huschte ich zweimal nach links, drehte mich um die eigene Achse und murmelte den Findespruch: „Links, links, rundherum.“ Zwei spitze i, zwei runde u. Klare, gute Wörter. Immer, wenn ich das genau so machte, fand ich Freds Zimmer. Diesen Raum verpestete Mama nie. Früher, vor den Käfern, war sie jeden Tag hier gewesen, doch jetzt hatte sie ihn vergessen.
Kein Wunder in einem Haus, das ständig seine Wände verschob. Vor einem Jahr, kurz nachdem Fred gestorben war, hatte ich mir deswegen oft in die Hose gemacht, denn jedes Mal, wenn ich zum Klo wollte, erhob sich vor mir eine neue Mauer. Meine Schwester behauptete, ich würde lügen, und nannte mich Pisshorst. Sogar in der Schule. Aber es war wirklich so. Wie in dem Labyrinth auf dem Jahrmarkt von Mehrendorf, wo ich mit meiner Klasse war. Da mussten mich die Besitzer rausholen, weil ich als einziges Kind nicht hinausfand. Meine Lehrerin schämte sich, weil ich so blöd bin, aber ich kann nichts dafür. Ich kann super Kopfrechnen, aber gegen Wände habe ich keine Chance. Und in die Schule geh ich seit zwei Monaten sowieso nicht mehr.

Das Bett in Freds Zimmer war immer noch bezogen mit Eintrachtbettwäsche. Am Bettgalgen hing Kumpel, das Stoffskelett. So hatte Fred es getauft. Eigentlich sah alles aus wie früher.
Ich setzte mich auf den Boden, breitete ein Tuch über meine Beine und setzte den Käfer darauf. Er sah platt aus, irgendwie gequetscht. Dann öffnete ich die Schachtel. Ich legte die zuckenden Käfer nebeneinander, fuhr mit einem feuchten Taschentuch über die Panzer und entfernte jedes Stäubchen. Das mochten sie. Einmal hatte ich dafür Zeugs aus einer Flasche von meiner Mutter geklaut, Davidoff stand darauf. Eigentlich wollte ich, dass die Käfer meiner Mutter ein bisschen verzeihen, aber den Davidoffkram mochten sie gar nicht.
Die Käfer torkelten über meine Beine, erst langsam, dann wurden sie emsiger und schneller, huschten in dunkle Ecken und verschwanden schließlich unter einer Fußleiste. Nur der flache Käfer blieb liegen.
Manchmal, wenn ich sitzen blieb, als wäre ich tot, kehrten sie zurück. Sie tasteten sich auf meine Beine, wurden mutiger und tanzten hoch zu meinem Gesicht, kitzelten und ziepten; manchmal tat es sogar weh. Aber das machte mir nichts.
Ich holte ein Wurstpäckchen aus der Hosentasche und eine Puppenflasche Bier und verteilte alles in zwei Schälchen. Wenn die Schaben Hunger bekamen, konnten sie essen und Bier beruhigt nach einer Aufregung, das sagte mein Vater auch immer, wenn er nach der Arbeit nach Hause kam. Vielleicht wollten sie auch ein wenig an ihrem toten Schabenbruder naschen.
Dann lehnte ich mich zurück und dachte an die Augen der Käfer - und an Fred. Die Erwachsenen sagen, ich wäre bei ihm gewesen, als er starb, aber so genau weiß ich das nicht mehr. Nur noch, dass ich meine Mutter rief, weil der Fred komisch aussah. Sie führte einen Affentanz auf, dann kam der Krankenwagen. Aber es nützte nichts mehr. Ich hätte ihnen das gleich sagen können, denn in den Augen von Fred lag Schmerz. Schon lang. Ich weiß nicht, was der Fred hatte und warum jeden Tag Pfleger kamen, irgendwas haben sie mir erklärt, aber schlechte Wörter merke ich mir nicht. Und das, was der Fred hatte, war ein sehr schlechtes Wort.
Ich nahm Kumpel auf meine Knie. „L“ sagte ich, „Leuk“, ich drückte Kumpel ganz fest, doch das verfluchte Wort wollte einfach nicht weg von mir. Irgendwann lag auf meinem Schoß eine klumpige Stoffhülle, eklige, gelbe Flocken bedeckten mein Shirt. Ich sprang auf und drosch das Wort gegen die Wände. Mindestens zweimal für jeden Buchstaben, egal, wie weh das tat, und noch einmal dazu. Für Kumpel. So fest ich konnte. Die Schläge klangen satt, dunkel. Nur an der Wand, unter der die Schaben verschwunden waren, mischte sich ein Ping in den Ton, ganz fein, aber ich hörte es. Ping. Ich riss an der Tapete, schabte und kratzte, zum Vorschein kam Holz. Ich holte einen Hammer und eine Lampe, schlug ein Loch und spähte hinein. Vor mir lag ein Hohlraum voller lichttanzender Flusen und huschender Schatten. Und voller Rohre. Bestimmt führten sie durch das Haus, verbanden die Räume, vielleicht die ganze Stadt. Ich erweiterte die Öffnung und schlüpfte vorsichtig an ein paar scharfen Zacken vorbei in das Innere. Ich legte meinen Kopf an eines der Rohre. Gut fühlte sich das an, ganz warm, tausend trippelnde Beinchen knisterten hinter dem Metall. Waren das die Käfer, die ich vor meiner Mutter gerettet hatte? Ich blieb still und lauschte. Und dann erzählten die Käfer. Von damals. Und von Fred.

Später klaute ich eine Decke und befestigte sie vor meiner Haushöhle. „Du bist mein Versteck“, sagte ich. „Nein, du bist unser Versteck. Meins und das von Fred.“

*

Im Garten stand meine Mutter, sie unterhielt sich mit meiner Tante. Ich mochte die Tante, sie trug immer bunte, weite Röcke, in die man sein Gesicht vergraben konnte.
Ich ging zu den beiden hin, um ein wenig Unterhaltung zu haben. Außerdem hatte ich den Namen Fred gehört. Ich zupfte meine Tante am Rock und sagte: „Der ist doch hin, der Fred. Schon lang.“ Die Lippen meiner Tante schürzten sich zu einem erschrockenen, kleinen Zelt, sie fasste nach dem Arm meiner Mutter. Die schloss die Augen, öffnete sie wieder, schlug mir ins Gesicht und rannte weg.
Ich musste lachen, weil mein Kopf so wackelte.
Die Tante fasste nach meiner Hand, setzte sich aufs Gras und zog mich zu sich herunter. Einfach so. „Komm mal“, sagte sie. Ich schmiegte mich mit dem Rücken an ihren warmen Bauch.
„So kannst du das nicht sagen, Theo. Man sagt, er ist tot.“
„Aber ich mag das Wort nicht. Außerdem sagt die Mama auch immer, der ist hin, wenn ein Käfer stirbt, und dann lacht sie sogar, dabei mag ich die Käfer.“
Hinter mir kollerte es wie von einem Vogel, ich drehte mich um, aber es war nur die Tante.
„Glaubst du, ich bin schuld an Freds Tod?“
„Natürlich nicht, wie kommst du denn auf sowas?“
„Die Mama denkt das. Seit der Fred hin ist … “,
„Tot.“
„Jedenfalls guckt sie mich gar nicht mehr lieb an.“
„Das stimmt nicht. Die Mama hat dich sehr lieb. Du erinnerst sie nur an Fred. Und das macht sie traurig. Schuld warst du an gar nichts. Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Und jetzt kann die Mama das nicht vergessen. Irgendwann wird das wieder.“
„Aber wenn ich zur falschen Zeit am falschen Ort war, dann war ich doch richtig.“
„Kindskopf.“
Sie strich mir über die Haare, mit der anderen Hand zupfte sie am Saum ihres Rocks. „Theo“ sagte sie und noch einmal „Theo“, dann schwieg sie kurz, und setzte erneut an. Wie Erwachsene das tun, wenn sie unbedingt was wissen wollen. Sie pumpen dann; wie meine Käfer. Während die Tante also pumpte, zählte ich die Fleckchen auf ihrem Arm. Als ich bei dreiundzwanzig war, schaffte sie es.
„Warum hast du eigentlich deine Lehrerin gehauen? Du mochtest sie doch.“
„Ja.“
„Warum dann? Du warst doch toll in der Schule. Haben die Kinder dich geärgert?“
„Das ist ein Geheimnis.“
„Oh. Ein Geheimnis. Das kann man natürlich nicht verraten.“
„Nein.“
„Kann man das auch kleinen Katzen nicht verraten?“
„Kleinen Katzen?“
„Ja. Ich hab eine dabei. Die hört gern Geheimnisse. Und sie kann nichts weitererzählen.“

Auf dem Rücksitz stand ein Korb mit einem rotweißkarierten Tuch. Wie ein Picknickkorb, nur steckte darin statt fiesem Krümel-Ei ein Kätzchen. Gerade, als es mich anschaute, fiel ein Lichtstrahl auf sein braun gepunktetes Fell. Es hatte keinen Schwanz, nur einen Stumpf.
„Was hat die Katze gemacht?“
„Sie hatte einen Unfall. Und jetzt hat sie kein Zuhause mehr.“
„Arme Katze, komm her.“ Ich nahm sie auf den Arm, kitzelte sie mit den Fingern unter dem Köpfchen und schnalzte mit der Zunge. Wenn man das ganz zart macht, als wollte man Kekse am Gaumen ankleben, werden die Tiere ruhig. Ich streichelte die Katze, bis ihre Haare knisterten, ihr Köpfchen vor und zurückruckte und sie sich an meine Finger schmiegte.
„Magst du ihr erzählen, wie das in der Schule war?“
„Das ist aber nur für die Katze.“
„Klar.“
„Ich hab keinen Bock auf Müllrechnen.“
„Müllrechnen?“ Die Stimme klang nach Tante, die einen auf Katze machte. Aber egal.
„Ja, Müllrechnen ist scheiße. 94 geteilt durch drei ist 31. Bleibt eins Rest. Reste sind scheiße.“
„Wieso denn?“
„Die werden weggeschüttet.“
„Aber …“
„Wir zum Beispiel sind mit dir fünf, seit der Fred weg ist. Fünf geteilt durch zwei bleibt eins Rest. Das bin ich.“
Meine Tante schwieg. Ich glaube, sie verstand, dass man da nicht mehr in die Schule gehen konnte, auch wenn man vorher das Kopfrechnenkind war.
„Hmm“, die Tante beugte sich zu mir herunter und zog ihre Nase kraus. „Ich glaube“, sagte sie, „deine Lehrerin hat was vergessen. Das Müllrechnen, das heißt eigentlich Division. Und die wichtigste Division ist immer die durch sich selbst. Mach mal.“
„Du meinst bei uns? Fünf durch fünf?“
„Ja.“
„Das gibt eins.“
„Ganz genau. Das gibt immer eins, egal, welche Zahl du nimmst. Eins ist die allerwichtigste Zahl von allen. Eins heißt nämlich eine Portion Glück. Und du bist eine besonders süße Portion Glück.“
Der Katze gefiel das, so sehr schmiegte sie sich an meine Brust.

Über Mutters Augen klaffte eine tiefe, waagrechte Falte. Sie sah mich nicht an, sondern sprach nur zu meiner Tante. „Das war also deine gute Idee? Und was sollen wir jetzt damit?“ Die Katze auf meinem Arm wurde unruhig. Vielleicht wollte sie nicht „Damit“ heißen?
„Lass ihn doch, Liebes. Wenn es nicht klappt, hol ich die Katze wieder. Ich hätte sie sowieso aus dem Tierheim mitgenommen.“
„Aber so ein hässliches Vieh.“
„Mama, sie kann dich doch hören.“ Die Katze miaute und strampelte, hieb ihre Krallen tief in meinen Arm, dass es blutete, sprang auf den Boden und witschte zwischen den Beinen meiner Mutter hindurch.
„Siehst du, da geht es schon los.“ Mutter packte mich an der Hand. „Sie ist viel zu klein, da darf man nicht so zulangen.“
Sie tat, als läge ihr an der Katze, aber ihre Stimme klang scharf, so scharf, als wollte sie damit etwas abschneiden.
„Schon gut Mama, ich kümmere mich um die Katze. Bestimmt.“
Und schon rannte ich der Katze hinterher. Mutter mochte einfach keine hässlichen und kaputten Dinge. Die waren wie Reste. Sogar den Lieblingsbierkrug von meinem Vater hatte sie weggeworfen; bloß wegen ein paar Macken.

Am Nachmittag hatte ich die Katze unter meinem Bett hervorgelockt, sie Rudi getauft, sie gefüttert und mit einem Papierball durch das Haus gelockt. Ganz schön schwer war das, aber irgendwann folgte sie mir überall hin. Sogar in Freds Zimmer.
„Rudi, das darfst du nicht“, sagte ich, als die Katze einen lahmen Käfer quer durch den Raum schleuderte. Lustig sah das aus. Aber ich mochte es trotzdem nicht, denn der Käfer war ja noch krank.
„Nein!“, sagte ich, als die Katze einen Buckel machte. Sie zuckte zusammen. Sanfter fuhr ich fort: „Der Käfer ist doch kein Papierball, der ist dein Bruder. Du musst ihn lieben.“
Ich hob den Käfer auf und setzte ihn neben die Fußleiste, da konnte er sich in das Röhrengewirr retten. Die Katze folgte mir. Sie sah mich an, blickte auf den Boden, und bevor ich reagieren konnte, vergrub sie die Zähne in den reglosen Käfer und schüttelte ihn hin und her.
Ich schnappte die Katze, hielt sie fest, so sehr sie auch kratzte und biss, und hebelte ihr den Käfer aus dem Maul. Endlich ließ sie ihn los, aber ihr Gesicht sah jetzt ein bisschen schief aus. „Das darf man nicht, Rudi“, sagte ich, und fuhr über die blutigen Striemen auf meiner Hand, „das musst du dir merken. Hier wohnen die Käfer.“ Die Katze röchelte, dann wurde sie still. Ich weinte, denn der Käfer würde keinen Mucks mehr tun.

*

Ich hatte mich unter den Tisch im Esszimmer geschlichen. Dort konnte ich bei den anderen sein, ohne dass die mich sahen oder fühlten.
Unter dem Tisch waren die Menschen anders. Manchmal blitzte Haut zwischen den Strümpfen und der Hose. Bei Männern waren Haare dran. Manchmal wollte ich gern in das Hautstückchen beißen und die Haare auf der Zunge spüren.
Wenn Mama das Rasieren vergessen hatte, bedeckte Kükenflaum ihre Beine, das sah hübsch aus.
Die Stimmen der Erwachsenen klangen gedämpft.
„Ich habe die Katze gefunden.“
„Hmmm.“ Das war mein Vater.
„Sie ist tot.“
Ein Zischen, wie wenn jemand scharf einatmete. Ich mochte das nicht, danach geschah immer was Schlimmes.
„Was ist passiert?“
„Theo. Dieses Kind zerstört alles, was es in die Finger kriegt. Er ist krank.“ Ich hörte ein Glucksen, wusste nicht, ob meine Mutter lachte oder weinte.
„Ich habe einen Freak geboren.“
„Freak“, ich dachte das Wort vor mich hin. Es hatte ein i, ein schön langes, rolliges i, trotzdem klang es hässlich.
„Du weißt doch gar nicht, wie das genau war. Und Freds Tod, das muss er auch erst mal verarbeiten.“
„Verarbeiten. Es gruselt mich, wenn ich ihn sehe. Er sieht Fred so ähnlich, er lacht sogar wie er. Und gleichzeitig ist er völlig anders. Alles macht er kaputt mit seinen großen, schweren Händen und seinen Wutanfällen. Wer weiß, was er gemacht hat, als er in Freds Zimmer war.“
„Hör auf. Er ist ein Kind.“
„Ein Kind.“ Sie schnaubte. „Ein Kind, das Katzen das Genick bricht.“
Dann schwiegen sie. Man hörte nichts, noch nicht mal ein Schlürfen oder das Rücken einer Schüssel. Als ob selbst das Essen nachdachte.
„Er muss aus dem Haus. Ich kann ihn nicht mehr ertragen. Oder ich geh. Wenigstens ein paar Tage.“
Mein Vater schwieg. Nach einer schier endlosen Pause sagte er: „Was hast du mit der Katze gemacht?“
„Weggeworfen.“

*

„Was ist ein Freak, Mama?“
Ich fasste meine Mutter an der Hand. Vorsichtig, damit sie sich nicht erschreckte. Sie schüttelte mich ab, dann beugte sie sich zu mir herunter, als wollte sie ihre Reaktion zurücknehmen.
„Was?“
„Ich habe euch gehört, den Papa und dich. Du hast gesagt, ich bin ein Freak.“
Die Augen meiner Mutter irrten zwischen mir und der Wand hin und her. Ein richtiger Augentanz war das, als müsste sie über die Antwort nachdenken, dabei wusste sie bestimmt ganz genau, was ein Freak war.
„Ich will hier bleiben.“ Immer noch irrten die Augen meiner Mutter zwischen mir und dem Bild hin und her. Ich drehte mich um, aber da war nur ein altes, blödes Familienbild.
„Mama, warum willst du mich fort haben?“
„Man überlegt sich mal was unter Erwachsenen. Woher weißt du das überhaupt?“
„Ich kann nicht fort. Wenn ich weg bin, tötest du die Käfer.“
„Mein Gott“, meine Mutter atmet scharf ein, „schon wieder. Das ist Ungeziefer, widerliches Ungeziefer. Du sollst die Viecher nicht anfassen, nicht mit ihnen spielen, gar nichts. Wenn du weg bist, kommt der Kammerjäger, der räuchert sie endlich aus.“
„Warum Mama? Weil sie hässlich sind?“
„Ja, und ungesund.“
„Bin ich auch ungesund?“
„Natürlich nicht.
„Du hast aber gesagt, ich wär krank. Das ist dasselbe wie ungesund.“
„Jetzt hör auf. Dein Vater und ich wollen dir nur helfen.“
„Aber ich will nicht weg.“
„Das sehen wir dann.“
Um uns herum war es ruhig.
„Hast du den Fred auch ausgeräuchert, weil er ungesund war?“ Meine Mama wurde starr. Wieder griff ich nach ihrer Hand. Dieses Mal ließ sie es geschehen. „Mama, du musst sie nur kennen lernen.“
„Was?“
„Komm, sie wissen alles über Fred.“
Ich zog meine Mutter hinter mir her. Zweimal links, einmal rundherum. Ganz leicht ging das. Jemand hatte Stoffbällchen in die Kleider meiner Mutter gesteckt und nun war sie eine Schlenkerpuppe.
Vor der Tür scheute sie zurück, doch dann folgte sie.
„Du weiß doch, dass dieser Raum tabu ist?“
„Aber hier kann man sich an Fred erinnern.“
„Ja. Hier lag er die letzten zwei Jahre.“ Die Stimme meiner Mutter war weich. „Bis dann auf einmal alles vorbei war.“
Sie schaute mich an, Verwunderung lag in ihrem Blick und etwas Komisches, etwas, das ich am liebsten an eine Wand geklopft hätte.
„Hier wohnen jetzt die Käfer“, sagte ich schnell.
„Was redest du? Käfer?“
„Ich zeigs dir Mama, sie sind nicht schlimm, du musst sie nur kennen lernen. Sie wissen alles von Fred.“
Mutter schob mich zur Seite. Dann entdeckte sie den Vorhang. „Was hast du gemacht? Schon wieder so ein Unsinn.“
„Das ist kein Unsinn, das ist ein Versteck. Meines und das von den Käfern. Da drin kann man alles hören, die Geräusche im Haus und das Wasser und Stimmen. Und Fred. Ich muss nur den Käfern sagen, dass sie von ihm erzählen. Das machen sie bestimmt, ich bin nämlich der Käferkönig. Ich kann es ihnen befehlen. Kletter rein, bitte, du wirst merken, wie schön das ist.“
Ich schob sie auf den Vorhang zu, meine Mutter ließ sich von mir nach vorne schieben, sie duckte sich sogar, als sie zu dem Vorhang kam. Ich hob ihn hoch, doch plötzlich, mit einem Ruck, zerrte sie die Decke herunter, dass die Nägel, mit denen sie angebracht war, aus der Wand sprangen.
„Was soll der Mist?“
„Das darf man nicht, es muss dunkel sein.“ Mein Atem tat weh, wie wenn ich ganz schnell renne und mir schwarz vor Augen wird. „Mama, guck doch. Nur einmal!“ Ich stieß sie vorwärts. Wenn sie erst im Versteck war, hörte sie die Käfer, und dann würde alles gut werden. Ich stieß noch einmal. Es knackte. Mama war gegen einen Holzzacken geprallt, dann gegen ein Rohr, noch einmal knackte es, aber ich sah nur ein kleines bisschen Blut.
„Das ist gleich wieder vorbei, Mama, du musst nur singen. Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahrn ist alles weg. Dann tut's nicht mehr weh.“
Ich stieß sie vollends hinein in die Höhle. Als ich die Decke wieder anbrachte, regte sie sich und schnaufte, aber dann war sie ruhig. „Mama“, sagte ich, „ich bin froh, dass es dir gefällt. Du musst nur warten. Ekel dich nicht, wenn die Käfer kommen. Du wirst sehen, das kitzelt ganz wunderschön.“

*

Ich saß wieder unter dem Tisch. Die Schuhe meines Vaters waren ungeputzt. Links von ihm flegelten die Flipflops meiner Schwester. Und dann Hosenbeine. Erst verstand ich gar nicht, wer das war, aber dann redeten die Hosenbeine und gehörten meiner Tante. Ihre Stimme klang langsamer als sonst. „Was sagt die Polizei?“
„Sie sagen, sie gehen der Sache nach, zwei Tage ist sie jetzt weg.“
„Vielleicht wollte sie wirklich nur mal raus.“
„Aber sie hat mir nichts hier gelassen, keinen Brief, nichts.“ Die Stimme meines Vaters wurde leise. „Ich habe Angst um sie, sie war so depressiv.“
Depressiv. Zu viele Es. Ich fand, meiner Mutter ging es gut. Vorhin erst hatte ich sie gesehen. Da lag sie in Freds Versteck. Ihr Kopf schmiegte sich an eines der Rohre. Ich schmiegte mich daneben, lauschte und ließ mich trösten durch das Getrippel Tausender kleiner, harter Leiber. An dem Mund meiner Mama saß ein Käfer. Vielleicht schenkte sie ihm ihre Spucke. Oder er erzählte ihr von Fred.

 

Liebe Novak,

nur kurz, denn ich habe eine Augenentzündung und bin überhaupt grässlich krank ... Deine Geschichte habe ich aber dennoch endlich einmal gelesen und mir ist ein Schauer nach dem anderen den Rücken runter gelaufen. Sehr gelungen, wie der Alltagshorror sich steigert, die Psyche des Jungen sich immer weiter in Käfereien verstrickt, die Mutter und er sich verlieren und gegenseitig ablehnen. Was da was bedingt und wer was wie 'schlimmer macht', bleibt für mich offen. Das Ende kommt für mich ein wenig zu krass, dass er seine Mutter 'fast aus Versehen' meuchelt und sich das in seinem Wahn noch milde redet, das finde ich nicht so nachvollziehbar. Dennoch, eine starke Geschichte, in die sich der Horror tropfenweise einschleicht. Klasse!

Viele Grüße,

Eva

 
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Eigentlich ungerecht den anderen gegenüber, dass ich dir zuerst antworte, Bea Milana aber bevor am Ende Missverständnisse auftreten ...

Zum Schluss wäre, alleine schon des Lesevergnügens und auch der Glaubhaftigkeit wegen, etwas mehr Kampf wünschenswert.
(Wer kennt das nicht, dass man Ende etwas lahmt und froh ist, seine Geschichte zu einem Ende gebracht zu haben, aber da muss mehr "Butter bei die Fische", echt! Das geht im Gegensatz zu der bisherigen Ausführlichkeit einfach zu fix.
Ich glaub ...

Den Käferkönig als Alltagsgeschichte zu lesen, quasi als Parabel auf eine Familie, die unter einem "schwierigen Kind" leidet, das sich nicht in die Schule integriert, um sich schlägt, sich abschottet, mit Käfern spielt, Katzen tötet etc. fällt mir schwer, weil dann die Sprache nicht stimmt. Und das Ende auch nicht. Unter dieser Lesart würde ich deine Geschichte wahrscheinlich auseinandernehmen.
... da zerrt jemand.

Momentan drängt sich mir folgendes Bild auf: Viele Leute zerren an einem Tuch und alle in verschiedene Richtungen.
Nein Bea. Hier zerrt niemand, auch du nicht. Auch wenn einem Schelm sofort das Bernstein-Zitat einfallen und er es flugs abwandeln würde: "Die schärfsten Kritiker der Elche sind noch heute ...
Aber ein Schelm bin ich ja nicht. :)

Die Leute schreiben ihre Kommentare, äußern ihre Eindrücke, machen sich Gedanken, loben, kritisieren, der eine betont diese Facette, der andere jene und beide ergänzen oder widersprechen sich. Und manche Aussage passt vielleicht auch nicht zur Geschichte. Kann alles sein. Genau dadurch aber - geben sie Anregungen, die einen Autor weiterbringen. Das ist hier ein Forum, ein kommunikatives Hin und Her, ein Austausch.
Und genau so - in diesem positiven und wunderbaren Sinne - sehe ich die Kommentare zu dieser Geschichte.

Sorry, ich kann dir hier nicht weiterhelfen, weil ich mich in diesem Genre zuwenig auskenne und weil ich aufgrund deiner Kommentare gar nicht mehr weiß, wo die Prioriät liegt.
Wie kommst du denn darauf, dass du mir "helfen" sollst? Dein Interesse, deine Sorge, in allen Ehren, aber das verlangt doch gar keiner von dir. Auch wenn du mich ja gut zu kennen scheinst wenn ich da an die Bemerkungen über das von mir gewählte Ende denke (... froh ist, seine Geschichte zu einem Ende gebracht zu haben ... wolltest du dich auch ein klein wenig davor drücken, ihn als Mörder mit Absicht darzustellen) oder an die Bemerkungen über meine Sprache. Und ja, das war ein ironischer Seitenhieb, den ich mir nicht verkneifen will, weil solche Unterstellungen niemanden weiterbringen. Das sind Spekulationen über die Person und Motive des Autoren und nicht Anmerkungen zur Geschichte. Normalerweise übersehe ich so etwas elegant oder antworte darauf sachlich, aber wenn du schon von Gezerre sprichst. :D

Und ja, es kann vielleicht sein, dass du dich (wie du schreibst) in diesem Genre zuwenig auskennst, obwohl ich deine Interpretation eigentlich stark fand, das zeugte nicht von Unkenntnis. Aber der riesige Gegensatz, den du aufgemacht hast zwischen skurriler kafkaesker story versus realistischem Sozialpsychodrama, der zeugt dann doch davon, der ist nämlich gar nicht nötig.
Du selbst argumentierst übrigens in deiner Interpretation ebenso mit Gut und Böse oder der Psyche der Figuren, wie ich das gemacht habe in meinen Antworten. Da war einfach die Rede von den Wahrheiten, um die es ja auch in seltsamen oder in vielen Horrorgeschichten geht. Oder um die Charakterisierungen. Sehr viele Horrorstories enthalten oder sind Psychodramen. Oder spielen in einem alltäglichen Bereich, um diesen dann zu verlassen und eine Zwischenwelt zu besiedeln. Und natürlich passt man auch auf eine interne Logik innerhalb solcher Geschichten auf.
Darüber jedenfalls habe ich in meinen Antworten nachgedacht und mich mit anderen unterhalten, was mich beim Schreiben dieser Geschichte interessiert hat. Auch in einer Horrorstory muss man auf Glaubwürdigkeit achten oder auf eine logische Immanenz. Auch da darf kein Kasperl aus der Kiste auftauchen, um eine Geschichte abzuschließen. Und hier, als Beispiel, wo wir uns dann wirklich unterscheiden: Es ist kein Versehen oder ein mich drücken, wenn ich Theo NICHT zum bewussten Mörder mache. Das war meine Intention und die hatte ich mir gut überlegt.
Die Priorität, Bea, liegt in der Geschichte. Nirgendwo sonst. Es ist eine seltsame, surrealistische AlltagsHorrorgeschichte mit dem Schwerpunkt Mutter-Sohn-Psychodrama. :)

Aber das führt alles jetzt zu weit. Ich habe noch einen Haufen Antworten zu der Geschichte zu geben, will noch was überarbeiten und hab auch hier zuhause einiges zu erledigen, von meinen wehen Fingern, auf die ich dumme Kuh mal wieder keine Rücksicht nehme, mal ganz abgesehen.
Dennoch war es mir wichtig einiges klarzustellen. Vor allem auch, die anderen Kommentatoren ein bisschen in Schutz zu nehmen.


Bea, ich danke dir, denn ich nehme an deinem Post deine Ernsthaftigkeit und dein Interesse wahr und deine Sorge um meine Sorge, die ich aber gar nicht habe, denn das ist bloß eine Geschichte, sonst nichts.

 

Hallo Novak,
Ja, was soll ich schreiben zu dieser Geschichte, das sich von anderen Kritiken unterscheidet. Ich finde schon, die Geschichte ist seltsam. Das seltsame Kind befeuert die Fantasien Erwachsener und hier in dieser Geschichte darf der Leser in den Kopf des seltsamen Kindes eintauchen. Und dann passt die Erzählstimme nicht mehr zu einem Kind, sie wirkt gruselig, abartig, verstörend, so sind Kinder doch nicht, um sich nicht zu sehr verstören zu lassen, klinke ich mich aus, beruhige mich, steht ja in der Rubrik Seltsam und Horror. Da brauche ich auch keine Erklärung zum Wandel in der Figur der Mutter, warum sie zunächst als Täterin fungiert, die Todeswalze, und dann ohne Widerstand ein Opfer wird.
Sie hatte Angst, Ängste können lähmen oder zur Flucht verhelfen. Jedenfalls war sie die einzige, die ihr seltsames Kind erkannte und niemand hat ihr Glauben schenken wollen. Klingt ein bisschen wie die Fortsetzung von Rosemaries Baby, ein bisschen aber nur, weil der Rest der Familie harmlos unwissend bleibt. Also passt das Horrorgenre auch gut.
Fasziniert hat mich an dieser Geschichte, dass die unterschiedliche Wahrnehmungen des Erzählers auch die Realitäten der Figuren verändert hat. Ob die Ich- Perspektive das Gelbe vom Ei dazu ist, wäre mein einziger Kritikpunkt, ich wüsste aber nicht wie es anderes zu machen wäre, um die verquere Wahrnehmung auszudrücken.
Gerne gelesen
Goldene Dame

 
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Ach Bea, gar nicht so einfach.
Ich versuch mich kurz zu fassen, denn es gibt ja wirklich Wichtigeres.

Es ging nie um die Formulierung "aus Versehen".
Sondern darum, dass du nicht wissen kannst, welche persönlichen Gründe ich für ein bestimmtes Ende habe. Noch einmal das Zitat jetzt länger, aber auch nicht anders.

(Wer kennt das nicht, dass man Ende etwas lahmt und froh ist, seine Geschichte zu einem Ende gebracht zu haben, aber da muss mehr "Butter bei die Fische", echt! Das geht im Gegensatz zu der bisherigen Ausführlichkeit einfach zu fix. Vielleicht wolltest du dich auch ein klein wenig davor drücken, ihn als Mörder mit Absicht darzustellen, vielleicht ist dir ein Mord "aus Versehen" lieber, damit Theo nicht allzu "böse" wird.
Auch wenn du ein "vielleicht" davorstellst, die Überlegung/Vermutung, jemand habe zum Ende kommen wollen oder habe sich vor dem konsequenteren Ende "drücken" wollen, beziehen sich nur auf die Person des Autors, auf seine persönlichen Motive. Nicht auf die Geschichte selbst.
Ich als Autorin habe Gründe, eine Intention zu einem Text oder auch nur eine Prämiss und einen plot. Aber die Gründe für ein bestimm liegen dann weder (ich mach es mal ganz deutlich) in meiner Inkonsequenz noch meiner Trägheit begründet, sowas kannst du weder wissen noch vermuten, sondern in den Figuren, in dem, was ich mit der Geschichte vorantreiben will. Vielleicht mach ich da Fehler oder stell mich blöd an. Aber das müsste man aus der Geschichte heraus begründen.
Aber eigentlich war das überhaupt nicht mein Hauptanliegen, weder war noch bin ich darüber sauer oder fühle mich angegriffen, denn so eine Bemerkung macht jeder von uns, ich mit Bestimmtheit. Ich habe es nur erwähnt, weil ich etwas anderes sehr bedenklich fand.
Und das war das Bild mit dem Tuch, an dem alle zerren. Da wurde ich echt etwas besorgt und dachte, ich rücke das mal lieber gerade. Ich empfinde die Komms und die unterschiedlichen Ansichten nicht als Gezerre, sondern als hilfreiches Austauschen. Und ein bisschen lustig wars auch, weil du das, was du den anderen "nachgesagt" hast, selbst gemacht hast. :)
Wenn du noch einmal antworten magst, schreib aber bitte eine PM, mein Postdingens ist wieder offen, damit wir nicht weiter rumofftopicen.

Bea, ich wünsch dir auch eine schöne Zeit und gutes Schaffen.
Viele Grüße von Novak

 
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Lieber jimmysalaryman
über deinen Besuch hab ich mich außerordentlich gefreut.
Auch bei dir fass ich mich wg meiner Finger kurz, hätt dir lieber sauausführlich geantwortet. Eines wollte ich aber loswerden. Du machst eine zum Teil sehr kleinteilige Detailarbeit, die mich an jemanden von früher erinnert, den du auch noch kennst, an Quinn. Ich hoffe, du verstehst das genau so, wie es gemeint ist, als großes Kompliment. Es ist ja so: Du zielst sehr viel radikaler als ich auf eine neutrale Kameraführung und auf eine sehr bildliche Darstellung des Geschehens ab. Ich telle mit Bestimmtheit sehr viel mehr als du, und das will ich ja auch. Ist z. T. Geschmackssache oder eine Frage dessen, was man gerade schreiben will. Aber andersherum weiß ich genau, dass es gar keine bewusste Entscheidung ist/war, wenn sich in Formulierungen die Autorin reinstiehlt oder ich telle und nicht nur zeige. In der Beziehung, also bei dieser Bewusstmachung, profitiere ich natürlich sehr von deinem Besuch. Eben weil ich vergleichen kann. Und ich sags schon gleich, das meiste, was du schreibst, stimmt einfach. Es nimmt nämlich mein Anliegen sprachlich auf, führt es nur ein bisschen weiter. Wie gesagt, faszinierend und sehr hilfreich.

Im Detail:

Ich würde hier noch anmerken, dass du diesen Begriff "Walze", der ja eine Art Transformation beschreiben soll, vielleicht sogar noch etwas konkreter gestalten könntest; etwas, dass Insekten tatsächlich töten. Walze ist mir da zu abstrakt, weißt du, was ich meine?
Ja, versteh ich, gute Idee. Das müsste aber etwas Großes sein, was auch für Theo noch größer und massiver wird als die Mutter und gleichzeitig speziell Käfer vertilgen. Und da fällt mir nichts ein. Mal schauen.

Die ersten Male interessierte mich nur das Gezappel der Käfer, weil sie so lustig mit den Beinchen winkten.
"Der Käfer" würde ich rausnehmen, weil es klar wird, was da zappelt, und du so noch mal die Aufmerksamkeit des Leser schärfen kannst, eben auf die Käfer.
Eindeutig ja. Wird probiert.

Hier in diesem Satz würde ich den zweiten rausnehmen. Ich glaube, da würde es dem Text etwas mehr Geheimnis geben. Der Leser fragt sich ja schon - also ich habe mich gefragt, und was ist nun mit dem Bruder genau? Das ist ein perfekter Cliffhanger. Da, finde ich jedenfalls, stört der zweite Satz nur. Der Leser ahnt schon, dass da irgendetwas zusammenhängt, und das ist ja die große Kunst, diese Art Spannung zu erzeugen. Wie entwickelt sich die Geschichte, in die eine oder andere Richtung? Da würde ich konsequenter und auch etwas radikaler sein.
Und nochmal ja, wenn ich mich auch ein wenig fürchte. Ich überlege es zumindest schon mal.

Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet.
Ich weiß, ich wiederhole mich: Was ist das für ein Klang? Du hast doch sicher etwas absolut Konkretes im Kopf gehabt, eine bestimmte Stimme, die auf eine bestimmte Art und Weise spricht? Dann würde ich versuchen, hier wirklich konkrekt auch zu werden. Wie klingt die Stimme einer Person, die irgendetwas Glibbriges geschluckt hat? Das ist ja total interessant an sich. Du machst das hier auch richtig, du verbindest den Dialog direkt mit etwas Sensorischem, aber um diesen Effekt zu maximieren, würde ich ruhig den Klang beschreiben: rau, hoch, hell, whatever. Das würde es stärker machen.
Ja, wieder verstehe ich, was du meinst, aber das war mein Problem, ich finde da kein entsprechendes Klangverb.

„Lass die Küchenschaben liegen. Das ist widerwärtig.“
Ich glaube, der zweite Teil ist redundant. Zumindest würde ich nicht widerwärtig nehmen, sondern eher etwas Alltäglicheres, wie ekelhaft oder eklig oder so was. In meinen Ohren klingt aber widerwärtig sehr nach Schriftsprache. Besser fände ich es persönlich jetzt, du lässt den zweiten Teil weg und benutzt vielleicht einmal das viel geschmähte Ausrufezeichen. "Lass die Küchenschaben liegen!" Jeder weiß, was los ist, wie das gesagt wurde, mit welcher Stimmung, oder nicht?
Ja. Hast Recht. Hatte ich auch überlegt, aber mich nicht getraut so nach dem Motto, wer guckt schon auf so ein Ausrufezeichen

Ich hielt den Käfer hoch und lachte. Ganz laut und prustend, als kitzelte einen jemand wie wild. Halt einfach Freds Lachen.
Das ist sehr gut platziert. Du wiederholst den Namen des Bruders, holst ihn in die Gegenwart des Erzählten zurück, und somit auch in die Aufmerksamkeit des Lesers, du erzeugst hier wieder eine sehr große Spannung. Ich musste das allerdings zweimal lesen, um es zu verstehen. Was du ja sagen willst, ist, dass ihre Lache so klingt wie ihres Bruders, von dem wir nicht wissen, was Sache ist. (Es ist ein ER, sorry!) Das ist eine sehr, sehr gute Idee - was löst das in ihr aus, der Erzählerin, was in der Mutter, die sie daraufhin alleine lässt, große Klasse. Deswegen würde ich das auch hier verdeutlichen, was du genau meinst, was du sagen willst, sonst überliest man das vielleicht. Ich glaube, du müsstest gar nicht viel verändern, vielleicht nur ein wenig umstellen.
Hmm. Hier überlege ich. Weiß einfach nicht genau, warum ich verdeutlichen sollte. Ich finde ja, dass das da steht.


Das Bett in Freds Zimmer war immer noch bezogen mit Eintrachtbettwäsche
Hier würde ich tatsächliche Eintracht Frankfurt nehmen, weil es gibt auch noch die Eintracht aus Braunschweig und und und ... der unbedarfte Leser weiß eventuell nicht, in welchem Zusammenhang das steht.
:lol:
Du bist goldig.


Dann lehnte ich mich zurück und dachte an die Augen der Käfer - und an Fred. Die Erwachsenen sagen, ich wäre bei ihm gewesen, als er starb, aber so genau weiß ich das nicht mehr.
Es ist klar, dass sie an Fred denkt, wenn sie in die Augen sieht. Ich würde ihn im ersten Teil streichen, ihn dann aber im zweiten Satz explizit nennen. Die Erwachsenen sagen, ich wäre bei Fred gewesen, als er starb, aber so genau weiß ich das nicht mehr. Da schwingt diese Analogie Käferauge - Fred nicht so offensichtlich mit.
Ja, viel besser. Wär ich nie drauf gekommen. Du beherrschst das wirklich sehr gut, ein klein wenig anders zu platzieren und dadurch das Leserauge genau zu führen.

Ich ging zu den beiden hin, um ein wenig Unterhaltung zu haben.
Ich stelle mir die Erzählerin als mental etwas herausgefordert vor. Sie kombiniert zwar, aber manche Sachverhalte kann sie sich nicht selbst erschließen, fehlende geistige Reife oder was auch immer, wir wissen es nicht. Manchmal bist du mit der Sprache dann etwas drüber, finde ich. Du musst das nicht sehr runterfahren, aber an solchen Stellen merke ich das, oder fällt mir auf: ein wenig Unterhaltung zu haben. Würde sie das so denken?
Da wollte ich ihn erwachsen wirken lassen. Haben ja auch andere an dieser Stelle moniert. Bin dabei, es rauszuschmeißen, zumal es für den weiteren Verlauf keine Bedeutung hat.


„Sie ist tot.“
Das würde ich rausnehmen. Das Zischen ist schon Antwort genug, finde ich.
Ernsthaft? Weiß nicht, ob ich mich das trau. Eigentlich eine tolle Idee. Dann müsste ich allerdings auch das Hmmm des Vaters rausnehmen. Sonst passt es nicht. Aber dann würde es gehen. Nur habe ich vor meinem geistigen Auge Scharen von Wklern, die dann sagen, "was ist denn jetzt mit der Katze, warum sagst du das nicht? Ich werde es wohl einfach mal probieren im Überarbeitungstext ist es schon in Klammer gesetzt.

„Ich habe einen Freak geboren.“
Das schreit die ganze Geschichte schon. Mit dem Jungen stimmt etwas nicht, es liegt einem auf der Zunge, dieses Wort. Ich finde allerdings, es passt nicht in diesen Text. Es wirkt wie ein Fremdkörper, eben weil es aus allen Zeilen schon dringt. Ich verorte den Text auch in einem eher kleinbürgerlichen Milieu, und auch irgendwie retro, so 70er, 80er, da haut mich so ein englisches Wort raus.
Das stimmt, finde ich nicht. Ja, der Text hat einen Achtzigersound, ja. So etwa wollte ich ihn auch sehen. Neuzeit halt, nur nicht aktuell. Nur weiß ich noch, dass das Wort Freak in den Achtzigern durchaus üblich war. Damals, sogar noch früher, wurde der Film "Freaks", der ist uralt, 30er Jahre oder so, ziemlich gehypt. Der war richtig Kult in manchen Kreisen. Von daher: Jeder wusste, was ein Freak ist.

„Verarbeiten. Es gruselt mich, wenn ich ihn sehe. (...) Wer weiß, was er gemacht hat, als er in Freds Zimmer war.“
Hier lieber den Dialog verknappen. Es gruselt mich - ich finde das redundant, es wird klar, dass Theo den anderen unheimlich ist, weil er diese ganze Geschichte unheimlich und aus seinem etwas verstörenden Blickwinkel erzählt. Das ist sozusagen common sense - Theo ist gruselig.
Ja, da kommt was raus.


Ja, Novak. Steiles Ding. Mich erinnert das an einen Roman, wo es um einen mißgestalteten Jungen geht, der von den anderen Pighead genannt wird. Jahre her, dass ich das gelesen habe. So von der Erzählhaltung und vom Stil her. Ich finde das einen sehr starken Text. Das Ende ist der Hammer.
Danke für das Kompliment und für den Buchtipp, hast du ja später noch verlinkt. Werde ich bestimmt lesen, einfach weil ich jetzt auch neugierig bin, wie der Autor das gemacht hat.

Ich finde, es wäre noch stärker ohne den letzten Absatz. Früher rausgehen, den Leser im Vagen lassen, es richtig offen machen. Es muss auch gar nicht direkt so krass gewalttätig werden, ich weiß - du bleibst konsequent, weil die Figur des Theo im Grunde wie eine Art sanfter Riese wirkt, der dann aber nicht die Tragweite seiner Handlung abschätzen kann, der ein anderen Zugang zu Empathie hat, wie er ja mit den Käfern und Fred beweist. Er wirkt ein wenig ungeschickt, sozusagen. Deswegen finde ich das schon konsequent von dir, dass er die Mutter da wenigstens hineinstößt - was dann passiert, würde ich offen lassen, weil so wirkt dieses Bild, wie er die Mutter da in dieses Loch in der Wand stößt, so entlässt du den Leser, und das wirkt einfach viel eindringlicher nach, wie ich finde.
Wieder so was. barnhelm hat das ja auch schon vorgeschlagen. Ich hätte mich das nicht getraut. Auf dem Radar hatte ich das durch barnhelms Idee eh schon. Aber vielleicht habt ihr zwei beide recht.

Deine Ideen, ein Mädchen aus Theo zu machen oder die Schwester einzubauen finde ich übrigens schön, Schwups entwickelt ja auch solche Ideen. Trotzdem werde ich das nur machen, wenn ich mich dem Thema noch mal auf ganz neue Weise nähern will. Das ist aber momentan nicht abzusehen. Trotzdem gefällt es mir, einen solchen Ideenpool zu haben, das färbt sich mit Sicherheit auch auf andere Texte ab. Vielen lieben Dank noch einmal, Jimmy für deine tollen Tipps. Hat mir richtig dolle geholfen.
Viele Grüße von Novak


Lieber josefelipe
was soll ich sagen, geplagt durch meine Finger eher weniger, aber zumindest so viel: Ich danke dir ganz ganz herzlich für dieses temperamentvolle, leidenschaftliche Lob. Sowas kenne ich nur von dir (und noch einem. Dreimal darfst du raten, wer das ist.) :) Dieses Überschwängliche, Leidenschaftliche ist was (finde ich immer) das viel Mut braucht.
Deshalb noch einmal, vielen Dank, ich weiß, dass ich die Lorbeeren nicht verdiene, aber ich genieße sie trotzdem. Und wenn ich mal wieder traurig bin, weil nichts klappt, oder eine Geschichte in den Sand gesetzt ist oder weil ich mir vorkomme, wie der allerletzte Schreiberlingsschmierfink, und das passiert leider gar nicht so selten, dann hole ich mir deinen Kommentar raus und lese ihn und will nicht glauben, dass einer für mich sowas Schönes geschrieben hat und freue mich riesig daran vielleicht baut mich das dann ja auch wieder ein bisschen auf.

Zitat von Novak:
„Aber wenn ich zur falschen Zeit am falschen Ort war, dann war ich doch richtig.“
Da komm ich ganz durcheinander. Kakerlaken im Kopf?
:D
Theo denkt um die Ecke.
Viele Grüße an dich von Novak


ach hej, maria.meerhaba
fast habe ich das Gefühl, ich müsste dich trösten, weil dir der Text nicht so gut gefiel, wie du das erhofft hattest (trotz Einschalten deines Zerfetzmodusses), du ihn nur solide fandest, aber was heißt schon "nur". Solide ist doch was.
Ich finde das ziemlich klar, dass jemand wie du, die selbst Horror schreibt, die gerade erst die schöne Geschichte von dem Mädel erzählt hat, das aus dem Lager flieht, dass du da anders urteilst und sowohl Thema als auch Durchführung und Figuren eher herkömmlich fandest. Ramadan hin oder her.
Also mach dir keine Gedanken, ich freu mich sehr, dass du da warst und mir deine Gedanken dagelassen hast.
Viele Grüße von Novak.
Die (sorry dafür) gerade lernen muss, sich kurz zu fassen.

Auch bei dir HoWoAmöchte ich mich bedanken und gleichzeitig entschuldigen für die Knappheit. Geht zur Zeit nicht anders.
Ich habe deinen Leseeindruck sehr gerne gelesen. Grandios ist natürlich geil. Zu der von dir angespr Szene ist schon viel gesagt worden, spar ich mir jetzt. Du weißt ja, ich bin da am Überlegen. Besonders gefreut hab ich mich über das Lob für den Titel. Erst hieß das Ganze "Labyrinth". Aber den neuen finde ich besser.
Vielen lieben Dank noch einmal für Besuch und Feedback.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Novak ,
ich hoffe, ich bin mit meiner Kritik nicht zu spät :3

„Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder. Da mochte ich es nicht mehr, wenn die Käfer auf dem Boden zappelten, bis sie starben.“
Ich glaube, ich weiß schon, was sich hier anbahnt. Der Bruder ist der Käferkönig, oder?

„Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet.“
Toll beschrieben.

„Vor einem Jahr, kurz nachdem Fred gestorben war“
Also ist ihr Bruder doch nicht der Käferkönig. Ich frag mich gerade ständig, wer denn sonst der Käferkönig sein könnte. Der Prot?

„Ich legte die zuckenden Käfer nebeneinander, fuhr mit einem feuchten Taschentuch über die Panzer und entfernte jedes Stäubchen.“
Würde so etwas die Käfer nicht zerquetschen?

„Sie tat, als läge ihr an der Katze, aber ihre Stimme klang scharf, so scharf, als wollte sie damit etwas abschneiden.“
Sehr schön.

„Du weißt doch gar nicht, wie das genau war. Und Freds Tod, das muss er auch erst mal verarbeiten.“
Warum schicken sie den Theo nicht einfach zum Kinderpsychologen?

„zerrte sie die Decke herunter, dass die Nägel, mit denen sie angebracht war“
Der kleine Theo hat genagelt?

Also liebe Novak,
das war wirklich eine fantastische Geschichte. Die Empfehlung hast du echt verdient. Vor allem hat mir das traurige Ende gefallen. Man kann sehen, dass du viel Zeit, Mühe und Liebe investiert hast. mir ist es, um ehrlich zu sein, egal, ob Theo absichtlich oder versehentlich seine Mutter getötet hat. Sie ist jetzt tot. Wenigstens ist sie jetzt vielleicht bei ihrem Kind.
Liebste Grüße,
alexei

 

Liebe Novak,

als ich das erste mal noch ganz frisch in deine Geschichte reingelesen habe, war mir schon klar, dass das einer von den Texten ist, bei denen einem nichts anderes übrig bleibt, als neidisch zu erblassen, und das haben die vielen Reaktionen dann ja auch bestätigt. Der eine oder andere Kommentar hat mir zwar den Übergang vom ehrfürchtigen Staunen zur kritischen Distanz erleichtert (wenn es z.B. darum ging, ob es so ganz und gar vorstellbar ist, wie Theo seine Mutter in das Loch schubst o.ä.), viel zu kritisieren wird mir trotzdem nicht einfallen.


die war eine Schau
Hab ich noch nie gehört, klingt aber gut, finde ich.

Dafür:

In einem Buch habe ich gelesen, ein Käferauge sehe aus wie Glasbausteine. Das ist Quatsch. Ganz tief drin, man muss nur genau schauen, da ist so ein Punkt. Wie ein winziger Schacht, der immer enger wird, und ins Innere des Käfers führt. Dieser Punkt ist das Käferauge.
hast du schon viel Beifall bekommen, ich schließe mich dem Applaus an.

Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder.
Ich habe den Eindruck, die Erläuterung ("meinem Bruder") stand erst nicht da, oder? Mir gefällt es, glaube ich, besser ohne. Das ist zu sehr für den Leser, finde ich. Natürlich ist die ganze Erzählung für den Leser, aber an der Stelle ist mir die Ansprache zu direkt.

Ja, das war es, aber das wiederum konnte Mama sich nicht merken.
Sehr hübsch.

Falls Käfer ihre Mütter kennen, dachte ich, dürfen sie bestimmt Mama sagen.
"Falls" fand ich befremdlich. Für Kinder ist es sicher keine Frage, dass Käfer ihre Mütter kennen.

Zwei spitze i, zwei runde u. Klare, gute Wörter.
Mir gefällt als wiederkehrende Eigenschaft, wie er dem Klang der Wörter nachspürt. Ich kann da zwar nicht viel herauslesen, außer vielleicht den Kontrast, dass er in manchen Dingen feinfühlig ist und in manchen Dingen gar nichts mitkriegt. Ja, und das wäre ja auch schon was.

Immer, wenn ich das genau so machte, fand ich Freds Zimmer.
Es ist zwar gar nicht realistisch, dass er diesen Raum nur mithilfe des Spruchs findet, aber mir gefällt es trotzdem.

Dasselbe hier:

Kein Wunder in einem Haus, das ständig seine Wände verschob.

Einmal hatte ich dafür Zeugs aus einer Flasche von meiner Mutter geklaut, Davidoff stand darauf.
"Parfum" (o.ä.) statt "Zeugs" fänd ich besser. Der weiß doch sicher, was das für ein Zeugs ist.

Vielleicht wollten sie auch ein wenig an ihrem toten Schabenbruder naschen.
Ich frage mich, ob das in diesem Zauberzimmer nicht ein Bruch ist: Ein toter Käfer.

Außerdem hatte ich den Namen Fred gehört.
"Außerdem" ist ja oft so eine Verlegenheitskonjunktion. Könnte eigentlich auch ganz gut weg: "Ich hatte den Namen Fred gehört."

Außerdem sagt die Mama auch immer
Könnte man sich auch hier überlegen: "Außerdem" streichen?

Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.
Das verstehe ich nicht ganz. Ich dachte, Fred wäre an seiner Krankheit gestorben. Kann aber vielleicht auch offen bleiben. Fred war todkrank, kann aber sein, dass Theo ihm irgendwie den Rest gegeben hat, man weiß es nicht genau. Passt eigentlich ganz gut zu der Geschichte, in der man eh (im guten Sinn) nicht so genau weiß, woran Theo schuld ist und woran nicht.

„Wir zum Beispiel sind mit dir fünf, seit der Fred weg ist. Fünf geteilt durch zwei bleibt eins Rest. Das bin ich.“
Das finde ich zwar eigentlich hübsch, aber wenn ich so drüber nachdenke, erschließt sich mir der Gedanke doch nicht richtig. Warum durch zwei teilen? Und warum die Tante dazu nehmen, lebt die mit der Familie?

„Du meinst bei uns? Fünf durch fünf?“
„Ja.“
„Das gibt eins.“
Ja, eben, müsste das so einem Kopfrechenkönig nicht selbst klar werden? Niemand zwingt ihn doch, durch zwei zu teilen.

Am Nachmittag hatte ich die Katze unter meinem Bett hervorgelockt
Das geht mir ein bisschen schnell: Gerade hat er die Katze bekommen, am Nachmittag ist sie schon hin. Klar, kann passieren, aber es geht halt trotzdem ziemlich fix. Eigentlich wär's doch ganz hübsch, wenn die Katze noch ein bisschen da rumwürfen würde, so dass man ihr Hinscheiden später umso mehr bedauern kann. Allerdings is die Geschichte nicht so lang, viel Raum zum Rumwürfen hat das Tierchen nicht ...

„Sie ist tot.“
Ich bestätige mal ungefragt einen Vorschlag von (glaube ich) jimmysalaryman: Von selbst wäre ich nicht drauf gekommen, aber ich finde auch, das kann gut weg. Wem das hier nicht klar wird, der muss sich halt bis zum Ende des Absatzes gedulden: "Weggeworfen" - spätestens da ist alles klar.

Wer weiß, was er gemacht hat, als er in Freds Zimmer war.“
Das finde ich ein kleines bisschen uneindeutig, denn wir wissen ja, dass er häufig in Freds Zimmer ist. "Wer weiß was er damals mit Fred gemacht hat" oder so - das wäre etwas klarer. Aber vielleicht sogar noch genauer: Welche Situation war das? Es gabt doch sicher darum, ob er eben doch an Fräs Tod schuld sein könnte.

„Ein Kind.“ Sie schnaubte. „Ein Kind, das Katzen das Genick bricht.“
Ja, mein ich doch: Spätestens hier ist klar, was mit der Katze los ist. Spricht noch mehr für's Streichen oben.

„Ich habe euch gehört, den Papa und dich. Du hast gesagt, ich bin ein Freak.“
Erklärt er das wirklich?

Wenn du weg bist, kommt der Kammerjäger, der räuchert sie endlich aus.
Und würde sie das nicht eher für sich behalten? Dann will er ja noch weniger weg. "Eigentlich sollten wir den Kammerjäger kommen lassen" oder so, das fänd ich eventuell passender, weniger konkret drohend.

Jetzt die Stelle, wo er die Mutter schubst. Das ist schön distanziert erzählt, man kann das Gefühl bekommen, dass ihr da irgendwas treibt, ihr weh zu tun, ohne dass er es eigentlich will oder merkt, und auch der Grund wird anschaulich, sie benimmt sich ja wirklich unmöglich, die Mutter. Aber es gehört schon viel dazu, dass sie so unglücklich fallen sollte ...

Depressiv. Zuviele Es. Ich fand, meiner Mutter ging es gut. Vorhin erst hatte ich sie gesehen. Da lag sie in Freds Versteck. Ihr Kopf schmiegte sich an eines der Rohre. Ich schmiegte mich daneben, lauschte und ließ mich trösten durch das Getrippel Tausender kleiner, harter Leiber. An dem Mund meiner Mama saß ein Käfer. Vielleicht schenkte sie ihm ihre Spucke. Oder er erzählte ihr von Fred.
Schöner Schluss, die Motive nochmal aufgegriffen und so.

So, da sind ja doch ein paar Einzelheiten zusammengekommen, du kannst ja mal kucken, ob dir was zusagt.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Liebe Novak,


ich muss einfach noch einen Einfall loswerden.

Der Theo kann doch so toll rechnen. Also: Zur falschen Zeit am falschen Ort ( zur nicht richtigen Zeit am nicht richtigen Ort) ist doch doppelte Verneinung und minus mal minus gibt plus. Das Kerlchen denkt hier mathematisch korrekt, finde ich.

Und du, die ja ein besonderes Verhältnis zu Mathe hast:D, formulierst instinktiv das Richtige.
Du darfst aber deine Finger schonen, ich nehm es dir nicht übel, wenn du nicht zurückpostest.

Gute Besserung und schönen Sonntag
wieselmaus

 

Wieselmaus, hab ich dir schon gesagt, dass ich dich glatt heiraten würde? Also ich mein so geistig ...
Genau so war das gemeint: falsche Zeit am falschen Ort.
Novak hasst zwar Mathe ... kann aber trotzdem manchmal rumlogeln. Manchmal jedenfalls ...


Ich wollte mich bei euch verabschieden, liebe Kommentatoren.
Vielen habe ich noch keine Antwort geschrieben, die Zeit reicht einfach nicht und die Finger tun zu weh.
Morgen früh fahre ich in den Urlaub (nach Island, und ja, ihr dürft ruhig neidisch werden, obwohl das Wetter dort gerade echt scheiße ist).
Aber danach, versprochen, (und vielleicht hin und wieder mal währenddessen) folgt meine Antwortfortsetzung. Aber allen, allen allen schon jetzt ein ganz großes Dankeschön für die vielen Anmerkungen, Rückmeldungen und Tipps. Ich fühl mich motiviert, kritisch hinterfragt und beraten. Alles was der schreibende Mensche eben so braucht.
Euch allen eine schöne Zeit bis zum 22. Juli.

 

Hey Jimmy, thx für Deinen Hinweis und den Link.

Ich will nicht dazwischen grätschen, sondern nur mal deinen Gedanken aufnehmen. Der Text ist eine Inszenierung, das ist Rollenprosa aber natürlich immer. Die Sprache ist geformt, ist destilliert, und natürlich ist sie nie wie die eines echten Kindes. Aber das muss man, glaube ich, immer in Kauf nehmen, wenn man sich mit Literatur beschäftigt. Literatur ist ja keine 1 zu 1 Übertragung. Also sprechen wir auf einer rein textlichen Ebene immer von der Qualität des Effekts, weil uns das eben bewusst ist. Die reine Lehre wäre dann, zu sagen, wir schreiben nur aus der Erfahrungswelt, die der Autor kennt. Da gehen aber schon die Probleme los: das Ding an sich, was ist Wahrheit, was Wahrhaftigkeit, was ist Realität? Worüber kann ein Autor denn de facto authentische Aussagen machen, und was ist nicht schon Fiktion oder fiktiv? Das ist schon ziemlich harter Tobak dann.

Ich denke, und das würde ich nochmal unterstreichen, dass Novak hier stark experimentiert hat mit Sprache und Erzählposition, und dafür ist doch ein solches Forum auch in erster Linie da, oder?

Als sprachliches Experiment und gewollte Inszenierung kann ich das Ganze natürlich auch wertschätzen. Was mir bei Texten fehlt, die im Erzählton stark (real oder vermeintlich) auf die umgangssprachliche oder gruppen- bzw. szenetypische, altersgerechte usw. Ebene zurückgreifen, ist die Schönheit und Poesie der klassischen (wie nennt man das, Jimmy?) Sprache. Ich kann aber dennoch anerkennen, wie gut ein Text komponiert ist, und das sehe ich hier bei Novak auch.

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Schwups bestimmt hast du mitgekriegt, dass meine Finger gerade den Geist aufgeben, daher antworte ich nicht ganz so lang u ausführlich wie sonst, obwohl es mir in der Seele weh tut, denn es freut mich total, wieder mal von dir zu hören.


Peeperkorn hat es ja schon angesprochen, ich würde da nochmal über die erste Hälfte des Absatzes gehen, das Bild ist wirklich etwas seltsam, dass die Mutter da die Käfer besprüht und dann einfach in der Wohnung liegen lässt.
Ich geh zwar eh noch mal durch den Anfang und schau nach, aber den Einwand versteh ich nicht ganz. Sie will die Käfer ja nicht für immer und ewig liegen lassen, sondern die hätte sie danach weggekehrt oder so. Theo kommt ihr zuvor. Muss man das wirklich so genau ausschreiben? ich bin unschlüssig.

Sie geht also weil es sie gruselt - aber das kann Theo ja eigentlich nicht wissen und schon gar nicht beabsichtigen. Für mich bleibt hier ein kleines Fragezeichen.
ich dachte mir das so, dass er es an ihrem Gesicht wahrnehmen kann.

Vielleicht geht das ja in die Richtung von Autismus, ich kenne mich damit aber leider nicht aus um das wirklich beurteilen zu können.
Ganz genau, so ähnlich habe ich es mir gedacht, allerdings kann er Mimik etc deuten. Insofern ist er kein echter Autist.

Dass sich aber die Lehrerin schämte, weil er nicht aus dem Labyrinth fand ("weil ich so blöd bin"), existiert sicher nur in seinem Kopf. Tröstende Worte wären da realistischer (und auch angebrachter).
Ja, existiert nur in seinem Kopf. Er merkt aber, dass die Lehrerin ihn komisch oder eigenartig findet und eine Lehrerin, die wenig oder gar nicht mit sehr speziellen Kindern zu tun hat, die kann schon mal ziemlich dämlich gucken und er übersetzt sich das so, dass sie ihn bescheuert findet.

Was mir hier gefällt, wie natürlich und selbstverständlich du die Gedanken des Kindes dem Leser rüberbringst - das ist einfühlsam, nachvollziehbar und klingt absolut authentisch. Ich will nicht wissen, wie lange du an dem Text und diesen Stellen gefeilt hast, vielleicht hat das auch beim ersten Schreiben gleich so hingehauen, aber das Endergebnis klingt wirklich toll.
War beides. Zum Teil hat es auf den ersten Blick hingehauen. Circa die Hälfte des Textes ist so ziemlich die allererste Fassung. Die andere ist fünfzigfach überarbeitet. :) Oder noch mehr.

Blöde Frage vielleicht, aber was genau ist hier mit "Puppenflasche" gemeint?
Keine blöde Frage. Hatte es mir so gedacht, dass er seiner Schwester eine der Flaschen aus der Puppenstube oder so geklaut hat. Eine kleine Flasche halt.

Irgendwann lag auf meinem Schoß eine klumpige Stoffhülle, eklige, gelbe Flocken bedeckten mein Shirt.
Hab ich nicht verstanden, was ist hier gemeint?
Er hat vor Wut Kumpel, das Stoffskelett zerfetzt. Ich schau mal die Komms durch, wenn das noch jemand anmerkt, mach ich es deutlicher.
Hier wird mir der Text etwas zu surreal, aber vielleicht ja deswegen auch der Tag "Seltsam". Er klopft da mal eben ein großes Loch in die Wand und niemand bekommt das mit?
Vater ist auf Arbeit, Schwester in der Schule und die Mutter ist draußen und meidet seine Gegegenwart. Warum soll das jemand mitkriegen? Aber klar ist schon auch, ich nehm mir natürlich eine Menge Freiheit in dem Text mit den Tags.

Ist wirklich sehr gut wie du den Jungen und die überforderte Mutter zeichnest. Vieles kann man an dem Text nicht kritisieren, aber vielleicht hättest du noch ein wenig mehr auf die Rolle des Vaters und der Schwester eingehen können. Sie stehen ja so weit am Rand der Geschichte, dass es bloße Stichwortgeber sind (Pisshorst im Falle der Schwester, und den Vater braucht es für den späteren Dialog mit der Mutter, den Theo belauscht). Du erzählst hier im Grunde ja eine tieftraurige Geschichte über eine Familie, die zerfällt, der alles genommen wird durch die Krankheiten der Söhne (Leukämie und was auch immer Theo hat), und dann hätte ich es gut gefunden, wenn die Gewichtung bei den Familienmitgliedern etwas ausgeglichener gewesen wäre.
Das ist ein sehr wichtiger und interessanter Aspekt. Es stimmt, dass ich mich auf die Mutter und den Sohn beschränkt habe. Die beiden anderen sind so wie du schreibst lediglich Stichwortgeber oder Randfiguren. Ich finde, es geht trotzdem und ist legitim, dass ich in fantastischer oder horrormäßiger Form über eine zerfallene Familie schreibe und mich auf ein "überschaubares" perspnal beschränke. Ich bin der Meinung, dass die Interaktion zwischen ihnen dadurch mehr zum Tragen kommt. Aber ich behalte das trotzdem im Hinterkopf. Einfach so zum Nachdenken und drüber Sinnieren. Und manchmal ist eine zusätzliche (dritte) Figur mit größerem Gewicht eine starke Veränderung der Gesamtaussage. Und ich denke, womit du sicherlich recht hast, ich bleibe schon in all meinen Geschichten immer sehr in einem personell reduzierten Rahmen.

ich frage mich, ob man die Tante nicht durch den Vater ersetzen könnte - vielleicht hast du dir das mal überlegt und wieder verworfen? Dadurch würde für mich eben die Familie (die enge Familie - Vater, Mutter, Sohn, Tochter) mehr in den Fokus rücken und der Vater mehr Gesicht bekommen.
Ulkig, dass du das fragst. Das kam komischerweise nie für mich in Betracht. Die Tante ist die Tante. Das käme mir ganz ganz komisch vor. Aber das ist sicherlich eine Art von Selbstgewöhnung an den text.

Da du konsequent aus der Sicht von Theo schreibst, ist es schwierig, sich über die Mutter ein Bild zu machen. Ich frage mich, wie die Familie aussah, bevor Fred krank wurde. Wie war da die Beziehung zwischen der Mutter und Theo?
Das ist zwar nicht direkt Thema das Textes, aber ich glaube, dass sie den jüngeren Sohn schon immer sehr eigenartig und weniger liebenswert fand als den älteren. Und dann stirbt ausgerechnet der.

Der Schluss - na ja, ich gehöre auch zu den Lesern, bei denen das noch nicht so ganz funktioniert. Mir geht das auch zu einfach, wie die Mutter mitgeht und Theo sie dann versehentlich tötet. Schwierig. Einfach in dem Moment abblenden, wenn sie in das Zimmer gehen und er ihr das Versteck zeigt, finde ich nicht so gut. Du möchtest ja betonen, dass Theo eigentlich nichts Böses wollte, das kommt auch in der Szene rüber, aber möglicherweise könnte man Theo das unterstellen, wenn du das Geschehen nicht zeigst. Und einen Kampf? Das wirkt dann schnell übertrieben. Eigentlich hast du es so schlecht nicht gelöst, finde ich, wenn ich da länger drüber nachdenke - auch wenn es natürlich Fragen aufwirft. Vielleicht ist auch mehr geschehen, als Theo hier erzählt, vielleicht gab es wirklich eine Art Kampf, den Theo aber nicht als solchen wahrgenommen hat.
Das finde ich einerseits sehr lustig, wie du die verschiedenen Ideen hin und her wälzt. Und andererseits bin ich super froh und auch erleichtert darüber, dass und wie du das durchspielst. Zeigt es doch, dass es nicht so ganz einfach ist, in diesem Fall eine wirklich stimmige Sache hinzukriegen. Was ich wohl nicht machen werde, ist, den Kampf noch mehr auszubauen. Ich finde auch, dass das zu übertreiben wirkt. Ich bin immer noch am Nachdenken und lass es einfach auf mich zukommen.

Der vorletzte Abschnitt, wie die Mutter stirbt - ja, überzeugt noch nicht ganz, aber macht er den Text kaputt? Verfehlt deshalb irgendwas seine Wirkung? Wirkt es völlig aus der Luft gegriffen, gar wie eine Verlegenheitslösung? Bei weitem nicht.
Sehr froh dass du das schreibst.

Vielleicht könntest du noch etwas rauskitzeln, wenn du die Tochter und den Vater mehr mit ins Spiel nimmst, vielleicht könntest du die dramatische Wirkung und den Zerfall dieser Familie noch etwas mehr betonen.
Das wäre eine Möglichkeit. Hier werde ich das aber sicherlich nicht mehr machen. Denn irgendwann sind Geschichten abgeschlossen und ich ändere nur mehr Feinarbeiten daran oder sowas wie den Schluss oder eine Szene. Was ich aber nicht mehr mache im Unterschied zu früher, wo ich noch mehr innerhalb der Geschichten ausprobiert habe, das ist, sie stärker umzubeamen und sie völlig anders zu gewichten vom Grundtenor her.
Aber das ist ja auch egal. Ich fasse deine Anregung sowieso auch eher als einen Hinweis auf, mich zuküftig auch noch in andere Bereiche vorzuwagen, zum Beispiel die Personenkonstellation abzuändern.

Schwups, dein Besuch hat gut getan. Es war einfach schön, mal wieder von dir zu hören und deine klugen Anregungen zu lesen. Deine Gedanken holen mich so oft ein bisschen ab von einem bestimmten persönlichen Schreibstandort zum Beispiel und zeigen mir, was noch möglich wäre. Oder sie bestätigen mich auch darin, dass es nicht ganz einfach ist, die richtige Lösung für alles zu finden. Und genauso gern wie ich deine Anmerkungen lese, würde ich auch saugern mal wieder eine Geschichte von dir lesen und/oder mit dir schwätzen.
Machs ganz ganz gut und alles Gute.
Novak


Lieber Isegrims aus dem tiefen Taunuswald, auch dir danke ich für deinen Besuch und deine Gedanken.
Zuerst war ich ein bisschen erschrocken, weil Effekthascherei, das ist natürlich immer ein herber Vorwurf und ich fand ihn auch sehr unzutreffend. Aber andererseits bin ich durch dich auch ins Nachdenken gekommen und hab mich mit deinem Gedanken auseinandergesetzt und bin mir meiner Sache nun deutlich sicherer. Und das habe ich ja dir zu verdanken. Und ein Isegrimsbesuch ist ja immer schön. Man redet, setzt sich auseinander und ist unterschiedlicher Meinung oder auch gleicher - so what. Nur dass diesmal leider kein echtes Eis dabei war, wenn du weißt, was ich meine. :)

Nein, ich mag solche Texte nicht. Sie setzen auf Wirkung, gerade dann, wenn sie gut geschrieben sind wie deiner. Und sie verstecken ihre Schwächen: gibt es wirklich solche Kinder, ist das nicht reiner Effekt? Und wenn es die nicht gibt, warum schreibst du darüber?
Da hab ich erst mal geschluckt. Und dann mein Hirn eingeschaltet. Isegrims schreibst du denn nicht wegen der Wirkung auf andere? Wegen was denn sonst? Und warum ist etwas (ein Mensch, ein Sachverhalt) Effekt, nur weil es dieses Etwas nicht gibt? Und warum sollte man denn nicht darüber schreiben? Wir sind doch hier wegen der Fiktion.
Ob es genau dieses Kind gibt? Natürlich nicht. Es ist ja eine Erfindung. Wie deine Figuren eben auch, wenn du nicht gerade über eine historische Persönlichkeit schreibst. Und die Konflikte, in denen das Kind steckt, kennt man die nicht, obwohl das Kind erdacht ist?

Wenn du ihn als Horror getagt hättest, dann wär ja alles einfacher.
Aber das ist er doch. War er auch schon, als du ihn gelesen hast. :D

Warum klingt die Stimme des Kindes nach einem Fünfjährigen? Er muss doch deutlich älter sein, wenn er schon schriftlich dividiert. Warum sitzt ein Junge in seinem Alter unter dem Tisch? Warum geht er nicht mehr zur Schule? (Der Tod des Bruders ist nur eine vermutete Erklärung).
Ja warum klingen Kinder oft kindlicher als sie es vom Alter oder der Körperkraft her sind? Dafür gibt es keine prinzipielle Erklärung. Kinder sind nicht gleich. Und dies ist ein sehr spezielles Kind.

Und sein eigener Sprachduktus, der müsste weitaus kindlicher sein. Sprachlich gesehen klingt es stellenweise wie der erwachsene Versuch, den Ton eines Kindes wiederzugeben. Okay, wie gesagt, hättest du den Text mit „Horror“ oder „Fantasy“ versehen, müsste man diese Fragen nicht stellen, das wäre dann einfach Genre, aber so. ich weiß nicht, ob das funktioniert und zweifle daran.
Was nun? Ich denke, Theo klingt wie ein Fünfjähriger? Jetzt wieder doch nicht, sondern wie Novak, die einen auf Kind macht? Fand ich widersprüchlich. Aber ich will gar nicht drauf rumreiten, deine Aussage kommt ja bei mir an. Und ich habe natürlich darüber nachgedacht. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass alle fiktiven Texte, die aus der Sicht eines Kindes geschrieben sind, über die reine Kindsicht und Kindsprache hinausgehen. Hinausgehen müssen. Es wäre fürchterlich langweilig und ermüdend, wenn man so weit ginge, den Text so klingen zu lassen, dass ihn ein reales Kind geschrieben haben könnte. Es ist wohl die Kunst, darüber hinauszugehen, es aber dennoch so klingen zu lassen, als stammte es von einem Kind. Ich bin mit Sicherheit weit entfernt von dieser Kunst und probiere mich nur darin aus. Dennoch mag ich deinen Einwand so nicht gelten lassen, er ist mir zu allgemein, dein Geschmack scheint mir ein zu deutliches Wörtchen mitzureden und wenn man es ernst nimmt, könnte man diesen Vorwurf allen Texten machen, die sich mit Rollenprosa beschäftigen.

Deine Texthinweise gehe ich ansonsten selbstverständlich im Einzelnen für mich durch und prüfe und gucke und entscheide dann nach Plausibilität.
Nur ein Beispiel greife ich mal raus, denn da habe ich sehr ernsthaft nachgedacht und meine halt, dass ich da schon richtig liege mit meiner Beschreibung.

Die Lippen meiner Tante schürzten sich zu einem erschrockenen, kleinen Zelt, sie fasste nach dem Arm meiner Mutter. Die schloss die Augen, öffnete sie wieder, schlug mir ins Gesicht und rannte weg.
Ich musste lachen, weil mein Kopf so wackelte.
hier so ein Beispiel: 100% Autor
Du findest, da spricht der "Autor". Und klar, ich Autorin habe das ja schließlich geschrieben, zusammengestellt und konstruiert. Nicht ein gestörter Junge spricht, sondern eine Erwachsene, die diesen Jungen überhaupt erst erdacht hat und ihm innerhalb der Geschichte eine Sprache gibt. Das ist von vorneherein eine konstruierte Wirklichkeit. Insofern wird und muss es immer ein Auseinanderfallen zwischen Autorenreflexion und der Sprache der Figur geben. Und insofern kann man der Erwachsenen, der Autorin, die sich bemüht, mögliche Gedankengänge eines gestörten Kindes darzustellen, und dabei sicherlich Fehler oder Übertreibungen macht, immer diesen Vorwurf entgegenhalten. Aber genauso, wie die Autorin natürlich eklatatante Fehler machen kann, muss man aber auch aufpassen, dass man nicht mit dem Generalurteil: da spricht ja der Autor, dem Text zuleibe rückt. Ich jedenfalls habe an dieser Stelle nicht das Gefühl, über das Ziel hinauszuschießen. Mein Grund? Ich will nicht mit meinen Erfahrungen und meiner Recherche kommen, das wird dich eh nicht überzeugen. Nur so viel: Es gibt eine ganze Reihe psychischer Störungen, bei denen die Wahrnehmung von Schmerz verändert ist. Der Theo meiner Geschichte beobachtet die Menschen (Lebewesen überhaupt) genau, er merkt, wie sie reagieren und leidet darunter oder weiß auch, dies auch für sich zu nutzen, insofern bekommt er vieles mit, weiß es jedoch nicht wirklich zu interpretieren und zu deuten. Und gleichzeitig nimmt er seine Empfindungen nicht immer als seine eigenen wahr. Beispiele dafür, das oben von dir zitierte. Oder auch, als nicht er sich über das Lob der Tante freut, sondern die Katze schnurren lässt.

Isegrims, ich danke dir sehr für deinen Besuch. Für das Hierlassen deiner Kritik und deiner Hinweise und für das zum Nachdenkenbringen.
Alles Gute wünscht dir Novak


Hallo lieber Mix, dass du sogar zweimal gelesen hast, um dem Text näher zu kommen, dafür danke ich dir sehr. Und dass du ihn gut gemacht findest, macht mich stolz, wenn ich auch dieses Mal nicht zu 100% deinen Geschmack getroffen haben dürfte, wenn ich dein Fazit richtig verstehe:

Ja, alles ziemlich bitter irgendwie. Leider kann ich dir keine wirkliche Textkritik geben, da ich objektiv nichts an der Geschichte auszusetzen habe. Ich kann die Begeisterung der meisten Kommentatoren nachvollziehen, auch wenn ich selbst vielleicht nicht völlig hin und weg bin. Das liegt halt an meinem Geschmack, ich habe die Dinge lieber etwas klarer. Aber nicht dass du mich falsch verstehst: Die Geschichte hat mir gefallen. Vor allem hat sie mir umso besser gefallen, je mehr ich über sie nachgedacht habe. Das ist ja auch was
Du hast sie gelesen und dich darauf eingelassen und mich an deinen Eindrücken teilhaben lassen, das ist nicht nur eine Menge, sondern an deiner Interpretation merke ich auch, dass die Geschichte so angekommen ist, wie sie sollte.
Theo flüchtet sich halt in eine Käferwelt, eine Welt, in der er den Käfern die höchste Fürsorge zukommen lässt, vermutlich als Kompensation für Freds Tod und für seine Rolle dabei, wie immer die auch genau ausgesehen haben mag (hat er Fred womöglich von seinen Qualen erlöst?). Und alles außerhalb dieser Welt ist er kaum in der Lage zu begreifen.
Das trifft es alles sehr genau und sehr gut, ich hatte es nicht so gut auf den Punkt bringen können. Ob er allerdings Fred "erlöst" hat, bleibt im Dunkeln. Und soll es ja auch. Da überlegt glaube ich jeder Leser anders.
Zum Alter schreibe ich jetzt nicht mehr extra was hin. Da habe ich ja schon in einigen Antworten was dazu geschreiben. Ich hoffe und gehe einfach mal davon aus, dass dir meine Antwort dazu dich vielleicht zwar nicht überzeugt, aber zumindest zufrieden stellt.

Die Tippfehler und Ähnliches verbessere ich natürlich gleich und bald. Wobei ich hier nicht ganz deiner Meinung bin:
[/QUOTE] [/QUOTE]Wenn sie den entdeckt hätte, ohje, das Gekeife wäre endlos, was ich für ein Kind bin, von wem ich sowas hätte, von ihr jedenfalls nicht. [/QUOTE]
Ich finde, hier wäre der Konjunktiv I angebracht. [/QUOTE]
Bei "bin" stimme ich dir zu. Ich hatte es extra anders gemacht, gerade wegen der Anlehnung an Kind, aber das kann man auch anders sehen und ich bin da eh recht unentschlossen. Wo es aber nicht stimmt, das ist bei "hätte". Da ist es so schon die richtige Konjunktivform. Sie stammt zwar aus dem Konj II, wird aber verwendent, weil sich in der ersten Person sonst kein Unterschied zum Indikativ ergeben würde. Von daher muss "hätte" bleiben.

Diese Stelle finde ich etwas unklar. Ich hab es zuerst so gelesen, dass das "Torkeln" der Käfer eine Reaktion auf das Davidoff-Zeug ist, dass sie quasi betrunken davon sind, so betrunken ein Käfer halt sein kann. Aber dann ist ja die Rede davon, dass der flache Käfer liegen bleibt, also findet das Torkeln wohl nicht in dieser eingeschobenen Davidoff-Anekdote statt, sondern auf der normalen Handlungsebene. Das fand ich alles etwas verwirrend. Möglicherweise weil im Text der Absatz nicht so genau zu erkennen ist. Möglicherweise auch weil mir die Verbindung zwischen Davidoff und Torkeln recht sinnvoll erscheint. Und du ja auch schreibst, dass die Käfer das Zeug nicht mögen. Und dann fangen sie an zu torkeln und davonzuhuschen. Das kam mir alles recht stringent vor. Kurzum, ich würde die Trennung zwischen der Anekdote und der Fortsetzung der eigentlichen Handlung klarer machen.
Ich finde das zwar klar, aber das tut man als Autor ja immer, ich guck also mal nach.

weshalb die Mutter an einer Stelle Katharina heißt und an anderer Mona.
Peinlich. Kein unzuverlässiger Erzähler. Nur eine unzuverlässige Autorin. Ich habs schon gekillt.

In diesem Kontext die Sache mit der Katze. Die Stelle fand ich am schlimmsten. Zum einen weil ich generell etwas empfindlich bin, wenns um Gewalt gegen Tiere geht. Zum anderen weil es hier so ..., ja, leise geschieht.
Das hat mich richtig ein bisschen stolz gemacht, dass du das so siehst. Ich wollte das hinkriegen, dass es so still und wie nebenbei geschieht. Ich habe mich sehr gefreut, dass diese Stelle so gut bei dir funktioniert hat.
Lieber Mix, tausend Dank noch mal für deinen Besuch. Bis dahin
Novak

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Hallo Fraser
Erst mal einen großen Dank an dich für das Lesen und Kommentieren der Geschichte. Ich finde übrigens zwar auch, dass es oft schwer ist, noch zu kommentieren, wenn schon viele Feedbacks hinterlassen wurden, aber freuen tut man sich als Autor eben trotzdem, wenn es so ein netter Kommentar ist wie deiner und es ist einfach so, dass jeder Leseeindruck zählt. Irgendwie macht man sich aus der Gesamtschau ein Bild über den Text . Und das ist genauso wichtig wie die Arbeit an Kleinteiligem.

Hat mir gut gefallen, deine Geschichte. Ein Grauen, das sich da langsam breit macht, subtil erst, mehr eine Ahnung, das sich dann immer mehr steigert, je mehr wir erfahren über Theo, den Käferkönig, sein Umfeld und die Vergangenheit.
Schön, das zu hören. Das war mein Ziel, dieses langsam sich ausbreitende Grauen herzustellen.
Das ist gut geschrieben, eine Andeutung hier, ein Theo-Monolog dort, und so langsam breitet sich das ganze Ausmaß aus. Du triffst für mich die Sprache/Denkweise dieses speziellen Charakters darüberhinaus sehr gut. Kompliment.
Und auch hier: freu mich unendlich, das zu hören.

Mich hat Theo spontan an den Lennie aus "Von Mäusen und Menschen" erinnert, obwohl Steinbecks Protagonist kein Kind mehr ist, aber diese (ich nenne es jetzt mal so) Beschränkheit, gepaart mit körperlicher Stärke (wie wir zum Schluss deiner Geschichte erfahren) ließ mich sofort an dieses Büchlein denken.
Super. Toll, dass dir das eingefallen ist. Mir auch, allerdings erst, als ich es schon geschrieben hatte oder gegen Ende, so genau weiß ich das nicht mehr. Aber da habe ich mich auch an Steinbecks Buch erinnert gefühlt. Mich hatte das damals beim Lesen sehr sehr beeindruckt, das weiß ich noch.


Aber nun zu deinen Fragen oder Kritiken:

Die Sache mit dem Loch in der Wand. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass jemand ein Loch in eine Holzwand schlägt, und es fällt niemandem auf. Das ist doch laut, zumal mit einem Hammer, und überhaupt, woher nimmt denn Theo die notwendige Kraft. Gut, vielleicht ist er ja gar kein Kind mehr, möglich.
Zu Theos Kraft und Alter habe ich schon viel geschrieben. Vielleicht kannst du da noch einmal schauen? Nur so viel, er ist ja kein übliches Kind, das nur mit einem emotionalen Problem zu kämpfen hat, sondern er schlägt in vielem aus dem Rahmen. Eine Teilbegabung, sozial und emotional vreinsamt, körperlich hohe Kraft, trotzdem eher klein von Wuchs. Ich finde, das geht alles durchaus zusammen, natürlich kann ich mich immer auf meine Tags zurückziehen, aber ich meine, es geht auch in der Realität zusammen, dass er ein sehr spezielles Kind ist.
Und dass es nicht auffällt, als er das Loch in die Wand schlägt? Warum nicht? Die Schwester ist in der Schule, der Vtare arbeitet und die Mutter ist so weit weg von ihm wie nur möglich.

Wie auch schon woanders angemerkt: Wie schafft es Theo, seine Mutter in dieses Loch zu stoßen, noch dazu so stark, dass sie dabei umkommt (Schädelbruch?)?
Sie stürzt unglücklich, prallt mit dem Kopf gegen ein Rohr. Warum soll das nicht gehen? Jedenfalls war so meine Überlegung. Aber über den Schluss denke ich ohnehin noch nach, will mir nur viel Zeit dazu nehmen.
Wieso durchsucht Theos Vater nicht die Wohnung/das Haus, nachdem Theos Mutter verschwunden ist? Ich meine, er würde doch wenigstens einen Blick in das Zimmer werfen, und da wäre ihm der Vorhang aufgefallen, meine ich.
Ja, normalerweise gebe ich dir recht, und es ist auch ein Schwachpunkt, aber die Mutter hat diesen Raum total gemieden, da kommt, so meine Überlegung, der Vater gar nicht auf die Idee, sie könnte dort sein. Und sie hat ein Verlassen angedeutet.

Aber abgesehen davon hat mich die Geschichte gut unterhalten: sie ist atmosphärisch packend, ich wollte unbedingt weiterlesen.
Schön, dass das geklappt hat.
Das Ende könntest du noch etwas mehr anbahnen, ein bisschen Dramatik rein. Mutter wehrt sich, Theo ist hin und her gerissen, irgendetwas in der Art.
Hab jetzt lange darüber nachgedacht und bin mir mittlerweile im Klaren, dass ich diesen Weg nicht gehen werde, weil dann Theos Handeln mit Sicherheit zu stark auf absichtliches Töten hinzielt. Das wollte ich aber nicht. Ich glaube auch nicht, dass die Kritik an dem Ende danach ruhen würde.

Lieber Fraser, danke für deine Einwände, die mich zum Nachdenken und Prüfen gebracht haben, und danke auch für dein motivierendes Lob.

Viele viele Grüße zurück von Novak


Lieber Friedrichard
endlich, ich hab schon auf dich gewartet und mich dann super gefreut, als dein Name endlich auftauchte. Ich hatte dich schon arg vermisst.
Und dass du ein Fisch bist, wusste ich vorher noch gar nicht. Ein Horror lesender Fisch. Was für eine Vorstellung.

und zum Glück geht alles in Deiner feinen Geschichte (s?)einen natürlichen Gang, wenn die kindliche Welt Theos auf die ordentliche Welt der in aller Strenge durch die Mutter, Mona, repräsentierte Welt der Erwachsenen prallt. Da kann ich mich bequem zurücklehnen dank der reichhaltigen Vorarbeiten der Vorredner und doch dem Käferkönig huldigen.
Ja, mach das. :D

Sogar Ironie - ob gewollt oder nicht - mag ich in der Namenswahl erkennen: Theo (Kurzform von Theodor, dem Geschenk Gottes), womit auch Glaube und Aberglaube (Namen seien Rauch und Schall - oder eben nicht) in der Geschichte schon abgehakt sind
Ich habe nie groß Ahnung, welche Bedeutung Namen haben, von daher wäre es wohl eher ungewollte Ironie. Ich glaube auch nicht, dass es ein unbewusstes Agieren ist, das einen leitet, diesen Namen zu wählen, denn dazu müsste man ja irgendwas wissen über die Namen, ich weiß nur, dass ich immer ziemlich über den Namen brüte, und oft erstaunt bin, was du dann immer herausfindest. Und insofern ist das jetzt schon ein Ding. :)

und das sogenannte Böse sich weniger als Schicksal denn Zufall (oder ent-wickelungsmäßigem Un-Geschick) erweist. Was darum um so stärker wirkt, wenn die Sicht des Mündels eingenommen wird. So fällt es schwer, sich über das (manchem sicherlich "ungehörige") Kind zu erheben und zu richten.
Ganz genau, das Richten sollte einem schwer fallen, weil es gar nicht eindeutig entscheidbar ist, ob und inwiefern man überhaupt von Schuld reden kann.

Mit der schon genannten Vorsilbe (der gar Sigmund Freud in den kleineren Schriften eine Abhandlung gewidmet hat,) wird das Geziefer (ahd. "zebar", das Opfertier) bereits im mhd. "ungezibere" zum fürs Opfer un-geignete Tier. Aber auch daran müssen sich Käfer mitsamt ihres Königs gewöhnen, dass sie - wie andere Insekten auch - den menschlichen Speisetisch bereichern werden, selbst wenn es die eine oder den andern westl. Zivilisation schütteln wird
Auch das hier, ich bin immer wieder erstaunt, was du alles rauskriegst und aus deinem reichhaltigen Wissen preisgibst. Das passt ja auch genau. Hier sind die Ungeziefer doch glatt zum geretteten Opfertier geworden. Gefällt mir.

Ich wusste übrigens genau, dass du mit mir wegen der Konjunktive schimpfen würdest. :) Ich bin da ja eh recht freizügig, obwohl ich es alles mit Löffeln fressen musste und genau weiß, dass es dächte heißen müsste. Auch an anderen Stellen gehe ich recht unfair mit dem armen Konjunktiv um. Aber in mir sträubt sich oft etwas dagegen, den richtigen Konj zu benutzen, weil er im normalen Sprachgebrauch ohnehin oft falsch verwendet wird, also hat er in der wörtlichen Rede eigentlich nichts mehr zu suchen. Und hier ist aus der Sicht eines Kindes geschrieben, natürlich ist die Erzählinstanz davon noch einmal unabhängig, von daher, ach, Friedel, du bringst mich echt in Schwierigkeiten. Ich weiß es einfach nicht. Eigentlich hast du Recht. Bin schon am Denken.

Depressiv. Zuviele Es.
Nicht, dass "zu viel" allein als Substantiv zusammengeschrieben wird - sondern dass es von diesem "Übermaß" keinen Plural gibt ... Zu viele für ein Zuviel.
Klar Auseinanderschreibfehler. Blöde Sache. Ist schon verbessert. Das andere verstehe ich nicht.

Lieber Friedel, vielen Dank für deinen netten Besuch. Der hat mich riesig gefreut.
Lass es dir gut gehen.
Novak

 

Hallo Novak,

ich habe die Geschichte schon vor Monaten das erste Mal gelesen, wollte immer mal was schreiben und bin nie dazu gekommen. Jetzt habe ich sie gerade das dritte Mal durch, so viel ist schon gesagt, aber ich glaube, ein oder zwei neue Aspekte ergänzen zu können.

Inhaltlich und sprachlich hat mir mit Abstrichen alles gefallen. Ich mochte dieses ruhige, verträumt kindliche Erzählen, das ja zum Prot passt, und dieser ganze Käfer-Fetisch hat auch was angenehm Abstoßendes und rechtfertigt somit das Genre.

Was ich - jetzt mal ausschließlich durch die Horrorbrille guckend - ein bisschen problematisch fand, waren die Figuren, die nicht eben zur Identifikation einladen. Bei einer Horrorgeschichte bremst das den Schrecken aus, wenn ich zu viel Abstand zum Opfer habe, dem die Zombies den Kopf abbeißen. In diesem Fall ist besagtes Opfer die Mutter, klar die Antagonistin der Geschichte. Wie sie den Prot behandelt, pfui, und man erlebt sie bei nichts, was das mal ein bisschen relativieren würde. Das gibt dann am Ende eher diesen "Geschieht ihr recht"-Effekt, sowas Märchenhaftes hat das. Sie ist ja auch wie die böse Stiefmutter.
Das wäre nicht so, wenn man sie zum Beispiel zwischendurch mal heimlich weinen hören würde, um daran zu erinnern, dass sie nicht einfach nur die Frau ist, die ihrem verbliebenen Kind die kalte Schulter zeigt. Dass das nur eine Facette ist, dass da schon noch ein Mensch in ihr wohnt. In der Schlussszene wird das angedeutet, wenn der Vater Depressionen erwähnt, aber so auf den letzten hundert Metern haut es das nicht mehr raus.

Der Vater ... hat nicht viel Text. :) Aber ist das ist ja okay, man muss halt entscheiden, welche Charaktere die Story voranbringen und welche nicht. Um wen es geht. Zudem vermute ich mal einen Grund dahinter, dass das Familienoberhaupt so blass bleibt, weil es den Eindruck verstärkt, der Ich-Erzähler sei der Mutter, dem eigentlichen Monster der Geschichte, ausgeliefert.

Im Prot selbst möchte sich vermutlich auch kaum jemand wiederfinden. Verletzte Kinderseele ist das eine, aber dann diese Käfer-Obsession, da wird er halt zum kleinen Psychopathen. Mit Norman Bates hat man ja auch grundsätzlich erstmal Mitleid, NUR ...

Die Tante! Klar die sympathischste Figur in der Geschichte, in der ich mich am meisten wiedergefunden habe und aus deren Perspektive ich das komplette Geschehen verfolgt hätte, wäre das hier ein Wunschkonzert. Die ist nett, die ist besorgt, caring, macht sich Gedanken über Schwester und Neffen gleichermaßen. Ich habe sie nach dieser einen Szene, in der sie auftritt, echt vermisst.

Der Stil ist natürlich sehr gut, mir streckenweise aber schon fast etwas zu literarisch. So Sachen wie das "fiese Krümel-Ei", aus dem Zusammenhang gelöst finde ich das saustark, aber in der Geschichte drohen solche Sachen in ihrer Häufigkeit in "Form über Inhalt" umzukippen.

Also kurz: Mir hat's gefallen. Ich mache mir nicht so viele Gedanken über Geschichten, die ich doof finde. :)


gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen. Ich fand das ungerecht.

Da habe ich mich gefragt: Gigantisch in Relation zu was? Für einen Käfer ist ein menschlicher Schädel riesengroß, Normalfall, da braucht man nicht extra drauf hinzuweisen. Und ein aus menschlicher Sicht riesiger Schädel kann es ja nicht sein, der würde entweder nicht auf die Dose passen oder man könnte den Käfer im Vergleich dazu gar nicht erkennen. Man denkt komische Sachen, wenn man sich erstmal in Details verrannt hat.


Käferkrankenwagen. Wenn sie den entdeckt hätte, ohje, das Gekeife wäre endlos

gewesen


Irgendwann lag auf meinem Schoß eine klumpige Stoffhülle, eklige, gelbe Flocken bedeckten mein Shirt.

Ein Anglizismus wie "Shirt" passt nicht zum Erzählstil.


Wie ein Picknickkorb, nur steckte darin statt fiesem Krümel-Ei ein Kätzchen.

Ja, das Krümel-Ei. :)


Ich habe einen Freak geboren

Diese Bedeutung von Freak wie im Englischen, im Sinne von Außenseiter, Aussätziger, das ist glaube ich relativ neu. Die Erwachsenen kommen mir mehr vor die Generation, die Freak eher und ausschließlich benutzt in der Bedeutung von "jemand, der total auf etwas steht" (Autofreak etc.).


Allerbeste Grüße
Proof

 

Hallo Achillus,
vielen Dank fürs Besuchen und überhaupt. Hast mir ja ein paar ganz schöne Denkaufgaben ins Nest gelegt. :)
Zu den Details, die du angemerkt hast, schreib ich nichts extra, denn ich bin an fast jedem Punkt einfach völlig anderer Meinung als du, mag mich aber jetzt auch nicht im Einzelnen rechtfertigen, wieso ich es beispielsweise in Ordnung finde, zu schreiben, dass ein Käfer doch torkeln kann, da er im Unterschied zu deinem Schlangenbeispiel ja Beine hat. Oder dass manche Beispiele widersprüchlich klingen, wenn mir zum Beispiel Kindergartensprache vorgeworfen wird und dann wieder die Sprache der Oma, die ich ja bin. :) Will damit sagen, ich erkenne da oft nicht die Begründung und den Erklärungswert. Ist für einen Autor schwierig, weil du im Prinzip ja keinen Stein auf dem anderen lässt :) , da lässt sich dann umgekehrt für mich sehr schwer argumentieren. Ich habe mir deine Beispiele aber selbstverständlich trotzdem alle angeschaut und darüber nachgedacht und tu das auch immer wieder mal, das ist ja klar, und vielleicht wird auch das eine oder andere in der Feinarbeit noch geändert. Wer weiß. Bin ja noch gar nicht soweit. Im Moment ändere ich nur echte Fehler.

Ich glaube zusammenfassend, vieles von dem, was du kritisierst, rührt vielleicht auch daher, dass du die Art, wie ich hier schreibe, einfach so gar nicht magst. Und von deinem Standpunkt aus kann ich das sogar nachvollziehen. Du schreibst in der Regel so betont elegant und klassisch und gut formuliert und in wohlgesetzten Worten, dass für dich solche umgangsprachlichen und gewollt kindlichen Formulierungen ein Graus sein dürften. Insofern war ich über deinen Kommentar dann durchaus auch froh, weil du deinen Geschmack nicht verbrämt hast, du hast das klar auf den Tisch gelegt und damit für mich deine Argumente auch ein bisschen eingeordnet. Da rührt vieles vom prinzipiellen Zweifel an Texten in "Kindersprache" her.
Lass mich nur so viel noch anmerken bzw aus meiner eigenen Antwort an einen anderen Kommentatoren zitieren: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass alle fiktiven Texte, die aus der Sicht eines Kindes geschrieben sind, über die reine Kindsicht und Kindsprache hinausgehen. Hinausgehen müssen. Es wäre fürchterlich langweilig und ermüdend, wenn man so weit ginge, den Text so klingen zu lassen, dass ihn ein reales Kind geschrieben haben könnte. Es ist wohl die Kunst, die Nähe zum Jugendlichen oder Kind durch den Stil und die Sprache herzustellen, und dennoch darüber hinauszugehen. Die Schere zwischen dem Erzähler hinter der Ichperspektive und der Ichperspektive ist haarscharf, das sehe ich auch so, und es ist wahrscheinlich furchtbar leicht, da Fehler zu machen. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite ist die, dass du meinst, es wäre qualitätsmäßig gar nicht wirklich möglich, einen guten Text in "Kinder"sprache zu schreiben.

Die Faszination Deines Textes leitet sich ab aus der Diskrepanz zwischen der kindlichen Ausdrucksweise des Erzählers einerseits und der Brutalität der Ereignisse andererseits, auf die der Erzähler verweist. Es ist immer eine ganz besondere Wahrnehmungserfahrung in Film, Musik und Literatur, wenn zwischen Form und Inhalt ein gewollter Bruch, ein Konflikt und Kontrast entwickelt wird.
Das ist richtig. So hat den Text noch keiner beschrieben bisher, passt aber genau. Und schmeichelte mir, den Inhalt oder das Prinzip des Textes mit einem Auftritt von Lana del Ray verglichen zu sehen. Obwohl, so gerne mag ich der ihre Lieder denn nun auch wieder nicht. Aber ich verstehe schon, was du sagen willst.

Die kindliche Sprache, die Du benutzt ist einerseits wirklich originell. Ich habe das wirklich sehr genossen. Da gibt es aber auch einen Teil in mir der sich am Unechten des Ganzen stört. Würdest Du diesen Text einem Kinder-Psychologen vorlegen und ihn fragen: Hat das ein Kind geschrieben? Wie wäre wohl seine Antwort?
Ich antworte mal nur dem Teil, der sich an dem Unechten stört: Natürlich ist das alles unecht. Es ist ja kein Tatsachenbericht. Du vermisst, dass es nicht echter klingt. Das Blöde ist nur, ich glaube, wenn jmd es besser gemacht hätte als die Frau Novak hier, die natürlich Fehler macht, fändest du es trotzdem immer noch nicht echt genug. Ich glaube, dein Einwand ist hier sehr sehr prinzipiell, weil du erstens weißt, dass hier eine reizende ältere Dame schreibt und kein seltsames Kind und weil du von dem Dogma (das ist es für mich) dass man nur schreiben kann, was man ist. Letzteres stimmt amS aber nicht. Es ist schwierig, manchmal unmöglich, aber manches geht.
Und Achillus, natürlich würde der Kinder-Psychologe Theo aus der Praxis schmeißen, erst mal sowieso, weil der ihm alle Räume mit Kakers vollsetzt. Aber auch sonst. Aber was soll das denn beweisen? Leg doch mal Frankenstein einem Arzt vor.

Ich sehe in jedem Absatz die kluge Intention eines versierten Autoren, der eben einen bestimmten Effekt erzeugen will. Als hätte es ein Kind geschrieben/ erzählt. Das kann aber niemals gut funktionieren. Für mich funktionierte es selbst bei Astrid Lindgren nur bedingt, weil Kinder eben keine Autoren sind und keine Übung darin besitzen, originelle Geschichten zu schreiben/ erzählen. Mit anderen Worten. Dein Text ist handwerklich zu gut, zu gekonnt, als dass er wirklich von einem Kind stammen könnte.
Natürlich kann der Text nicht von einem Kind stammen. Und er soll auch nicht lupenrein so klingen, als hätte ihn ein Kind geschrieben. Er soll die Nähe dazu herstellen. Ein echter Kindertext würde völlig anders klingen. Das muss ich gar nicht ausprobieren, das weiß ich. Da käme kein einziger Konjunktiv vor, keine eingeschobenen Relativsätze, gar nichts von einer komplizierten Satzstruktur. Aber lies das dann mal, da wird dir der Hund in der Pfanne verrückt, weil das keiner lesen mag. Die "Kunst" ist ja gerade, "erwachsen" zu schreiben und trotzdem diesen kindlichen Effekt als Näherung zu erzielen.
Man muss sich mit kindlicher Erzählweise oder kindlichem Verständnis beschäftigen, wenn man Texte für Kinder schreibt. Da ist es wichtig, keinen komplizierten Satzbau zu verwenden etc. Auch wenn man Rollenprosa für Erwachsenene schreibt, muss man sich mit der jeweiligen Sprache beschäftigen, man benutzt ja Anteile dieser Sprache, und muss gleichzeitig darüber hinausgehen, das gerade ist das Schwierige an der Sache. Es ist sonst stilistisch und literarisch nicht aushaltbar :) Und klar, Achillus, es kann auch einfach sein, dass ich es an vielen Stellen einfach nicht gut und geschickt genug mache. Von daher nehme ich deine Hinweise und Kritik immer auch als Anreiz, noch genauer aufzupassen. Trotzdem haben solche Texte ihren Stellenwert und ihre Bedeutung.

In diesem Zusammenhang noch einmal Danke an jimmysalaryman für deine helfende Antwort, du schreibst Ähnliches, drückst es aber professioneller aus als ich. Aber ich glaube schon, wir meinen was Ähnliches.

Lieber Achillus, ich fand das dieses Mal sehr schwierig, dir zu antworten, weil deine Einwände sehr prinzipiell waren. Das Problem ist einfach, dass man sich als Autor in unterschiedlichen Bereichen versucht. Ich mag das einfach prinzipiell, mich in Gestalten und Figuren hineinzuversetzen und mir vorzustellen, wie diese Figuren sein und wie sie agieren könnten. Es ist etwas, was mir sehr viel Spaß und Genuss bereitet. Deswegen probiere ich mich daran aus.
Aber klar, es wird mit Sicherheit auch wieder andere Texte in anderer Sprache geben von mir. Einen habe ich schon im Auge. Aber eben auch solche wie den hier. Ja, Achillus, auch da habe ich schon wieder was im Auge. :D Ich hoffe ja, dass du trotzdem wieder (auch in einen solchen Text) reinspechtest und mir dein kritisches Auge und ein paar Nachdenkaufgaben schenkst.
Bis denn
Novak


Lieber Peeperkorn
Lieben Dank nochmal für deine Erklärung. Jetzt habe ich alles kapiert.
Das "zuerst" Problem ist zwar noch nicht in den Text eingepflegt, aber das habe ich "bereinigt".
Anders sieht es mit den beiden anderen Sachen aus. Das "ungerecht" und das "Käfer aufsammeln". Da weiß ich noch nicht und lasse es ev auch einfach so.
Letzteres (den Jungen die Käfer später aufsammeln zu lassen) ginge zudem gar nicht, weil der Junge nicht allzu lange warten kann, die Käfer erholen sich von dem Gift und krabbeln weg. Eigene Erfahrung leider.

Für mich sind diejenigen Momente in Horrorfilmen (in der entsprechenden Literatur kenn ich mich nicht aus), die spannensten, in denen sich das Grauen so langsam zu offenbaren beginnt. Die Zahl 666 erscheint auf dem Kopf eines Kindes, hinter dem Wandschrank gibt es einen riesigen Raum, der ins Dunkle führt. Also diese Unstimmigkeiten, die Szenen, wo die Realität Risse bekommt. In deiner Geschichte ist das diese obsessive Beschäftigung des Jungen mit den Käfern.
Die Showdowns in den entsprechenden Filmen finde ich dann aber häufig eher langweilig, irgendwie wird das Ganze dann aufgelöst, das Monster getötet. Und selbst wenn nicht, dann hat alles mittlerweile einen offiziellen Charakter bekommen, das Grauen ist öffentlich geworden, es ist in die Tat umgesetzt und durch diese Sichtbarkeit verliert es häufig an Faszination.
Das verstehe ich gut, es geht mir ja haargenauso. Auch ich finde den Beginn immer spannender als das Showdown.

Das andere ist, dass dein Text ja eben nicht bloss eine Horrorgeschichte ist, und ich fand den psychologischen Abgrund, dem der Junge ausgeliefert ist, besonders spannend, d.h. ich fand den Junge als Opfer spannend, habe mich gefragt, wie er mit seiner Situation umgeht. Ja, und dann war mir die Tötung seiner Mutter, diese Entwicklung hin zum Monster ohne Schuld einfach psychologisch zu grob, irgendwie auch zu konventionell. Da entlädt sich für den Leser etwas, da wird die ganze Sache objektiviert - ja, am Ende bringt er ohne es zu wollen seine Mutter um, da kulminiert die Geschichte in einer Tat und ich hätte es glaub lieber gehabt, wenn die Geschichte bei der Wahrnehmung des Jungen, seinem Leiden bleibt.
Ja, jetzt habe ich deine Intention verstanden und kann sie sehr, sehr gut nachvollziehen. Es stimmt natürlich, dass ich das Ende hier so haben wollte. Trotzdem bin ich froh, dass ich noch mal nachgefragt habe, es ist eine Anregung für mich, einen eher horrountypischen Schluss zu wählen. Ja, ist eine echte Anregung – und mehr als das. Nicht mehr für diese Geschichte, da geht es allenfalls um die Frage eines softeren Ausblendens, wie barmhelm und jimmysalaryman es vorgeschlagen haben. Aber für eine nächste Geschichte ist das mir sehr wichtig.

Ganz lieben Gruß zurück und Dankeschön,
Novak

Liebe Eva Luise Groh
sehr erfreulich, dass du immer mal wieder reinschneist. Aber erst mal wünsche ich gute Besserung für dich. Das ist das Allerwichtigste.

Sehr gelungen, wie der Alltagshorror sich steigert, die Psyche des Jungen sich immer weiter in Käfereien verstrickt, die Mutter und er sich verlieren und gegenseitig ablehnen. Was da was bedingt und wer was wie 'schlimmer macht', bleibt für mich offen.
Das war mein Ziel. Ich freue mich sehr, dass das so auf dich gewirkt hat. Die Welt, in die der Junge sich geflüchtet hat, ist ein Ersatz für seine Familie. Und es stimmt, wer da was verschlimmert, das lässt sich nicht wirklich beurteilen. Das finde ich an diesem Text sehr wichtig. War mein Anliegen.
Das Ende kommt für mich ein wenig zu krass, dass er seine Mutter 'fast aus Versehen' meuchelt und sich das in seinem Wahn noch milde redet, das finde ich nicht so nachvollziehbar.
Da bist du nicht die Einzige. :) Es ist möglich, hast du vielleicht eh schon mitgekriegt, dass ich vorher ausblende. Allerdings spricht auch einiges für das jetzige Ende und dass er sich das "milde" redet, ist ja gerade sein Wahn. Mal schauen, was daraus wird.
Liebe Eva, ich danke dir sehr für deinen Besuch und dein Feedback.
Liebe Grüße
Novak

 

Hallo Novak,

hab deine Geschichte gerade noch einmal gelesen.
In den Thread hab ich nur ab und zu reingelunzt. :Pfeif:

Falls ich jetzt also etwas wiederhole, was schon jemand vor mir geschrieben hat, dann sorry!

In den letzten Tagen ist mir bewusst geworden, wie wichtig der Titel einer Geschichte ist und dass da vielleicht auch oft so eine versteckte Botschaft vom Autor drinsteckt, wie der Text aufzufassen sei oder zumindest wie der Autor selbst ihn sieht.

"Ich bin der Käferkönig" klingt verspielt und harmlos. Fast wie der Titel eines Kinderbuches.

Also, ich denke, du wolltest kein Sozialdrama über einen psychisch kranken Jungen schreiben. Obwohl ich das so lesen kann. Ich finde die Dialoge total gelungen und sehr schlüssig. Ich oute mich: Mir ist die Mutter in ihrer grandiosen Hilflosigkeit letzten Endes nicht unsympathisch.

Da muss sich ja nur ein klein wenig etwas verschieben im Wertesystem von Theo, und schon stellt er sich im Kampf zwischen Käfer und Katze (Käfer und der eigenen Mutter) auf die falsche Seite.

Hm, wobei ich es beim erneuten Lesen ein bisschen unnrealistisch finde, wie die Mutter zu Tode kommt. Da hat der Leo zu viel Kraft und es läuft schon echt dumm.

Insekten ... Irgendwo habe ich mal gehört, dass sie von den Nichtwirbeltieren die am höchsten entwickelten seien. Man denke nur mal an die Staatenbildung bei einigen Insektenarten. Insofern üben die schon immer eine besondere Faszination auf Menschen aus. Und auf Kinder. Die Kindergartenkinder, die mit Hingabe Ameisen zertreten. Oder sie in Schachteln sammeln, füttern, sich wundern, dass die nach einer Weile so schlapp gucken.

Falls du noch in Island bist, dann wünsche ich dir weiterhin einen schönen Urlaub!!! :)

LG, Anne

 

Liebe Novak,

ich habe Rotwein, ich hatte bis eben Schokolade und ich habe eine ziemlich geniale Aussicht gerade. Und bei all dem schön, schreib ich jetzt was zu deinem Käferkönig. Der gar nicht schön ist, aber schon ziemlich genial.

Erst war es nur die Zeichnung auf der Sprühflasche, die mir auffiel: Ein gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen. Ich fand das ungerecht.

Ich finde das auch ungerecht. Und ich finde diesen Anfang ziemlich sehr geil. Man tut sich doch gleich mit dem Erzähler zusammen. Ob das jetzt wieder gut ist, ist eine ganz andere Sache, für die Geschichte aber ist es wichtig.

Die ersten Male interessierte mich nur das Gezappel der Käfer, weil sie so lustig mit den Beinchen winkten. Einmal wollte ich sie zu einer Strampelkette binden und die meiner Schwester umhängen.

Na gut, hier findet man ihn nicht mehr ganz so lustig. Und man will ihn auf gar keinen Fall zum Bruder mehr haben.

Beim Hinausgehen hörte ich noch: „Und sag nicht immer Mama zu mir, Katharina sollst du sagen. Ist das denn so schwer zu merken?“

Oh ha.

Ich nahm Kumpel auf meine Knie. „L“ sagte ich, „Leuk“, ich drückte Kumpel ganz fest, doch das verfluchte Wort wollte einfach nicht weg von mir.

Dieses ewige Wechselspiel von positiv - negativ, das hat einen ungemeinen Reiz auf mich als Leser. Das ist süß. Der Wutausbruch, der dem folgt, weniger.

„Wir zum Beispiel sind mit dir fünf, seit der Fred weg ist. Fünf geteilt durch zwei bleibt eins Rest. Das bin ich.“

Oh Mann!

Ich schnappte die Katze, hielt sie fest, so sehr sie auch kratzte und biss, und hebelte ihr den Käfer aus dem Maul. Endlich ließ sie ihn los, aber ihr Gesicht sah jetzt ein bisschen schief aus. „Das darf man nicht, Rudi“, sagte ich, und fuhr über die blutigen Striemen auf meiner Hand, „das musst du dir merken. Hier wohnen die Käfer.“ Die Katze röchelte, dann wurde sie still. Ich weinte, denn der Käfer würde keinen Mucks mehr tun.

Das ist so schräg. Er will den Käfer retten, killt dabei die Katze, und ist auch traurig über den Tod. Nur eben über den des Käfers. Die Schaben sind ihm wichtig, die waren schließlich zuerst da und die reden mit ihm über seinen Bruder. Das ist moralisch so falsch mit der Katze, aber das ganze Szenario folgt einer Logik und man schwebt da in einem Gefühlsdusel, weil, man muss ihn für die Tat verurteilen, kann aber doch nicht so richtig. Und man ist schockiert über die Gewalt, zu der er fähig ist und gleichzeitig der Liebe zu Schaben fähig.

„Theo. Dieses Kind zerstört alles, was es in die Finger kriegt. Er ist krank.“ Ich hörte ein Glucksen, wusste nicht, ob meine Mutter lachte oder weinte. (kein Zeilenumbruch, die Mutter redet ja weiter)
„Ich habe einen Freak geboren.“

Mein Vater schwieg. Nach einer schier endlosen Pause sagte er: „Was hast du mit der Katze gemacht?“
„Weggeworfen.“

Krass. Und die ganze Szene, wo er die Mutter ins Käferloch schuppst. So böse und so - dafür gibt es gar kein Wort. Der deutschen Sprache fehlt eindeutig ein Wort!

Ich finde den Text so klasse. Wie der mit den Gefühlen spielt, dieses hin und her; Mitleid, Abscheu, Ekel, Zuneigung. Das ist besser als Karussellfahren. Und das ist so stringent durchgezogen, ohne dabei zu langweilen, weil das Muster ja recht schnell klar wird. Es funktioniert immer wieder, weil Du ja pro Runde auch einen Gang drauflegst. Und man hat eine Ahnung wohin es führt, dass er dann aber tatsächlich in aller Unschuld die Mutter killt, die man selbst ja auch verteufelt, das ist eigentlich nur konsequent. Aber man lässt diesen Gedanken gar nicht erst aufkommen. Das verbietet die Moral. Deswegen denkt man immer, er hat doch den Bruder umgebracht. Der ist ja schon tot und wäre eh gestorben, das ist moralisch erlaubt, ein Geständnis über einen Mord ist richtig. Und wir wollen doch immer alles richtig denken und machen. Ungeziefer darf man umbringen, Katzen nicht. Schön, wie Du hier mit der verkorksten Moral auch spielst. Keine Ahnung, ob das bewusst gemacht war, aber es steckt in dem Text und es macht ihn ganz wunderbar!

Gern und ungern und befremdet gelesen,
mit besten Grüßen, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Es geht weiter ...

Hallo Goldene Dame , vielen Dank auch dir für deinen Besuch.

Das seltsame Kind befeuert die Fantasien Erwachsener und hier in dieser Geschichte darf der Leser in den Kopf des seltsamen Kindes eintauchen. Und dann passt die Erzählstimme nicht mehr zu einem Kind, sie wirkt gruselig, abartig, verstörend, so sind Kinder doch nicht, um sich nicht zu sehr verstören zu lassen, klinke ich mich aus, beruhige mich, steht ja in der Rubrik Seltsam und Horror. Da brauche ich auch keine Erklärung zum Wandel in der Figur der Mutter, warum sie zunächst als Täterin fungiert, die Todeswalze, und dann ohne Widerstand ein Opfer wird.
Gruselig und abartig wirkt die Stimme des Kindes nur durch den Kontrast zwischen dem, was das Kind tut und wie es sein Tun sieht. Sonst ist Theo eigentlich nicht gruselig. Er will ja bloß spielen und für ein bisschen Käfer-Toleranz sorgen. :)
Ich finde übrigens gar nicht, dass die Mutter so ohne Widerstand zum Opfer wird. Theo sagt einen Satz, der ihr ziemlich das Wasser abgräbt und sie hilflos macht. Aber vielleicht wird das nicht deutlich genug. Muss ich mal schauen.

Sie hatte Angst, Ängste können lähmen oder zur Flucht verhelfen. Jedenfalls war sie die einzige, die ihr seltsames Kind erkannte und niemand hat ihr Glauben schenken wollen. Klingt ein bisschen wie die Fortsetzung von Rosemaries Baby, ein bisschen aber nur, weil der Rest der Familie harmlos unwissend bleibt. Also passt das Horrorgenre auch gut.
Theo ist Rosemarys Baby. :) Klingt gut. Nein, ist natürlich Quatsch, das wäre ich ja anmaßend von mir. Wir sprechen von Polanski. Ich fand die Idee nur so witzig, und natürlich auch ein bisschen schmeichelhaft, wenn ich auch finde, dass du dem armen Theo Unrecht tust. Er ist doch nicht Teufels Sohn. Deinen Hinweis, dass der Horror-Tag wegen der Unwissenheit der Familie angebracht ist, fand ich interessant, weil ich das so noch nie betrachtet hatte.

Ob die Ich- Perspektive das Gelbe vom Ei dazu ist, wäre mein einziger Kritikpunkt, ich wüsste aber nicht wie es anderes zu machen wäre, um die verquere Wahrnehmung auszudrücken.
Eben. Du sagst es. :)

Liebe Goldene Dame, vielen Dank für dein Lesen und deine Gedanken und deine Eindrücke.
Alles Liebe und bis dann mal wieder.


Hallo alexei

ich hoffe, ich bin mit meiner Kritik nicht zu spät
Boaaahh, das ist eine Verspätung von miiiindestennnnnns, wart mal, neee, doch nicht, jetzt hab ichs: 1, 2 Sekunden. :)

Ich hab deinen Kommentar furchtbar gerne gelesen, der war total goldig, weil man so richtig schön an deinen Gedanken teilhaben konnte. Mich hat das amüsiert und natürlich auch sehr gefreut. Jetzt mach ich das mal umgedreht, lies mal mit, wie mir das beim Lesen deines Komms ging:

Ich glaube, ich weiß schon, was sich hier anbahnt. Der Bruder ist der Käferkönig, oder?
Neiiiin, alexei, bitte nicht, lies mal genauer. Oder mein Gott, hab ich mich etwa so verquer ausgedrückt????

„Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet.“
Toll beschrieben.
Dem Himmel, neee dem alexei sei Dank, du rettest mir grad den Tag. So viele wollen keinen Glibber im Kaffee, dir gefällt er. Danke.

Also ist ihr Bruder doch nicht der Käferkönig. Ich frag mich gerade ständig, wer denn sonst der Käferkönig sein könnte. Der Prot?
Neiiin, nicht der Bruder. Und der Vater auch nicht. Natüüüürlich der Prot. Bitte alexei, machs mir doch nicht so schwer.

„Ich legte die zuckenden Käfer nebeneinander, fuhr mit einem feuchten Taschentuch über die Panzer und entfernte jedes Stäubchen.“
Würde so etwas die Käfer nicht zerquetschen?
Wir reden von Kakerlaken. Da kannst du mit einem Laster drüber fahren und die überleben das immer noch, weil sie sich in den Reifenrillen verbergen. Du müsstest schon eine sehr flache Badelatsche mit einer Wucht von 10 Tonnen pro Quadratmillimeter draufdonnern, aber das schafft man nur mit Training.

„Du weißt doch gar nicht, wie das genau war. Und Freds Tod, das muss er auch erst mal verarbeiten.“
Warum schicken sie den Theo nicht einfach zum Kinderpsychologen?
Das hab ich mich auch die ganze Zeit gefragt.

„zerrte sie die Decke herunter, dass die Nägel, mit denen sie angebracht war“
Der kleine Theo hat genagelt?
Ja, der ist unmöglich.

Lieber alexei, bitte sei nicht böse über meine Antwort, ich hab deinen Kommentar einfach sehr sehr genossen und da hab ich einfach ein bisschen Quatsch machen wollen. Danke für dein Lob und für deine charmanten Gedanken.
Novak


Hallo erdbeerschorsch

als ich das erste mal noch ganz frisch in deine Geschichte reingelesen habe, war mir schon klar, dass das einer von den Texten ist, bei denen einem nichts anderes übrig bleibt, als neidisch zu erblassen
Heiii, wir sprechen von Novak. Noooovak. Ich bins doch nur.

Der eine oder andere Kommentar hat mir zwar den Übergang vom ehrfürchtigen Staunen zur kritischen Distanz erleichtert
Siehst du mal.

die war eine Schau
Hab ich noch nie gehört, klingt aber gut, finde ich.
Du kriegst auch wie alexei einen platonischen Wortkriegerkuss. Was dem einen sein Schlimmsatz, findet der andere gut. Ich bin immer wieder froh, wenn ich sowas lese, weil es einem dadurch leichter fällt, bei seinem eigenen Stil zu bleiben.

Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder.
Ich habe den Eindruck, die Erläuterung ("meinem Bruder") stand erst nicht da, oder? Mir gefällt es, glaube ich, besser ohne. Das ist zu sehr für den Leser, finde ich. Natürlich ist die ganze Erzählung für den Leser, aber an der Stelle ist mir die Ansprache zu direkt.
Doch, das stand schon immer da. Aber was du schreibst, ist eine Überlegung wert.

Zitat von Novak
Vielleicht wollten sie auch ein wenig an ihrem toten Schabenbruder naschen.

Ich frage mich, ob das in diesem Zauberzimmer nicht ein Bruch ist: Ein toter Käfer.
Naja, aber ein Bruch sollte ja auch schon rein. Passt doch.

Zitat von Novak
Außerdem hatte ich den Namen Fred gehört.

"Außerdem" ist ja oft so eine Verlegenheitskonjunktion. Könnte eigentlich auch ganz gut weg: "Ich hatte den Namen Fred gehört."
Ist gebongt.

Zitat von Novak
Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Das verstehe ich nicht ganz. Ich dachte, Fred wäre an seiner Krankheit gestorben. Kann aber vielleicht auch offen bleiben. Fred war todkrank, kann aber sein, dass Theo ihm irgendwie den Rest gegeben hat, man weiß es nicht genau. Passt eigentlich ganz gut zu der Geschichte, in der man eh (im guten Sinn) nicht so genau weiß, woran Theo schuld ist und woran nicht.
Gemeint war, dass Theo bei Fred war, als der an seiner Krankheit starb. Die Tante wollte damit nur sagen, dass die Mutter Theos Anwesenheit und den Tod miteinander gefühlsmäßig verknüpft. Ich dachte, das würde deutlich werden.
Ansonsten - für den Leser offen bleiben sollte eine mögliche Beteiligung Theos durchaus.

Zitat von Novak
„Wir zum Beispiel sind mit dir fünf, seit der Fred weg ist. Fünf geteilt durch zwei bleibt eins Rest. Das bin ich.“

Das finde ich zwar eigentlich hübsch, aber wenn ich so drüber nachdenke, erschließt sich mir der Gedanke doch nicht richtig. Warum durch zwei teilen? Und warum die Tante dazu nehmen, lebt die mit der Familie?
Die Tante ist oft da, Teil der Familie und für Theo ist sie eine wichtige Bezugsperson. Und auf das Teilen durch zwei kommt Theo, weil in der Schule immer durch zwei geteilt wird, durch eins hingegen weniger. Und gleich auch zu deiner nächsten Frage: Meine Vorstellung ist auch, dass hier ein bisschen self fullfilling prophesy von Theo eine Rolle spielt.

Zitat von Novak
„Sie ist tot.“

... Von selbst wäre ich nicht drauf gekommen, aber ich finde auch, das kann gut weg. Wem das hier nicht klar wird, der muss sich halt bis zum Ende des Absatzes gedulden
Ja, das ist eine der Änderungen, die vermutlich noch erfolgen werden. Mach ich aber erst später, zur Zeit zu viel um die Ohren.

Zitat von Novak
Wer weiß, was er gemacht hat, als er in Freds Zimmer war.“

Das finde ich ein kleines bisschen uneindeutig, denn wir wissen ja, dass er häufig in Freds Zimmer ist. "Wer weiß was er damals mit Fred gemacht hat" oder so - das wäre etwas klarer. Aber vielleicht sogar noch genauer: Welche Situation war das? Es gabt doch sicher darum, ob er eben doch an Fräs Tod schuld sein könnte.
Ich dachte das ist ganz deutlich, dass es auf den Todeszeitpunkt bezogen ist. Ich gucke aber noch mal nach.

Jetzt die Stelle, wo er die Mutter schubst. Das ist schön distanziert erzählt, man kann das Gefühl bekommen, dass ihr da irgendwas treibt, ihr weh zu tun, ohne dass er es eigentlich will oder merkt, und auch der Grund wird anschaulich, sie benimmt sich ja wirklich unmöglich, die Mutter. Aber es gehört schon viel dazu, dass sie so unglücklich fallen sollte ...
Ja warum soll sie denn nicht unglücklich fallen?
Also ich hab ja schon mehrfach geschrieben, dass ich über das Ende nachdenke und ev, vorher rauszoome, aber ich verstehe es trotzdem einfach nicht, warum jemand bei einem Sturz sich nicht unglücklich schwer oder sogar tödlich verletzen soll. Ansonsten habe ich mich gefreut, dass du das Distanzierte bemerkt hast. Genau so sollte das. Der Unfall sollte wie nebenbei passieren.

Lieber erdbeerschorsch, dein Kommentar hat mir, um in deinen Worten zu sprechen, mehr als zugesagt. Ich hab ein paar Stellen noch mal kritisch hinterfragen können, an anderen hast du mich in einer kleinen Detailänderung bestätigt und bei anderen Stellen hab ich hoffentlich dir gut genug begründet, warum ich das so gemacht habe und dadurch im Zweifel bin, und an wieder anderen Stellen bin ich einfach ein bisschen dickschädelig. :D

Vielen Dank für den Besuch des Käferkönigs und für deinen Kommentarstrauß. Ich stell ihn mir zuhause in eine ganz besonders hübsche Vase.

Beste Grüße zurück von Novak

Hallo Proof

Jetzt habe ich sie gerade das dritte Mal durch, so viel ist schon gesagt, aber ich glaube, ein oder zwei neue Aspekte ergänzen zu können.
Tust du. Fand ich interessant, weil du die Geschichte in den Kontext um Horrorliteratur eingebettet hast.

Inhaltlich und sprachlich hat mir mit Abstrichen alles gefallen. Ich mochte dieses ruhige, verträumt kindliche Erzählen, das ja zum Prot passt, und dieser ganze Käfer-Fetisch hat auch was angenehm Abstoßendes und rechtfertigt somit das Genre.
Angenehm abstoßend muss ich mir merken. Und über das Kompliment oder besser über die Aussage hab ich mich total gefreut, kommts doch von einem von mir sehr geschätzten Horrorschriftsteller.

Was ich - jetzt mal ausschließlich durch die Horrorbrille guckend - ein bisschen problematisch fand, waren die Figuren, die nicht eben zur Identifikation einladen. Bei einer Horrorgeschichte bremst das den Schrecken aus, wenn ich zu viel Abstand zum Opfer habe, dem die Zombies den Kopf abbeißen. In diesem Fall ist besagtes Opfer die Mutter, klar die Antagonistin der Geschichte. Wie sie den Prot behandelt, pfui, und man erlebt sie bei nichts, was das mal ein bisschen relativieren würde. Das gibt dann am Ende eher diesen "Geschieht ihr recht"-Effekt, sowas Märchenhaftes hat das. Sie ist ja auch wie die böse Stiefmutter.
Das wäre nicht so, wenn man sie zum Beispiel zwischendurch mal heimlich weinen hören würde, um daran zu erinnern, dass sie nicht einfach nur die Frau ist, die ihrem verbliebenen Kind die kalte Schulter zeigt. Dass das nur eine Facette ist, dass da schon noch ein Mensch in ihr wohnt. In der Schlussszene wird das angedeutet, wenn der Vater Depressionen erwähnt, aber so auf den letzten hundert Metern haut es das nicht mehr raus.
Da mag ich mal widersprechen. Nicht bei dem Punkt natürlich, dass in einem herkömmlichen Horrotext Identifikation nötig ist. Aber ich finde erstens, dass Theo zwar in der Täterrolle ist, aber trotzdem die Identifikation ermöglicht und er trotzdem gleichzeitig abstoßend wirkt. Das finde ich ja gerade das Interessante an diesem Text. Würde ich das nach völlig herkömmlichem Muster bauen und ihm alles fasziniernd Erschreckende nehmen, wäre die gesamte Geschichte futschikado und mit ihr die Sicht auf diesen speziellen Täter/Opfer.
Ein anderer Punkt ist es, ein Weinen der Mutter einzubauen. Ich empfand sie zwar gar nicht als einseitig böse. Aber klar, das kann man einfügen und verändert auch nicht die Geschichte an sich oder die Art, wie ich die Personen zeichnen will. Muss ich überlegen, ob ich da einen Halbsatz einbaue, denn Theo muss ja nur mal die Mutter weinen sehen oder dies im Gespräch mit der Tante äußern. Aber ich finde trotzdem nicht, dass sich der Effekt, es geschähe ihr Recht, einstellt.

Im Prot selbst möchte sich vermutlich auch kaum jemand wiederfinden. Verletzte Kinderseele ist das eine, aber dann diese Käfer-Obsession, da wird er halt zum kleinen Psychopathen. Mit Norman Bates hat man ja auch grundsätzlich erstmal Mitleid, NUR ...
Naja, er ist ja auch beides. Niedlich und bemitleidenswert und gleichzeitig irgendwo abartig mit seiner Bezogenheit auf immer nur die Käfer. Aber ist das denn so nötig, dass man sich bis zum letzten Punkt in ihm wiederfindet. Wieso sollten Horrors immer im gleichen Strickmuster geschrieben sein? Es gibt finde ich so viele Romane oder Geschichten des Genres, in denen dem Monster ein sehr menschlicher Zug gegeben wird. Ich finde das unter anderem gerade eine der faszinierenden Seiten von Horrorliteratur, dass da Grenzen verschwimmen.

Die Tante! Klar die sympathischste Figur in der Geschichte, in der ich mich am meisten wiedergefunden habe und aus deren Perspektive ich das komplette Geschehen verfolgt hätte, wäre das hier ein Wunschkonzert. Die ist nett, die ist besorgt, caring, macht sich Gedanken über Schwester und Neffen gleichermaßen. Ich habe sie nach dieser einen Szene, in der sie auftritt, echt vermisst.
Sie kommt ja nochmal vor, allerdings nur am Rande. In dem Gespräch am Tisch. Und klar ist auch, sie ist die verständnisvollste, sympathischste Figur des Textes. Deinen Wunsch kann ich nachvollziehen. Trotzdem hatte ich einen anderen. :)
Aber egal, ich hab deine Überlegungen zum Anlass genommen, mal wieder ein bisschen über Horroliteratur nachzudenken. Das war ja der Hauptanlass meines Aufschlagens hier vor ein paar Jahren. Hmm, ich kann nur immer wieder sagen, dass mich gerade das Abgründige in solchen Figuren fasziniert, die dunkle Seite in so vielem, eben auch in so einem doch eigentlich niedlichen reizenden Kind.

Zur Detailarbeit mag ich jetzt gar nicht mehr viel sagen, ich will die Antworten endlich auch mal auf den Weg bringen und irgendwann auch noch mal bissel Feinarbeit am Text machen. Aber so viel sag ich auf jeden Fall dazu. Es gibt da einige Punkte, die ich selbstverständlich überlege. Das gigantisch am Anfang zum Beispiel. Bist ja mit Achillus der zweite, der damit Probleme hat. Trotzdem, so ganz mag ich mich der Argumentation (noch) nicht anschließen. Momentan kommten mir eure Überlegungen so ein bisschen übergenau vor.
Aber auch anderes. Und auf jeden Fall gehe ich alle einzelnen Punkte mit Sicherheit durch und mach mir Gedanken.

Und zur Sprache, die du als z. Teil zu literarisch einschätzt. Ja, das ist ein anderer Hinweis als der, der sonst manchmal kam, dass der Junge zu erwachsen spräche. ich weiß jetzt nicht genau, ob du dasselbe meinst wie die anderen. ich wollte dich fürs Erste mal bitten, in der Antwort an Achillus nachzuschauen, da hab ich zu dem Thema einiges geschrieben. Ob das jetzt deine Bedenken überhaupt trifft, das weiß ich nicht. Aber auch hier, das Problem ist (für mich zumindest) nicht ganz einfach zu lösen. Ich habe auch gemrkt, dass sich die Kritik an der Sprache zum teil widerspricht. Nicht bei dir jetzt hier, aber was der eine gerade richtig findet, findet der nächste gerade falsch. Ich fand/finde es sehr interessant, das zu beobachten und finde das auch toll, denn es schärft so ein bisschen das Gefühl, sich im Zweifelsfall auf sich selbst zu verlassen und auf das zu horchen, was einem selbst am meisten einleuchtet.

Ich habe einen Freak geboren
Diese Bedeutung von Freak wie im Englischen, im Sinne von Außenseiter, Aussätziger, das ist glaube ich relativ neu. Die Erwachsenen kommen mir mehr vor die Generation, die Freak eher und ausschließlich benutzt in der Bedeutung von "jemand, der total auf etwas steht" (Autofreak etc.).
Das stimmt nicht. Diese Bedeutung von Freak, also von etwas Abartigem, Missgebildetem, gibt es schon lange. Der Film Freaks von Tod Browning, der in den Dreißiger Jahren gedreht wurde, kam nach dem Krieg auch nach Deutschland. Wann weiß ich nicht mehr genau, aber in den Achtzigern kannten den viele. Ich jedenfalls kenne ihn schon wahnsinnig lange. Und der Film war hier in Deutschland ein Klassiker udn Kultfilm.
Lieber Proof, danke für dein Hiersein und Kommentieren, es hat viel Spaß gemacht, deine Gedankengänge mitzugehen.
Und schreib weiter so geile storys.
Alles Liebe
Novak

 
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Hallo Anne 49, lieben Dank für das nochmalige Melden und Rückmeldungen geben. War schön für mich.

In den letzten Tagen ist mir bewusst geworden, wie wichtig der Titel einer Geschichte ist und dass da vielleicht auch oft so eine versteckte Botschaft vom Autor drinsteckt, wie der Text aufzufassen sei oder zumindest wie der Autor selbst ihn sieht.

"Ich bin der Käferkönig" klingt verspielt und harmlos. Fast wie der Titel eines Kinderbuches.

Also, ich denke, du wolltest kein Sozialdrama über einen psychisch kranken Jungen schreiben. Obwohl ich das so lesen kann.

Das ist gut, dann wusste ja wenigsens einer, was ich schreiben wollte. :D Spaß beiseite. Der Käferkönig ist in allererster Linie eine seltsame oder aus dem Horrorbereich stammende Geschichte, da hast du Recht. Die aber viel Wert auf psychologische Dimensionen der Figuren legt. Und insofern sind psychische Erkrankung ebenso wie Sozialdramatisches durchaus ein wichtiger Teil davon. Wenn man mal in meine Horrogeschichten ansonsten reinschaut, sieht man eigentlich immer, dass ich es sehr mag, ein bisschen mit der Psyche zu spielen.
Und dass dir das Spielerische des Titel aufgefallen ist, hat mich unendlich gefreut. Ich bin normalerweise keine besonders gute Titelerfinderin, nur selten ist mir mal ein echtes Schnäppchen geglückt, aber den hier finde ich selbst sehr gut, weil er auch so ein bisschen anreizen kann zu dem Textstückchen dahinter.

Ich finde die Dialoge total gelungen und sehr schlüssig. Ich oute mich: Mir ist die Mutter in ihrer grandiosen Hilflosigkeit letzten Endes nicht unsympathisch.
Oh das freut mich aber sehr. Und ich bin sehr glücklich, dass du das über die Mutter sagst. Ich finde sie nämlich zwar schon recht unsympathisch, aber eben auch, wie du schreibst, grandios hilflos. Und insofern relativiert dies das Unsympathische aus meiner Sicht auf jeden Fall und sie ist nicht abgrundtief böse oder so. Ich war ein bisschen verunsichert, da kam mir dein "Bekenntnis" grad recht.

Hm, wobei ich es beim erneuten Lesen ein bisschen unnrealistisch finde, wie die Mutter zu Tode kommt. Da hat der Leo zu viel Kraft und es läuft schon echt dumm.
Ja, manches läuft dumm im Leben. So ist es eben. Das ist die Quintessenz von schlimmen Zufällen oder überhaupt Unfällen.
Also es ist ja schon oft gesagt worden, das Ende sei unrealistisch. Ich stelle mal die Frage zurück, was an diesem Unglücksfall denn nun wirklich soooo unrealistisch sein soll. Ist bisschen rhethorisch die Frage, denn es wäre bisschen anmaßend, sie gerade an dich zu richten. Ich hab schon viel in anderen Antworten dazu geschrieben. Nur so viel jetzt noch: Man kommt schnell mal ins Straucheln, wenn ein Kind einen ungestüm stößt, da muss es nicht besonders groß sein. Kein Dreijähriger klar, aber das ist Theo ja nicht. Und man kann dann unglücklich stürzen. Ich hab auch schon irgendwo in einer anderen Antworten mal ein Beispiel dazu geschrieben. Also insofern teile ich das Urteil "unrealistisch" nicht, auch wenn es noch so oft wiederholt wird.
Dass ich dennoch überlege, aus der Szene vorher auszublenden hat andere Gründe. Mehr geschichtentechnische, als dass ich den Unglücksfall unrealistisch finde.

Da muss sich ja nur ein klein wenig etwas verschieben im Wertesystem von Theo, und schon stellt er sich im Kampf zwischen Käfer und Katze (Käfer und der eigenen Mutter) auf die falsche Seite.
Da hast du recht. Das kann man so sehen. Und eigentlich ist er sogar für die vermeintlich Schwachen, der Schelm.

Insekten ... Irgendwo habe ich mal gehört, dass sie von den Nichtwirbeltieren die am höchsten entwickelten seien. Man denke nur mal an die Staatenbildung bei einigen Insektenarten. Insofern üben die schon immer eine besondere Faszination auf Menschen aus. Und auf Kinder. Die Kindergartenkinder, die mit Hingabe Ameisen zertreten. Oder sie in Schachteln sammeln, füttern, sich wundern, dass die nach einer Weile so schlapp gucken.
Mit diesem Hinweis sagst du etwas sehr Wichiges, finde ich. Auch bei einem ganz normalen Kind ist der Übergang von einer etwas harten, krassen Neugierde hin zur Grausamkeit sehr fließend, wenn ich an all die Heuschrecken denke, die kindliche Kumpane damals vor Jahren in der Pfanne geröstet haben, weil sie prüfen wollten, ob Heuhüpper dann weiter springen.

Falls du noch in Island bist, dann wünsche ich dir weiterhin einen schönen Urlaub!!!
Nee, leider nicht mehr, ist vorbei. War wirklich total schön. Aber auch furchtbar teuer. Als ich ein ganz normales Bier trinken wollte, ich trinke ja so gerne Bier, da hab ich einen Schock gekriegt. 12 Euro umgerechnet. Insofern hat Frankfurt denn auch wieder was für sich.
Liebe Anne49, hab Dank für deinen nochmaligen Besuch. Viele liebe Grüße an dich

 
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Liebe Fliege

ich hab deinen Kommentar völlig schokoladenfrei gelesen. Aber danach ... danach hab ich mich gefühlt wie Bauch voller Karamellschokolade mit kleinen Salzkörnchen drin – ganz ganz viel davon, so dass alles sich hervorragend anfühlt, und völlig ohne Reue und Ach und Weh, dafür würzig eben.
Denn das hier

Und bei all dem schön, schreib ich jetzt was zu deinem Käferkönig. Der gar nicht schön ist, aber schon ziemlich genial.
ist mindestens so gut wie ein folgenloser Schokoladenexzess.

Im Ernst, ich hab deinen Kommentar wahnsinnig genossen. Das ist ein wunderbarer, leichter, sehr motivierender Kommentar, bei dem ich einfach deinem Leseeindruck folgen konnte – und das war halt sehr aufschlussreich für mich. In vielerlei Hinsicht.
Ich mach mal ein Beispiel:

Erst war es nur die Zeichnung auf der Sprühflasche, die mir auffiel: Ein gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen. Ich fand das ungerecht.
Ich finde das auch ungerecht. Und ich finde diesen Anfang ziemlich sehr geil. Man tut sich doch gleich mit dem Erzähler zusammen. Ob das jetzt wieder gut ist, ist eine ganz andere Sache, für die Geschichte aber ist es wichtig.
Mit dem Anfang habe ich ziemlich gerungen. Nicht so sehr beim Schreiben. Da rumpelt man halt so vor sich hin. Aber dann: Einige finden/fanden die Abfolge "erst" etc irreführend, wieder andere störten sich an dem gigantischen Kopf. Alles nachvollziehbar. Dein Leseeindruck hat mir total geholfen, es handelt sich ja hier um die Wahrnehmung des Jungen, die er zu dieser Flasche und der Abbildung darauf hat. Diese Wahrnehmung ist verzerrt und er empfindet das verzerrte Größenverhältnis als ungerecht. Gerechtigkeit ist eine Tugend, und dass Theo so empfindet, adelt ihn zunächst. Dass es leider Käfer sind, die seinem Gerechtigkeitsempfinden so zusagen, und was er dann bereit ist, für sie zu tun, das steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hast du mich darin bestärkt, ruhig auf dieser Verzerrung zu bestehen.

Aber auch in anderer Hinsicht war der Kommentar aufschlussreich. Irgendwie neigt man beim Kommentieren dazu, sehr viel Textarbeit zu machen. Wollen wir ja auch alle. Und als Autor neigt man dann dazu, seinen Text auf all diese Stellen kritisch zu beäugen. Ich jedenfalls. Und manchmal kippt das und man sieht nur noch die kritischen Stellen. Mir passiert das leider sehr oft und immer noch, und deshalb war ich jetzt grad froh, nicht mehr dauernd auf die Abers zu stieren, sondern einfach nur mal zu genießen, welche Wirkung der Text erzielt. Auch das brauchts ja.

Das ist so schräg. Er will den Käfer retten, killt dabei die Katze, und ist auch traurig über den Tod. Nur eben über den des Käfers. Die Schaben sind ihm wichtig, die waren schließlich zuerst da und die reden mit ihm über seinen Bruder. Das ist moralisch so falsch mit der Katze, aber das ganze Szenario folgt einer Logik und man schwebt da in einem Gefühlsdusel, weil, man muss ihn für die Tat verurteilen, kann aber doch nicht so richtig. Und man ist schockiert über die Gewalt, zu der er fähig ist und gleichzeitig der Liebe zu Schaben fähig.
Die Diskrepanz ist, dass man die Motive, weshalb er etwas tut, nachvollziehen kann, nicht aber dann das, was er tatsächlich tut. Da steht die Moral entgegen. Da ist er gewalttätig und echt ein kleines Monster.

Krass. Und die ganze Szene, wo er die Mutter ins Käferloch schuppst. So böse und so - dafür gibt es gar kein Wort. Der deutschen Sprache fehlt eindeutig ein Wort!
Wow. Ich bin stolz. Jedenfalls ein bisschen.

Ich finde den Text so klasse. Wie der mit den Gefühlen spielt, dieses hin und her; Mitleid, Abscheu, Ekel, Zuneigung. Das ist besser als Karussellfahren. Und das ist so stringent durchgezogen, ohne dabei zu langweilen, weil das Muster ja recht schnell klar wird. Es funktioniert immer wieder, weil Du ja pro Runde auch einen Gang drauflegst.
Da bin ich froh, dass das geklappt hat, denn das Muster ist tatsächlich immer dasselbe. Nur wenn man so will, immer auf einer Gewaltebene höher. Von daher ist eigentlich auch klar, dass die Mutter an der Reihe ist. Hast du ja auch so gemutmaßt:
Und man hat eine Ahnung wohin es führt, dass er dann aber tatsächlich in aller Unschuld die Mutter killt, die man selbst ja auch verteufelt, das ist eigentlich nur konsequent. Aber man lässt diesen Gedanken gar nicht erst aufkommen. Das verbietet die Moral.
Vielleicht ist da was dran. Ich meine, dass man diesen Gedanken nicht aufkommen lassen kann/will. So hab ich mir das noch nicht überlegt. Aber es klingt sehr plausibel.

Deswegen denkt man immer, er hat doch den Bruder umgebracht. Der ist ja schon tot und wäre eh gestorben, das ist moralisch erlaubt, ein Geständnis über einen Mord ist richtig. Und wir wollen doch immer alles richtig denken und machen. Ungeziefer darf man umbringen, Katzen nicht.
Ja, und jetzt kommt das Nachdenken darüber, ob er nicht auch den Bruder – wohlmeinend natürlich – so ganz nebenbei. Ist verwischt durch die tatsächlichen Ereignisse.

Schön, wie Du hier mit der verkorksten Moral auch spielst. Keine Ahnung, ob das bewusst gemacht war, aber es steckt in dem Text und es macht ihn ganz wunderbar!
Natürlich hab ich das extra gemacht. :D Was denkst denn du?
Hast mich schon ganz gut erkannt, Fliege.

Liebe Fliege, das war ein wunderwunderschöner Kommentar. Kam gerade zur rechten Zeit.

Viele Grüße von Novak

 

Liebe Novak

Wirklich eine super Geschichte! Mir gefällt, wie sich da kindliche Unschuld mit gewalttätigen Wahnsinn vermischt und zwar so langsam und unaufgeregt, dass ich einfach weiterlesen musste. Oft habe ich erst nach einem Moment später richtig gemerkt, welche Ungeheuerlichkeit sich gerade zugetragen hat.

Ich stieß noch einmal. Es knackte. Mama war gegen einen Holzzacken geprallt, dann gegen ein Rohr, noch einmal knackte es, aber ich sah nur ein kleines bisschen Blut.

Die Spannung zwischen der einfachen, kindlichen Sprache des Erzählers und dem Inhalt gibt dem Text eine düstere, manchmal traumhafte Komponente. Das finde ich wirklich sehr gelungen.

Die meisten Vergleiche fand ich gut.

Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet.
Hier konnte ich mir die Stimme der Mutter sehr gut vorstellen, ohne dass ein gebräuchlicher Vergleich benutzt worden ist. Diese sehr konkrete Art die Stimme zu beschreiben, wirkt nicht nur ungewohnt und erfrischend, sondern hilft auch die Andersartigkeit des Erzählers zu unterstreichen.

ihre Stimme klang scharf, so scharf, als wollte sie damit etwas abschneiden.

Hier fände ich einen konkreteren Vergleich auch besser. Zum Beispiel was will sie abschneiden? Mit was? Ich denke, dass so der Erzähler Theo auch noch etwas genauer beschrieben werden könnte, indem ein Link zu seinem Alltag hergestellt wird.

Irgendwie gefällt mir das Wort "Freak" nicht besonders, aber das ist ja Geschmackssache. Und es muss ja ein Fremdwort oder eher ungebräuchlich sein, damit es Theo nicht verstehen kann, aber in der heutigen Zeit finde ich es etwas zu wenig stark, für die Gefühle der Mutter. Ich kann es nicht wirklich erklären wieso, aber wie schon gesagt, wirkt das Wort etwas unnatürlich in diesem Zusammenhang. Vielleicht gibt es ein Synonym zu Monster, Wahnsinniger, das besser passt? Oder wäre sogar eine Verbindung zum Käfermotiv möglich?(Bestie, Scheusal, Abschaum, Brut...leider nicht sehr gelungen) Theo identifiziert sich ja selbst auch schon mit den Käfern und dann würde noch eine Aussensicht dazukommen. Aber ja, wird ziemlich schwierig, das so noch in diese Szene einzubauen.

Auf jeden Fall ein sprachlich wie inhaltlich sehr gelungener Text. Konnte gar nicht mehr aufhören mit lesen.

Liebe Grüsse

RiminyCricket (passt vom Namen ja gerade :)

 

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