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Ich bin der Käferkönig

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22.10.2011
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Ich bin der Käferkönig

Erst war es nur die Zeichnung auf der Sprühflasche, die mir auffiel: Ein gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen. Ich fand das ungerecht.
Und meine Mutter natürlich, die war eine Schau, wenn sie nach der Flasche griff. Sie verwandelte sich in eine Walze, ja, eine echt gefährliche Mutterwalze, die quer durch das Haus stampfte und Käfer vergaste. Sie merkte nicht einmal, dass ich hinter ihr herschlich. Die ersten Male interessierte mich nur das Gezappel der Käfer, weil sie so lustig mit den Beinchen winkten. Einmal wollte ich sie zu einer Strampelkette binden und die meiner Schwester umhängen. Aber genau da, als ich einen der Käfer hochhob, entdeckte ich seine Augen.
In einem Buch habe ich gelesen, ein Käferauge sehe aus wie Glasbausteine. Das ist Quatsch. Ganz tief drin, man muss nur genau schauen, da ist so ein Punkt. Wie ein winziger Schacht, der immer enger wird, und ins Innere des Käfers führt. Dieser Punkt ist das Käferauge.
Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder. Da mochte ich es nicht mehr, wenn die Käfer auf dem Boden zappelten, bis sie starben.

„Theo!“ Ich drehte mich um. Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet. „Lass die Küchenschaben liegen. Das ist widerwärtig.“
„Ich tu sie nur raus, Mama.“ Ich hielt den Käfer hoch und lachte. Ganz laut und prustend, als kitzelte einen jemand wie wild. Halt einfach Freds Lachen. Zum Glück klappte es, Mama haute ab und übersah die Schachtel hinter meinem Rücken. Meinen Käferkrankenwagen. Wenn sie den entdeckt hätte, ohje, das Gekeife wäre endlos, was ich für ein Kind bin, von wem ich sowas hätte, von ihr jedenfalls nicht.
Beim Hinausgehen hörte ich noch: „Und sag nicht immer Mama zu mir, Katharina sollst du sagen. Ist das denn so schwer zu merken?“
Ja, das war es, aber das wiederum konnte Mama sich nicht merken.
Der Käfer in meiner Hand zappelte. Falls Käfer ihre Mütter kennen, dachte ich, dürfen sie bestimmt Mama sagen. Ich ließ die Tür ein bisschen zu fest zufallen und tat, als liefe ich in den Garten. Kurz vor der Haustür huschte ich zweimal nach links, drehte mich um die eigene Achse und murmelte den Findespruch: „Links, links, rundherum.“ Zwei spitze i, zwei runde u. Klare, gute Wörter. Immer, wenn ich das genau so machte, fand ich Freds Zimmer. Diesen Raum verpestete Mama nie. Früher, vor den Käfern, war sie jeden Tag hier gewesen, doch jetzt hatte sie ihn vergessen.
Kein Wunder in einem Haus, das ständig seine Wände verschob. Vor einem Jahr, kurz nachdem Fred gestorben war, hatte ich mir deswegen oft in die Hose gemacht, denn jedes Mal, wenn ich zum Klo wollte, erhob sich vor mir eine neue Mauer. Meine Schwester behauptete, ich würde lügen, und nannte mich Pisshorst. Sogar in der Schule. Aber es war wirklich so. Wie in dem Labyrinth auf dem Jahrmarkt von Mehrendorf, wo ich mit meiner Klasse war. Da mussten mich die Besitzer rausholen, weil ich als einziges Kind nicht hinausfand. Meine Lehrerin schämte sich, weil ich so blöd bin, aber ich kann nichts dafür. Ich kann super Kopfrechnen, aber gegen Wände habe ich keine Chance. Und in die Schule geh ich seit zwei Monaten sowieso nicht mehr.

Das Bett in Freds Zimmer war immer noch bezogen mit Eintrachtbettwäsche. Am Bettgalgen hing Kumpel, das Stoffskelett. So hatte Fred es getauft. Eigentlich sah alles aus wie früher.
Ich setzte mich auf den Boden, breitete ein Tuch über meine Beine und setzte den Käfer darauf. Er sah platt aus, irgendwie gequetscht. Dann öffnete ich die Schachtel. Ich legte die zuckenden Käfer nebeneinander, fuhr mit einem feuchten Taschentuch über die Panzer und entfernte jedes Stäubchen. Das mochten sie. Einmal hatte ich dafür Zeugs aus einer Flasche von meiner Mutter geklaut, Davidoff stand darauf. Eigentlich wollte ich, dass die Käfer meiner Mutter ein bisschen verzeihen, aber den Davidoffkram mochten sie gar nicht.
Die Käfer torkelten über meine Beine, erst langsam, dann wurden sie emsiger und schneller, huschten in dunkle Ecken und verschwanden schließlich unter einer Fußleiste. Nur der flache Käfer blieb liegen.
Manchmal, wenn ich sitzen blieb, als wäre ich tot, kehrten sie zurück. Sie tasteten sich auf meine Beine, wurden mutiger und tanzten hoch zu meinem Gesicht, kitzelten und ziepten; manchmal tat es sogar weh. Aber das machte mir nichts.
Ich holte ein Wurstpäckchen aus der Hosentasche und eine Puppenflasche Bier und verteilte alles in zwei Schälchen. Wenn die Schaben Hunger bekamen, konnten sie essen und Bier beruhigt nach einer Aufregung, das sagte mein Vater auch immer, wenn er nach der Arbeit nach Hause kam. Vielleicht wollten sie auch ein wenig an ihrem toten Schabenbruder naschen.
Dann lehnte ich mich zurück und dachte an die Augen der Käfer - und an Fred. Die Erwachsenen sagen, ich wäre bei ihm gewesen, als er starb, aber so genau weiß ich das nicht mehr. Nur noch, dass ich meine Mutter rief, weil der Fred komisch aussah. Sie führte einen Affentanz auf, dann kam der Krankenwagen. Aber es nützte nichts mehr. Ich hätte ihnen das gleich sagen können, denn in den Augen von Fred lag Schmerz. Schon lang. Ich weiß nicht, was der Fred hatte und warum jeden Tag Pfleger kamen, irgendwas haben sie mir erklärt, aber schlechte Wörter merke ich mir nicht. Und das, was der Fred hatte, war ein sehr schlechtes Wort.
Ich nahm Kumpel auf meine Knie. „L“ sagte ich, „Leuk“, ich drückte Kumpel ganz fest, doch das verfluchte Wort wollte einfach nicht weg von mir. Irgendwann lag auf meinem Schoß eine klumpige Stoffhülle, eklige, gelbe Flocken bedeckten mein Shirt. Ich sprang auf und drosch das Wort gegen die Wände. Mindestens zweimal für jeden Buchstaben, egal, wie weh das tat, und noch einmal dazu. Für Kumpel. So fest ich konnte. Die Schläge klangen satt, dunkel. Nur an der Wand, unter der die Schaben verschwunden waren, mischte sich ein Ping in den Ton, ganz fein, aber ich hörte es. Ping. Ich riss an der Tapete, schabte und kratzte, zum Vorschein kam Holz. Ich holte einen Hammer und eine Lampe, schlug ein Loch und spähte hinein. Vor mir lag ein Hohlraum voller lichttanzender Flusen und huschender Schatten. Und voller Rohre. Bestimmt führten sie durch das Haus, verbanden die Räume, vielleicht die ganze Stadt. Ich erweiterte die Öffnung und schlüpfte vorsichtig an ein paar scharfen Zacken vorbei in das Innere. Ich legte meinen Kopf an eines der Rohre. Gut fühlte sich das an, ganz warm, tausend trippelnde Beinchen knisterten hinter dem Metall. Waren das die Käfer, die ich vor meiner Mutter gerettet hatte? Ich blieb still und lauschte. Und dann erzählten die Käfer. Von damals. Und von Fred.

Später klaute ich eine Decke und befestigte sie vor meiner Haushöhle. „Du bist mein Versteck“, sagte ich. „Nein, du bist unser Versteck. Meins und das von Fred.“

*

Im Garten stand meine Mutter, sie unterhielt sich mit meiner Tante. Ich mochte die Tante, sie trug immer bunte, weite Röcke, in die man sein Gesicht vergraben konnte.
Ich ging zu den beiden hin, um ein wenig Unterhaltung zu haben. Außerdem hatte ich den Namen Fred gehört. Ich zupfte meine Tante am Rock und sagte: „Der ist doch hin, der Fred. Schon lang.“ Die Lippen meiner Tante schürzten sich zu einem erschrockenen, kleinen Zelt, sie fasste nach dem Arm meiner Mutter. Die schloss die Augen, öffnete sie wieder, schlug mir ins Gesicht und rannte weg.
Ich musste lachen, weil mein Kopf so wackelte.
Die Tante fasste nach meiner Hand, setzte sich aufs Gras und zog mich zu sich herunter. Einfach so. „Komm mal“, sagte sie. Ich schmiegte mich mit dem Rücken an ihren warmen Bauch.
„So kannst du das nicht sagen, Theo. Man sagt, er ist tot.“
„Aber ich mag das Wort nicht. Außerdem sagt die Mama auch immer, der ist hin, wenn ein Käfer stirbt, und dann lacht sie sogar, dabei mag ich die Käfer.“
Hinter mir kollerte es wie von einem Vogel, ich drehte mich um, aber es war nur die Tante.
„Glaubst du, ich bin schuld an Freds Tod?“
„Natürlich nicht, wie kommst du denn auf sowas?“
„Die Mama denkt das. Seit der Fred hin ist … “,
„Tot.“
„Jedenfalls guckt sie mich gar nicht mehr lieb an.“
„Das stimmt nicht. Die Mama hat dich sehr lieb. Du erinnerst sie nur an Fred. Und das macht sie traurig. Schuld warst du an gar nichts. Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Und jetzt kann die Mama das nicht vergessen. Irgendwann wird das wieder.“
„Aber wenn ich zur falschen Zeit am falschen Ort war, dann war ich doch richtig.“
„Kindskopf.“
Sie strich mir über die Haare, mit der anderen Hand zupfte sie am Saum ihres Rocks. „Theo“ sagte sie und noch einmal „Theo“, dann schwieg sie kurz, und setzte erneut an. Wie Erwachsene das tun, wenn sie unbedingt was wissen wollen. Sie pumpen dann; wie meine Käfer. Während die Tante also pumpte, zählte ich die Fleckchen auf ihrem Arm. Als ich bei dreiundzwanzig war, schaffte sie es.
„Warum hast du eigentlich deine Lehrerin gehauen? Du mochtest sie doch.“
„Ja.“
„Warum dann? Du warst doch toll in der Schule. Haben die Kinder dich geärgert?“
„Das ist ein Geheimnis.“
„Oh. Ein Geheimnis. Das kann man natürlich nicht verraten.“
„Nein.“
„Kann man das auch kleinen Katzen nicht verraten?“
„Kleinen Katzen?“
„Ja. Ich hab eine dabei. Die hört gern Geheimnisse. Und sie kann nichts weitererzählen.“

Auf dem Rücksitz stand ein Korb mit einem rotweißkarierten Tuch. Wie ein Picknickkorb, nur steckte darin statt fiesem Krümel-Ei ein Kätzchen. Gerade, als es mich anschaute, fiel ein Lichtstrahl auf sein braun gepunktetes Fell. Es hatte keinen Schwanz, nur einen Stumpf.
„Was hat die Katze gemacht?“
„Sie hatte einen Unfall. Und jetzt hat sie kein Zuhause mehr.“
„Arme Katze, komm her.“ Ich nahm sie auf den Arm, kitzelte sie mit den Fingern unter dem Köpfchen und schnalzte mit der Zunge. Wenn man das ganz zart macht, als wollte man Kekse am Gaumen ankleben, werden die Tiere ruhig. Ich streichelte die Katze, bis ihre Haare knisterten, ihr Köpfchen vor und zurückruckte und sie sich an meine Finger schmiegte.
„Magst du ihr erzählen, wie das in der Schule war?“
„Das ist aber nur für die Katze.“
„Klar.“
„Ich hab keinen Bock auf Müllrechnen.“
„Müllrechnen?“ Die Stimme klang nach Tante, die einen auf Katze machte. Aber egal.
„Ja, Müllrechnen ist scheiße. 94 geteilt durch drei ist 31. Bleibt eins Rest. Reste sind scheiße.“
„Wieso denn?“
„Die werden weggeschüttet.“
„Aber …“
„Wir zum Beispiel sind mit dir fünf, seit der Fred weg ist. Fünf geteilt durch zwei bleibt eins Rest. Das bin ich.“
Meine Tante schwieg. Ich glaube, sie verstand, dass man da nicht mehr in die Schule gehen konnte, auch wenn man vorher das Kopfrechnenkind war.
„Hmm“, die Tante beugte sich zu mir herunter und zog ihre Nase kraus. „Ich glaube“, sagte sie, „deine Lehrerin hat was vergessen. Das Müllrechnen, das heißt eigentlich Division. Und die wichtigste Division ist immer die durch sich selbst. Mach mal.“
„Du meinst bei uns? Fünf durch fünf?“
„Ja.“
„Das gibt eins.“
„Ganz genau. Das gibt immer eins, egal, welche Zahl du nimmst. Eins ist die allerwichtigste Zahl von allen. Eins heißt nämlich eine Portion Glück. Und du bist eine besonders süße Portion Glück.“
Der Katze gefiel das, so sehr schmiegte sie sich an meine Brust.

Über Mutters Augen klaffte eine tiefe, waagrechte Falte. Sie sah mich nicht an, sondern sprach nur zu meiner Tante. „Das war also deine gute Idee? Und was sollen wir jetzt damit?“ Die Katze auf meinem Arm wurde unruhig. Vielleicht wollte sie nicht „Damit“ heißen?
„Lass ihn doch, Liebes. Wenn es nicht klappt, hol ich die Katze wieder. Ich hätte sie sowieso aus dem Tierheim mitgenommen.“
„Aber so ein hässliches Vieh.“
„Mama, sie kann dich doch hören.“ Die Katze miaute und strampelte, hieb ihre Krallen tief in meinen Arm, dass es blutete, sprang auf den Boden und witschte zwischen den Beinen meiner Mutter hindurch.
„Siehst du, da geht es schon los.“ Mutter packte mich an der Hand. „Sie ist viel zu klein, da darf man nicht so zulangen.“
Sie tat, als läge ihr an der Katze, aber ihre Stimme klang scharf, so scharf, als wollte sie damit etwas abschneiden.
„Schon gut Mama, ich kümmere mich um die Katze. Bestimmt.“
Und schon rannte ich der Katze hinterher. Mutter mochte einfach keine hässlichen und kaputten Dinge. Die waren wie Reste. Sogar den Lieblingsbierkrug von meinem Vater hatte sie weggeworfen; bloß wegen ein paar Macken.

Am Nachmittag hatte ich die Katze unter meinem Bett hervorgelockt, sie Rudi getauft, sie gefüttert und mit einem Papierball durch das Haus gelockt. Ganz schön schwer war das, aber irgendwann folgte sie mir überall hin. Sogar in Freds Zimmer.
„Rudi, das darfst du nicht“, sagte ich, als die Katze einen lahmen Käfer quer durch den Raum schleuderte. Lustig sah das aus. Aber ich mochte es trotzdem nicht, denn der Käfer war ja noch krank.
„Nein!“, sagte ich, als die Katze einen Buckel machte. Sie zuckte zusammen. Sanfter fuhr ich fort: „Der Käfer ist doch kein Papierball, der ist dein Bruder. Du musst ihn lieben.“
Ich hob den Käfer auf und setzte ihn neben die Fußleiste, da konnte er sich in das Röhrengewirr retten. Die Katze folgte mir. Sie sah mich an, blickte auf den Boden, und bevor ich reagieren konnte, vergrub sie die Zähne in den reglosen Käfer und schüttelte ihn hin und her.
Ich schnappte die Katze, hielt sie fest, so sehr sie auch kratzte und biss, und hebelte ihr den Käfer aus dem Maul. Endlich ließ sie ihn los, aber ihr Gesicht sah jetzt ein bisschen schief aus. „Das darf man nicht, Rudi“, sagte ich, und fuhr über die blutigen Striemen auf meiner Hand, „das musst du dir merken. Hier wohnen die Käfer.“ Die Katze röchelte, dann wurde sie still. Ich weinte, denn der Käfer würde keinen Mucks mehr tun.

*

Ich hatte mich unter den Tisch im Esszimmer geschlichen. Dort konnte ich bei den anderen sein, ohne dass die mich sahen oder fühlten.
Unter dem Tisch waren die Menschen anders. Manchmal blitzte Haut zwischen den Strümpfen und der Hose. Bei Männern waren Haare dran. Manchmal wollte ich gern in das Hautstückchen beißen und die Haare auf der Zunge spüren.
Wenn Mama das Rasieren vergessen hatte, bedeckte Kükenflaum ihre Beine, das sah hübsch aus.
Die Stimmen der Erwachsenen klangen gedämpft.
„Ich habe die Katze gefunden.“
„Hmmm.“ Das war mein Vater.
„Sie ist tot.“
Ein Zischen, wie wenn jemand scharf einatmete. Ich mochte das nicht, danach geschah immer was Schlimmes.
„Was ist passiert?“
„Theo. Dieses Kind zerstört alles, was es in die Finger kriegt. Er ist krank.“ Ich hörte ein Glucksen, wusste nicht, ob meine Mutter lachte oder weinte.
„Ich habe einen Freak geboren.“
„Freak“, ich dachte das Wort vor mich hin. Es hatte ein i, ein schön langes, rolliges i, trotzdem klang es hässlich.
„Du weißt doch gar nicht, wie das genau war. Und Freds Tod, das muss er auch erst mal verarbeiten.“
„Verarbeiten. Es gruselt mich, wenn ich ihn sehe. Er sieht Fred so ähnlich, er lacht sogar wie er. Und gleichzeitig ist er völlig anders. Alles macht er kaputt mit seinen großen, schweren Händen und seinen Wutanfällen. Wer weiß, was er gemacht hat, als er in Freds Zimmer war.“
„Hör auf. Er ist ein Kind.“
„Ein Kind.“ Sie schnaubte. „Ein Kind, das Katzen das Genick bricht.“
Dann schwiegen sie. Man hörte nichts, noch nicht mal ein Schlürfen oder das Rücken einer Schüssel. Als ob selbst das Essen nachdachte.
„Er muss aus dem Haus. Ich kann ihn nicht mehr ertragen. Oder ich geh. Wenigstens ein paar Tage.“
Mein Vater schwieg. Nach einer schier endlosen Pause sagte er: „Was hast du mit der Katze gemacht?“
„Weggeworfen.“

*

„Was ist ein Freak, Mama?“
Ich fasste meine Mutter an der Hand. Vorsichtig, damit sie sich nicht erschreckte. Sie schüttelte mich ab, dann beugte sie sich zu mir herunter, als wollte sie ihre Reaktion zurücknehmen.
„Was?“
„Ich habe euch gehört, den Papa und dich. Du hast gesagt, ich bin ein Freak.“
Die Augen meiner Mutter irrten zwischen mir und der Wand hin und her. Ein richtiger Augentanz war das, als müsste sie über die Antwort nachdenken, dabei wusste sie bestimmt ganz genau, was ein Freak war.
„Ich will hier bleiben.“ Immer noch irrten die Augen meiner Mutter zwischen mir und dem Bild hin und her. Ich drehte mich um, aber da war nur ein altes, blödes Familienbild.
„Mama, warum willst du mich fort haben?“
„Man überlegt sich mal was unter Erwachsenen. Woher weißt du das überhaupt?“
„Ich kann nicht fort. Wenn ich weg bin, tötest du die Käfer.“
„Mein Gott“, meine Mutter atmet scharf ein, „schon wieder. Das ist Ungeziefer, widerliches Ungeziefer. Du sollst die Viecher nicht anfassen, nicht mit ihnen spielen, gar nichts. Wenn du weg bist, kommt der Kammerjäger, der räuchert sie endlich aus.“
„Warum Mama? Weil sie hässlich sind?“
„Ja, und ungesund.“
„Bin ich auch ungesund?“
„Natürlich nicht.
„Du hast aber gesagt, ich wär krank. Das ist dasselbe wie ungesund.“
„Jetzt hör auf. Dein Vater und ich wollen dir nur helfen.“
„Aber ich will nicht weg.“
„Das sehen wir dann.“
Um uns herum war es ruhig.
„Hast du den Fred auch ausgeräuchert, weil er ungesund war?“ Meine Mama wurde starr. Wieder griff ich nach ihrer Hand. Dieses Mal ließ sie es geschehen. „Mama, du musst sie nur kennen lernen.“
„Was?“
„Komm, sie wissen alles über Fred.“
Ich zog meine Mutter hinter mir her. Zweimal links, einmal rundherum. Ganz leicht ging das. Jemand hatte Stoffbällchen in die Kleider meiner Mutter gesteckt und nun war sie eine Schlenkerpuppe.
Vor der Tür scheute sie zurück, doch dann folgte sie.
„Du weiß doch, dass dieser Raum tabu ist?“
„Aber hier kann man sich an Fred erinnern.“
„Ja. Hier lag er die letzten zwei Jahre.“ Die Stimme meiner Mutter war weich. „Bis dann auf einmal alles vorbei war.“
Sie schaute mich an, Verwunderung lag in ihrem Blick und etwas Komisches, etwas, das ich am liebsten an eine Wand geklopft hätte.
„Hier wohnen jetzt die Käfer“, sagte ich schnell.
„Was redest du? Käfer?“
„Ich zeigs dir Mama, sie sind nicht schlimm, du musst sie nur kennen lernen. Sie wissen alles von Fred.“
Mutter schob mich zur Seite. Dann entdeckte sie den Vorhang. „Was hast du gemacht? Schon wieder so ein Unsinn.“
„Das ist kein Unsinn, das ist ein Versteck. Meines und das von den Käfern. Da drin kann man alles hören, die Geräusche im Haus und das Wasser und Stimmen. Und Fred. Ich muss nur den Käfern sagen, dass sie von ihm erzählen. Das machen sie bestimmt, ich bin nämlich der Käferkönig. Ich kann es ihnen befehlen. Kletter rein, bitte, du wirst merken, wie schön das ist.“
Ich schob sie auf den Vorhang zu, meine Mutter ließ sich von mir nach vorne schieben, sie duckte sich sogar, als sie zu dem Vorhang kam. Ich hob ihn hoch, doch plötzlich, mit einem Ruck, zerrte sie die Decke herunter, dass die Nägel, mit denen sie angebracht war, aus der Wand sprangen.
„Was soll der Mist?“
„Das darf man nicht, es muss dunkel sein.“ Mein Atem tat weh, wie wenn ich ganz schnell renne und mir schwarz vor Augen wird. „Mama, guck doch. Nur einmal!“ Ich stieß sie vorwärts. Wenn sie erst im Versteck war, hörte sie die Käfer, und dann würde alles gut werden. Ich stieß noch einmal. Es knackte. Mama war gegen einen Holzzacken geprallt, dann gegen ein Rohr, noch einmal knackte es, aber ich sah nur ein kleines bisschen Blut.
„Das ist gleich wieder vorbei, Mama, du musst nur singen. Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahrn ist alles weg. Dann tut's nicht mehr weh.“
Ich stieß sie vollends hinein in die Höhle. Als ich die Decke wieder anbrachte, regte sie sich und schnaufte, aber dann war sie ruhig. „Mama“, sagte ich, „ich bin froh, dass es dir gefällt. Du musst nur warten. Ekel dich nicht, wenn die Käfer kommen. Du wirst sehen, das kitzelt ganz wunderschön.“

*

Ich saß wieder unter dem Tisch. Die Schuhe meines Vaters waren ungeputzt. Links von ihm flegelten die Flipflops meiner Schwester. Und dann Hosenbeine. Erst verstand ich gar nicht, wer das war, aber dann redeten die Hosenbeine und gehörten meiner Tante. Ihre Stimme klang langsamer als sonst. „Was sagt die Polizei?“
„Sie sagen, sie gehen der Sache nach, zwei Tage ist sie jetzt weg.“
„Vielleicht wollte sie wirklich nur mal raus.“
„Aber sie hat mir nichts hier gelassen, keinen Brief, nichts.“ Die Stimme meines Vaters wurde leise. „Ich habe Angst um sie, sie war so depressiv.“
Depressiv. Zu viele Es. Ich fand, meiner Mutter ging es gut. Vorhin erst hatte ich sie gesehen. Da lag sie in Freds Versteck. Ihr Kopf schmiegte sich an eines der Rohre. Ich schmiegte mich daneben, lauschte und ließ mich trösten durch das Getrippel Tausender kleiner, harter Leiber. An dem Mund meiner Mama saß ein Käfer. Vielleicht schenkte sie ihm ihre Spucke. Oder er erzählte ihr von Fred.

 

Liebe Novak

Kafka meets Creepshow. Kennst du den Film? Da hat’s ne Episode drin, wo ein oberreinlicher Typ von Küchenschaben aufgefressen wird, ich glaub das Drehbuch ist von King. Da musste ich dran denken, obwohl dein Text natürlich ganz eigene Wege geht.
Ich hab die Geschichte gebannt gelesen, gleich nachdem du sie eingestellt hast, und war begeistert. Ich bin es noch, aber jetzt bin ich glaub auch in der Lage, einen kritischen Blick auf den Text zu werfen. Für mich ist der Tag «Horror» übrigens angebracht, ich fand es bezeichnend, dass dotslash in seiner Gegenrede den Begriff «leiser Horror» selbst gebraucht, um die Geschichte zu charakterisieren. ;)

Erst war es nur die Zeichnung auf der Sprühflasche, die mir auffiel: Ein gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen. Ich fand das ungerecht. Und meine Mutter natürlich, die war eine Schau, wenn sie nach der Flasche griff. Sie verwandelte sich in eine Walze, ja, eine echt gefährliche Mutterwalze, die quer durch das Haus stampfte und Käfer vergaste. Sie merkte nicht einmal, dass ich hinter ihr herschlich. Die ersten Male interessierte mich nur das Gezappel der Käfer, weil sie so lustig mit den Beinchen winkten. Einmal wollte ich sie zu einer Strampelkette binden und die meiner Schwester umhängen. Aber genau da, als ich einen der Käfer hochhob, entdeckte ich seine Augen.

Ich hab da etwas Mühe. Zunächst fällt ihm die Sprühflasche auf. Was fällt ihm denn danach auf? Kann man sagen, mir fiel danach auf, wie meine Mutter durch die Wohnung ging und die Käfer tötete? Also, ich bin mit dem «zunächst» nicht so ganz zurechtgekommen.
Dann findet er es ungerecht, wenn der Käfer auf der Sprühdose stirbt, aber danach, in der Realität, findet er es wieder lustig und erst dann wieder ungerecht? Das fand ich ebenfalls etwas seltsam.
Und schliesslich kann ich mir diese Sprühaktion nicht so recht vorstellen. Die Mutter merkt nicht, dass der Junge hinter ihr hergeht? Das heisst, sie lässt die toten Käfer einfach liegen? Überhaupt, die kriechen und fliehen doch in die Ritzen und unter die Schränke. Also, ich hab da nicht so Erfahrung drin, aber im Text klingt das so, als ob die Mutter die Käfer tötet und der Junge kann sie ohne Aufwand einsammeln, weil die offen auf dem Boden herumliegen. Ich fand auch das etwas seltsam.

In einem Buch habe ich gelesen, ein Käferauge sehe aus wie Glasbausteine. Das ist Quatsch. Ganz tief drin, man muss nur genau schauen, da ist so ein Punkt. Wie ein winziger Schacht, der immer enger wird, und ins Innere des Käfers führt. Dieser Punkt ist das Käferauge.

Grandios. Damit hattest du mich.

Kein Wunder in einem Haus, das ständig seine Wände verschob. Vor einem Jahr, kurz nachdem Fred gestorben war, hatte ich mir deswegen oft in die Hose gemacht, denn jedes Mal, wenn ich zum Klo wollte, erhob sich vor mir eine neue Mauer.

Diese beiden Formulierungen beissen sich ein wenig, finde ich. Entweder die Wände verschieben sich, oder sie tauchen neu auf. Vielleicht das «neue» streichen?

Ich kann super Kopfrechnen

kopfrechnen

Ich stieß noch einmal. Es knackte. Mama war gegen einen Holzzacken geprallt, dann gegen ein Rohr, noch einmal knackte es, aber ich sah nur ein kleines bisschen Blut.

Hm, das ist schwierig. Denn ich bin da selbst auch nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt, trage gerne mal (zu) dick auf. Und es ist auch vor allem ein Empfinden, ein Bauchgefühl, das mir sagt, dass das too much ist. Was genau ist das Motiv, so heftig zuzustossen, dass die Mutter stirbt? Er will ihr ja nur das Versteck zeigen, oder? Aber selbst wenn, ich fand es schade, dass die grandiose und subtile Charakterzeichnung in diese erzählerisch eher grobe Szene mündet. Du erlaubst dir damit ja auch eine Auflösung der ganzen Tragik, indem du sie mit einer noch grösseren Tragik zuschüttest, weisst du, was ich meine?

Davon abgesehen hat dein Text etwas geleistet, was nur grosse Texte leisten: Er hat mich im Kopf eines anderen Menschen sein lassen, mich an Gedanken teilhaben lassen, die mir völlig fremd sind, und doch habe ich mich diesem Menschen nahe gefühlt. Ich denke, du wandelst hier genau an der Grenze zwischen Normalität und Irrsinn und das ist eine Kunst.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Liebe Novak,

schwer für mich, deinen Text noch einmal zu lesen. Beim ersten Mal wusste ich ja noch nicht, was mir blühte, aber nun habe ich das Ende im Kopf und da werden alle Einzelheiten bedeutender, berühren mich direkter und intensiver.
Außerdem habe ich für meine kleine kranke Katze gerade Gott spielen müssen. Da kämpfe ich noch mit meinen Erinnerungsbildern und bin seelisch ohnehin wackliger als normal.

Zum Text:

Ein genialer Text, bei dem ich an tausend Stellen spüre, wie viel gedankliche Vor-Arbeit in ihm steckt, wie tief und einfühlsam du dich in die Figur dieses kleinen Monsters hineinversetzt haben musst. Am liebsten würde ich es dabei belassen und ihn als wirklich rundum gelungenes Stück zur Seite legen. Aber wir sollen ja auch ein bisschen Textkritik hinterlassen.

Gleich beim ersten Lesen habe ich mich gefragt, wie alt der kleine Kerl wohl sein mag. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er nicht älter als zehn sein könnte. Seine Sprache, seine gedankliche Naivität, sein Sitzen unter dem Tisch lassen mich nicht glauben, dass er älter ist. Und da frage ich mich: Hat ein so kleiner Junge die Kraft, einer Katze das Rückgrat zu brechen.

„Mona. Hör auf. Er ist ein Kind.“
„Ein Kind.“ Sie schnaubte. „Ein Kind, das Katzen das Genick bricht.“

Katzen wehren sich, entwinden sich, beißen und kratzen, wenn sie sich angegriffen fühlen, und das mit sich steigernder Kraft. Um sie zu halten und ihnen das Genick zu brechen, bedarf es mMn mehr als zwei kleiner Kinderhände.

Kleine Probleme hatte auch ich beim ersten Lesen mit der Szene, als Theo die Mutter wie eine Puppe hinter sich herschleift. Das hast du inzwischen geändert:

„Ich zeigs dir Mama, sie sind nicht schlimm, du musst sie nur kennen lernen. Sie wissen alles von Fred.“
Mutter schob mich zur Seite. Dann entdeckte sie den Vorhang. „Was hast du gemacht? Schon wieder so ein Unsinn.“

Ich schob sie auf den Vorhang zu, meine Mutter ließ sich von mir nach vorne schieben, sie duckte sich sogar, als sie zu dem Vorhang kam. Ich hob ihn hoch, doch plötzlich, mit einem Ruck, zerrte sie die Decke herunter, dass die Nägel, mit denen sie angebracht war, aus der Wand sprangen.
„Was soll der Mist?“
„Das darf man nicht, es muss dunkel sein.“ Mein Atem tat weh, wie wenn ich ganz schnell renne und mir schwarz vor Augen wird. „Mama, guck doch. Nur einmal!“

Es knackte. Mama war gegen einen Holzzacken geprallt, dann gegen ein Rohr, noch einmal knackte es, aber ich sah nur ein kleines bisschen Blut. [Knackte es, nachdem sie gegen ein Rohr geprallt war?]

Wenn ich es recht verstehe, so soll das zweimalige Schubsen/Stoßen die völlige Hilflosigkeit (vielleicht sogar den Tod) der Mutter bewirkt haben. Da muss der Stoß, den der Junge ausführt, aber mit aller Kraft geschehen sein oder sie muss (was du ja andeutest) sehr unglücklich mit dem Kopf aufgeprallt sein. Ich frage mich auch hier, woher ein Zehnjähriger die Kraft nimmt. Und dann auch, warum sich die Mutter zwischen diesen beiden ‚Stößen’ nicht aufrichtet oder wehrt. Sie verschwindet nach „Was soll der Mist?“ für kurze Zeit aus der Geschichte

„Mama, guck doch. Nur einmal!“ Ich stieß sie vorwärts. Wenn sie erst im Versteck war, hörte sie die Käfer, und dann würde alles gut werden. Ich stieß noch einmal.

und taucht erst wieder auf, als sie nach dem zweiten Stoß gegen einen Holzzacken prallt.

Ich weiß, dass das alles furchtbar pingelig klingt, es ist einfach eine sehr schwer zu bewältigende und zu beschreibende Szene. Aber so kann ich sie mir immer noch nicht richtig (bildlich und von ihrem Ablauf her) vorstellen.

Vielleicht hättest du dich gar nicht in die schwierigen Einzelheiten der Darstellung und des Ablaufs begeben und dich ebenso wie bei der Katze auf das Resultat (‚die Szenen unter dem Tisch’) beschränken sollen. Dann könntest du diesen Absatz vielleicht hier enden lassen:

„Das darf man nicht, es muss dunkel sein.“ Mein Atem tat weh, wie wenn ich ganz schnell renne und mir schwarz vor Augen wird. „Mama, guck doch. Nur einmal!“ Ich stieß sie vorwärts.

und dann mit der Tisch-Szene fortfahren.

Liebe Novak, dass ich deine Geschichte grandios finde, habe ich durch meine Empfehlung ausgedrückt. Daran ändern auch diese kleinen Fliegenschisse nichts.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Novak,

Horror oder nicht, das ist hier die Frage. Wer entscheidet darüber, der Autor oder der Leser? Ideal ist natürlich, wenn Intention und Wirkung parallel laufen. Ich denke, ein Autor überlegt sich gründlich, wann er mit "Horror" firmiert. Du hast ja auch hin- und herüberlegt. Beim Leser ist es wahrscheinlich ungewisser, auch situativ bedingt, von einer aktuellen Stimmungslage geprägt.

Ich verstehe, dass du die "Höhlenszene" so drastisch mitleidslos gestaltet hast. Gerade weil es sich um einen kleinen, aggressiven Buben handelt. Hat er nicht die Lehrerin geschlagen wegen dem "Müllrechnen"? Und macht er nicht dauernd etwas kaputt mit seinen kräftigen Händen? Bestimmt kann er seine Kräfte gar nicht richtig einschätzen, das passiert übrigens auch "normalen" Kindern manchmal, man muss nur als Mama mit einem Elfjährigen die Kräfte messen:D
Vielleicht ist bei ihm ja Physis und Psyche auseinandergedriftet?

Ich finde es auch schlüssig, dass Katherine sang- und klanglos verschwindet. Theo hat ja sein Problem höchst befriedigend gelöst. Zu meinem Entsetzen. Und deshalb bleibt es für mich eine Horrorgeschichte, unabhängig davon, wie sie getagt ist.

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen. Den gruselt es erst, als seine Frau ihm einen Eimer mit zappelnden Fischen ins Bett schüttet.

Herzliche Grüße nochmals von
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Sie verwandelte sich in eine Walze, ja, eine echt gefährliche Mutterwalze, die quer durch das Haus stampfte und Käfer vergaste.

Hallo Novak,

Käfer vergasen! Der Tag fängt gut an. Peeperkorn hat zum ersten Absatz was gesagt, was ich gut und bedenkenswert finde. Ich würde hier noch anmerken, dass du diesen Begriff "Walze", der ja eine Art Transformation beschreiben soll, vielleicht sogar noch etwas konkreter gestalten könntest; etwas, dass Insekten tatsächlich töten. Walze ist mir da zu abstrakt, weißt du, was ich meine?

Die ersten Male interessierte mich nur das Gezappel der Käfer, weil sie so lustig mit den Beinchen winkten.
"Der Käfer" würde ich rausnehmen, weil es klar wird, was da zappelt, und du so noch mal die Aufmerksamkeit des Leser schärfen kannst, eben auf die Käfer.

Einmal wollte ich sie zu einer Strampelkette binden und die meiner Schwester umhängen. Aber genau da, als ich einen der Käfer hochhob, entdeckte ich seine Augen. Das ist so herrlich böse.

Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder. Da mochte ich es nicht mehr, wenn die Käfer auf dem Boden zappelten, bis sie starben. Der Absatz davor mit den Glasbausteinen ist absolut großartig, weil du da etwas total Konkretes nimmst, etwas Kaltes auch, was jeder kennt, und das dann als Vergleich platzierst, das ist dir sehr gut gelungen, ein toller Effekt. Hier in diesem Satz würde ich den zweiten rausnehmen. Ich glaube, da würde es dem Text etwas mehr Geheimnis geben. Der Leser fragt sich ja schon - also ich habe mich gefragt, und was ist nun mit dem Bruder genau? Das ist ein perfekter Cliffhanger. Da, finde ich jedenfalls, stört der zweite Satz nur. Der Leser ahnt schon, dass da irgendetwas zusammenhängt, und das ist ja die große Kunst, diese Art Spannung zu erzeugen. Wie entwickelt sich die Geschichte, in die eine oder andere Richtung? Da würde ich konsequenter und auch etwas radikaler sein.

Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet. Ich weiß, ich wiederhole mich: Was ist das für ein Klang? Du hast doch sicher etwas absolut Konkretes im Kopf gehabt, eine bestimmte Stimme, die auf eine bestimmte Art und Weise spricht? Dann würde ich versuchen, hier wirklich konkrekt auch zu werden. Wie klingt die Stimme einer Person, die irgendetwas Glibbriges geschluckt hat? Das ist ja total interessant an sich. Du machst das hier auch richtig, du verbindest den Dialog direkt mit etwas Sensorischem, aber um diesen Effekt zu maximieren, würde ich ruhig den Klang beschreiben: rau, hoch, hell, whatever. Das würde es stärker machen.

„Lass die Küchenschaben liegen. Das ist widerwärtig.“ Ich glaube, der zweite Teil ist redundant. Zumindest würde ich nicht widerwärtig nehmen, sondern eher etwas Alltäglicheres, wie ekelhaft oder eklig oder so was. In meinen Ohren klingt aber widerwärtig sehr nach Schriftsprache. Besser fände ich es persönlich jetzt, du lässt den zweiten Teil weg und benutzt vielleicht einmal das viel geschmähte Ausrufezeichen. "Lass die Küchenschaben liegen!" Jeder weiß, was los ist, wie das gesagt wurde, mit welcher Stimmung, oder nicht?

Ich hielt den Käfer hoch und lachte. Ganz laut und prustend, als kitzelte einen jemand wie wild. Halt einfach Freds Lachen. Das ist sehr gut platziert. Du wiederholst den Namen des Bruders, holst ihn in die Gegenwart des Erzählten zurück, und somit auch in die Aufmerksamkeit des Lesers, du erzeugst hier wieder eine sehr große Spannung. Ich musste das allerdings zweimal lesen, um es zu verstehen. Was du ja sagen willst, ist, dass ihre Lache so klingt wie ihres Bruders, von dem wir nicht wissen, was Sache ist. (Es ist ein ER, sorry!) Das ist eine sehr, sehr gute Idee - was löst das in ihr aus, der Erzählerin, was in der Mutter, die sie daraufhin alleine lässt, große Klasse. Deswegen würde ich das auch hier verdeutlichen, was du genau meinst, was du sagen willst, sonst überliest man das vielleicht. Ich glaube, du müsstest gar nicht viel verändern, vielleicht nur ein wenig umstellen.

Meine Schwester behauptete, ich würde lügen, und nannte mich Pisshorst. Bester Satz in einem sehr starken Absatz.

Das Bett in Freds Zimmer war immer noch bezogen mit Eintrachtbettwäsche Hier würde ich tatsächliche Eintracht Frankfurt nehmen, weil es gibt auch noch die Eintracht aus Braunschweig und und und ... der unbedarfte Leser weiß eventuell nicht, in welchem Zusammenhang das steht.

Dann lehnte ich mich zurück und dachte an die Augen der Käfer - und an Fred. Die Erwachsenen sagen, ich wäre bei ihm gewesen, als er starb, aber so genau weiß ich das nicht mehr. Es ist klar, dass sie an Fred denkt, wenn sie in die Augen sieht. Ich würde ihn im ersten Teil streichen, ihn dann aber im zweiten Satz explizit nennen. Die Erwachsenen sagen, ich wäre bei Fred gewesen, als er starb, aber so genau weiß ich das nicht mehr. Da schwingt diese Analogie Käferauge - Fred nicht so offensichtlich mit.

Ich ging zu den beiden hin, um ein wenig Unterhaltung zu haben. Ich stelle mir die Erzählerin als mental etwas herausgefordert vor. Sie kombiniert zwar, aber manche Sachverhalte kann sie sich nicht selbst erschließen, fehlende geistige Reife oder was auch immer, wir wissen es nicht. Manchmal bist du mit der Sprache dann etwas drüber, finde ich. Du musst das nicht sehr runterfahren, aber an solchen Stellen merke ich das, oder fällt mir auf: ein wenig Unterhaltung zu haben. Würde sie das so denken? Ich sage jetzt mal, das ist eine Frage des gesamten Sounds, den ein Text hat, und der verändert sich ja auch, je mehr du mit ihm arbeitest und in den Kopf des Erzählers eintauchst. Ich weiß nicht, ob das anderen Kommentatoren aufgefallen ist, mir ist es aufgefallen, und ich kann dir nur sagen, was ich denke.

Während die Tante also pumpte, zählte ich die Fleckchen auf ihrem Arm. Als ich bei dreiundzwanzig war, schaffte sie es.
Ganz stark.

„Sie ist tot.“ Das würde ich rausnehmen. Das Zischen ist schon Antwort genug, finde ich.

„Ich habe einen Freak geboren.“
Das schreit die ganze Geschichte schon. Mit dem Jungen stimmt etwas nicht, es liegt einem auf der Zunge, dieses Wort. Ich finde allerdings, es passt nicht in diesen Text. Es wirkt wie ein Fremdkörper, eben weil es aus allen Zeilen schon dringt. Ich verorte den Text auch in einem eher kleinbürgerlichen Milieu, und auch irgendwie retro, so 70er, 80er, da haut mich so ein englisches Wort raus.

„Verarbeiten. Es gruselt mich, wenn ich ihn sehe. Er sieht Fred so ähnlich, er lacht sogar wie er. Und gleichzeitig ist er völlig anders. Alles macht er kaputt mit seinen großen, schweren Händen und seinen Wutanfällen. Wer weiß, was er gemacht hat, als er in Freds Zimmer war.“ Hier lieber den Dialog verknappen. Es gruselt mich - ich finde das redundant, es wird klar, dass Theo den anderen unheimlich ist, weil er diese ganze Geschichte unheimlich und aus seinem etwas verstörenden Blickwinkel erzählt. Das ist sozusagen common sense - Theo ist gruselig. Dass du das Lachen erwähnst, finde ich sehr gut, das schafft auch eine Verbindung zum ersten Teil. Der Teil mit den Händen, den finde ich insofern interessant, weil du Theo jetzt eine neue Facette gibst - er wirkt jetzt plötzlich größer, ais ich ihn bisher gesehen habe, er wirkt jetzt wie ein unbändiger Junge, jemand der mit seiner Kraft nicht umzugehen weiß.

An dem Mund meiner Mama saß ein Käfer. Vielleicht schenkte sie ihm ihre Spucke. Oder er erzählte ihr von Fred.
Alter Schwede! Ziemlich sick, aber gut.

Ja, Novak. Steiles Ding. Mich erinnert das an einen Roman, wo es um einen mißgestalteten Jungen geht, der von den anderen Pighead genannt wird. Jahre her, dass ich das gelesen habe. So von der Erzählhaltung und vom Stil her. Ich finde das einen sehr starken Text. Das Ende ist der Hammer. Ich finde, es wäre noch stärker ohne den letzten Absatz. Früher rausgehen, den Leser im Vagen lassen, es richtig offen machen. Es muss auch gar nicht direkt so krass gewalttätig werden, ich weiß - du bleibst konsequent, weil die Figur des Theo im Grunde wie eine Art sanfter Riese wirkt, der dann aber nicht die Tragweite seiner Handlung abschätzen kann, der ein anderen Zugang zu Empathie hat, wie er ja mit den Käfern und Fred beweist. Er wirkt ein wenig ungeschickt, sozusagen. Deswegen finde ich das schon konsequent von dir, dass er die Mutter da wenigstens hineinstößt - was dann passiert, würde ich offen lassen, weil so wirkt dieses Bild, wie er die Mutter da in dieses Loch in der Wand stößt, so entlässt du den Leser, und das wirkt einfach viel eindringlicher nach, wie ich finde. Also, wenn nicht hier, wann dann: der Tag Horror ist hier auf jeden Fall gerechtfertigt!

PS:
Beim Durchlesen ist mir aufgefallen, dass ich das Geschlecht vermischt habe. Ich habe ein junges Mädchen im Kopf gehabt beim Lesen. Auch als ich den Namen Theo gelesen habe, dachte ich zuerst, es wäre eine andere Figur. Ganz ehrlich: Ich fände diesen Ansatz, daraus ein junges Mädchen zu machen, auch wirklich sehr interessant.

PSS: Eine Sache ist mir noch aufgefallen, beim weiteren Drüber-nachdenken. Geschwister. Theo hat eine Schwester, die zweimal im Text vorkommt, aber sonst nie erwähnt wird, sie spricht nicht und hat auch sonst keinen szenischen Auftritt. Ich finde, hier verschenkst du fast sogar etwas Potential, weil in etwaigen Szenen mit Theo und seiner Schwester könntest du den Unterschied im Gemüt etc, vielleicht noch besser herausstellen. Ist nur eine Idee.

Gruss, Jimmy

 

Hola, liebes Novak,

das Wichtigste zuerst: Herzlichen Glückwunsch zur Empfehlung! Wirklich ein großartiger Text.

An den habe ich mich ganz elegant herangeschlichen: Nur mal so eben nach dem Schluss geschaut, dann zwischendurch ein bisschen, hin und her – und als der Sog einsetzte, natürlich von Anfang bis Ende. Mit dem Gefühl wie damals – Anfang der Fünfziger – als ich E. A. Poe unter der Bettdecke las, mit der Taschenlampe, weil es nach neun Uhr war.

Das ist eine Geschichte!! Ich bin grün vor Neid. Einfach fantastisch.
Ich bin sehr froh, dass ich durch meine Mitgliedschaft im Forum eine leichte Ahnung bekommen habe, wie viel Aufwand ein Autor treiben muss, um solch einen packenden Text bieten zu können.

Du hast mir mal gesagt, dass meine Äußerung ‚das ist bis jetzt Deine beste KG’ nicht so treffend ist, weil ja jeder Text eigen ist und deshalb nicht vergleichbar. Stimmt. Trotzdem ist meine – ganz private – Meinung, dass dieser Text (beinahe) alle Rekorde schlägt. Und die gute Ausstrahlung einer solch höchstqualitativen Arbeit ist reines Plus: Das Forum bekommt einen förderlichen Stoß ins Kreuz, und auch jedes Mitglied, das es ernst meint mit der Verbesserung seines Schreibens. Da müssen wir unsere Koordinaten überarbeiten, weil Du die Latte für alle höher gelegt hast.

Mit Bewunderung, Hochachtung und bestem Dank

José

PS:

Novak: schrieb:
„Aber wenn ich zur falschen Zeit am falschen Ort war, dann war ich doch richtig.“
Da komm ich ganz durcheinander. Kakerlaken im Kopf?

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kommentatoren, ich mag erst mal was zu den Stichworten des Textes schreiben. Dann muss ich das nicht jedes Mal neu aufrollen. Also jetzt erst mal an speziell dotslash barnhelm Geschichtenwerker wieselmaus Peeperkorn maria.meerhaba und hoffentlich hab ich jetzt niemanden mehr vergessen, der sich zu dem Horrortag geäußert hat ...
Es ging ja bisschen hin und her, welcher Tag den nun der richtige ist. Und das liegt natürlich auch an dem Text. Momentan stehen da jetzt drei an der Zahl: Horror Seltsam und Sonstige. So viele Tags hab ich noch nie gesetzt. Das zeugt wohl von meiner Unentschlossenheit, die ich von Anfang an hatte. Aber ich denke, es ist nachvollziehbar, dass ich unschlüssig war und bin. Der Text ist null splatterig und bewegt sich sehr viel in einem eher alltäglichen, familiären Bereich. Dass der Kleine psychisch so abgedreht ist und zu sehr eigenwilligen Problemlösungen tendiert, ist allerdings durchaus ein Zeichen für Horror, auch wenn der etwas sanfter angetapst kommen mag. Letzten Endes musste ich das dann irgendwie entscheiden und ich denke, dass fremden Lesern, die mich nicht kennen, ein wenig gedient ist, wenn der Text diese drei Stichpunkte trägt. Ist eher Orientierungsmittel als echte Genrebezeichnung.
Vielleicht können Leser daran ablesen, dass dies ein eher gemäßigter Horrortext, vielleicht sogar eher ein Zwitterwesen ist. Und ich will halt auch verhindern, dass Leute, die mit Horror null am Hut haben und echt nix über auch nur irgendeine Kakerlake lesen wollen, dass die so ein bisschen gewarnt sein können. Und wer der totale Horrorfreak ist, sieht an der Dreifachtaggung, dass das kein eindeutiger Text ist und fließender Eiter und herausgezurrte Därme eher keine Rolle spielen werden. Natürlich wäre das toll, man könnte die Stichwörter nach ihrer inhaltlichen Wertigkeit setzen, das jetzt speziell zu eurer guten Idee, barnhelm und Geschichtenwerker, Horror als letzten Tag zu setzen, aber das geht nicht, die Tags tauchen einfach alphabetisch geordnet auf, da kann man also auch keine speziellere Struktur reinbringen.
Danke nochmal an alle, die sich dazu geäußert und mir weitergeholfen haben.

Lieber dotslash

Ich wollte die Geschichte nur anlesen, aber sie liess mich nicht mehr los. Ich wollte wissen, wie es mit Theo weitergeht, wie es mit den "Ungläubigen" und "Nichtverstehern" endet.
Novak, als Autorin alles richtig gemacht! Ich musste extra meine Mittagspause verlängern.
Gruß an deinen Chef, dot, der Trend sollte ohnehin zu längeren Mittagspausen mit Geschichten und anschließender Gymnastik und bestem Cappucino gehen.


Schön, wie du immer wieder bei Theo bleibst und in feinen Spitzen seine Sicht auf die Erwachsenen und deren "Irrglauben" richtest. Ich mag die kleine Welt der verständnisvollen Kakerlaken um Theo total, der wohl nicht erst seit Freds Ableben an dieser ausgeprägten Soziopathie leidet.
Ich freu mich, dass du das so empfindest. Ich muss gestehen, ich versuche so etwas auch weitgehend durchzuhalten, aber wenn man das zu sehr übertreibt, kann der Text auch leicht langweilig wirken. Also ich denke, man wird immer ein bisschen über die Sprachebene hinausgehen. Hab neulich einen Artikel dazu gelesen, aber leider finde ich den jetzt nicht mehr, sonst hätte ich ihn mal hierher für uns verlinkt. Das fand ich eine spannender Sache, wie stark doch auch berühmte Autoren mit der Icherzählerebene brechen. Nicht viel, eben nur ganz leicht. Ich finde das jedenfalls eine der spannendsten Aufgaben beim Schreiben. Und ich weiß leider auch, dass es mir ganz und gar nicht immer glückt.
]Wobei er ja gar nicht leidet, er fühlt sich einfach missverstanden und rückt falsche Ansichten mit seinen starken Kinderhänden wieder gerade.
Ja, das siehst du richtig. Er merkt nicht, wie stark er ist. Und er hat sehr ausgeprägte Ansichten darüber, was falsch ist .
Und jetzt noch zu den Anmerkungen:
Das musste ich zweimal Lesen, hatte ich sie durch das schwarze erst mal als Alkoholikern abgestempelt, bis ich begriff, dass das keine Metapher, sondern sie nach der Giftflasche griff.
Das wäre natürlich kein Ding, da einfach mal die Giftflasche zu schreiben. Und grundsätzlich versteh ich deinen Verleser. Aber wenn ich die Giftflasche nehme, dann hab ich einen komischen Rhythmus drin: Giftflasche griff. Sprühflasche hatte ich vorher. Vielleicht nützt es was, wenn ich dieser schreibe.

Dieser Absatz ist für mich unbefriedigend. Die Mutter zu passiv, sie steht ja nicht unter Schock oder so, das geht mir zu glatt, wie Theo sie da reinschupst, sie sich dabei den Kopf stösst, kein Mucks von Mama? Nee, Novak, diesen Teil kauf ich dir nicht ab. Da wünsche ich mir mehr Gerangel, Ausdruck des Ekels, ein Ausrutschen auf der heruntergerissenen Decke, irgendwie so was, dass die Szene glaubhaft(er) macht.
Lieber dot, da muss ich nachdenken. Das haben ja auch andere angemerkt. Und klar, wenn das so viele sind, fängt das ja auch an, einem einzuleuchten. :D Ich weiß aber noch gar nicht, wie ich das machen soll. Denn es stehen sich ja zwei Vorschläge gegenüber. Die einen fänden es besser, an der Stelle aus der Szene rauszugehen, sozusagen wegzublenden. Du und andere, ihr würdet hier einen größeren Kampf zeigen wollen. Ich weiß es einfach noch nicht. Bis dahin werde ich wohl nur kleine Sachen ändern, Formulierungen und so. Und was ich mit diesem Szenenabschnitt mache, einfach noch keine Ahnung.

Lieber dot, tausend Dank für dein kritsches Auge. Das hat mir sehr weitergeholfen.
Lass es dir gut gehen.
Novak

 

Liebe Novak,

zu Beginn noch fast harmlos, über bedrückend hin zu gruselig, so hat sich die Geschichte für mich beim Lesen entwickelt. Ich fand sie grandios! Und auf die Tags hatte ich vor dem Lesen in diesem Fall gar nicht geachtet. Horror oder nicht ist mir schnurz. Nein, den Titel fand ich ziemlich verlockend.

Auch ich war dann aber doch etwas verwundert, dass Theo seine Mutter so schnell im Loch in der Wand um die Ecke bringt. Das war für mich doch ein klein wenig zu einfach.

Ich bedanke mich jedenfalls für einen fesselnden Lesegenuss.

Grüße
Holger

 

Liebe Novak

Toll dass es wieder einen neuen Text von dir gibt.

Und meine Mutter natürlich, die war eine Schau, wenn sie nach der Flasche griff.

Über die Formulierung bin ich erst gestolpert, ist mir in der Form gar nicht so geläufig. Peeperkorn hat es ja schon angesprochen, ich würde da nochmal über die erste Hälfte des Absatzes gehen, das Bild ist wirklich etwas seltsam, dass die Mutter da die Käfer besprüht und dann einfach in der Wohnung liegen lässt. Das mit dem Auge ist dann viel besser.

„Ich tu sie nur raus, Mama.“ Ich hielt den Käfer hoch und lachte. Ganz laut und prustend, als kitzelte einen jemand wie wild. Halt einfach Freds Lachen. Zum Glück klappte es, Mama haute ab und übersah die Schachtel hinter meinem Rücken.

Finde ich eine interessante Stelle. Offenbar versucht Theo hier seinen toten Bruder zu imitieren, um ein bestimmtes Verhalten bei der Mutter zu erzwingen ("Zum Glück klappte es"). Ich verstehe hier nicht ganz, weshalb Theo meint, mit diesem Lachen die Mutter vertreiben zu können. Später löst du die Stelle ja aus Sicht der Mutter auf:

Es gruselt mich, wenn ich ihn sehe. Er sieht Fred so ähnlich, er lacht sogar wie er.

Sie geht also weil es sie gruselt - aber das kann Theo ja eigentlich nicht wissen und schon gar nicht beabsichtigen. Für mich bleibt hier ein kleines Fragezeichen.

Beim Hinausgehen hörte ich noch: „Und sag nicht immer Mama zu mir, Katharina sollst du sagen. Ist das denn so schwer zu merken?“*
Ja, das war es, aber das wiederum konnte Mama sich nicht merken.

Tolle Stelle. Hier erzeugst du quasi "im Vorbeigehen" Spannung, Interesse und Neugier auf die Geschichte.

Kurz vor der Haustür huschte ich zweimal nach links, drehte mich um die eigene Achse und murmelte den Findespruch: „Links, links, rundherum.“ Zwei spitze i, zwei runde u. Klare, gute Wörter. Immer, wenn ich das genau so machte, fand ich Freds Zimmer.

Ich hatte etwas Mühe, mir Theo als Jungen vorzustellen. Auf der einen Seite kann er sich nur durch eine Eselsbrücke merken, wo das Zimmer seines Bruders liegt, auf der anderen Seite ging er aber offenbar in eine Regelschule (mit seiner Schwester) und ist ein toller Kopfrechner. Vielleicht geht das ja in die Richtung von Autismus, ich kenne mich damit aber leider nicht aus um das wirklich beurteilen zu können.

Kein Wunder in einem Haus, das ständig seine Wände verschob. Vor einem Jahr, kurz nachdem Fred gestorben war, hatte ich mir deswegen oft in die Hose gemacht, denn jedes Mal, wenn ich zum Klo wollte, erhob sich vor mir eine neue Mauer. Meine Schwester behauptete, ich würde lügen, und nannte mich Pisshorst. Sogar in der Schule. Aber es war wirklich so. Wie in dem Labyrinth auf dem Jahrmarkt von Mehrendorf, wo ich mit meiner Klasse war. Da mussten mich die Besitzer rausholen, weil ich als einziges Kind nicht hinausfand. Meine Lehrerin schämte sich, weil ich so blöd bin, aber ich kann nichts dafür. Ich kann super Kopfrechnen, aber gegen Wände habe ich keine Chance. Und in die Schule geh ich seit zwei Monaten sowieso nicht mehr.

Also das mit den Wänden ist toll, Pisshorst auch. Dass sich aber die Lehrerin schämte, weil er nicht aus dem Labyrinth fand ("weil ich so blöd bin"), existiert sicher nur in seinem Kopf. Tröstende Worte wären da realistischer (und auch angebrachter).

Der nächste Teil - wie er im Zimmer seines Bruders die Käfer über sich krabbeln lässt - ist wieder toll und jagt mir einen Schauer über den Rücken. Das ist toller, subtiler Horror, und deshalb ist auch der entsprechende Tag absolut gerechtfertigt (und wenn deshalb jemand die Geschichte nicht liest - selber Schuld :)). Was mir hier gefällt, wie natürlich und selbstverständlich du die Gedanken des Kindes dem Leser rüberbringst - das ist einfühlsam, nachvollziehbar und klingt absolut authentisch. Ich will nicht wissen, wie lange du an dem Text und diesen Stellen gefeilt hast, vielleicht hat das auch beim ersten Schreiben gleich so hingehauen, aber das Endergebnis klingt wirklich toll.

Ich holte ein Wurstpäckchen aus der Hosentasche und eine Puppenflasche Bier und verteilte alles in zwei Schälchen.

Blöde Frage vielleicht, aber was genau ist hier mit "Puppenflasche" gemeint?

Nur noch, dass ich meine Mutter rief, weil der Fred komisch aussah. Sie führte einen Affentanz auf, dann kam der Krankenwagen. Aber es nützte nichts mehr. Ich hätte ihnen das gleich sagen können, denn in den Augen von Fred lag Schmerz. Schon lang.

Gefällt mir, wie du die Andeutung hier in den Raum stellst, dass Theo selbst mit dem Tod seines Bruders etwas zu tun hat. Auch die Mutter äußert den Verdacht später ja.

Irgendwann lag auf meinem Schoß eine klumpige Stoffhülle, eklige, gelbe Flocken bedeckten mein Shirt.

Hab ich nicht verstanden, was ist hier gemeint?

ch holte einen Hammer und eine Lampe, schlug ein Loch und spähte hinein. Vor mir lag ein Hohlraum voller lichttanzender Flusen und huschender Schatten. Und voller Rohre.

Hier wird mir der Text etwas zu surreal, aber vielleicht ja deswegen auch der Tag "Seltsam". Er klopft da mal eben ein großes Loch in die Wand und niemand bekommt das mit?

Die schloss die Augen, öffnete sie wieder, schlug mir ins Gesicht und rannte weg.*
Ich musste lachen, weil mein Kopf so wackelte.

Ist wirklich sehr gut wie du den Jungen und die überforderte Mutter zeichnest. Vieles kann man an dem Text nicht kritisieren, aber vielleicht hättest du noch ein wenig mehr auf die Rolle des Vaters und der Schwester eingehen können. Sie stehen ja so weit am Rand der Geschichte, dass es bloße Stichwortgeber sind (Pisshorst im Falle der Schwester, und den Vater braucht es für den späteren Dialog mit der Mutter, den Theo belauscht). Du erzählst hier im Grunde ja eine tieftraurige Geschichte über eine Familie, die zerfällt, der alles genommen wird durch die Krankheiten der Söhne (Leukämie und was auch immer Theo hat), und dann hätte ich es gut gefunden, wenn die Gewichtung bei den Familienmitgliedern etwas ausgeglichener gewesen wäre.

Der Dialog mit der Tante gefällt mir sehr gut. Sie versucht zu vermitteln und bekommt noch den besten Draht von allen zu Theo. Der Vater hat anscheinend - seinen wenigen Worten zufolge - auch etwas Verständnis; ich frage mich, ob man die Tante nicht durch den Vater ersetzen könnte - vielleicht hast du dir das mal überlegt und wieder verworfen? Dadurch würde für mich eben die Familie (die enge Familie - Vater, Mutter, Sohn, Tochter) mehr in den Fokus rücken und der Vater mehr Gesicht bekommen.

„Das war also deine gute Idee? Und was sollen wir jetzt damit?“ Die Katze auf meinem Arm wurde unruhig. Vielleicht wollte sie nicht „Damit“ heißen?

Den zweiten Satz würde ich streichen. Er funktioniert so nicht, würde er nur wenn die Mutter sagen würde "Und was sollen wir jetzt mit damit?".

Die Katze folgte mir. Sie sah mich an, blickte auf den Boden, und bevor ich reagieren konnte, vergrub sie die Zähne in den reglosen Käfer und schüttelte ihn hin und her.

Hatte jemand schon angemerkt, mir ist das beim Lesen auch aufgefallen - ich hab noch nie eine Katze einen Käfer schütteln sehen. Die schlucken die einfach runter.

Ich schnappte die Katze, hielt sie fest, so sehr sie auch kratzte und biss, und hebelte ihr den Käfer aus dem Maul. Endlich ließ sie ihn los, aber ihr Gesicht sah jetzt ein bisschen schief aus.

Wirklich sehr, sehr gut Novak :thumbsup:. Eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack ;)

„Er muss aus dem Haus. Ich kann ihn nicht mehr ertragen. Oder ich geh. Wenigstens ein paar Tage.“

Da du konsequent aus der Sicht von Theo schreibst, ist es schwierig, sich über die Mutter ein Bild zu machen. Ich frage mich, wie die Familie aussah, bevor Fred krank wurde. Wie war da die Beziehung zwischen der Mutter und Theo?

Dieses "wenigstens ein paar Tage" würde ich übrigens weglassen. Vielleicht wolltest du das wegen dem Ende der Geschichte drin haben, aber hier passt es nicht rein, finde ich. Wenn ich mir die Mutter vorstelle, dann muss das endgültig klingen, warum sollte sie es abschwächen?

„Warum Mama? Weil sie hässlich sind?“*
„Ja, und ungesund.“*
„Bin ich auch ungesund?“
„Natürlich nicht.*
„Du hast aber gesagt, ich wär krank. Das ist dasselbe wie ungesund.“
„Jetzt hör auf. Dein Vater und ich wollen dir nur helfen.“*
„Aber ich will nicht weg.“*
„Das sehen wir dann.“

Auch wieder ein toller Dialog. Das sind echte Highlights in der Geschichte, finde ich, die Gespräche mit der Mutter und der Tante.

Der Schluss - na ja, ich gehöre auch zu den Lesern, bei denen das noch nicht so ganz funktioniert. Mir geht das auch zu einfach, wie die Mutter mitgeht und Theo sie dann versehentlich tötet. Schwierig. Einfach in dem Moment abblenden, wenn sie in das Zimmer gehen und er ihr das Versteck zeigt, finde ich nicht so gut. Du möchtest ja betonen, dass Theo eigentlich nichts Böses wollte, das kommt auch in der Szene rüber, aber möglicherweise könnte man Theo das unterstellen, wenn du das Geschehen nicht zeigst. Und einen Kampf? Das wirkt dann schnell übertrieben. Eigentlich hast du es so schlecht nicht gelöst, finde ich, wenn ich da länger drüber nachdenke - auch wenn es natürlich Fragen aufwirft. Vielleicht ist auch mehr geschehen, als Theo hier erzählt, vielleicht gab es wirklich eine Art Kampf, den Theo aber nicht als solchen wahrgenommen hat.

An dem Mund meiner Mama saß ein Käfer. Vielleicht schenkte sie ihm ihre Spucke. Oder er erzählte ihr von Fred.

Wirklich ein hartes Ende. Wie ein Schlag in die Magengrube.

Also Novak, von mir gibt es ein großes Kompliment, ich ziehe vor der Geschichte meinen Hut. Ich glaube da steckt eine Menge Arbeit drin, den Jungen so darzustellen wie du das gemacht hast. Wenn ein Text empfohlen wird und so viel positives Feedback bekommt, geht es mir ähnlich wie maria - ich lese den dann auch sehr kritisch und freue mich, wenn ich was zum Kritisieren finde :). Hier war es sehr wenig, weils halt einfach auch ein toller Text ist. Der vorletzte Abschnitt, wie die Mutter stirbt - ja, überzeugt noch nicht ganz, aber macht er den Text kaputt? Verfehlt deshalb irgendwas seine Wirkung? Wirkt es völlig aus der Luft gegriffen, gar wie eine Verlegenheitslösung? Bei weitem nicht. Vielleicht könntest du noch etwas rauskitzeln, wenn du die Tochter und den Vater mehr mit ins Spiel nimmst, vielleicht könntest du die dramatische Wirkung und den Zerfall dieser Familie noch etwas mehr betonen. Aber sonst - große Klasse, Novak. Es war mir ein Vergnügen.

Viele Grüße,
Schwups

 

Hallo Novak

Ja, das ist ein starker Text, der mir beim Lesen Angst macht und ich mich durch die Zeilen schleiche und hasse, was ich da lese, am liebsten abbrechen würde. (und es sicher getan hätte, wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, bis zum Ende zu gelangen. Eine Mischung aus Robert Musil (wegen der Tiermorde), Robert Walser (wegen dem jungen Psycho) und Franz Kafka (wegen beidem). Ohne jedoch die Tiefe der Vorbilder (wenn es denn welche sind) zu erreichen. Nein, ich mag solche Texte nicht. Sie setzen auf Wirkung, gerade dann, wenn sie gut geschrieben sind wie deiner. Und sie verstecken ihre Schwächen: gibt es wirklich solche Kinder, ist das nicht reiner Effekt? Und wenn es die nicht gibt, warum schreibst du darüber? Wenn du ihn als Horror getagt hättest, dann wär ja alles einfacher.

Nach dem zweiten Lesen verliert sich die Furcht und ich versuche, den Vorhang zu lüften, stelle mir Fragen, distanziere mich vom Geschehen und die Wirkung verblasst. Warum klingt die Stimme des Kindes nach einem Fünfjährigen? Er muss doch deutlich älter sein, wenn er schon schriftlich dividiert. Warum sitzt ein Junge in seinem Alter unter dem Tisch? Warum geht er nicht mehr zur Schule? (Der Tod des Bruders ist nur eine vermutete Erklärung). Wie kann der Ich-Erzähler die Erwachsenen-Gespräche so präzise wiedergeben? Und sein eigener Sprachduktus, der müsste weitaus kindlicher sein. Sprachlich gesehen klingt es stellenweise wie der erwachsene Versuch, den Ton eines Kindes wiederzugeben. Okay, wie gesagt, hättest du den Text mit „Horror“ oder „Fantasy“ versehen, müsste man diese Fragen nicht stellen, das wäre dann einfach Genre, aber so. ich weiß nicht, ob das funktioniert und zweifle daran.

Richtig gut – und das bleibt – ist die Käfersymbolik. Mit Ekel behaftete Wesen, die sich in Ritzen und Nischen verstecken, eine von dem Jungen für sich umgedeutete Parallelwelt, in der er sich als König fühlen darf.

Textstellen:

Und meine Mutter natürlich, die war eine Schau, wenn sie nach der Flasche griff.
den Ausdruck: eine Schau sein, der klingt echt nicht nach Kind.

Ganz tief drin, man muss nur genau schauen, da ist so ein Punkt. Wie ein winziger Schacht, der immer enger wird, und ins Innere des Käfers führt.
ganz stark:Pfeif:

Meinen Käferkrankenwagen.
super Bild

Das Bett in Freds Zimmer war immer noch bezogen mit Eintrachtbettwäsche.
:thumbsup::lol:

aber schlechte Wörter merke ich mir nicht. Und das, was der Fred hatte, war ein sehr schlechtes Wort.
Ich nahm Kumpel auf meine Knie. „L“ sagte ich, „Leuk“, ich drückte Kumpel ganz fest, doch das verfluchte Wort wollte einfach nicht weg von mir.
auch gut, nur der mittlere Teil, als er das Wort rauspresst, das klingt mühsam, mir fällt kein Gegenvorschlag ein, aber denk mal derüber nach, wenn du magst.

Die Lippen meiner Tante schürzten sich zu einem erschrockenen, kleinen Zelt, sie fasste nach dem Arm meiner Mutter. Die schloss die Augen, öffnete sie wieder, schlug mir ins Gesicht und rannte weg.
Ich musste lachen, weil mein Kopf so wackelte.
hier so ein Beispiel: 100% Autor

Wie ein Picknickkorb, nur steckte darin statt fiesem Krümel-Ei ein Kätzchen.
was'n das? Ein Krümelei?

Ich hatte mich unter den Tisch im Esszimmer geschlichen. Dort konnte ich bei den anderen sein, ohne dass die mich sahen oder fühlten.
mm, in seinem Alter und unbemerkt? Selbst der Oskar Matzerath wurde bemerkt.

Die Augen meiner Mutter irrten zwischen mir und der Wand hin und her. Ein richtiger Augentanz war das, als müsste sie über die Antwort nachdenken, dabei wusste sie bestimmt ganz genau, was ein Freak war.
das mit dem Augentanz ist sehr hübsch ausgedrückt. :Pfeif:

Sie schaute mich an, Verwunderung lag in ihrem Blick und etwas Komisches, etwas, das ich am liebsten an eine Wand geklopft hätte.
ein weiteres Beispiel; auch hier spricht der Autor.

Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche
Isegrims

 

Wenn sie den entdeckt hätte, ohje, das Gekeife wäre endlos, was ich für ein Kind bin, von wem ich sowas hätte, von ihr jedenfalls nicht.

Ich finde, hier wäre der Konjunktiv I angebracht.

Ich setzte mich auf den Boden, breitete ein Tuch über meine Beine und setzte den Käfer darauf. Er sah platt aus, irgendwie gequetscht. Dann öffnete ich die Schachtel. Ich legte die zuckenden Käfer nebeneinander, fuhr mit einem feuchten Taschentuch über die Panzer und entfernte jedes Stäubchen. Das mochten sie. Einmal hatte ich dafür Zeugs aus einer Flasche von meiner Mutter geklaut, Davidoff stand darauf. Eigentlich wollte ich, dass die Käfer meiner Mutter ein bisschen verzeihen, aber den Davidoffkram mochten sie gar nicht.
Die Käfer torkelten über meine Beine, erst langsam, dann wurden sie emsiger und schneller, huschten in dunkle Ecken und verschwanden schließlich unter einer Fußleiste. Nur der flache Käfer blieb liegen.

Diese Stelle finde ich etwas unklar. Ich hab es zuerst so gelesen, dass das "Torkeln" der Käfer eine Reaktion auf das Davidoff-Zeug ist, dass sie quasi betrunken davon sind, so betrunken ein Käfer halt sein kann. Aber dann ist ja die Rede davon, dass der flache Käfer liegen bleibt, also findet das Torkeln wohl nicht in dieser eingeschobenen Davidoff-Anekdote statt, sondern auf der normalen Handlungsebene. Das fand ich alles etwas verwirrend. Möglicherweise weil im Text der Absatz nicht so genau zu erkennen ist. Möglicherweise auch weil mir die Verbindung zwischen Davidoff und Torkeln recht sinnvoll erscheint. Und du ja auch schreibst, dass die Käfer das Zeug nicht mögen. Und dann fangen sie an zu torkeln und davonzuhuschen. Das kam mir alles recht stringent vor. Kurzum, ich würde die Trennung zwischen der Anekdote und der Fortsetzung der eigentlichen Handlung klarer machen.

„Mein Gott“, meine Mutter atmet scharf ein

atmete

Hallo, Novak!

Ich muss gestehen, beim ersten Lesen war deine Geschichte nur schwer zugänglich für mich. Vielleicht weil ich mich zu sehr mit Dingen aufgehalten habe, die du bewusst unklar lässt. Ich wollte wissen, was es mit den sich verschiebenden Wänden auf sich hat, wie Fred genau gestorben war, weshalb die Mutter an einer Stelle Katharina heißt und an anderer Mona. Der Erzähler ist halt unzuverlässig und mit unzuverlässigen Erzählern tu ich mich schwer.

Das zweite Lesen fiel mir dann leichter (komisch :dozey: ), konnte mich eher drauf einlassen und dann hat das Geschehen insgesamt für mich auch mehr Sinn ergeben. Theo flüchtet sich halt in eine Käferwelt, eine Welt, in der er den Käfern die höchste Fürsorge zukommen lässt, vermutlich als Kompensation für Freds Tod und für seine Rolle dabei, wie immer die auch genau ausgesehen haben mag (hat er Fred womöglich von seinen Qualen erlöst?). Und alles außerhalb dieser Welt ist er kaum in der Lage zu begreifen.

In diesem Kontext die Sache mit der Katze. Die Stelle fand ich am schlimmsten. Zum einen weil ich generell etwas empfindlich bin, wenns um Gewalt gegen Tiere geht. Zum anderen weil es hier so ..., ja, leise geschieht. Der Theo weiß ja gar nicht, was er da tut, will der Katze eigentlich nur beibringen, dass sie die Käfer nicht anrühren darf und ist sich nicht im Klaren darüber, dass das nicht funktionieren kann. Und dann ist das Gesicht der Katze plötzlich irgendwie ein bisschen schief und dann röchelt sie und dann wird sie still. Und er versteht das gar nicht, sondern weint, weil der Käfer, der von der Katze angegriffen wurde, sich nicht mehr regt. Seine Mutter ereilt das gleiche Schicksal. Auch ihr will er etwas über Käfer beibringen (und über Fred) und dabei stirbt sie, ohne dass er versteht, was tatsächlich passiert. Nach seiner eigenen Auffassung geht es ihr am Ende gut.

Ja, alles ziemlich bitter irgendwie. Leider kann ich dir keine wirkliche Textkritik geben, da ich objektiv nichts an der Geschichte auszusetzen habe. Ich kann die Begeisterung der meisten Kommentatoren nachvollziehen, auch wenn ich selbst vielleicht nicht völlig hin und weg bin. Das liegt halt an meinem Geschmack, ich habe die Dinge lieber etwas klarer. Aber nicht dass du mich falsch verstehst: Die Geschichte hat mir gefallen. Vor allem hat sie mir umso besser gefallen, je mehr ich über sie nachgedacht habe. Das ist ja auch was :D

Liebe Grüße
Mix

PS: Beim Überfliegen der Kommentare ist mir aufgefallen, dass viele über das Alter des Protagonisten spekulieren. Darüber hab ich auch nachgedacht. Große, schwere Hände soll er haben und ist stark genug, seine Mutter in ein Wandloch zu stoßen. Mein Gedanke war, dass er älter sein könnte, als es den Anschein an. Vielleicht 15 oder so und dann mit geistiger Behinderung. Wie er dann allerdings unter den Tisch passen soll, weiß ich nicht.

 

Hallo Novak,
Puh, schon so viele Kommentare. Keine Ahnung, ob ich da noch etwas Sinnvolles beitragen kann, das noch nicht geschrieben wurde. Aber ich werde es versuchen.
Zunächst einmal: Hat mir gut gefallen, deine Geschichte. Ein Grauen, das sich da langsam breit macht, subtil erst, mehr eine Ahnung, das sich dann immer mehr steigert, je mehr wir erfahren über Theo, den Käferkönig, sein Umfeld und die Vergangenheit.
Das ist gut geschrieben, eine Andeutung hier, ein Theo-Monolog dort, und so langsam breitet sich das ganze Ausmaß aus. Du triffst für mich die Sprache/Denkweise dieses speziellen Charakters darüberhinaus sehr gut. Kompliment.
Mich hat Theo spontan an den Lennie aus "Von Mäusen und Menschen" erinnert, obwohl Steinbecks Protagonist kein Kind mehr ist, aber diese (ich nenne es jetzt mal so) Beschränkheit, gepaart mit körperlicher Stärke (wie wir zum Schluss deiner Geschichte erfahren) ließ mich sofort an dieses Büchlein denken.

Kommen wir zu den Sachen, die für mich etwas unlogisch waren.
1. Die Sache mit dem Loch in der Wand. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass jemand ein Loch in eine Holzwand schlägt, und es fällt niemandem auf. Das ist doch laut, zumal mit einem Hammer, und überhaupt, woher nimmt denn Theo die notwendige Kraft. Gut, vielleicht ist er ja gar kein Kind mehr, möglich.
2. Wie auch schon woanders angemerkt: Wie schafft es Theo, seine Mutter in dieses Loch zu stoßen, noch dazu so stark, dass sie dabei umkommt (Schädelbruch?)?
3. Wieso durchsucht Theos Vater nicht die Wohnung/das Haus, nachdem Theos Mutter verschwunden ist? Ich meine, er würde doch wenigstens einen Blick in das Zimmer werfen, und da wäre ihm der Vorhang aufgefallen, meine ich.

Aber abgesehen davon hat mich die Geschichte gut unterhalten: sie ist atmosphärisch packend, ich wollte unbedingt weiterlesen. Das Ende könntest du noch etwas mehr anbahnen, ein bisschen Dramatik rein. Mutter wehrt sich, Theo ist hin und her gerissen, irgendetwas in der Art.

Nun denn, Novak, von mir auch noch einen Glückwunsch für die Empfehlung. Auf jeden Fall berechtigt, eine gute Geschichte, die ich gern gelesen habe.

Beste Grüße,
Fraser

 
Zuletzt bearbeitet:

Jetzt kommt eine Fortsetzung ...

Hallo lieber Geschichtenwerker
vielen Dank für dein großes Lob. "Großartige Geschichte" hört man natürlich gerne oder dass jemand darüberhinaus die Geschichte auch noch empfehlen will, obwohl er noch nicht so lange dabei ist.

Froh aber war ich auch über deine sonstigen Rückmeldungen, ob das nun der "Tag" (Stichwort) war oder Charakterisierungen und Spannungsaufbau. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass einem das gelingt, oder auch dass Informationen (wie zum Beispiel, dass es sich bei den Käfern um Kakerlaken handelt) beim Leser ankommen. Da ist man auf Feedback angewiesen und muss sich aus der Summe der Rückmeldungen seinen Reim machen.

Ich komm gleich mal zu dem für mich wichtigsten Punkt. Dot und viele andere später hatten ja die eigentliche "Kampfszene" in Freds Zimmer gemeint, dass da die Mutter sich zu passiv verhalten würde, zu leicht verunglücken würde, das ginge zu glatt. Du aber meinst, wenn ich dich richtig verstehe, schon die Stelle, als Theo sie zu dem Zimmer hinführt. Du schreibst dazu:

Ich sehe aber eher die Entwicklung der Mutter, der bewusst wird, wie sehr sie ihren Sohn ablehnt ("Freak") und versucht, auf ihn zuzugehen. Vielleicht sind die Muttergefühle gerade stärker und verdrängen das ungute Gefühl, dass Theo doch etwas mit dem Tod von Fred (und der Katze) zu tun hat. Vielleicht schlägt auch ihre Depression durch. Wie auch immer, hier fehlt mir tatsächlich etwas die Nachvollziehbarkeit, warum die Mutter sich so einfach übertölpeln lässt.
Theo fragt die Mutter, bevor sie sich "abführen" lässt, ob sie den Fred auch ausgeräuchert hätte wie die Käfer. In meiner Vorstellung ist es so, dass die Mutter durch Freds Tod schwer verunsichert ist. Sie hat ihn vermutlich schon immer stärker gemocht als den kleineren seltsamen Bruder. Und sie gibt insgeheim ihm die Schuld an seinem Tod. Meine Idee war, dass Theos Vorwurf, sie hätte den Fred ausgeräuchert, sie an einer sehr dünnhäutigen Stelle trifft. Mütter, die ein Kind verlieren haben manchmal das Problem, dieses schreckliche Schicksal dadurch "kontrollierbarer" zu machen, dass sie sich oder jemand anderem die Schuld an dem Geschehen geben. Obwohl das tausendmal schädlicher ist, als das Schicksal "anzunehmen". Aber wer ist schon auf Anhieb so "vernünftig" oder weise. Als sie mit diesem Vorwurf konfrontiert wird, gelingt es ihr nicht mehr, den üblichen Verdrängungsmechanismus einzusetzen und sie bricht fast ein wenig zusammen, was ich mit der Schlenkerpuppe verdeutlichen wollte. Vielleicht sollte ich das noch ein wenig mehr zeigen oder ihre Reaktion intensiver an den Leser bringen. Muss ich sehen. Möglicherweise schaffe ich es ja, dadurch die bachfolgende Szene im Zimmer selbst nachvollziehbarer zu machen. Und ich könnte die Mutter dadurch von vornherein verletzlicher, angreifbarer und anfälliger machen. Wäre zumindest eine Idee oder ein Ansatzpunkt – danke dafür.

Ich finde die Ich-Perspektive einerseits sehr reizvoll, andererseits passt (manchmal) der Schreibstil nicht zu Theo. Zum Beispiel würde Theo nach meinem Empfinden den ersten Satz so nicht formulieren.
Ich kann diese Kritik sehr gut nachvollziehen. Ich bin mir sogar sicher, dass es viele weitere Stellen gibt, die Theo so nicht sagen würde. Wenn man nur so schreiben würde, befürchte ich, wie das Kind sprechen würde, würde der Text glaube ich ganz schön blöd klingen. Ich glaube, dass man sogar, um den Text lesenswert zu machen, ein bisschen über die reine Ich-Ebene hinausgehen muss. Die Schwiergkeit ist nur, das geschickt genug zu machen. Und das ist mir an der Stelle dann wohl nicht so ganz gelungen. Da ich den Anfang sowieso nachschauen wollte, guck ich sie also auch daraufhin noch einmal nach.

Zum Alter: Gedacht ist Theos Alter als ca 9 oder 10 Jahre alt. Division wird in unterschiedlichen Bundesländern zu unterschiedlichen Zeiten eingesetzt.
Ich weiß aber, dass es auch kleinere Kinder gibt, die Tiere wie den Käfer oder die Katze töten können von ihrer Kraft her. Und im Falle Theo habe ich deutlich gemacht, dass er im Zorn oder im Gefühl absoluter Berechtigung gar nicht merkt, wie sehr er seine Kraft einsetzt und wie diese wirkt. Er merkt ja noch nicht mal seinen eigenen körperlichen Schmerz. Er nimmt eigene Gefühle (wie Schmerz oder Freude oder Traurigkeit) zum Teil entpersonalisiert wahr. Im Falle der Mutter ist diese besonders verletzlich durch die Situation, dadurch kann er sogar einer Erwachsenen Leid zufügen, ohne dies so zu wollen. Ich denke schon, dass sowohl entpersonalisierte Wahrnehmungen als auch gestörte Impulskontrolle zu diversen Krankheitsbildern Kinder und Jugendicher passen. Und dass die Entwicklung sowohl von Kraft und Größe bei aller Vergleichbarkeit doch sehr unterschiedlich verläuft. Da muss ich nur an eine fünfte Klasse denken, wo es bereits junge Damen gibt, aber eben auch kleine Grundschulwichte. Große und kleine Typen mit ganz unterschiedlichen Kräften.
Ein Junge mit Downsyndrom hat es mal geschafft, im Überschwung seiner Gefühle (er hatte mich lange nicht gesehen und wollte mir seine Freude zeigen) mich umzuschmeißen und ich war auf die "Freude-Attacke" gefasst. Trotzdem kann ich es verstehen, dass das Bild diffus für dich ist. Das Problem ist ja einerseits, so einheitlich und allgemein gleichlaufend empfinde ich die kindliche Entwicklung nicht. Aber ob diese Beobachtung in einer Geschichte dann nachvollziehbar ist? Ich hatte es gehofft. Aber vielleicht löst sich da ja was durch die softe Überarbeitung von Anfang und der Stelle, als Theo die Mama zu Freds Zimmer führt. Vielleicht wird das dadurch klarer und logischer.

Lieber Geschichtenwerker, hab großen Dank für deine Rückmeldung.
Viele Grüße von mir
Novak

Liebe RinaWu

Novak, ich bin zutiefst verstört. Von deinem Theo, der so eine bezaubernde Sprache hat, der depressiv wegen der vielen Es nicht ausstehen kann, der irgendwie mein Herz berührt. Gleichzeitig schrecke ich vor ihm zurück, ich stelle ihn mir vor, in diesem dunklen Zimmer mit seinen Käfern, wie er Löcher in die Wand reißt, sich zwischen die Rohre legt und sich Zärtlichkeit bei Schaben holt, weil sie ihm seine Eltern nicht geben. Der sich in kleine Katzen verliebt, weil sie kaputt aussehen, der aber nicht mit der Wimper zuckt, wenn er ihnen das Genick bricht. Ich versuche, ihn zu greifen, aber das ist echt schwer. Und das find ich verdammt gut. Meine Fresse, Kompliment, da hast du wirklich einen Jungen erschaffen, der mich umhaut. Ich ekel mich vor ihm und will ihn gleichzeitig in den Arm nehmen.
RinaWu, ich bin ganz fix und fertig, weil du den Jungen genau so widersprüchlich und irgendwo auch schrecklich zeigst, wie ich ihn erschaffen wollte.
Ja, was will man mit so einer Geschichte? Vielleicht zeigen, dass Gutes und Böses so furchtbar nahe beieinander liegen? Dass Monster auch Menschen sind? Ich weiß es nicht, aber es ist mir ein tiefes Anliegen, das merke ich immer wieder, das Gute im Schlechten und das Schlechte im Guten zu zeigen. Vielleicht, weil mir die Selbstgerechtigkeit, die immer genau weiß, wo es lang geht, oder was falsch und richtig ist, diese schreckliche Gewissheit des moralischen Anstands so furchtbar auf den Sack geht. Ich empfinde so ein Kind als tragisch. Und diese Tragik wollte ich zeigen. Eine Sphäre, eine Welt, wo keiner schuld hat oder schuldig ist und sie alle Fehler machen und wo nur eine Handbreit einen dummen kleinen Jungen von einem Totschläger trennt. Ach, tut mir leid, ich vergesse mich, aber mich hat das einfach so wahnsinnig gefreut, dass auch du dieses Kind verstanden hast mit all den tragischen Konsequenzen.

Dann die Mutter, die alles wegschmeißt, was hässlich ist, angeschlagen, nicht perfekt. Die ihren eigenen Sohn nicht mehr erträgt, vielleicht sogar hasst. Ich frage mich, ob Theo wirklich so grob und unheimlich ist, wie sie ihn sieht oder ob er vielmehr hilflos gefangen ist in dieser seltsamen kleinen Welt, die er sich mit seinen Käfern geschaffen hat.
Das ist er wohl. Gefangen. Eine zerbrochene Mutter, ein zerbrochenes Kind, das aus seiner Welt nicht mehr herauskommt. Darum ging es mir wohl.

Danke für die zitierten Stellen. RinaWu ich freu mich immer total darüber, weil mir das super hilft. Weißt ja, man braucht oft allgemeines Feedback, um Kritik sortieren zu können. Der eine findet die Stelle gut, der nächste nicht. Da relativiert sich dann viel und man kann seinen eigenen Geschmack regieren lassen. Wenn aber alle auf einer Stelle rumhacken, die man selbst wunderschön findet, dann neigt man doch zähneknirschend zu einer gewissen Offenheit für Änderungsvorschläge. :)

Alter Schwede, das trifft mich ganz schön. Außerdem finde ich aber bemerkenswert, wie sich hier der Kreis schließt. Theo, die Käfer, das Loch, die Rohre, ihr Getrippel, Fred.
Das hatte ich so gar nicht bemerkt. Aber stimmt.

RinaWu, ich danke für den Besuch, deine Einschätzung des Textes. Das hat mir viel Spaß gemacht und ich hab mich gleichzeitig sehr gut verstanden gefühlt.
Und danke auch noch einmal für die Empfehlung.
Viele Grüße von Novak


Hallo lieber Bas

das war spannend, deinem Lesen zuzuschauen, denn daran hast du mich teilhaben lassen. Man merkt als Autor dadurch, welche Stellen es sind, die den Leser an den Haken hängen.

Was ein Glück, dass ich das getan hab. Weiter geht es mit aus dem Nichts erscheinenden Wänden und einem der schönsten Wörter, dass ich seit langem gelesen habe - Pisshorst.
Dass Theo im Zimmer des - mittlerweile ist es zur Gewissheit geworden - verstorbenen Freds dann noch den "toten Schabenbruder" spielt und das Ungeziefer auf sich herumkrabbeln lässt, hätte mir wahrscheinlich eine Gänsehaut verpasst, wenn meine Haut nicht gerade damit beschäftigt wäre, zu schmelzen, weil es so warm ist.
Den Pisshorst mag ich auch gern. Eigentlich ist das eine Zusammenstellung von mir. Aber ich bin mir ganz sicher, irgendwo habe ich das, ohne es zu merken, aufgeschnappt. So ist das immer. Das Hirn ist schon ein super Schatzkästlein.

Wie hast du es eigentlich geschafft, schon beim ersten Erwähnen von Fred einen Hauch von Trauer über den armen Kerl auszubreiten? Ich schaue nochmal nach, hm, nein, eigentlich lässt nichts direkt darauf schließen, dass er tot ist ... Ich scheine es hier mit einem Wortzauberer zu tun zu haben.
Nein kein Wortzauberer und Hebelbeweger, nur viel Arbeit und viel Lesen und immer mal wieder was ausprobieren. Und gibs zu, du kannst das doch auch. :D
Ich hätte ja sogar noch, wie mir jimmysalaraman[/Mention]gezeigt hat, die Info um Fred am Anfang noch karger gestalten können, du hättest es trotzdem gemerkt, dass was mit und um ihn nicht stimmt. Da trau ich dem Jimmy, werd das also wohl mal probieren.


Darf ich noch so frech sein, dich auf ein paar Kleinigkeiten hinzuweisen?
Immer und gern.

entfernte jedes Stäubchen
jeden Staubkorn fände ich hier passender
Stimmt. Klingt besser.

Die Stimme klang nach Tante, die einen auf Katze machte. Aber egal.
Das "einen auf Katze machen" klingt mir zu jugendlich/erwachsen. Ist ja immerhin der Theo, der mir das erzählt.
Knurr. Will behalten.
Aber ich behalts natürlich im Koppe.

... Mama, du musst sie nur kennen lernen.“
kennenlernen
Darf man so oder so. Glaubs mir, ich war früher Rechtschreibfolterer. Aber die vom Duden empohlene Schreibweise (und an die halte ich mich, wenns geht) ist die getrennte.

Fühle dich gelobt und bewundert für dieses kleine Meisterwerk.
Vielen Dank zurück. Das Lob hat mich sehr sehr gefreut. Vor allem, weil ich eigentlich gar nicht damit gerechnet hatte. Du bist ja noch gar nicht lange da und ich hatte dich zwar kommentiert, weil ich die empfohlenen Geschichten ganz gerne kommentieren mag, die sind immer gut und es macht Spaß, sie zu kommentieren. Aber daraus kann man ja einen Gegenkommentar weder erwarten noch erhoffen. Und schon gar keine Empfehlung. Umso mehr hat mich das also gefreut.
Lieben Dank noch einmal.

Viele Grüße von Novak

 

Lieber Eisenmann, ich glaube, ich liebe einfach deine wunderbaren Geschichtenrezepte und Lösungsmöglichkeiten, die so wunderbar unprätentiös rüberkommen. Mit Genuss habe ich auch das Geplänkel zwischen dir und Anne49 gelesen. Bitte mehr davon in Zukunft unter meinen Geschichten. Ist irgendwie wunderbar eklig inspirierend. Sowohl dein Kakerlaken-McDrive als auch Anne49s Rudi-Whopper.
Aber jetzt mal Dankeschön für deinen Besuch überhaupt. Hat Spaß gemacht. Und Danke auch fürs Fingerlegen auf Schadstellen. :)

Du hast es sehr gut hinbekommen, den kleinen Psycho so herrlich kindlich unschuldig erzählen zu lassen, während er seine Kills ausführt. Das ist schon mal ein sehr großer Pluspunkt. Vor allem musste ich bei aller Norman-Bates-artigen Verrücktheit immer daran denken, dass der arme kleine Kerl im Grunde genommen auch nur ein bedauernswertes, hilfloses Opfer ist. Und bei seinem Alter hast du ebenfalls sehr schön diese verstörende Eigenschaft beschrieben, dass Kinder sehr grausam sein können, ohne dabei ein echtes Unrechtsbewusstsein zu haben - Schlechtigkeit liegt halt in unserer Natur!
Ich habe es schon in der Antwort an RinaWu geschrieben, ich mag einfach gerne Texte schreiben, in denen Täter und Opfer vielschichtig sind. Das Gute und das Böse wohnen einfach nahe beieinander. Ich hab mal einen kleinen Jungen erlebt, ich hab das best. schon irgendwo geschreiben, weil mich das sehr beeindruckt hat, der ein Häschen zu Tode geherzt hat. Er hat einfach seine Kraft nicht richtig eingeschätzt.

Die "Mutter" (den Ausdruck verdiente diese egoistische Bitch eigentlich nicht!) hast du prima negativ portraitiert!! Klar, Fred zu verlieren ist sicher ein ziemlich krasses Ding gewesen, keine Frage! Furchtbarer Schicksalsschlag. Umso wichtiger, dann für ihr anderes Kind da zu sein. So, wie du sie dargestellt hast, ihre grausame Kaltherzigkeit, die Dehumanisierung ihrer Person (statt "Mama" zukünftig "Katharina" zu sagen - spitze!!) - wirklich gut!
Ja, die Mutter ist schon böse, das stimmt. Aber irgendwie empfinde ich sie auch als Opfer ebenso wie den Jungen. Je nachdem werden sich Leser immer auf eine der beiden Seiten stellen oder innerhalb einer der Personen auf die beiden Seiten, die diese Personen eben haben. Das ist es, was mich hier interessiert hat. Und insofern war ich auch über Annes Konter zur Mutter ein klein wenig froh. Wenn man die Sache versucht, objektiv zu betrachten, tragen beide Figuren Opfer- und Täterzüge.
Jedenfalls bin ich über den Einfall mit dem Vornamen immer noch froh. Danke, dass dir das aufgefallen ist.

Also ich wünsche jeder Vertreterin und jedem Vertreter der Gattung Blattella germanica beim Verzehr der Überreste von "Katharina" ein herzliches "Bon appétit"!
:D

Einziger -kliiiiiietzekleiner Kritikpunkt - der Tötungsakt von Theo an seiner Rabenmutter! Das ging mir ein bisschen zu flott. Klar, du hast ja beschrieben, dass Theo ziemlich stark ist - aber immerhin dürfte es für einen 10-jährigen Steppke trotzdem nicht so ohne weiteres möglich sein, einen erwachsenen Menschen umzubringen, jedenfalls nicht mit bloßen Händen. Lass doch noch mal den Hammer zu Einsatz kommen, mit dem er die Wand aufgekloppt hat. So ein schöner Schlag mit der spitzen Seite auf den Hinterkopf ...
Den Punkt haben ja viele bemerkt. Im Moment existieren zwei Vorschläge: Die Kampfszene auszubauen. Oder schon vorher aus dieser Szene auszublenden.
Beides hat für mich Vor- und Nachteile. Wenn ich den Kampf verdeutliche, kann es passieren, dass der Theo die Mutter nicht mehr "aus Versehen" also mehr oder weniger durch einen Unfall tötet, sondern durch pure Absicht. Und so sehe ich ihn ja gar nicht. Wenn ich aus der Szene rausgehe, sehe ich jetzt schon die Entrüstung vor mir, dass man dann ja gar nicht weiß, was passiert. Ich weiß es selbst noch nicht, was ich machen soll. Hab es noch nicht entschieden und lass es einfach mal noch auf mich wirken.
Eine dritte Variante hatte ich mir noch überlegt, die steckt in der Antwort an Geschichtenwerker, der mich auf die Stelle davor aufmerksam gemacht hat, als Theo seine Mutter fragt, ob sie den Fred ausgeräuchert hätte.
Da habe ich sie als Schlenkerpuppe (aus der Sicht des Jungen) bezeichnet. Diese Reaktion (so habe ich mir überlegt, könnte ich verstärken in Richtung Traumatisierung, eine Verdrängung, die jetzt zusammenbricht und sie wehrloser macht. In meiner Vorstellung ist es so, dass die Mutter durch Freds Tod schwer verunsichert ist. Sie hat ihn vermutlich von vorneherein stärker gemocht als den kleineren seltsamen Bruder. Und sie gibt insgeheim ihm die Schuld an seinem Tod. Mütter, die ein Kind verlieren, haben manchmal das Problem, dieses schreckliche Schicksal dadurch "kontrollierbarer" zu machen, dass sie sich oder jemand anderem die Schuld an dem Geschehen geben. Obwohl das tausendmal schädlicher ist, als das Schicksal "anzunehmen". Aber wer ist schon auf Anhieb so "vernünftig" oder weise? Als sie mit diesem Vorwurf konfrontiert wird, gelingt es ihr dann nicht mehr, den üblichen Verdrängungsmechanismus einzusetzen und sie bricht fast ein wenig zusammen, was ich mit der Schlenkerpuppe verdeutlichen wollte. Diesen teil jedenfalls könnte ich also intensivieren und möglicherweise schaffe ich es ja dadurch die nachfolgende Szene im Zimmer nachvollziehbarer zu machen.
Oder es wird eine Mischung aus allen drei Sachen. :)

Vielen Dank noch mal für deinen Besuch.
Weiterhin eine zügellose wunderbare Fantasie wünscht Frau Novak :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Anne49

Ich muss mich mal entschuldigen, bevor ich weiterschreibe, bei dir und allen anderen nachfolgenden Kommentatoren.
Die Antwort an Eisenmann hatte ich schon geschrieben, deshalb ist die noch recht ausführlich und ordentlich geschrieben. Aber jetzt muss ich mich knapp fassen. Irgendwas stimmt mit meinen Fingern nicht mehr. Tun weh beim Schreiben.


Danke dir sehr für deinen Besuch, das Lesen, Loben und Tipps geben.

Das hier habe ich sehr genossen:

Ich habe diese Geschichte nägelkauend verschlungen, obwohl sie mal so NULL in mein Beuteschema fällt, mit ihren Tags Horror, Seltsam, Sonstige. Ihgitt, um diese Art Geschichten mache ich normalerweise einen großen Bogen. Aber der Titel hat mich neugierig gemacht, und außerdem hast du mir ja auch ganz viel zu meiner Geschichte geschrieben. Also habe ich angefangen zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. Toll!

Ich könnte nicht sagen, dass ich mich bei der Lektüre wohlgefühlt hätte. Aber die Geschichte ist vielschichtig. Die Figuren in ihrer Not sind so plastisch.
Das ist mir so sauwichtig beim Schreiben. Und wenn du schreibst, das käme dir plastisch vor, dann fühl ich mich echt gebauchpinselt.

Warum man die Käfer vergast und sagt, dass sie hin sind, und bei Katzen und Menschen läuft das anders - so richtig können die Erwachsenen dem Theo das ja ehrlich gesagt nicht erklären.
Ist ja auch nicht ganz einfach, für ein Kind da einen Unterschied zu erklären, bes., wenn es Verbindungen zu einem der Tiere aufgenommen hat. Tät mich da auch schwer.

muss ich mal die Mutter in Schutz nehmen. In dieser Familie, in dieser Geschichte gibt ausnahmslos nur Opfer. Der kranke Theo, der nicht mehr zur Schule geht, aber anscheinend auch keine Therapie erhält. Der andere Sohn gestorben ... Die Frau ist einfach nur fertig.
Wenn du mal in die Antwort an Eisenmann schaust? Ich denke mir, das ist immer eine Frage des Standpunktes, wenn man gerade schlimmer oder weniger schlimm findet. Beide sind Täter und Opfer.

... ob eine Walze stampfen kann. Ich finde nicht. Da werden irgendwie zwei Bilder miteinander vermischt, die sicher beide passen ... Jetzt habe ich das doch tatsächlich gegoogelt und Walzen gefunden, die stampfen, im Baugewerbe ...
Trotzdem prüf ich noch mal nach.

Vielen Dank Anne fürs Besuchen und Dableiben und Feedback hinterlassen.

Liebe Kanji
nur kurz, weil wehe Finger.
Ich glaube, deine andere zeitliche Einordnung kam auch daher, dass die Gesch ursprünglich in Spanien in einem Dorf spielen sollte. Dann habe ich das geändert. Daher Jahrmarkt und Labyrinth.
Ansonsten zwar Neuzeit, aber die Geschichte ist insges schon bisschen oldschool. Von daher trifft es sich wieder.

Ein Drama ist es. Eine Tragödie.
Genau. Tragödie. Nur dafür gibts leider keinen Tag. Ich nehm immer "Sonstige", wenn ich Drama will.
Danke noch einmal für deinen zweiten Besuch und die Rückmeldung.

Lieber Gruß von der Novak


Und auch dir, lieber Willi ein ganz großes Dankeschön für deinen Besuch in meinem Geschichtsfaden und für das Dalassen deines Eindrucks. Am besten fand ich, dass es bei dir überall kribbelt. :D
Viele Grüße von Novak


Lieber Asterix
leider nur knappe Antwort wegen meiner wehen Krabbelfinger.

Deine Geschichte bewegt sich auf der Grenze zwischen Alltag und Horror, da ist „Seltsam“ gar nicht verkehrt gesetzt.
„Seltsam“ öffnet natürlich manches Schlupfloch für den Autor, falls er in Erklärungsnot gerät.
Das tut sie. Das mit dem Schlupfloch muss ich mir merken. :) Aber für die von vielen kritisierte Unfallszene will ichs doch nicht anwenden. So nach dem Motto: Was willst du, ist doch mit Seltsam getaggt. :D Nee, bin noch am Überlegen.
Ja, Auswahl war für mich nicht so einfach, hast ja mitgekriegt, gerade weil es so ein Grenzgeschichterl ist.

Ich denke, der Junge entwickelt seine Affinität zu den Krabblern, weil sie genauso hilflos und durch höhere Macht sterben wie sein Bruder Fred. Hinzu kommen wohl noch Schuldgefühle, von innen, weil er beim Sterben dabei war, ohne etwas tun zu können, und auch von außen herangetragen, durch die Mutter, deren Verhalten er falsch deutet.
Ja, so war das von mir gemeint.


Alle Detailanmerkungen übernehme ich, wie du sie angemerkt hast, also zum Beispiel die 3x mal rausschmeißen u.ä. oder ich weiß was noch nicht ganz genau, überleg es aber gründlich.

„Theo!“ Ich drehte mich um. Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet.
Hat er das schon mal gemacht?
Ist sein Gedanke. So nach dem Motto, er könnt sich gut vorstellen das zu machen. So wie die Käferkette für die Schwester. Ist das irgendwie missverständlich?

Ich hob den Käfer auf und setzte ihn neben die Fußleiste, da konnte er sich in das Röhrengewirr retten.
Da denke ich, der Käfer konnte sich tatsächlich retten. Konnte er aber nicht.
Ist auch Theos Gedanke. Ich hatte gehofft, das merkt man. Prüf ich nach.

Ich hatte mich unter den Tisch im Esszimmer geschlichen. Dort konnte ich bei den anderen sein, ohne dass die mich sahen oder fühlten.
Ich glaube, an der Stelle dachte ich zum ersten Mal intensiver über Alter und Größe des Jungen nach.
In meiner Vorstellung ist der so etwa 9 bis 10 Jahre alt, klein von Wuchs, aber sehr kräftig. Ich denke, das haut noch hin.

Ganz lieben Dank, Asterix für deinen Besuch beim Käferkönig. Und vor allem für die Textarbeit. Allein übersieht man doch immer eine Menge. Gerade ich zum Beispiel mit meiner "mal" Vorliebe. Leider ändern sich solche Vorlieben. Denn normalerweise suche ich solche Lieblingsfüllerchen, damit ich sie killen kann. Sollte man öfters am Ende noch mal machen, nach Füllwörtern suchen lassen.
Viele Grüße von Novak

 

Huhu liebe Novak!

Die Antwort an Eisenmann hatte ich schon geschrieben, deshalb ist die noch recht ausführlich und ordentlich geschrieben. Aber jetzt muss ich mich knapp fassen. Irgendwas stimmt mit meinen Fingern nicht mehr. Tun weh beim Schreiben.

Vielen lieben Dank ganz persönlich an dich für deine ausführliche Antwort, in der du auf meine Anmerkungen so bedacht eingegangen bist - dann macht das Kommentieren ja gleich nochmal so viel Spaß!!:)
Aber das soll jetzt nicht bedeuten, dass du dir - im wahrsten Sinne des Wortes! - die Finger wundschreiben sollst!! Oh Mann - ich puste grad auf meinen Monitor und hoffe, dass das auf deinen Fingern auch ankommt!!:D
Und heute abend trinke ich einen ... mal überlegen ... ja genau, einen Hennessy auf deine baldige Genesung!

Es schickt virtuelle Gute-Besserung-Wünsche und Blumen der EISENMANN

 

Lieber Peeperkorn

Eventuell hast du es schon mitgekriegt, muss leider knapp antworten wegen weher Finger.
Ein ganz großes Dankeschön für deinen Kommentar und deinen Leseeindruck, der mich sehr zufrieden, aber auch nachdenklich gemacht hat.

obwohl dein Text natürlich ganz eigene Wege geht.
Das tut er. Kommen wir zu deinem kritischen Blick.
Was den Anfang betrifft, hast du wunden Punkt angesprochen. Hatte schon eine best Reihenfolge (mit dem zuerst etc) gemeint. Und jetzt kapier ich leider nicht, warum es nicht gehen soll, dass dem seltsamen Kind Größenverhältnisse zw Bekämpfer und Bekämpftem auffallen, es danach Gefallen findet an den Tanzbeinchen und dann die Augen dieses Insekts entdeckt? Oder liegt es mehr an dem "zuerst"? Ist mir nicht ganz klar geworden, da bin ich vielleicht grad zu dusslig. Aber – egal – wichtig ist ja, du tippst eine Sache an, die eh bisschen an mir genagt hat. Also ev werde ich die Sätze umstellen oder das "zunächst" streichen. Vielleicht relativiert sich dann dein Eindruck? Wenn nicht, meld dich einfach, wenn du dazu Lust hast.

Anders sieht es mit der Käferbekämpfung als solcher aus. Da weiß ich keinen Rat, wie ich deine Kritik lösen könnte. Zur Sache: Normalerweise fliehen die, hast recht, doch sind das sehr viele, schwirren die schon mal durch den Raum (hab ich selbst schon erlebt in der Domrep & anderswo) und sind so fett und fies und bräsig und selbstsicher, dass sie absolut nicht sofort abhauen. Zum teil haben die Lieblingsstellen und bleiben da hocken, auch wenn du genau unter ihnen stehst. Also kann es schon sein, dass wütender Mensch mit Flasche oder Schlaginstrumenten aller Art wie Badelatschen auf die losgeht. Und das Beseitigen der Leichen od Halbleichen erfolgt erst nach dem Kampf.
Aber: eine wirklich erfahrene, abgebrühte Kaker kannst du mit den herkömmlichen Sprühflaschen nicht endgültig töten. Da stirbst eher du. Die werden resistent, erholen sich und schon sind sie wieder da. Musst das Nest finden. Trotzdem spüren die das Gasgeballer ja auch erst mal und sind betäubt.
Also vielleicht fällt mir was dazu ein, aber ich muss auch aufpassen, dass ich den Text nicht übererkläre.
Andere Anmerkungen übernehme ich gerne und mit großem Dank.

ich bin da selbst auch nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt, trage gerne mal (zu) dick auf. Und es ist auch vor allem ein Empfinden, ein Bauchgefühl, das mir sagt, dass das too much ist. Was genau ist das Motiv, so heftig zuzustossen, dass die Mutter stirbt? Er will ihr ja nur das Versteck zeigen, oder? Aber selbst wenn, ich fand es schade, dass die grandiose und subtile Charakterzeichnung in diese erzählerisch eher grobe Szene mündet. Du erlaubst dir damit ja auch eine Auflösung der ganzen Tragik, indem du sie mit einer noch grösseren Tragik zuschüttest, weisst du, was ich meine?
Auch hier verstehe es leider nicht ganz. Ich will diese Tragik ja haben einerseits. Nur nicht so, dass der Junge das absichtlich macht. Im Moment kann ich mir schlüssiges Ende ohne die letzten Abschnitte nicht vorstellen.
Ich verstehe dich so, dass du die Szene gern ruhiger hättest? Oder subtiler?
Oder meinst du, die Szene soll ganz weg und and Ende?
Oder meinst schneller rauzoomen?

Lieben Dank dir für dieses Zitat:

Davon abgesehen hat dein Text etwas geleistet, was nur grosse Texte leisten: Er hat mich im Kopf eines anderen Menschen sein lassen, mich an Gedanken teilhaben lassen, die mir völlig fremd sind, und doch habe ich mich diesem Menschen nahe gefühlt. Ich denke, du wandelst hier genau an der Grenze zwischen Normalität und Irrsinn und das ist eine Kunst.
Das hat mich wahnsinnig stolz gemacht.
Viele Grüße und nochmal einen großen Dank an dich.
Novak


Liebe barnhelm
Auch dir muss ich leider sagen, dass ich versuche, mich knapp zu halten wegen weher Finger. Bisschen schwer für mich geschätzige Dame.
Aber erst mal: Tut mir sehr leid wegen deiner Katze. Von weitem schick ich dir eine tröstliche Umarmung. Ich weiß ein bisschen, wie das ist.

Ein genialer Text, bei dem ich an tausend Stellen spüre, wie viel gedankliche Vor-Arbeit in ihm steckt, wie tief und einfühlsam du dich in die Figur dieses kleinen Monsters hineinversetzt haben musst.
Das ist wahr, war eine lange Zeit, die ich mit diesem Text verbracht hab, deswegen musste er auch raus, obwohl ich nie nie nie zufrieden war. Das Forum ist auch Möglichkeit, mit einem Text abzuschließen. :) Und großen Dank auch hier noch einmal an dich wegen der Empfehlung. Das ist absolut nichts Selbstverständliches für mich, es macht mich stolz und motiviert natürlich auch.

Gleich beim ersten Lesen habe ich mich gefragt, wie alt der kleine Kerl wohl sein mag. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er nicht älter als zehn sein könnte. Seine Sprache, seine gedankliche Naivität, sein Sitzen unter dem Tisch lassen mich nicht glauben, dass er älter ist. Und da frage ich mich: Hat ein so kleiner Junge die Kraft, einer Katze das Rückgrat zu brechen.
Zum Alter zitier ich was aus and Antworten. Gedacht ist Theos Alter als ca 9 oder 10 Jahre alt.
Ich weiß, dass es noch kleinere Kinder gibt, die Tiere wie den Käfer oder die Katze töten können von ihrer Kraft her. Irgendwo anders in einer Antw steht auch, dass ich einen Fall selbst erlebt habe, wo ein kleiner Junge ein Häschen aus Versehen getötet hat.
Im Falle Theo habe ich deutlich gemacht, dass er im Zorn oder im Gefühl absoluter Berechtigung gar nicht merkt, wie sehr er seine Kraft einsetzt und wie diese wirkt. Er merkt ja noch nicht mal seinen eigenen körperlichen Schmerz. Er nimmt eig Gefühle (wie Schmerz oder Freude oder Traurigkeit) zum Teil entpersonalisiert wahr.
Im Falle der Mutter ist diese besonders verletzlich durch die Situation, dadurch kann er sogar einer Erwachsenen Leid zufügen, ohne dies so zu wollen. So war meine Überlegung. Ich denke schon, dass sowohl entpersonalisierte Wahrnehmungen als auch gestörte Impulskontrolle zu diversen Krankheitsbildern Kinder und Jugendicher passen. Und dass die Entwicklung sowohl von Kraft und Größe bei aller Vergleichbarkeit doch sehr unterschiedlich verläuft. Da muss ich nur an eine fünfte Klasse denken, wo es bereits junge Damen gibt, aber eben auch Wichte. Große und kleine Typen mit ganz unterschiedlichen Kräften.
Ein Junge mit Downsyndrom in einer 5. Klasse hat es mal geschafft, im Überschwung seiner Gefühle (er hatte mich lange nicht gesehen und wollte mir seine Freude zeigen) mich umzuschmeißen und ich war auf die "Freude-Attacke" gefasst. Trotzdem kann ich es verstehen, dass das Bild diffus für dich ist. Das Problem ist: Ich empfinde oder sehe die kindliche Entwicklung nicht als so gleichlaufend und allgemein, wie man sich das vorstellt. Aber ob diese Beobachtung in einer Geschichte dann nachvollziehbar ist? Ich hatte es gehofft.

Kleine Probleme hatte auch ich beim ersten Lesen mit der Szene, als Theo die Mutter wie eine Puppe hinter sich herschleift. Das hast du inzwischen geändert:
Verstehe ich nicht, daran habe ich gar nichts geändert. Die Wiederholung von "schieben" etc wird natürlich trotzdem geändert.

Vielleicht hättest du dich gar nicht in die schwierigen Einzelheiten der Darstellung und des Ablaufs begeben und dich ebenso wie bei der Katze auf das Resultat (‚die Szenen unter dem Tisch’) beschränken sollen. Dann könntest du diesen Absatz vielleicht hier enden lassen:
„Das darf man nicht, es muss dunkel sein.“ Mein Atem tat weh, wie wenn ich ganz schnell renne und mir schwarz vor Augen wird. „Mama, guck doch. Nur einmal!“ Ich stieß sie vorwärts.
und dann mit der Tisch-Szene fortfahren
Das hab ich verstanden. Du würdest aus den beiden Tötungsszenen rauszoomen und dem Leser nur das jeweilige Resultat zeigen. Muss überlegt sein. Spontaner Eindruck: Das gefällt mir recht gut für das Ende. Aber die Katzenszene früher zu beenden löscht auch die Seite an Theo (Agression und gestörte Impulskontrolle und die Auswirkung auf andere Lebewesen), dann verstünde man nicht die Tragweite seiner Aggression.
Liebe barnhelm großen Dank für deinen nochmaligen Besuch und deine Überlegungen zu der Geschichte. Das hat mich ziemlich weitergebracht.
Viele Grüße von Novak

Liebe wieselmaus
Dir will ich auch noch mal danken für deinen Besuch.
Zu meinen tags schreibst du u.a.:

Beim Leser ist es wahrscheinlich ungewisser, auch situativ bedingt, von einer aktuellen Stimmungslage geprägt.
Das stimmt. Ich denke mittlerweile ist die Wahl okay.

Ich verstehe, dass du die "Höhlenszene" so drastisch mitleidslos gestaltet hast. Gerade weil es sich um einen kleinen, aggressiven Buben handelt. Hat er nicht die Lehrerin geschlagen wegen dem "Müllrechnen"? Und macht er nicht dauernd etwas kaputt mit seinen kräftigen Händen? Bestimmt kann er seine Kräfte gar nicht richtig einschätzen, das passiert übrigens auch "normalen" Kindern manchmal, man muss nur als Mama mit einem Elfjährigen die Kräfte messen
Ja, genau das war meine Intention, diese Eigenschaft an ihm zu zeigen. Ich habe ein wenig Angst, dass das nicht klar wird, wenn ich aus der letzten Szene rauszoome, wie einige das vorschlagen. Egal, jetzt kümmer ich mich erst mal um meine Hände und pfleg die und denk bissel drüber nach, geht ja auch ohne Pfoten.
Viele Grüße an dich von Novak

 
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„Mein Gott“, meine Mutter atmet scharf ein, „schon wieder. Das ist Ungeziefer, widerliches Ungeziefer. Du sollst die Viecher nicht anfassen, nicht mit ihnen spielen, gar nichts. Wenn du weg bist, kommt der Kammerjäger, der räuchert sie endlich aus.“

Gottseidank neigen Fische wie Michelangelo und Einstein selten zur Gänsehaut,

liebe Novak,

und zum Glück geht alles in Deiner feinen Geschichte (s?)einen natürlichen Gang, wenn die kindliche Welt Theos auf die ordentliche Welt der in aller Strenge durch die Mutter, Mona, repräsentierte Welt der Erwachsenen prallt. Da kann ich mich bequem zurücklehnen dank der reichhaltigen Vorarbeiten der Vorredner und doch dem Käferkönig huldigen.

Aber ach, da wird dann schnell durch die Vorsilbe das vertraute Heim zum Ort un-heimelig heimlichen Geschehens - aus der gehobenen Sicht eines Vormundes.

Sogar Ironie - ob gewollt oder nicht - mag ich in der Namenswahl erkennen: Theo (Kurzform von Theodor, dem Geschenk Gottes), womit auch Glaube und Aberglaube (Namen seien Rauch und Schall - oder eben nicht) in der Geschichte schon abgehakt sind und das sogenannte Böse sich weniger als Schicksal denn Zufall (oder ent-wickelungsmäßigem Un-Geschick) erweist. Was darum um so stärker wirkt, wenn die Sicht des Mündels eingenommen wird. So fällt es schwer, sich über das (manchem sicherlich "ungehörige") Kind zu erheben und zu richten.

Mit der schon genannten Vorsilbe (der gar Sigmund Freud in den kleineren Schriften eine Abhandlung gewidmet hat,) wird das Geziefer (ahd. "zebar", das Opfertier) bereits im mhd. "ungezibere" zum fürs Opfer un-geignete Tier. Aber auch daran müssen sich Käfer mitsamt ihres Königs gewöhnen, dass sie - wie andere Insekten auch - den menschlichen Speisetisch bereichern werden, selbst wenn es die eine oder den andern westl. Zivilisation schütteln wird.

„Warum Mama? Weil sie hässlich sind?“
„Ja, und ungesund.“
„Bin ich auch ungesund?“
„Natürlich nicht.
„Du hast aber gesagt, ich wär krank. Das ist dasselbe wie ungesund.“

Und da ich gerade essen wollte (keine bange, mich ekelt so schnell nix)

Als ob selbst das Essen nachdachte.
Dachte gerade, das sei eine Fluse ... wollt' sie aufheben. Aber Theo, Du kannst doch Konjunktiv ... Wie das Ding heißt, ist doch egal ...

Und hier komm ich ins schleudern - in den Ellipsen:

Depressiv. Zuviele Es.
Nicht, dass "zu viel" allein als Substantiv zusammengeschrieben wird - sondern dass es von diesem "Übermaß" keinen Plural gibt ... Zu viele für ein Zuviel.

So viel oder wenig für heute und wenn es mir nicht gefiele, hätte ich dann vorbeigeschaut?

Tschüss

Friedel

 
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Hallo Novak,

ich schreibe mal meine Eindrücke beim Lesen mit.

Erst war es nur die Zeichnung auf der Sprühflasche, die mir auffiel: Ein gigantischer, roter Totenkopf fraß ein Käferchen.

Gigantisch. Ich weiß nicht. Ich kenne diese typischen reduzierten Bildzeichen auf Medizinflaschen, Unkraut-Ex usw. Gigantisch im Sinne von gewaltig, imposant, kolossal, mächtig, massig, riesenhaft, monumental, titanisch usw. das passt für mich nicht. Auch weil ich mir unter gigantisch eher ein dreidimensionales Objekt vorstelle. Das Detail einer grafischen Darstellung kann für mich eigentlich nicht gigantisch sein. Ich verstehe Deine Formulierung also als bewusste Übertreibung und damit kommt etwas Unernstes in den Satz.

Und meine Mutter natürlich, die war eine Schau, wenn sie nach der Flasche griff.

So hätte es meine Großmutter ausgedrückt. Definitiv keine Jugendsprache.

Ganz tief drin, man muss nur genau schauen, da ist so ein Punkt. Wie ein winziger Schacht, der immer enger wird, und ins Innere des Käfers führt. Dieser Punkt ist das Käferauge.

Das ist sachlich sicher nicht korrekt, entwickelt aber ein schönes Bild. Gefällt mir gut.

Mich erinnerte der Punkt an die Augen von Fred, meinem Bruder. Da mochte ich es nicht mehr, wenn die Käfer auf dem Boden zappelten, bis sie starben.

Ich verstehe die Bemühung eine Verbindung zu Fred herzustellen, um die Sympathie mit den Käfern zu begründen, aber eine Ähnlichkeit zwischen diesem Schacht-Käferauge und einem Menschenauge klingt ein bisschen bemüht. Andererseits wer weiß schon, was uns an wen erinnert. Also kann man vielleicht machen.

„Theo!“ Ich drehte mich um. Die Stimme meiner Mutter klang, als hätte ich ihr was Glibbriges in den Kaffee geschüttet. „Lass die Küchenschaben liegen. Das ist widerwärtig.“

Nee, das geht nicht. Denke ich. Wenn Du mit solchen Bildern arbeitest, musst Du auf bekannte Vorstellungen zurückgreifen. Wir können uns vorstellen, was bedeutet, jemandem Nägel ins Bett zu legen, aber was soll man sich unter "was Glibbriges in den Kaffee schütten" vorstellen. Was wäre das denn praktisch? Das ergibt für mich kein Bild. Außerdem ist glibberig ein Kindergartenwort. Mag sein, dass es hier passt. Zur sprachlichen Problematik von "Aus den Augen eines Kindes"-Texten schreibe ich Dir nachher noch ein paar Gedanken auf.

„Ich tu sie nur raus, Mama.“ Ich hielt den Käfer hoch und lachte. Ganz laut und prustend, als kitzelte einen jemand wie wild. Halt einfach Freds Lachen. Zum Glück klappte es, Mama haute ab und übersah die Schachtel hinter meinem Rücken.

Prustend ist ein komisches Wort. Es steht für eine affektierte, blöde (sry, subjektiv) Geste. Er lachte prustend. Furchtbar. Aber da bin ich vielleicht befangen. Dann aber diese Formulierung "als kitzelte einen jemand wie wild". Davon würde ich die Finger lassen. Ist formal bestimmt richtig, aber Konjunktivkonstruktionen sind tückisch. Als würde, als wollte, so wie wenn jemand täte – das klingt alles schrecklich ungelenk. Natürlich kommt man manchmal nicht drumherum, aber ich fluche immer bei solchen Verrenkungen. Sparsam dosieren, wäre meine Empfehlung.

Meine Lehrerin schämte sich, weil ich so blöd bin, aber ich kann nichts dafür.

Unglaubwürdig.

Die Käfer torkelten über meine Beine,

Das geht nicht. Torkeln hat was mit der natürlichen Höhe des Körperschwerpunkts zu tun. Je niedriger der Schwerpunkt, desto absurder wird das Verb. Klar wird es, wenn man es auf ein Reptil anwendet: Die Schlange torkelte? Nee.

Die Schläge klangen satt, dunkel.

Keine kindliche Formulierung.

Die Lippen meiner Tante schürzten sich zu einem erschrockenen, kleinen Zelt

Hm? Nee.

Ich breche hier den Detailkram mal ab und versuche meine Gedanken ein bisschen zu strukturieren.

Die Faszination Deines Textes leitet sich ab aus der Diskrepanz zwischen der kindlichen Ausdrucksweise des Erzählers einerseits und der Brutalität der Ereignisse andererseits, auf die der Erzähler verweist. Es ist immer eine ganz besondere Wahrnehmungserfahrung in Film, Musik und Literatur, wenn zwischen Form und Inhalt ein gewollter Bruch, ein Konflikt und Kontrast entwickelt wird.

Wenn die junge, hübsche Lana Del Rey in einem blauen Sommerkleid auf die Bühne kommt, mit ihren zarten Händen eine Hail Satan! Geste formt und dann Songs von Tod und Zerstörung singt, dann passiert genau das: Ein Bruch zwischen Form und Inhalt.

Genau wie bei Lana Del Rey gibt es damit bei Deinem Text aber auch ein Problem. Man muss aufpassen, dass dieser gewollte Bruch nicht zu einer Inszenierung wird.

Die kindliche Sprache, die Du benutzt ist einerseits wirklich originell. Ich habe das wirklich sehr genossen. Da gibt es aber auch einen Teil in mir der sich am Unechten des Ganzen stört. Würdest Du diesen Text einem Kinder-Psychologen vorlegen und ihn fragen: Hat das ein Kind geschrieben? Wie wäre wohl seine Antwort?

Ich sehe in jedem Absatz die kluge Intention eines versierten Autoren, der eben einen bestimmten Effekt erzeugen will. Als hätte es ein Kind geschrieben/ erzählt. Das kann aber niemals gut funktionieren. Für mich funktionierte es selbst bei Astrid Lindgren nur bedingt, weil Kinder eben keine Autoren sind und keine Übung darin besitzen, originelle Geschichten zu schreiben/ erzählen. Mit anderen Worten. Dein Text ist handwerklich zu gut, zu gekonnt, als dass er wirklich von einem Kind stammen könnte.

Eine aufschlussreiche Übung ist es, sich ein bisschen mit realer kindlicher Erzählweise zu beschäftigen. Kinder schreiben in der Schule ja Aufsätze (Meine schönsten Sommerferien etc.) Da kann man sich einen guten Eindruck verschaffen, und sieht sehr schnell, dass sich die normale kindliche Sprache kaum für ein Literaturforum eignet.

Es gibt neben der Künstlichkeit aber noch ein anderes Problem, finde ich. Mir gefällt Deine Sprache, Novak, wenn Du klassisch schreibst. Damit meine ich die Erwachsensprache eines Ich-Erzählers oder personalen Erzählers. Doch der Ansatz, wie ein Kind klingen zu wollen, zwingt Dich zu Absätzen wie diesem:

Ich setzte mich auf den Boden, breitete ein Tuch über meine Beine und setzte den Käfer darauf. Er sah platt aus, irgendwie gequetscht. Dann öffnete ich die Schachtel. Ich legte die zuckenden Käfer nebeneinander, fuhr mit einem feuchten Taschentuch über die Panzer und entfernte jedes Stäubchen. Das mochten sie. Einmal hatte ich dafür Zeugs aus einer Flasche von meiner Mutter geklaut, Davidoff stand darauf. Eigentlich wollte ich, dass die Käfer meiner Mutter ein bisschen verzeihen, aber den Davidoffkram mochten sie gar nicht.

Zugegeben das Bild ist originell, aber die Sprache? Ehrlich, mich unterfordern solche "einmal hatte ich dafür Zeugs aus einer Flasche von meiner Mutter geklaut"- Sätze. Ich vermisse die sprachliche Kraft und Eleganz, die Du in anderen Texten zeigst, ich vermisse das Magische, das Poetische, das kalte klare Wort der klassischen Sprache.

Wie Du siehst, bin ich in einem Zwiespalt, Novak. Ich verstehe, weshalb die Geschichte hier so viele begeistert. Aber ich freue mich auf Deine nächste Geschichte, in der der Erzähler wieder mehr mit Dir zu tun hat.

Lieber Gruß
Achillus

 
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Achillus

Ich will nicht dazwischen grätschen, sondern nur mal deinen Gedanken aufnehmen. Der Text ist eine Inszenierung, das ist Rollenprosa aber natürlich immer. Die Sprache ist geformt, ist destilliert, und natürlich ist sie nie wie die eines echten Kindes. Aber das muss man, glaube ich, immer in Kauf nehmen, wenn man sich mit Literatur beschäftigt. Literatur ist ja keine 1 zu 1 Übertragung. Also sprechen wir auf einer rein textlichen Ebene immer von der Qualität des Effekts, weil uns das eben bewusst ist. Die reine Lehre wäre dann, zu sagen, wir schreiben nur aus der Erfahrungswelt, die der Autor kennt. Da gehen aber schon die Probleme los: das Ding an sich, was ist Wahrheit, was Wahrhaftigkeit, was ist Realität? Worüber kann ein Autor denn de facto authentische Aussagen machen, und was ist nicht schon Fiktion oder fiktiv? Das ist schon ziemlich harter Tobak dann.

Ich denke, und das würde ich nochmal unterstreichen, dass Novak hier stark experimentiert hat mit Sprache und Erzählposition, und dafür ist doch ein solches Forum auch in erster Linie da, oder?

Übrigens, hier der Buchtitel, der auf einer ganz ähnlichen Ebene operiert: https://www.amazon.de/Pigtopia-Roman-Kitty-Fitzgerald/dp/345367524X

 
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Liebe Novak

Mein Kommentar war wohl an einigen Stellen nicht ganz verständlich, ich werde das gerne noch etwas ausführen. Du musst darauf nicht mehr antworten, lass lieber deine Finger sich erholen, ich wünsch dir diesbezüglich gute Besserung. Aber meine Gedanken möchte ich dir doch noch hinterlassen, weil ich ja weiss, wie akribisch du arbeitest, und nicht möchte, dass du dir im Unklaren darüber bist, worauf ich eigentlich hinauswollte.

Und jetzt kapier ich leider nicht, warum es nicht gehen soll, dass dem seltsamen Kind Größenverhältnisse zw Bekämpfer und Bekämpftem auffallen, es danach Gefallen findet an den Tanzbeinchen und dann die Augen dieses Insekts entdeckt?

Es ist eben nicht nur, dass ihm die Grössenverhältnisse auffallen, sondern er findet es auch ungerecht (zweiter Satz). Ich habe das "ungerecht" zudem nicht auf die Grössenverhältnisee bezogen, sondern auf das "frass". Daher hat es mich erstaunt, dass er die zappelnden Beinchen danach, wenn die Tiere real ums Leben kommen, plötzlich lustig findet.

Oder liegt es mehr an dem "zuerst"?

Das ist ein davon unabhängiges Problem. Für mich leitet ein "zuerst fiel mir auf ..." einen Entdeckungsprozess ein, da bin ich als Leser sofort entsprechend eingestellt. ("Zuerst fiel mir seine rote Nase auf, dann bemerkte ich, wie seine Hände zitterten, und als er dann einen Wodka bestellte, um halb zehn in der Früh, wusste ich ..."). Aber du hast hier keinen Entdeckungsprozess. Die Mutter stellt die Sprühflasche auf den Tisch und danach benutzt sie das Ding, fertig.

Anders sieht es mit der Käferbekämpfung als solcher aus. Da weiß ich keinen Rat, wie ich deine Kritik lösen könnte.

Könnte der Junge nicht etwas später die Käfer vom Boden heben (oder aus den Ritzen ziehen), wenn die Mutter die Sprühaktion beendet hat? So zumindest hätte ich es als Kind gemacht.

Auch hier verstehe es leider nicht ganz. Ich will diese Tragik ja haben einerseits. Nur nicht so, dass der Junge das absichtlich macht. Im Moment kann ich mir schlüssiges Ende ohne die letzten Abschnitte nicht vorstellen.

Ja, da war ich zu unklar. Das ist so einer dieser Punkte, wo es nicht um Handwerk, um Stringenz oder Folgerichtigkeit etc. geht, sondern bloss um einen subjektiven Eindruck, darum, wie ich die Geschichte gerne gehabt hätte.

Das ist nicht einfach zu erklären. Für mich sind diejenigen Momente in Horrorfilmen (in der entsprechenden Literatur kenn ich mich nicht aus), die spannensten, in denen sich das Grauen so langsam zu offenbaren beginnt. Die Zahl 666 erscheint auf dem Kopf eines Kindes, hinter dem Wandschrank gibt es einen riesigen Raum, der ins Dunkle führt. Also diese Unstimmigkeiten, die Szenen, wo die Realität Risse bekommt. In deiner Geschichte ist das diese obsessive Beschäftigung des Jungen mit den Käfern.
Die Showdowns in den entsprechenden Filmen finde ich dann aber häufig eher langweilig, irgendwie wird das Ganze dann aufgelöst, das Monster getötet. Und selbst wenn nicht, dann hat alles mittlerweile einen offiziellen Charakter bekommen, das Grauen ist öffentlich geworden, es ist in die Tat umgesetzt und durch diese Sichtbarkeit verliert es häufig an Faszination.

Das ist das eine.

Das andere ist, dass dein Text ja eben nicht bloss eine Horrorgeschichte ist, und ich fand den psychologischen Abgrund, dem der Junge ausgeliefert ist, besonders spannend, d.h. ich fand den Junge als Opfer spannend, habe mich gefragt, wie er mit seiner Situation umgeht. Ja, und dann war mir die Tötung seiner Mutter, diese Entwicklung hin zum Monster ohne Schuld einfach psychologisch zu grob, irgendwie auch zu konventionell. Da entlädt sich für den Leser etwas, da wird die ganze Sache objektiviert - ja, am Ende bringt er ohne es zu wollen seine Mutter um, da kulminiert die Geschichte in einer Tat und ich hätte es glaub lieber gehabt, wenn die Geschichte bei der Wahrnehmung des Jungen, seinem Leiden bleibt.
Wie ein entsprechendes Ende dann aussehen würde, weiss ich auch nicht. Darum geht's ja auch nicht unbedingt, wenn ich das alles aufschreibe. Du möchtest dieses Ende haben und ich kann das gut verstehen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

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