S.H. schrieb:
Wer ein Problem mit der Darstellung (gleich wie detailliert) eines derart natürlichen Aktes wie Sex hat, der hat ein Problem, das er nicht anhand meiner Freiheit, Darzustellen/zu Sehen/Lesen kompensieren sollte, sondern wenn alle Stricke reißen zusammen mit einem darin geschulten Arzt.
Solche Aussagen halte ich für ganz unterste Schublade. Von der eigenen Freiheit reden, aber jeden Andersdenkenden für krank erklären.
Um etwas nicht zu mögen, muß man außerdem nicht gleich ein Problem damit haben. Ich habe kein Problem damit, einen Film ab- oder erst gar nicht aufzudrehen, oder während solcher Szenen mal eine Runde durch die anderen Kanäle zu hüpfen. Ich bezweifle dann bloß die Ernsthafigkeit (so es ein ernster Film ist) des Regisseurs oder Autors, bzw. frage mich, ob derjenige den Film selbst für so schlecht hält, daß er meint, er hätte solche Szenen nötig, um den Seher/Leser bei der Stange zu halten.
Ich habe auch eine Geschichte, in der ich sehr deutlich beschreibe – allerdings nicht um des Beschreibens willen, sondern um die Oberflächlichkeit von One-Night-Stands aufzuzeigen. Aber wenn ich einen Krimi sehe, will ich einen Krimi sehen und keinen Soft-Porno, außer der Mord findet im Bett statt oder wird dort aufgeklärt. Ich glaube, meistens sind solche Einlagen billige Lückenfüller, weil die Handlung grad so zäh ist. So wie das Telefon, das immer dann läutet, wenn die Handlung in einer Sackgasse ist.
S.H. schrieb:
Interessant werden diese ganzen Diskussionen wenn, dann eh nur psychologisch betrachtet. Was muss in einem Menschen vorgehen, der ein ausuferndes Problem damit hat, dass ein Vorgang, wie er natürlicher und allgegenwärtiger gar nicht sein kann, dargestellt, sprich, enttabuisiert wird...
Oh, jetzt ist es sogar schon ein »ausuferndes Problem«. Bist du dir in deiner Argumentation so unsicher, daß du sie auf dem Runtermachen anderer aufbauen mußt?
Eine Geschichte sollte imho allem voran glaubwürdig in sich selbst sein. Also authentisch innerhalb der eigenen Dimension des Erzählten. Sex ist etwas natürliches. Gewalt auch, ob es gefällt oder nicht. Sogar Dummheit ist etwas natürliches. Und all das muss meines Erachtens in die Geschichte, wenn es innerhalb der Geschichte passiert. Das Fehlen oder wegverschweigen solcher Dinge kann sehr übel an der Glaubwürdigkeit schrammen.
Dann sollte man wohl am besten gleich immer den ganzen Tagesablauf mit in den Film nehmen, auch, wie die Protagonisten am Klo sitzen oder sich duschen, und nicht nur, wie sie essen, sollte man sehen, sondern auch, wie sie einkaufen gehen etc. Schließlich wäre es unglaubwürdig, daß sie überhaupt leben, wenn sie nicht essen und scheißen. Und schlafen natürlich. Ich will die Protagonisten natürlich auch schlafen sehen, sonst wird der ganze Film unglaubwürdig. Und wie sie morgens aufstehen. Wie sie tagsüber gähnen und rülpsen und in der Nase bohren. Die ganze Handlung könnte kippen, wenn man dem Seher/Leser verschweigt, daß sie auch das tun.
Und selbst wenn Triebe angesprochen werden - Hunger, Durst, Trauer und Wut - was glaubst du, sind das? Auch Triebe. Auch Gefühle. Aber die sind in Ordnung - fehlt nur noch die Erklärung, warum das eine in Ordnung sein soll, während das andere nicht in Ordnung ist.
Für mich liegt der Unterschied darin (abgesehen davon, daß man nicht Lebensnotwendiges mit Bedürfnissen, die man befriedigen kann oder auch nicht, vergleichen sollte), daß man manches eben auch in Gesellschaft macht, also es ist nicht unüblich, daß mehrere Leute z.B. gemeinsam essen und trinken. Sex findet aber – normalerweise – in einem intimen Rahmen statt, und so natürlich der Sex an sich auch ist, die Intimität dabei ist ebenso natürlich. Es ist nicht krank, wenn man weder möchte, daß einem dabei jemand zusieht, noch jemand anderem dabei zusehen möchte.
Ich habe auch nichts dagegen, daß es Porno-Filme gibt und manche sich die ansehen. Ein Porno-Film verkauft sich als das, was er ist, da habe ich die Wahl. Aber wenn ich einen Film sehe, in dem es eigentlich um etwas ganz anderes geht (weswegen ich ihn ja auch ansehe), nervt es, wenn man ständig solche Szenen untergejubelt bekommt, in denen alles gezeigt wird, was die miteinander treiben. Gegen ein Andeuten in irgendeiner Form habe ich nichts – klar ist es oft wichtig, daß man weiß, wer mit wem zusammen gehört, und das übers Bett zu zeigen, ist halt eine einfache Variante, die wirklich jeder versteht –, aber dabei zusehen will ich nicht. Nicht zuletzt, um in meinen eigenen Empfindungen nicht abzustumpfen, denn was man täglich sieht, ist nichts Besonderes mehr.