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Blaues Leuchten

Seniors
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22.10.2011
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Blaues Leuchten

„Du kannst es nicht, du kannst es nicht.“
Lachend liefen die Kinder davon und ließen die Kleine zurück. Sie starrte auf die Hüpfkästchen. So groß waren sie. Kästchenriesen! Wenigstens die ersten paar musste sie schaffen, sonst ließen die Kinder sie nie mitspielen. Entschlossen warf sie die Zöpfe zurück, stellte sich knapp vor den ersten Strich und sprang. Geschafft! Der nächste. Und noch einer. Edith sah zum vierten Kästchen. Je länger sie darauf starrte, desto weiter weg war es. Ihr Bein wog schwer, immer schwerer. Schnell jetzt. Edith holte mit den Armen aus, sprang, für einen Moment schwankte sie in der Luft, als könnte ihr Körper sich nicht entscheiden, wo er landen sollte. Und gerade, als sie glaubte, jetzt klappte es, da mogelte sich der Strich doch unter ihren Schuh. Sie stampfte auf: „Böser Fuß!“ Von weitem hörte man Kinder lachen. Hatten sie das etwa beobachtet? „Blöde dicke Bowkes, ich wollte ja sowieso nicht mit euch spielen“, schniefte sie, dann nahm sie die Schürze vor das Gesicht und verbarg ihre Enttäuschung in dem mürben Stoff.
Hinter dem Zaun des nächsten Hauses schrien Gänse und rannten flügelschlagend auf die Straße, ein weißes Geschwader mit Schnäbeln wie hartes Holz. Ängstlich sah das Mädchen sich um, Willumeits Gänse waren gefürchtet in ganz Brösen. Ihr Herz hämmerte. Wo sollte sie hin? Gerade, als sie davonlaufen wollte, hörte sie eine Jungenstimme hinter sich. „Haut ab oder ich zieh euch den Holzschlorren über, ihr weißen Deiwel!“ Das Kreischen der Gänse verebbte. Als sie sich umwandte, watschelten sie zurück in den Hof. Vor ihr stand ein Junge, den sie noch nie gesehen hatte. Er war schmal. Arme und Beine schlotterten an ihm, als gehörten sie zu einem viel größeren Menschen. Irgendwie sah er falsch zusammengesetzt aus. Selbst der blonde Haarwust stand in einem verkehrten Winkel vom Kopf ab. Der Junge blickte auf sie herunter, als wollte er prüfen, wen er da vor sich hatte. Dann lächelte er. Mit einem so schiefen Mund, dass sie laut lachen musste.
„Bist du der schiefe Junge?“, sagte sie.
„Na hör mal, Marjellchen, grad pflück ich dir die Gänse von deinen dicken, kleinen Waden, jetzt wirst du mucksch.“ Während er das sagte, lächelte er weiter. Sogar die Nase krauste sich zu einem drolligen Fächer. „Wie alt bist du?“
„Ich bin schon fünf.“
„Und wie heißt du?“
„Edith.“
„So, Edith, ich bin der Georg, jetzt zeig ich dir mal, wie man hüpft, damit deine Freunde dich nicht mehr auslachen können. Nimm meine Hand und mach einfach mit. Und sprich mir alles nach.“ Er spreizte sein linkes Bein ab wie ein Storch, wartete, bis sie beide ruhig standen, dann hüpfte er los, zog sie mit, und sang im Rhythmus der Sprünge dazu:
Schwarz weiß rot
Der kleine Mann ist tot
Wir wollen ihn begraben
In einem Puppenwagen

Ihr Beinchen hüpfte und balancierte, fing sich und hüpfte weiter, die Zunge klemmte zwischen den Lippen, gleich hatte sie es geschafft. Schon waren sie im Himmelbogen, drehten und sprangen zurück, ein Kästchen, schwarz weiß rot, und noch ein Kästchen, der kleine Mann ist tot. Und da waren sie. Ohne Fehler.
„Ich kann es“, schrie Edith, „ich kann Kästchen hüpfen.“ Und der Junge mit dem schiefen Mund und dem schiefen Körper lachte sein schiefes Lächeln.
„Wohnst du hier?“, fragte Edith.
„Jetzt ja, früher wohnten wir in Kleschkau.“ Georg zupfte an seiner Oberlippe, ein Hautstreifchen löste sich und schwebte zu Boden. Das musste doch weh tun, dachte Edith.
„Du bist lieb, schiefer Junge, aber warum hilfst du mir? Mein Cousin macht das nie und der ist schon groß. So wie du.“
Das Lächeln des Jungen wurde gerade und so glatt, dass Edith sich das schiefe zurückwünschte. „Vielleicht, weil du mich an meine kleine Schwester erinnerst?“
„Wo ist die“, Edith hüpfte aufgeregt auf und ab. „Vielleicht kann ich mit ihr spielen?“
„Das wird nicht gehen“, sagte der Junge leise.
„Warum nicht, ich kann doch jetzt Hüpfkästchen.“
„Es geht wirklich nicht. Sie ist fort.“
„Fort? Ganz allein?“
„Sie ist nicht allein. Sie ist jetzt im Himmel. Die See hat sie geholt."
„Oh“, Edith runzelte die Stirn. „Das glaub ich dir nicht. Da hat dir einer Märchen erzählt. Das tut die nicht, die Ostsee, die ist nicht bös, die hat sogar Osterlämmchen. Die wohnen da. Komm, ich zeig sie dir. Man muss aber früh aufstehen. Genau am Ostersonntag, da kann man sie sehen.“

*

Es war noch dunkel. Aus dem Stall drang warmer, süßer Heugeruch, Kühe brummelten, träumten von einer saftigen Sommerwiese. Edith schlich über den Sandweg, ihr Blick kletterte das Rosenspalier hinauf zu dem Fenster der Mutter. Es war geschlossen. Gut, dachte Edith, ihre Mutter durfte nicht wissen, dass sie dem Jungen die Osterlämmchen zeigen wollte. Es war verboten, allein an die See zu gehen. Aber für Edith war es das Schönste. Wenn noch niemand da war, wenn selbst der Wind noch schlief, konnte man am besten sehen, wie die Sonne rotgoldenes Gefunkel auf das Wasser streute und den Sand versilberte. Zu Staub zerfallene Muscheln, die immer noch glänzen. Und wenn die See darüber hinwegbrandete, nach ihren Füßen leckte und wieder zurückwich, haftete Schaum darauf, der nach Tang roch und nach Salz.
Als sie von der Promenade auf den Strand bog, sah sie schon die Silhouette des Jungen.
„Schiefer Junge“, rief sie, „wir müssen uns beeilen.“ Energisch packte sie seine Hand und zog ihn zum Wasser. Sie stapfte durch den Sand, sank ein bis zu den Knöcheln, ein kühler Strumpf, der zwischen den Zehen rieb.
Dann blickten sie hinaus auf das Meer, bis die Weite sie einsaugte. Dünne Striche vor einem Land voller Wälder und Seen. Das Meer schimmerte grau. Doch der Himmel war schon in rosafarbenes Licht getaucht, Wolken türmten sich zu Bergen, hinter denen man fremde Länder ahnte. Violette Schlieren schoben sich davor, vereinten sich zu immer breiteren, rotglänzenden Flüssen und wurden orange.
„Wer hat dir das erzählt mit den Osterlämmchen?“, fragte Georg.
„Mein Vater. Aber er kann sie mir nicht mehr zeigen. Er ist in Amerika, Geld verdienen, und jetzt kann er nicht mehr zurück.“
Als er ihren Blick sah, sagte er: „Du hast wohl heut dein Sonntagskleid angezogen?“ Er zupfte an ihrem Puffärmelchen und lachte. „Nein, ich glaube, das ist eher ein Himmelskleid für ein Ostermädchen.“ Er deutete auf die blauen Blumen, die sich von dem orangen Stoff abhoben. Als er ihre schmutzigen Füße sah, lachte er noch mehr. „Himmel, Stall und Erde, passend zum Land“, sagte er. „Aber es ist noch kalt, du wirst Schnupfen kriegen.“
„Das ist mein Osterkleid“, sagte Edith stolz und fuhr mit dem Finger die Blüten nach. Blassblaue Vergissmeinnicht, zwischen denen die Tupfen kräftiger Veilchen leuchteten. „An Ostern muss man sein bestes Kleid anziehen für die Osterlämmchen, aber die Schuhe muss ich sparen.“ Vor Verlegenheit blies sie ihren Pony in die Höhe, dass er wie ein waagrechtes kleines Dach von ihrem Kopf abstand. Und dann war es soweit. „Schau! Da sind sie“, schrie sie und deutete hinaus. Als die Sonne sich zur Hälfte aus dem Wasser erhoben hatte, schickte sie ihre Strahlen wie suchende Finger über das Meer, und dort, wo sie die Oberfläche betasteten, brachen sie das Wasser und sprengten silbrige Lichter auf die Wellen. Wie kleine hüpfende Körper, die mutwillig miteinander spielten und rangen und hin und her sprangen, junge Schafe auf einer Weide.
„Siehst du die Osterlämmchen?“
„Ja“, sagte der Junge, „ich sehe sie.“

*

Und dann war Sommer. So schnell war er gekommen mit seinen Sommergästen und den Kornblumen, die das Gold des Roggens sprenkelten, viel zu schnell für ihre Mutter und für die anderen Erwachsenen, die arbeiteten und doch nie genug Geld hatten, um die Hände still zu halten. Die See wurde ruhig und tobte nicht mehr. Und am Abend, wenn man nur weit genug am Wasser entlang lief, bis die Lichter Brösens nur noch Punkte waren, dann glaubte man, das Atmen der Tiere zu hören, so leise berührten die Wellen den Strand.
Und viel zu schnell auch war der Sommer für Georg gekommen. Edith sah ihn nur selten, denn er spielte mit den großen Jungen. Doch manchmal, wenn er aus einem Fußballspiel aufblickte, wenn er sich vielleicht gerade um einen Gegner herumgespielt hatte, sah sie sein schiefes Grinsen, wie es für einen Moment auf ihr ruhte. Und wenn Hans, einer der anderen Jungen, schrie: „Pass doch auf, tu ihn rein, den Dubbas, was will das Madammche hier schon wieder“, senkte er rasch seinen Blick und trat nach dem Ball.
Doch manchmal traf sie ihn am Strand und dann liefen sie am Ufer entlang, kleine Schwester, großer Bruder, vorbei an der Seebrücke und dem Strandhotel, aus dem Jitterbug-Klänge zu ihnen wehten: My Little Bimbo Down On The Bimbo Isle. Und sie zeigten gleichzeitig mit dem Finger auf den anderen, kreischten Bimbo und sangen das Lied, obwohl sie nichts verstanden.
Und eines Tages zeigte er ihr das Leuchten der Ostsee.

„Hier“, sagte er, und deutete auf den Meeresabschnitt weit hinter dem letzten Strandbad, „hier darfst du nie weit reingehen. Siehst du da draußen, wo die See ganz dunkel wird? Wie es hochdampft? So ein ganz blaues Schillern?“
Edith kniff die Augen zusammen. „Es ist überall blau“, sagte sie.
„Ganz weit, bestimmt einen halben Kilometer weg, siehst du? Da steigt es hoch. Blauer Dunst.“
„Oh“, sagte Edith, „jetzt seh ich es auch, komisch. Das Wasser ist wirklich blauer. Wie ein Edelstein. Und der Nebel darüber ist auch blau. Und er wackelt. Was ist das?“
„Nein, er wackelt nicht, das sind Temperaturunterschiede. Mein Vater sagt, es sind gefährliche Gase. Da darfst du nie hinschwimmen. Versprich mir das. Nie!“
„Aber du auch nicht“, sagte Edith.
„Nein, das ist zu gefährlich. Aber hier am Ufer können wir rein. Wer als erster drin ist!“
Sie kreischten, weil die Kälte in ihre Haut schnitt, bespritzten sich und kreiselten wie flinke Fische. Und als er, einen Schwall Wasser vor sich herschiebend, mit verstellter Stimme brummte: „Siehst du die Osterlämmchen, hier kommen die Osterlämmchen, kleiner Bimbo“, da verschluckte sie sich vor Vergnügen. Dann stieg sie auf seine Schultern. Da oben stand sie, in ihrem dunkelblauen Badeanzug, bereit für ihren ersten Kopfsprung.
Als sie auftauchte, sah sie eine Schar Jungen über den Strand kommen. Die Fußballer. Mit Handtüchern um ihre braun gebrannten Jungenkörper und weiß gebleichten Haaren. Allen voran Hans. „Auf! Wir spielen Johnny Weißmüller. Bis zum blauen Leuchten. Wer als erster wieder hier ist. Nu los, Georg!“
„I wo. Mein Vater verbietet es. Da geht nuscht. Ich bin auch schon lang nich mehr so viel geschwommen.“
„Ei Georg, warst du in Kleschkau auch schon son Vaterkind? Was soll mir das?“
„Ne, nich, aber …“, er sah verstohlen zu Edith.
„Was die Ältern reden, das is doch schlimmer als Kleckermussupp. Hätt Kolumbus so rumgemaddert, würden wir heut noch im Poggenteich sitzen. Mein Vater hat im Wanderkino gesehen, dass eine Frau nach England geschwommen is. Eine Frau! Und du traust dich nich! Wer‘s gewinnt, kriegt zehn Dittchen. Wer‘s nich macht, is ein feiger Hund.“ Dann drehte Hans sich zur Seite, legte die Arme um die Schultern der beiden neben ihm stehenden Jungen und redete vertraulich auf sie ein.
„Ich weiß nich.“ Georg kratzte sich am Kopf und sah zu der Jungengruppe hin.
Edith stampfte mit dem Fuß, baute sich vor Hans auf, die Fäuste geballt, und trat mit Wucht gegen sein Schienbein.
„Au“, schrie der, „du verdammte Kreet. Was soll das? Du kannst froh sein, dass du noch so klein bist und Georgs Schwester.“
„Ihr dürft da nicht schwimmen.“
„Das ist nich meine Schwester, nur eine …“
„Was jetzt … dein Puppke vielleicht? Was betudderst du die kleine Kreet. Pomuchelskopp. Weißt du, dass die andern dich Rodolfo Valentino nennen? Ich sag ja immer was dagegen, aber …“
Georg senkte den Kopf. „Ich könnt‘ ja den Startschuss geben, statt Heinrich.“
Hans spuckte auf den Boden. „Du bist nich zu retten. Der hat ein offenes Bein, er würd alles drum geben, mitzumachen. Und du flennst. Willst du einen Lutschpungel? Bleib doch hier, lass dich schützen von einem Suckelkind. Du … Rodolfo.“ Er spie den Namen aus, als wäre er Dreck, der seinen Mund verstopfte.
Georg prallte zurück, als hätte Hans einen Stein geworfen und nicht einen Namen. Er sah zu Edith hin, dann wieder zu Hans, der an ihm vorbeiging, und ihn dann zur Seite stieß, so roh, dass Georg aus dem Kreis der Jungen taumelte.
„Feiglinge können abhauen“, sagte Hans ruhig, dann drehte er sich weg, als wäre da keiner mehr.
Georg vermied Ediths Blick. Er sah aus, als wäre etwas Schlimmes mit ihm geschehen, etwas, das Edith nicht verstand. Er hob den Kopf und schrie: „Komm mir nich so. Oder du kriegst gleich eene inne Fress. Ich mach mit, da gibt’s nuscht. Doch wehe, einer kadreiert das meinem Vater.“
„Ei, was glaubst du!“
Edith fing an zu weinen. „Du hast gesagt, da darf man nicht hinschwimmen, du hast gesagt, das ist gefährlich.“
„Nur für kleine Leute.“
„Du lügst. Du hast es versprochen.“
Doch Georg hatte sich abgewandt und sah zum Meer. Nur einmal noch spürte sie seinen Blick.
Dann hob ein Junge den Arm, schaute auf seine Uhr und gab das Kommando: „Auf die Plätze fertig“, bei „Los“ fiel sein Arm. Die Beine von sieben Jungen trommelten auf den feuchten Strand und wurden langsamer, als das Wasser an ihren Körpern hochstieg, dann tauchten sie ein, in die Wellen, dass man nur noch ihre Köpfe sah. Immer kleiner wurden sie, dann war da nur noch Wasser. Weit draußen wirbelten blaue Schlieren zum Himmel, verloren sich in seiner Weite und wirbelten erneut. Der Junge neben Edith schaute immer wieder auf seine Uhr, jedes Mal, nachdem er sie geprüft hatte, barg er sie umständlich in seinem Handtuch. Und endlich, endlich kletterte der erste erschöpfte Junge aus dem Wasser und ließ sich auf den Strand fallen. Edith stand still, wartete weiter und ließ die Zurückkehrenden an sich vorbeiziehen, Einzelne, einmal eine Traube von drei Jungen. Sie starrte weiter auf das Wasser, als könnte sie das blaue Leuchten mit ihren Blicken bezwingen. Dann kam keiner mehr.
Als sie sich umdrehte und die Jungen anschaute, starrte Hans zurück, blickte zu seinen Freunden und hinaus auf das Meer. Er zählte. Zählte noch einmal. „Einer fehlt.“ Und dann schrien alle durcheinander, sprangen ins Wasser und schwammen los, bis ihre Köpfe von den Wellen verschluckt wurden, trotzdem hörte man ihre Rufe bis an den Strand. Sie verstummten erst, als Hans zurückkam und nach Brösen rannte. Ein Junge nach dem anderen kehrte aus dem Wasser zurück. Aufgereiht standen sie neben ihr, starrten hinaus und warteten auf die Erwachsenen.
Um sie herum war plötzlich Geschrei, Leute rannten herum, von Brösen näherten sich Boote, erst vier, dann sechs oder sieben, sie schwirrten hinaus, hin zu dem blauen Leuchten und wieder zurück, kreuzten auf und ab, als wollten sie das Wasser vermessen. Der Strand war voller Menschen. Edith irrte zwischen ihnen herum, zupfte die Männer am Arm und fragte nach Georg. Doch keiner antwortete ihr, sie redeten und befahlen und redeten wieder. Und dann sah Edith eine blonde Frau. Sie wusste, dass das Georgs Mutter war, denn ihr Lächeln hing schief in ihrem Gesicht. Und als ein Polizist mit dem Kopf schüttelte, fing das schiefe Lächeln an zu zucken. Der große Mann neben ihr nahm sie am Arm und ging mit ihr fort. Weg vom Strand, hin zu den Weizenfeldern. Dort, wo das kleine Haus stand mit der Schaukel unter dem Apfelbaum, mitten in einem Garten voller Ringelblumen.
Als es dämmerte, saß sie immer noch am Ufer und schob den Sand zu kleinen Dämmen auf. Rahmte Kästchen bis zum Wasser und während sie häufelte, sang sie ein Lied: schwarz weiß rot, der kleine Mann ist tot und dann sang sie nicht weiter, sondern wiederholte die Verse, bis ein Nachbar kam und sie nachhause brachte.

*

In der Nacht hatte der erste Sturm das Meer aufgewühlt und das, was es verborgen hielt, dem Ufer zurückgegeben.
Als Edith an den Strand kam, wunderte sie sich; im Osten sah sie eine Menschenmenge. Blaue Uniformen, dazwischen die braunen Oberkörper von Jungen. Alle konzentriert auf einen Punkt. Ihr Herz schlug, endlich hatte man ihn gefunden. Das war ein weiter Weg zurück an den Strand. Da würde er müde sein. Bestimmt war er nur müde. Sonst nichts. Erst würde sie ihn schelten und dann lieb drücken.
Sie zwängte sich durch die Menge, vorbei an den Beinen der Männer, ignorierte ihr Geschimpfe, stieß und schob, bis nur noch ein Mann vor stand. Vor ihm sah sie einen Körper auf dem Boden liegen, bedeckt mit einem Laken. Fror er denn, der Georg? Edith kniff den vor ihr stehenden Mann, so dass er zur Seite zuckte und den Weg freigab.
„Gottverdammich, was …“, fluchte er los, doch als er das kleine, blasse Mädchen sah, das vor dem Laken kniete, verstummte er. Vorsichtig hob Edith das Tuch, ganz leicht, doch kaum hatte sie das getan, glitt ein schwarzer, langer Körper unter dem Laken hervor und schlängelte sich fort, Richtung See. Edith stand auf. Sie öffnete den Mund wie zu einem Schrei, doch nichts war zu hören. Der Schrei gellte zurück. In sie hinein, verbrannte sie. Der Mann packte Edith am Arm und sagte: „Ei Marjellchen, das ist nur ein Aal. Der tut dir nichts. Die Seele des Jungen hat die See geholt, den Körper überlässt sie ihren Totengräbern. Die haben nur getan, was in ihrer Natur liegt.“
Edith machte sich von ihm los und ging zum Wasser. Sie sah hinaus, hin zu dem blauen Leuchten, das wie ein dunkler Edelstein schillerte, und sie fürchtete sich vor der See und hasste sie.

*

Die Nächte wurden länger und die Tage kürzer. Und immer hörte man das Rauschen der See. Irgendwann war es eine Melodie, die den Atem der Menschen umspielt und die Seele gebrannter Kinder heilt. Als Edith im folgenden Jahr Georgs Grab besuchte, wuchsen darauf dunkelblaue Blüten, in deren Mitte kleine Sonnen glühten. Und die Luft summte wie von tausend Bienen.
Am nächsten Morgen ging sie an den Strand. Zusammen mit ihrem Vater, der zurückgekehrt war, um mit ihr die Osterlämmchen zu suchen. Da begrüßte sie den Himmel, der goldene Lichter auf die See zauberte. Und sie fragte sich, ob das alles tote Kinder waren und ob sie eines von ihnen erkennen würde. Das Wasser glitzerte, und sie wusste, dass die See tötete, wenn sie wollte. Aber jetzt machte ihr das nichts mehr aus. Denn die See sprach zu ihr und schenkte ihr Gesichter.

 

Hallo, hier bin ich jetzt noch mal,
ich wollte mal ein großes Dankeschön sagen an Rick, bernadette und mg für eure Rückmeldungen zu meinem Entschluss, mit dem Schreiben aufzuhören.
Das ist sehr nett von euch, dass ihr mir da den Kopf zurecht setzen wollt, aber es ist nicht nötig.
Falls jemand jetzt doch noch mal was schreiben will zu diesem Thema, dann bitte eine PM, muss ja auch auf die offtopics achten.
Nur noch so viel: Ich bin heute morgen mit diesem Entschluss aufgewacht (ganz ohne Feiertagskoller) und ich hätte das nicht geschrieben, wenn es nicht sehr ernst gemeint wäre. Ich überlege das schon länger. Ein zwei Leute hier wissen das auch. Es ist auch gar nicht schlimm, wenn ich nicht mehr schreibe, das tun auch andere Leute nicht, die hier kommentieren. Und kommentieren und moderieren werde ich ganz prächtig weiter. Ich mag das Forum gerne, es ist eines der besten und kompetentesten, ich fühle mich hier wohl. Und die Welt geht nicht unter, auch für mich nicht, nur weil ein Hobbyschreiberchen weniger da ist.
Natürlich denk ich schon noch drüber nach, das ist ja klar. Führe mir eure Argumente mit Sicherheit vor Augen. Aber:
Ich finde schon, dass es eine Art zeitgemäßen, modernen Schreibens gibt, was ich als Kommentatorin auch beurteilen kann, aber wohl nicht schreiben kann oder will. Auch zwischen meinen Themen (im weitesten Sinn gemeint, dazu gehören auch die Szenarien) und denen, die hier gerne gelesen werden, gibt es eine riesige Diskrepanz. Ich les die auch gern, aber es sind nicht meine Schreibthemen.
Vielleicht liegt das am Alter oder an den Lebensumständen.
Ich mag die Sachen, die ich bisher geschrieben habe, alle gerne, und ich freue mich auch wahnsinnig über das Lob. Aber ich hab trotzdem das Gefühl, dass ich mich nicht weiterentwickle und dazu bin ich denn doch zu ehrgeizig. So ist das Schreiben für mich momentan stressiger, als dass es Spaß macht. Und das ist ja blöd.
Für mich ist die Sache ziemlich klar, entweder schaffe ich es, diesen unseligen Ehrgeiz abzulegen und den blöden Vergleich mit der ersten Geschichte, den ich ja selber anstelle, oder ich lass das Schreiben eben bleiben. Vielleicht ist es auch einfach doof gelaufen für einen Hobby-Autoren, wenn die allererste Geschichte (es war die vierte in meinem Leben, aber die allererste, die ich so richtig entwickelt habe für einen TdS und hier eingestellt habe) so durchgängig gemocht wird. Und die nachfolgenden Sachen dagegen so ein bisschen abstinken. Ein böser kleiner Fluch vielleicht.

Dir, liebe Nachtschatten, einen herzlichen Dank für dein nochmaliges Lesen. Ja, ich hatte die Geschichte gestern Abend noch einmal überarbeitet und sie heute früh eingestellt. Ist jetzt die dritte oder vierte Überarbeitung. Freu mich, wenn du das gesehen hast und auch, dass du die kleine Edith magst.
Und danke auch dir lieber Friedel, dass du den Sekundanten für das Präpositionen-Duell zwischen Maeuser und mir abgeben willst. Es ist zwar eine vergleichsweise unwichtige Sache, aber wenn es einer rauskriegt, dann du. Und danke dir auch, für deinen Zuspruch, der kam ja bestimmt, weil du von meinem Entschluss gelesen hast.
Ich wünsch euch allen schöne Feiertage, lasst euch die Gänse schmecken und denkt an ihre Schnäbel

 
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Ich wollte Friedel würde sich diesem Problem widmen, ...
und wenn's auch kein Präpositionen-Duell ist,

liebe Novak,

weiß ich nun nicht so recht, ob das Wünschen wenigstens ein wenig geholfen hätte ... Wie kann ich neutral bleiben bei dem, was sich hier ausgebreitet hat?

Man kann, und ein sturer Bock wie ich erst recht. Ich hab mir die notwendigen Stellen angeschaut und – was niemand überraschen sollte – es gibt einen eindeutigen Schluss nebst Schlamperei!

Maeuser sagt zu Beginn seines Beitrags

Ich hab noch ein bisschen Textkram. Manches ist ziemlich kleinkariert, …
um zugleich großzügig anzufügen
…, kannst ja gucken, ob du mit was davon was anfangen kannst …
als ob wir dergleichen nicht immer tun sollten.

Von Irrung und Wirrung noch keines Spur in Maeusers Arbeit, um dann aber mit einem Rumpfzitat zu schließen und Schlüsse zu ziehn:

stieß und schob, bis nur noch ein Mann vor stand. Vor ihm sah sie einen Körper auf dem Boden liegen
Hinter. Denn wenn er vor ihm läge, läge er ja vor ihr (du bist da ja in ihrer Perspektive).

Es geht also um nichts Geringeres, als den Gegensatz von „vor“ und „hinter“, zwei Adverbien mit räumlicher und zeitlicher Dimension germanistischer Zunge schon seit den Goten, wahrscheinlich also immer schon, vor allem aber geht's um die Rolle, genauer: Stellung des Mannes zwischen Edith und dem „Körper auf dem Boden“.

Was aber gilt nun gemeinhin als „vorn“?
Alles, was vor einem und / oder andern ist, räumlich wie zeitlich. Maeuser nennt’s „Perspektive“, zu dt.: Aus- wie Durchblick, Sicht-/Sehweise und Aussicht.
Maeser impliziert – aus welchem Grund auch immer im Konjunktiv irrealis – dass dieser Mann nicht den Leichnam, sondern das Mädchen anschaute, was so nicht richtig ist und eigentlich auch schon in seinem verkürzten Zitat aufleuchtet, denn Novak schreibt - selbst wenn wir hier keine Mathematik betreiben - gemeinhin präzise, wie ich finde:

[Die fünfjährige Edith] zwängte sich durch die Menge, vorbei an den Beinen der Männer, ignorierte ihr Geschimpfe, stieß und schob, bis nur noch ein Mann vor stand. Vor ihm sah sie einen Körper auf dem Boden liegen, bedeckt mit einem Laken.

Das Kind hat also vor sich den Mann.
Weil der aber vor sich den Leichnam (ahd. lihhamo = lih „Körper“, hamo = „Hemd“) hat, finden sich Mann und Leichnam VOR dem Kinde, das Kind aber zugleich HINTER dem Mann, dessen Anfangsposition also dem Leichnam und nicht dem Mädchen zugewandt ist. Er wendet sich frühestens um und dem Mädchen zu, als er gekniffen wird – und warum hätte das Mädchen den Mann kneifen sollen? Es verstärkt die Ausgangsposition, der Leichnam liegt vorm Mann und folglich sind Leichnam und Mann vor Edith.
Edith kniff den vor ihr stehenden Mann, so dass er zur Seite zuckte und den Weg freigab. „Gottverdammich, was …“, fluchte er los, doch als er das kleine, blasse Mädchen sah, das vor dem Laken kniete, verstummte er.

Kurz: Er sieht das Mädchen erst jetzt!, aber nicht, weil er sich umwendet. Er hat zuVOR immer Richtung See und verhüllter Leiche geschaut – beides vor seinen Augen. Und tut es immer noch, denn da wird nix von gesagt, dass er sich umdrehte (Konj. II!) Oder anders gefragt: Hätte er sich so einfach kneifen lassen, wenn er immer schon dem Mädchen ZU- und entgegengeschaut hätte?
Kaum!, behaupte ich. Ich lass mich selbst von meinen kleinen Nichten ungern kneifen und ebensowenig von einer Hundeschnauze!

Und weil sich aus dem bescheidenen „vor“ schon im ahd. eine kausale Bedeutung entwickelt hat (da ist die Präposition), kann ich mit einer Variante eines Heine-Zitates schließen, das Heine selbst nur von Älteren übernommen hatte: Maeuser sehe vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr! Oder kurz: Er hat – aus welchen Gründen auch immer – den Durchblick (eine der Bedeutungen seiner „Perspektive“) verloren und Novak hat eindeutig recht, wenn sie schreibt

Wenn vor mir ein Mann steht, und vor dem liegt eine Leiche, dann ist die Leiche doch immer noch vor mir und vor dem Mann, auch wenn ein Mann zwischen mir und der leiche steht. Um hinter sagen zu können, müsste der Mann mit dem Rücken zur Leiche stehen.

Im Grunde lag so etwas schon in der Luft, als nicht begriffen wurde, dass einer Fünfjährigen auch aufgezeichnete Rechtecke (idealtypisch quadratisch)"Riesenkästen" sind. Darum zum Abschluss die Orientierungsfrage nach dem Schüler, der in ein Schreibwarengeschäft geht, um sich ein/e Rechenheft/-kladde zu besorgen, eher sagt, er hätte gerne ein Heft mit Rechtecken oder mit Kästchen ...?

Genug sekundiert und hoffentlich niemand im Duell erschossen und es sollte Novak kein Geheimnis bleiben, woraus die Fragestellung Bin Ich hier richtig? entstanden ist ...

Ich wünsch Dear,

Novak,

schöne Tage und ich denk, Du wirst die richtige Entscheidung treffen. Ich werd derweil die Änderungen anschau'n (der Illies ist durch und in jedem Fall lesenswert, wenn man denn Anekdoten und -dötchen mag und - der ist aktueller als man glauben will).

Allen andern, die hier 'reinschau'n auch schöne Tage diese Tage vom ungläubigen

Friedel

 

Im folgenden Beitrag,

liebe Novak,

geh ich davon aus, dass die Namen bewusst (und wenn nicht, wäre es eine unbewusst-meisterliche Leistung!) gewählt wurden und die Farbsymbolik, dass ich eine kurze soziologischen Deutung wage (die im prinzip schon in meinem ersten beitrag offenliegt, wenn sie denn jemand zu lesen versteht). Keine Bange, es ist nicht 1913:

Der Titel der Geschichte rührt her von einer Naturerscheinung in der Ostsee. Es ist auch nicht nur die titelgebende Erscheinung, sie birgt auch schon die zentrale Stelle des Textes, wenn Georg der kleineren Edith das Leuchten der Ostsee zeigt:

„Hier“, sagte er, und deutete auf den Meeresabschnitt weit hinter dem letzten Strandbad, „hier darfst du nie weit reingehen. Siehst du da draußen, wo die See ganz dunkel wird? Wie es hochdampft? So ein ganz blaues Schillern?“
Und als Edith nicht begreift deutlicher als vorher:
„Ganz weit, bestimmt einen halben Kilometer weg, siehst du? Da steigt es hoch. Blauer Dunst.“
„Oh“, sagte Edith, „jetzt seh ich es auch, komisch. Das Wasser ist wirklich blauer. Wie ein Edelstein. Und der Nebel darüber ist auch blau. Und er wackelt. Was ist das?“
„Nein, er wackelt nicht, das sind Temperaturunterschiede. Mein Vater sagt, es sind gefährliche Gase. Da darfst du nie hinschwimmen. Versprich mir das. Nie!“
Es ist die Warnung, an die der Warnende sich selbst nicht halten kann, als er dem Druck der Gruppe Gleichaltriger folgt. Um in der Terminologie der damals im Entstehen begriffenen soziologischen Theorie des David Riesman (1909 – 2002) wandelt sich der von Traditionen geleitete Besieger des Drachen oder auch dem einfachen, innengeleiteten Landmann (Georg = georgos, „Bauer, Landmann“) zum außengeleiteten Mitläufer – in dem Fall: Schwimmer, dem die Farbsymbolik, auf die ich schon beim vorletzten Mal eingegangen bin, korrespondiert. Blau ist an sich die Farbe des Himmels. Wenn dem Menschen der Himmel versprochen wird, sollte man dem Dunst seine Skepsis zeigen. Was wäre aber, wenn Georg der Wachsame (= Gregor) geblieben wäre? Es wäre zumindest ihm besser bekommen!

Und bevor ich’s vergess:

Edith = angelsächsischer Name aus aengl.
ead = Besitz, Gut, Glück +
gyth = Kampf

Kurzform: Ed(d)a

So viel und zugleich wenig zum Jahreswechsel. Und vorsorglich wünsch ich allen

einen guten Rutsch!

Friedel

 

Lieber Friedel,
ich geb es nur ungern zu, die Namen waren nicht bewusst gewählt. Schande über mich. Aber manchmal hast du schon recht, dass sich unbewusst etwas Bahn bricht. Georg war der erste Name, der mir einfiel. Er sollte nicht zu modern klingen und zu der Situation mit dem kleinen Mädchen passen. Und da kam dann Georg.
Ich wähle Namen eigentlich selten so bewusst. Sie müssen für mich zur Zeit passen, zu dem Protagonisten und irgendwie gut klingen, so dass man sich das merken kann.
Du achtest viel mehr auf so was als andere, du warst zum Beispiel der einzige, der den Namen des Pfarrers in Celebrate entdeckt und interpretiert hat. Cattlinger. Der war tatsächlich ganz bewusst gewählt. Beziehungsweise auch nicht ganz, sondern ich habe gesucht und ihn dann gefunden und mich für ihn entschieden, und dann das Doppeldeutige des Namens entdeckt. Und da wollte ich ihn dann auch unbedingt behalten. Die Rita in fucking special zum Beispiel (in der ersten version) trägt den Namen einer Frau, die ich persönlich extrem unsympathisch finde. Sollte wieder ein klingender Name sein, den man sich gut merken kann, aber den Namen einer Person, die ich mag, wollte ich keinesfalls missbrauchen, es musst eine böse sein. Wahrscheinlich ist die Rita in der ersten Version deshalb so schlimm und bösartig geworden. :D Ich musste mich richtig zwingen, sie danach wenigstens etwas vielschichtiger zu machen. (Klingt doch nach einer geilen Begründung dafür, dass man eben noch nicht richtig chrakterisieren kann. Oder?)
Aber soviel mal zur Namensgebung, bevor ich hier endgültig abschweife.
Namen, Farben und Symbole sind tatsächlich ein ganz eigenes Feld in Geschichten, es lohnt sich oft, dem nachzugehen, manchmal kann man Merker setzen mit diesen Symbolen, manchmal schleichen sich aber auch für einen ganz unerwartete Dinge ein.

Noch einmal vielen Dank für deine Überlegungen zu vor / hinter dem Mann und den ganzen Rest. Du weißt schon. Und für deine Gedanken und für deine Zeit.
Lass es dir gut gehen.
Viele Grüße von Novak

 

Schande über mich.

Nee, ne, warum dat dann? Muss ja nich' sein,

liebe Novak,

aber da bistu doch hier nicht alleine, vor allem hatten in Deiner Geschichte die Namen zeitgemäß zu sein und das trifft doch zu. Abgesehen davon geh ich allemal davon aus, dass eine Kurzgeschichte zu kurz ist, um Bedeutungsloses - vom Satzzeichen bis zum bedeutungsschwersten Wort und auch, wenn Lautschrift, die ja eigentlich recht leise ist, gewählt wird - darin unterzubringen, und wenn man Namen bewusst wählt, wie bei den Alten, dann nehmen sie einem Wort viel an Charakterisierung ab. Aber Deine Begründung klingt schon 'janz schön jeil', will ich ma' so sag'n.Je mehr man aus einem Text herausholen kann, umso besser ist er auch.

Darum trag ich die Frage mit mir herum, ob widerstreitende Haltung der Qualität eines Textes widersprächen. Es spricht doch eher für, als gegen den Text ...

Gruß vom

Friedel

 

Nochmals meld ich läst’ger Geselle mich zu der Geschichte,

liebe Novak,

denn ich Dummerchen hab wahrscheinlich immer schon zwei Dinge übersehn, was mir aber erst jetzt mit der Änderung nach dem Jahreswechsel aufgefallen ist – wobei das Komma zu

„So[,] Edith, ich bin der Georg, …“
sicherlich das einfachere ist.

Dann aber – schon bald bedeutsamer als das kleine Zeichen - ein unauffälliger Widerspruch, und zwar hier

Und der Junge mit dem schiefen Mund und dem schiefen Körper lachte sein schiefes Lächeln.
Vllt. geh ich jetzt zu weit, aber es muss gesagt werden (wenn’s sonst keiner tut): Lächeln ist an sich etwas anderes als lachen, lachen ist (Du weißt, dass ich momentan durch die Bros. Grimm und Grass derzeit verdorben werd) i. d. R. laut - der Duden sieht’s in der Gruppe von schreien und krächzen, aber auch gackern – zumindest lauter als jedes lächeln.

Es wird durch Lautmalerei anzeigt, die noch im ahd. (h)lahhan durchscheint und im comichaften haha noch erhalten ist. Lachen ist zudem angeboren und tierisches Erbe: es stammt vom Zähne zeigen, ist damit auch näher bei der Aggression als man glauben will (wobei das Zähnezeigen ja selbst beim dümmsten Hunden der Warnung dient) und Grimm (da isset!) anzeigt.

Lächeln hingegen ist ein leiser, eher zurückhaltender, gar manches Mal eher verlegener Ausdruck, was hier noch durch das schräge/“schiefe“ verstärkt wird.
Fällt die Zurückhaltung weg, wird’s zum Grinsen (kommt ja im Text auch vor) und endet im Gelächter. Statt „lachte … Lächeln“ fällt mir momentan nur „zeigte … Lächeln“ ein, oder – wie weiter unten bei der Mutter es hervorragend gelingt, wenn es heißt

Sie wusste, dass das Georgs Mutter war, denn ihr Lächeln hing schief in ihrem Gesicht,

meint der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Na das Komma flick ich natürlich gleich ein.
Aber lass dir erst mal danken für die Empfehlung. Ich habe mich sehr darüber gefreut.
Deine Hinweise zum Lachen und Lächeln habe ich gelesen. Das Dumme ist: Es leuchtet mir ein, dass Lächeln und Lachen inhaltlich nicht dasselbe sind. Jetzt, wo du es sagst, fällts mir auch auf. Jetzt hab ich den Salat. Ich weiß noch nicht genau, wie ich das löse:
Hab die Wahl zwischen lachte sein schiefes Lachen oder zeigte sein schiefes Lächeln. Schlimm, wie man manchmal schon festgelegt ist.
Ich schlaf erst mal drüber, vielleicht kommt die Erleuchtung dann von allein.
Ich grüße dich und lasse es dir gut gehen, lieber Freidel
Novak

Nachträgliches Edit:
HUCH, du siehst aber auch alles!
Dre Freidel bliebt jetzt, höchstesn wrüde ich inh zmu Fruedel ändren.
Aber nur um zu gucken, was dir dann einfällt ...

 
Zuletzt bearbeitet:

lasse es dir gut gehen, lieber Freidel
lass ich, schon weil mein Name da näher an der Freude (singt man nicht auch die Ode an - wenn schon nicht an mich, so doch an Freide[l]?)

liebe Novak,

und Du lass Dir Zeit, der Text wird länger halten, als so mancher glauben wird! Du wirst die richtige Entscheidung treffen!

Gruß

Vridel

Nachträgliches Edit am 8. d. M. zum

Nachträgliche[n] Edit
von Novak vom Vortage:
HUCH, du siehst aber auch alles!

nein, bitte nicht Fruedel, Früdel oder Frydel, aber in einer uralten Geschichte verrAT ICH GERADEZU MEINEN nAMEN. Vroidenreich Weinsteg und auch schon mal V. Steinweg

 

Moin Novak,

als ich zunächst die Erläuterung zu deiner Geschichte gelesen habe, hätte ich normalerweise nicht weitergelesen (gewidmete Geschichte, Erläuterungskatalog von Wörtern etc.), wenn - ja wenn eben nicht der kleine Zusatz "Geschichte von Novak" gewesen wäre.

Und ja, jetzt bin ich sehr froh, sie gelesen zu haben. Ich habe mich an den vielen Farben nicht so sehr gestört wie andere, sondern ich fand insgesamt ergaben sie einen schönen, kleinen Flickenteppich von Melancholie.

Zwei kleine Kritikpunkte, da mir leider für Ausführlicheres leider die Zeit fehlt:

Erstens: Es erwähnte schon mal jemand, aber auch ich denke den Verweis auf Georgs tote Schwester braucht es nicht, das könnte man wohl wirklich als kleine Holzhammertechnik als voraussehbares Schicksal Georgs bezeichnen Zweitens: Wie brummeln denn Kühe :D?

Ansonsten hat's mir sehr, sehr gut gefallen.

Lg fvg

 

Lieber fvg,
ich hab mich sowas von gefreut, dass du mal wieder hier bist.
Die Humor-Rubrik verwaist ja völlig ohne dich und deinen Bruder.
Obwohl du ja zuletzt sowieso quasi allein das Haus halten musstest.

wenn - ja wenn eben nicht der kleine Zusatz "Geschichte von Novak" gewesen wäre.
Weißt du was, das ist ein wunderwunderschönes Kompliment.

Und ja, jetzt bin ich sehr froh, sie gelesen zu haben. Ich habe mich an den vielen Farben nicht so sehr gestört wie andere, sondern ich fand insgesamt ergaben sie einen schönen, kleinen Flickenteppich von Melancholie.
Gut, dass es so bei dir angekommen ist.

Erstens: Es erwähnte schon mal jemand, aber auch ich denke den Verweis auf Georgs tote Schwester braucht es nicht, das könnte man wohl wirklich als kleine Holzhammertechnik als voraussehbares Schicksal Georgs bezeichnen
Da bin ich mir eben unsicher. Mir war übrigens nicht klar, dass man es als zu vordergründig empfinden könnte. Es ist ja der Grund, dass der Junge überhaupt zu ihr Kontakt aufnimmt. Es wäre natürlich zu überlegen, ob eine Freundschaft zwischen den beiden auch so als glaubwürdig empfunden wird, wenn ich nur ganz fein andeute, dass da was war.
Tja, ich sehe dann aber schon wieder andere Einwände. Wenn ich z. B. nur schreibe, dass sie ihn an jemanden erinnert. Ich denk einfach noch mal drüber nach. Du bist der erste jedenfalls , der mir so ein bisschen sagt, dass das auch ohne tote Schwester geklappt hätte. Jedenfalls hätte ich dann nicht das Prblem, dass man sich fragt, warum die Kumpels ihn schwimmen lassen. Wie gesagt, ich überlegs.

Zweitens: Wie brummeln denn Kühe ?
Das ist meine Lieblingsfrage. Aber fürs Beantworten bräuchtest du einen Lautsprecher.

Vielen Dank fürs Reinschneien, und für deine Gedanken. Ich wünsch dir was

 

Liebe Novak,

eine schöne Geschichte, die ich nicht mit Kinderaugen lese, sondern durch. Du hast dieses kleine Mädchen gut getroffen, und das, obwohl du sie nur sehr wenig charakterisierst. Dafür rückt die Bruder-Schwester-Beziehung in den Vordergrund, die über Verwandtschaft und Freundschaft hinweg funktioniert. Die Parallele zu der verstorbenen, tatsächlichen Schwester von Georg fand ich sehr schön. Auch, dass er seine Schwester in ihr wieder erkennt, fast ersetzt. Und das gleiche grausame Schicksal am Ende erleidet. Der Konflikt, diese Entscheidung: Gruppenzwang gegen Versprechen finde ich stark herausgearbeitet - Kritik diesbezüglich hast du, glaube ich, schon teilweise eingearbeitet. Eine Sache habe ich hier trotzdem anzukreiden: Georg zögert beim Wettkampf, weil er nicht gegen das väterliche Verbot verstoßen will. Er sagt auch noch einmal ausdrücklich, dass er nicht möchte, dass sein Vater davon erfährt. Dabei muss es doch viel mehr um seine verstorbene Schwester gehen und um das Versprechen, das er seiner "neuen" Schwester gemacht hat. Das habe ich ein bisschen Schade gefunden, dass du das nicht machst.

Kitschig finde ich deine Geschichte nicht. Melancholisch trifft es sehr gut. Nur, dass Georg eben ausgerechnet bei diesem Wettkampf verunglückt, wirkt konstruiert, aber das ist freilich notwendig und durchaus noch glaubwürdig.

Die Sprache hat mir nur an manchen Stellen nicht so gefallen, aber meistens wirklich gut. Was ich dir hier sagen will: das sprachliche Niveau deines Textes unterscheidet sich teilweise sehr, von Absatz zu Absatz. Ich denke, das weißt du selbst, wenn du willst, suche ich noch ein paar Beispiele raus. Aber bei den Anmerkungen erkennst du schon, dass mir manche Formulierungen richtig zugesagt haben, während ich bei anderen nicht so klar gekommen bin. Der Dialekt hat mich nicht gestört. Zugegeben hab ich ab und zu auf deine kleine Liste gelinst, aber es hat mich nicht gestört.

Ein paar Anmerkungen:

Hinter dem Zaun des nächsten Hauses schrien Gänse und rannten flügelschlagend auf die Straße, ein weißes Geschwader mit Schnäbeln wie hartes Holz. Ängstlich sah das Mädchen sich um, Willumeits Gänse waren gefürchtet in ganz Brösen. Ihr Herz hämmerte.
Da sollte ich als Leser die Angst des Mädchens nachempfinden können. Schaffe ich aber irgendwie nicht. "Geschwader" ist nicht das, wovor sich kleine Mädchen fürchten und hartes Holz klingt nicht sehr bedrohlich. Ich weiß nicht, ich kenne das aus meiner Kindheit, eine Gans ist ja ganz okay, aber eine ganze Schar! Dieses Gefühl lese ich hier leider nicht.

Arme und Beine schlotterten an ihm, als gehörten sie zu einem viel größeren Menschen. Irgendwie sah er falsch zusammengesetzt aus. Selbst der blonde Haarwust stand in einem verkehrten Winkel vom Kopf ab.
Schönes Bild!

Während er das sagte, lächelte er weiter. Sogar die Nase krauste sich zu einem drolligen Fächer. „Wie alt bist du?“
„Ich bin schon fünf.“
Was hältst du davon, wenn sie stolz ihre Hand zeigt und ihre fünf Finger spreizt?

die Zunge klemmte zwischen den Lippen
wie wahr

„Vielleicht kann ich mit ihr spielen?“
„Das wird nicht gehen“, sagte der Junge leise.
Starker Moment.
Aber:
„Sie ist nicht allein. Sie ist jetzt im Himmel. Die See hat sie geholt. Bei Kleschkau."
Da gefällt mir der zweite Teil nicht. "Die See hat sie geholt. Bei Kleschkau." Das klingt hier irgendwie falsch.

Es war noch dunkel. Aus dem Stall drang warmer, süßer Heugeruch, Kühe brummelten, träumten von einer saftigen Sommerwiese. Edith schlich über den Sandweg, ihr Blick kletterte das Rosenspalier hinauf zu dem Fenster der Mutter. Es war geschlossen. Gut, dachte Edith, ihre Mutter durfte nicht wissen, dass sie dem Jungen die Osterlämmchen zeigen wollte. Es war verboten, allein an die See zu gehen. Aber für Edith war es das Schönste. Wenn noch niemand da war, wenn selbst der Wind noch schlief, konnte man am besten sehen, wie die Sonne rotgoldenes Gefunkel auf das Wasser streute und den Sand versilberte. Zu Staub zerfallene Muscheln, die immer noch glänzen. Und wenn die See darüber hinwegbrandete, nach ihren Füßen leckte und wieder zurückwich, haftete Schaum darauf, der nach Tang roch und nach Salz.
Das ist vor allem sprachlich ein sehr gelungener Absatz. Da lässt du den Leser gekonnt durch die Kinderaugen gucken. Alles, was du beschreibst, spürt man.

Er deutete auf die blauen Blumen, die sich von dem orangen Stoff abhoben.
Die neuen Farben sind: blau/ orange =)

Als die Sonne sich zur Hälfte aus dem Wasser erhoben hatte, schickte sie ihre Strahlen wie suchende Finger über das Meer, und dort, wo sie die Oberfläche betasteten, brachen sie das Wasser und sprengten silbrige Lichter auf die Wellen. Wie kleine hüpfende Körper, die mutwillig miteinander spielten und rangen und hin und her sprangen, junge Schafe auf einer Weide.
Herrlich!

da verschluckte sie sich vor Vergnügen.
Da bin ich gestolpert. Man verschluckt sich, weil man Spaß hat und nicht aufpasst, aber hier lese ich das, sie verschluckt sich zum Spaß, auch wenn das nicht so geschrieben ist. Ich würde nur "da verschluckte sie sich" stehen lassen und das mit dem Vergnügen irgendwie ändern. Auch würde ich sie den Satz nicht zu Ende sagen lassen, das Verschlucken zerreißt ihr den Satz. Und statt dem Vergnügen vielleicht: dann tauchte sie wieder auf, hustete und lachte. Und vollendet den Satz, anders als er eigentlich hätte enden sollen.

Ei Georg, warst du in Kleschkau auch schon son Vaterkind?
Wortwahl: Vatersöhnchen, in Analogie zu Muttersöhnchen?

Edith stampfte mit dem Fuß, baute sich vor Hans auf, die Fäuste geballt, und trat mit Wucht gegen sein Schienbein.
Geil! Auch, dass die anderen denken, sie sei seine Schwester.

Er spie den Namen aus, als wäre er Dreck, der seinen Mund verstopfte.
Der seinen Mund verstopfte klingt ziemlich überladen.

Als es dämmerte, saß sie immer noch am Ufer und schob den Sand zu kleinen Dämmen auf. Rahmte Kästchen bis zum Wasser und während sie häufelte, sang sie ein Lied: schwarz weiß rot, der kleine Mann ist tot und dann sang sie nicht weiter, sondern wiederholte die Verse, bis ein Nachbar kam und sie nachhause brachte.
Sehr traurig. Und sehr schön eingefangen, diese hilflose, verständnislose und kindliche Traurigkeit.

Edith stand auf. Sie öffnete den Mund wie zu einem Schrei, doch nichts war zu hören. Der Schrei gellte zurück. In sie hinein, verbrannte sie.
Die Bilder hier finde ich nicht 100% passend; trotzdem finde ich, dass du das gut beschreibst, mit dem Schmerz, der nach innen geht und nicht nach außen.

„Ei Marjellchen, das ist nur ein Aal. Der tut dir nichts. Die Seele des Jungen hat die See geholt, den Körper überlässt sie ihren Totengräbern. Die haben nur getan, was in ihrer Natur liegt.“
Wenn das der Vater sagt, glaube ich nicht, was er sagt. Wenn der Sohn tot ist, bleibt man nicht so kühl. Und wenn, dann spricht man sehr abgehakt und nicht poetisch. Ohne Schnörkel. Was versteht das Mädchen schon von Seele und Totengräbern?

Sie sah hinaus, hin zu dem blauen Leuchten, das wie ein dunkler Edelstein schillerte, und sie fürchtete sich vor der See und hasste sie.
Stark!

Irgendwann war es eine Melodie, die den Atem der Menschen umspielt und die Seele gebrannter Kinder heilt.
umspielte und heilte?


Die stärksten Szenen sind die am Ufer, als Georg sich entscheiden muss, und das sehr traurige, sehr berührende Ende. Den Einstieg finde ich, naja, nicht sehr besonders, allerdings gefällt es mir, wie du aus dem Hüpfspiel etwas Symbolisches machst. Ich sag dir mal, was ich da reingelesen habe: das Hüpfspiel ist irgendetwas, vielleicht sogar das Leben, wie man etwas machen soll und Georg zeigt ihr das, er bringt es ihr bei, führt sie in die richtigen Kästchen und am Ende verhüpft sich Georg, der eigentliche ihr Lehrer war und wie sie das Lied am Ende vor sich hinsummt - das ist irgendwie die kindliche Unverständnis. Warum er so etwas tut, wenn er es doch verboten hat. Nur Gedankenspielerei. =)

Den Titel mag ich auch. Die Osterlämmchen auf der Wasseroberfläche, die poetische Inszenierung der Sonne, das Kindliche und die kleinen Fragezeichen, die ganz groß werden am Schluss.

Habe ich gern gelesen!

Beste Grüße
markus.

PS: Eine schöne Geste, solch eine Erzählung für seine Mutter zu schreiben!

 

Hi Novak,

bravo, du hast es im Blut;

ab heute nenne ich dich nur noch ehrfürchtig: Träger des KG-Gens.

Die Geschichte hat mich von Anfang an mitgenommen. Ich sehe die Wolken, spüre den Wind und rieche das Meer und der Kinder Worte lese ich nicht, sondern höre sie. Die Erwartung der Katastrophe liegt wie eine schwere Wolke über der Geschichte und trotzdem hofft man insgeheim auf ein gutes Ende, vergeblich. mMgn erwächst dadurch diese tiefe Traurigkeit, die sich nach und nach einstellt und den Leser tief berührt (mich jedenfalls).

Bei uns zu Hause wurde zwar hochdeutsch gesprochen, aber mein Vater stammte aus Insterburg und so ist der Dialekt für mich kein Problem, im Gegenteil. Poumuchelskopp ist mein Lieblingswort.

Auch nach längerer Suche hab' ich nix zum Meckern gefunden.

Gruß, elfenweg

 

Lieber Markus,
das ist ja echt ein Ding, da kommentiere ich Tag für Tag und sehe nicht, dass sowohl du als auch Elfenweg noch einen Kommentar da gelassen habt.
Sowas Schlappes von mir. Ich hab wohl gar nicht mehr mit gerechnet.

Und weißt du was, dein Kommentar war sowas von klasse. Ich hab mich natürlich über das Lob gefreut, aber auch darüber, dass du einige Stellen, die hin und wieder mal von anderen moniert wurden, trotzdem gut fandest.
Das hat mich wieder ein bisschen sicherer gemacht, irgendwie muss man auch aufpassen, dass man den Weg findet, die Kritikpunkte rauszufinden, die für einen persönlich passen, sonst schlachtet man seine Geschichte hin und dann kommt der nächste Kritiker und man schlachtet wieder zurück.
Ist neben dem eigentlichen Schreiben der Geschichte auch gar nicht mal so einfach, das für sich zu sortieren.
Deine Hinweise sind sehr hilfreich, ich mag das sehr, wenn Leute direkt mit einem an der Sprache arbeiten und begründen, warum was nicht so stimmig ist. Ich habe bei mir oft das Gefühl, dass eigentlich gar nicht so richtig weiß, was ich da eigentlich mache, daher ist das für mich sehr gut, wenn ich solche Textstellen aus den Augen eines anderen sehen kann.

Du hast dieses kleine Mädchen gut getroffen, und das, obwohl du sie nur sehr wenig charakterisierst. Dafür rückt die Bruder-Schwester-Beziehung in den Vordergrund, die über Verwandtschaft und Freundschaft hinweg funktioniert. Die Parallele zu der verstorbenen, tatsächlichen Schwester von Georg fand ich sehr schön. Auch, dass er seine Schwester in ihr wieder erkennt, fast ersetzt. Und das gleiche grausame Schicksal am Ende erleidet.
Puhhh, Uffff, dreimal in die Hände geklatscht, und über die Stirn gewischt.
Das war mir alles nämlich sehr, sehr wichtig.

Der Konflikt, diese Entscheidung: Gruppenzwang gegen Versprechen finde ich stark herausgearbeitet - Kritik diesbezüglich hast du, glaube ich, schon teilweise eingearbeitet. Eine Sache habe ich hier trotzdem anzukreiden: Georg zögert beim Wettkampf, weil er nicht gegen das väterliche Verbot verstoßen will. Er sagt auch noch einmal ausdrücklich, dass er nicht möchte, dass sein Vater davon erfährt. Dabei muss es doch viel mehr um seine verstorbene Schwester gehen und um das Versprechen, das er seiner "neuen" Schwester gemacht hat. Das habe ich ein bisschen Schade gefunden, dass du das nicht machst.
Ja Schwups und Jandalf und Nachtschatten glaube ich auch hatten das angemerkt, es ging ihnen zu schnell, dass der Georg einfach mitschwamm, und dann hab ich den Konflikt ausgebaut, was wiederum jemand anders furchtbar fand, weil man heutzutag keine Mutproben mehr schreiben kann. Das hab ich mir aber überlegt, das seh ich direkt anders. Naja, so kanns gehen.
Dass er sich nicht extra auf die tote Schwester bezieht, wollte ich so verstanden wissen: Er ist ein Junge. Dass seine Schwester im Meer ertrank, lag für ihn daran, dass sie kleiner war, ein Mädchen war, viel unerfahrener als er. IHM kann das niemals passieren. Wenn er sich da zurückhält, dann tut er das nur wegen der kleinen Edith und eines Versprechens in der Familie. Die Letzteren sind nicht da. Und die kleine Edith zählt für ihn irgendwann dann nicht mehr so stark im Vergleich zu dem, was er verliert, wenn die Jungen ihn verstoßen. Ich denke immer, ältere Brüder ticken doch so.

Kitschig finde ich deine Geschichte nicht. Melancholisch trifft es sehr gut. Nur, dass Georg eben ausgerechnet bei diesem Wettkampf verunglückt, wirkt konstruiert, aber das ist freilich notwendig und durchaus noch glaubwürdig.
Da auch: Fünfmal Puuh, die Geschichte ist ja sehr gefühlsbetont. Und da kann es auch leicht mal sein, dass man übertreibt. Die anderen vorher haben mir aber auch gezeigt, dass ich einen Haufen Vergleiche hatte und die bin ich dann supergründlich durchgegangen und hab alles, was schon zu abgegriffen ist, rausgeschmissen.

Was ich dir hier sagen will: das sprachliche Niveau deines Textes unterscheidet sich teilweise sehr, von Absatz zu Absatz. Ich denke, das weißt du selbst, wenn du willst, suche ich noch ein paar Beispiele raus. Aber bei den Anmerkungen erkennst du schon, dass mir manche Formulierungen richtig zugesagt haben, während ich bei anderen nicht so klar gekommen bin.
Also mit den Textbeispielen, die du hier angegeben hast, bin ich auf jeden Fall sehr gut klar gekommen. Ich konnte immer genau nachvollziehen, was du meinst und dadurch entweder (in den meisten Fällen) deinen Einwand teilen oder es halt auch mal lassen.
Ich habe aber überhaupt nichts dagegen (im Gegenteil) wenn du noch was raussuchen magst.
Ansonsten ist mir das nicht klar, dass sich das Niveau so sehr unterscheidet von Absatz zu Absatz. Das finde ich auch lustig, dass das so ist. Nee, ist mir absolut nicht klar. Ih hab schon manchmal gefunden, dass der Anfang (der allererste Abschnitt) oft piefig ist, als ob man sich da erst warm schreiben würde. Aber gleich von Abschnitt zu Abschnitt?Wollen tut man das natürlich nicht, sondern man will immer auf einem guten Level sein.

Da sollte ich als Leser die Angst des Mädchens nachempfinden können. Schaffe ich aber irgendwie nicht. "Geschwader" ist nicht das, wovor sich kleine Mädchen fürchten und hartes Holz klingt nicht sehr bedrohlich. Ich weiß nicht, ich kenne das aus meiner Kindheit, eine Gans ist ja ganz okay, aber eine ganze Schar! Dieses Gefühl lese ich hier leider nicht.
Das ist witzig, vor dir hat schon mal jemand diese Stelle moniert. Da hab ich sie mit Zähnen und Klauen verteidigt. Lag vielleicht daran, dass mir der Grund für die Abneigung nicht klar war. Dein Argument allerdings kann ich nachvollziehen. Du erkennst meine Intention, ich will ja die Angst des Mächens zeigen, aber du meinst, dass die Kleine das Wort "Geschwader" möglicherweise noch nicht mal kennt, und das harte Holz zu wenig bedrohlich ist. Tja, ich muss zugeben, da wird für mich ein Schuh draus. Ich glaub, du hast Recht.
Also die Stelle werde ich überschreiben und sie kindlicher und bedrohlicher machen.

Was hältst du davon, wenn sie stolz ihre Hand zeigt und ihre fünf Finger spreizt?
Schöne Idee. Mach ich.

Da gefällt mir der zweite Teil nicht. "Die See hat sie geholt. Bei Kleschkau." Das klingt hier irgendwie falsch.
Auch da hast du Recht. Ich hatte das eingefügt (auch nachträglich) weil sich Kommentatoren darüber gewundert haben, dass die anderen Jungen nicht Rücksicht auf den Ertrinkungstod seiner Schwester nehmen, also wollte ich sie woanders sterben lassen, so dass die Jungen nichts davon wissen könen. Aber so klingt es auch komisch. Ich lass mir was einfallen. Vielleicht lass ich ihn einfach den Satz nicht völlig beenden.

Da bin ich gestolpert. Man verschluckt sich, weil man Spaß hat und nicht aufpasst, aber hier lese ich das, sie verschluckt sich zum Spaß, auch wenn das nicht so geschrieben ist. Ich würde nur "da verschluckte sie sich" stehen lassen und das mit dem Vergnügen irgendwie ändern. Auch würde ich sie den Satz nicht zu Ende sagen lassen, das Verschlucken zerreißt ihr den Satz. Und statt dem Vergnügen vielleicht: dann tauchte sie wieder auf, hustete und lachte. Und vollendet den Satz, anders als er eigentlich hätte enden sollen.
Da bin ich noch nicht sicher, das prüf ich und überlege ich mir.

Wortwahl: Vatersöhnchen, in Analogie zu Muttersöhnchen?
Das bleibt zwar, aber ich musste lachen, weil mir da wohl wirklich was durcheinander geraten ist.


Der seinen Mund verstopfte klingt ziemlich überladen.
Ok, da haste Recht, Kitschalarm. Kommt weg.

Sehr traurig. Und sehr schön eingefangen, diese hilflose, verständnislose und kindliche Traurigkeit.
Da hab ich mich gefreut, ist nämlich eine Stelle, die mir ziemlich am Herzen lag.

Die Bilder hier finde ich nicht 100% passend; trotzdem finde ich, dass du das gut beschreibst, mit dem Schmerz, der nach innen geht und nicht nach außen.
Auch das ist eine Stelle, die mich viel Zeit und Ausprobieren gekostet hat. Sie hat (PSS schrieb das) etwas Künstliches. Das stimmt, aber auf die kommt es mir sehr an, ich finde, man erlebt hier das Traumatische so ein bisschen mit.

Wenn das der Vater sagt, glaube ich nicht, was er sagt. Wenn der Sohn tot ist, bleibt man nicht so kühl. Und wenn, dann spricht man sehr abgehakt und nicht poetisch. Ohne Schnörkel. Was versteht das Mädchen schon von Seele und Totengräbern?
Aber das ist doch nicht der Vater, das ist einer der Männer, die die Leiche des Jungen betrachten.

allerdings gefällt es mir, wie du aus dem Hüpfspiel etwas Symbolisches machst. Ich sag dir mal, was ich da reingelesen habe: das Hüpfspiel ist irgendetwas, vielleicht sogar das Leben, wie man etwas machen soll und Georg zeigt ihr das, er bringt es ihr bei, führt sie in die richtigen Kästchen und am Ende verhüpft sich Georg, der eigentliche ihr Lehrer war und wie sie das Lied am Ende vor sich hinsummt - das ist irgendwie die kindliche Unverständnis.
Ja, das hast du richtig erkannt, also den ersten Teil, das wollte ich schon so haben, dass der Georg ihr was beibringt, ihr die sozialen Kontakte ebnet, wie ein ältere Bruder eben, deshalb läuft sie ihm auch so hinterher wie ein Entenjunges, ihr Vater ist ja auch weg, sie sucht den älteren Bruder, fast wie einen Vaterersatz. Natürlich hatte ich das nicht so geplant, sondern das sind so Einfälle und dann bleibt man dabei und irgendwann später merkt man, dass es einen Grund für den Einfall gegeben hat, der einem vorher gar nicht klar war. Dass Georg sich verhüpft, ok, das hatte ich jetzt nicht intendiert, aber kann man so sehen. Das Lied, das sie summt, ist doppeldeutig, das hab ich bewusst eingebaut. Weil es so ein bisschen die Zeit spiegelt, die Schicht, aus der sie und er kommen, und wenn man so will eine Anspielung auf Georgs Schicksal; und ihr Summen zeigt, dass sie nichts begreift.
Lieber Markus, ich danke dir sehr für deine Auseinandersetzung mit dem Text, deine Zeit und deine Gedanken. Du hast mir sehr geholfen.
Viele liebe Grüße
Novak

Und lieber Elfenweg, dir antworte ich später. Zeit macht mal wieder ihre eigenen Dinger.
Ich setz das dann direkt hier drunter.
Aber schon mal ganz herzlichen Dank
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

tatsächlich habe ich kurz geglaubt, du hast uns vergessen. Umso schöner war deine Reaktion und es freut mich sehr, dass du was anfangen konntest mit meinen Zeilen.

Noch ein paar Dinge:

Dass seine Schwester im Meer ertrank, lag für ihn daran, dass sie kleiner war, ein Mädchen war, viel unerfahrener als er. IHM kann das niemals passieren. Wenn er sich da zurückhält, dann tut er das nur wegen der kleinen Edith und eines Versprechens in der Familie. Die Letzteren sind nicht da. Und die kleine Edith zählt für ihn irgendwann dann nicht mehr so stark im Vergleich zu dem, was er verliert, wenn die Jungen ihn verstoßen.
Ich verstehe dich da voll und ganz, nur sollte das Versprechen, das er der kleinen Edith gibt, deutlich mehr gewichtet werden als das Verbot des Vaters, auch wenn er letztendlich ins Wasser springt. Das mit Edith lese ich fast gar nicht und das finde ich komisch, weil zwischen ihr und Georg mehr ist. Vielleicht habe ich auch einfach ein Problem, dass der Junge so dumm ist. =)

Ich habe aber überhaupt nichts dagegen (im Gegenteil) wenn du noch was raussuchen magst.
Ansonsten ist mir das nicht klar, dass sich das Niveau so sehr unterscheidet von Absatz zu Absatz.
"Da muss ich dich leider auf später vertrösten", sagt Thieme.

EDIT: Vielleicht liegt das mit dem unterschiedlichen Niveau auch an den Bildern, die du schaffst. Manche wirken konstruiert, man weiß, was sie tun sollen, aber sie passen nicht recht, als stünde ihr Rand aus dem Poesiealbum heraus. Und dann kommen so Dinge wie das Ende, das sehr gut ist, sehr stimmig, berührend. Da frage ich mich, warum schreibt sie nicht überall so. =) Das ist es glaub ich.

Aber das ist doch nicht der Vater, das ist einer der Männer, die die Leiche des Jungen betrachten.
Okay, da war ich mir nicht sicher, hab auch geschrieben: Wenn es der Vater ist ...

Bis bald!

Liebe Grüße
markus.

 

Lieber Markus, Danke für deine schnelle Antwort,
jetzt bin ich aber nicht mehr so nachlässig.

Ich verstehe dich da voll und ganz, nur sollte das Versprechen, das er der kleinen Edith gibt, deutlich mehr gewichtet werden als das Verbot des Vaters, auch wenn er letztendlich ins Wasser springt. Das mit Edith lese ich fast gar nicht und das finde ich komisch, weil zwischen ihr und Georg mehr ist. Vielleicht habe ich auch einfach ein Problem, dass der Junge so dumm ist. =)
Ok, ich schau es mir noch mal an, im Moment guckt er noch mal zu ihr hin, womit ich sein schlechtes Gefühl ihr gegenüber ausdrüken wollte. Aber vielleicht fällt mir da noh was ein, um es zu verstärken. Hast ja Recht. Und ih möchte auch nicht, dass Georg doof ist. Es reicht ja schon, dass er sterben muss. ;)

Machs gut, bis dann
Novak


Und hallo, lieber Elfenweg,
dein großes Lob, das hat mich natürlich total umgehauen.
Ich war und bin ja arg am Zweifeln, da kommt sowas als Motivationsschub natürlich äußerst gelegen.
Was ich sehr schön fand, ist, dass die Geschichte dich berührt und mitgenommen hat. Etwas Schöneres kann man einem anderen Schreiber glaube ich gar nicht sagen. Dein Bild mit der schweren Wolke, das war es, was ich erzeugen wollte. So eine Melancholie, die über dem Geschehen liegt.
Und nicht zuletzt: Dass deine Eltern aus Insterburg kommen und du Pomuchelskopp kennst, das fand ich total lustig. Ich bin damit aufgewachsen, weil praktisch meine Großmutter mich erzogen hat und die hat total ostpreußisch gesprochen. Ist irgendwie lustig, dass das einer kennt.
Dein Kommentar macht immer noch meine Ohren ganz rot. Da könnt jetzt ein Auto davor halten.
Liebe Grüße und Dankeschön für den Motvationsschub
Novak

 

Hallo! Ich fand diese Geschichte so schön!
Rührend und traurig. Und nicht kitschig, wie Du am Anfang gesagt hast :)
Arme Eltern von Georg, haben auf die gleiche Weise zwei Kinder verloren :( Man denkt eigentlich schon bei dem Titel, dass jemand ertrinken wird. Das hat was von einer griechischen Tragödie. Es ist aber so eine ruhige Tragödie.

Die Seele des Jungen hat die See geholt, den Körper überlässt sie ihren Totengräbern. Die haben nur getan, was in ihrer Natur liegt.
- wie philosophisch er das sagt. Es war wahrscheinlich eine gewöhnliche Sache, dass jemand ertrank. Und das Ende ist auch so ruhig und philosophisch:
Aber jetzt machte ihr das nichts mehr aus. Denn die See sprach zu ihr und schenkte ihr Gesichter.
Den Dialekt finde ich interessant, man kann ihn verstehen und er macht Dialoge noch lebendiger.
Ich finde es auch gut, dass die See für das Mädchen am Ende keine negative Färbung bekommt, obwohl Georg dort ertrunken ist.
Da begrüßte sie den Himmel, der goldene Lichter auf die See zauberte.
- so ein friedliches Bild.
Man stellt sich die ganze Zeit glänzendes Wasser vor und dieses Leuchten, wo man nicht hinschwimmen darf, wenn man es liest.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schenja,
vielen Dank für deine Worte zu meiner Geschichte.
Das hat mich sehr gefreut, dass du sie so schön fandst.

Das hat was von einer griechischen Tragödie. Es ist aber so eine ruhige Tragödie.
Zitat:
Die Seele des Jungen hat die See geholt, den Körper überlässt sie ihren Totengräbern. Die haben nur getan, was in ihrer Natur liegt.
- wie philosophisch er das sagt. Es war wahrscheinlich eine gewöhnliche Sache, dass jemand ertrank.
Das ist klasse, dass es so bei dir angekommen ist. Es war tatsächlich etwas Gewöhnliches, viele Familien hatten Opfer zu beklagen. Auch wenn es tragisch war, es war etwas, mit dem man ungehen musste.
Es hat eben beides: Tragik und die Gewöhnung an die Tragik. Auch wenn man sich das so heute kaum vorstellen kann oder mag, aber die Akzeptanz, mit der Unfälle genommen wurden, so wurde mir das zumindest erzählt, waren wohl auch etwas Überlebensnotwendiges.

Und das Ende ist auch so ruhig und philosophisch:
Zitat:
Aber jetzt machte ihr das nichts mehr aus. Denn die See sprach zu ihr und schenkte ihr Gesichter.
Ja, auch diese Stelle hatte ich so gemeint. Es ist ja irgendwie komisch, dass ein und dieselbe Sache, die tödlich und gefährlich sein kann, gleichzeitig eine ruhige, beruhigende Wirkung. Das ist oft so mit Naturphänomenen.
Und diese doppelte Wirkung, das Tödliche, aber auch das Einlullende des Wassers, der Wellen, wollte ich einfangen.

Danke für deinen wunderschönen, lobenden Kommentar.
Kann man manchmal gut gebrauchen.
Viele Spaß wünsch ich dir noch hier.
Viele Grüße
Novak

 

Schwarz weiß rot
Der kleine Mann ist tot
Wir wollen ihn begraben
In einem Puppenwagen

Da bin ich böser Mensch noch einmal hier angekommen,

liebe Novak,

mit einer kleinen Nachricht zu den zitierten Versen und einer winzigen Anregung, die mir erst jetzt beim nochmaligen Lesen dieser trotz des tragischen Inhalts wohltuenden Geschichte aufgefallen ist (manchmal braucht es halt etwas länger).

Lachend liefen die Kinder davon und ließen die Kleine zurück. Sie starrte auf die Hüpfkästchen. So groß waren sie. Kästchenriesen. Wenigstens die ersten paar musste sie schaffen, …
Würde hier nicht statt der einfachen Aussagesätze das Ausrufezeichen das Staunen des Kindes über die Größe der Rechtecke verstärken? Etwa
Lachend liefen die Kinder davon und ließen die Kleine zurück. Sie starrte auf die Hüpfkästchen. So groß waren sie[!] Kästchenriesen[!] Wenigstens die ersten paar musste sie schaffen, …
Und kurz darauf ähnlich auch, statt
… und sprang. Geschafft. Der nächste. …
etwa
… und sprang. Geschafft[!] Der nächste. …
was sich vor allem bei den Ellipsen fortsetzen ließe …

Aber das ist nichts gegen die bekanntgewordene Nachricht neben einem Pressefoto:
In Münster ist vor wenigen Wochen eine „Orts“gruppe der Jungen Union vor den Farben Schwarz-Weiß-Rot abgelichtet worden. Als es offiziell bemäkelt wurde, zeigte sich die Naivität der Christdemokraten oder scheinbare Ahnungslosigkeit in der Begründung, es seien doch auch die Farben hiesiger Burschenschaften …

Na dann ...

Wie immer gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Friedel,
schön, dass du dich noch mal meldest. Zwei von den drei Ausrufezeichen kaufe ich. Hinter Kästchenriesen und hinter Geschafft.
Ich merk so ganz prinzipiell bei mir, dass ich hauptsächlich mit Punkten und Kommas und der Länge der Sätze arbeite. Fragzeichen auch, aber das hat ja auch eine grammatikalische Komponente.
Irgendwann habe ich hier mal einen Text gelesen, der von Ausrufezeichen nur so wimmelte. Die anderen haben dann geschrieben, deine Sätze schreien mich ja ununterbrochen an. Als ich das las, war es mir auch klar, dass Satzzeichen eine Bedeutung für die Wirkung eines Satzes haben. Für mich persönlich bräuchte es weder Ausrufezeichen, noch Doppelpunkte oder das Semikolon. Ich setze sie nicht, bei anderen stören sie mich auch nicht, selbst, wenn sie falsch gesetzt sind. Ich nehme sie ganz einfach nicht wahr.
Naja, langsam sollte ich mal dran denken, dass da nicht jeder so reagiert wie ich. Und an manchen Stellen unterstreicht das ja auch den Sinn.
Also - bei meinen nächsten Texten wirst du dann zu tun haben, das Klammern- und Semikolondickicht zu roden. :lol:

Aber das ist nichts gegen die bekanntgewordene Nachricht neben einem Pressefoto:
In Münster ist vor wenigen Wochen eine „Orts“gruppe der Jungen Union vor den Farben Schwarz-Weiß-Rot abgelichtet worden. Als es offiziell bemäkelt wurde, zeigte sich die Naivität der Christdemokraten oder scheinbare Ahnungslosigkeit in der Begründung, es seien doch auch die Farben hiesiger Burschenschaften …
Ich glaub scheinbare Ahnungslosigkeit trifft es besser. Und was das über die Burschenschaften heißt, das fällt auch gleich noch am Rande mit ab. Reizende Herren.
Lustig ist, dass diese Farbdiskussion wirklich eine Zeitlang in Deutschland mal völlig weg war aus dem Spektrum politischer Symbole. Heute trifft man es wieder vermehrt an, bzw das Spiel damit. Ja, man merkt den Zeitgeist auch an den Farben.
Als ich deinen Hinweis auf das Pressefoto las, musste ich lachen, weil neulich bei einer Kollegin Flaggen verschiedener Nationen gezeigt wurden (war im Job) und ein etwas rechtslastig gesinnter junger Mann (ja, das gibts auch in Frankfurt) hat sich bitter darüber beschwert, dass unter der jemenitischen Flagge die falsche Nation stünde. Das wär eine ehemalige deutsche Flagge. Sie hätt ihn in dem Glauben lassen sollen. Hätte vielleicht fruchtbare Diskussionen gegeben, wenn er damit bei seinen Kumpels angerückt wär.

Ich wünsch dir ein ganz schönes Wochenende. Ich fahr jetzt mal für drei, vier Tage in den Schnee. Ich freu mich schon.
Liebe Grüße
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Novak,

Das ist wirklich ein schöner Text. Ich hätte das viel früher lesen und kommentieren müssen, aber weil du gleich gepostet hast: Hab das für meine Mutter geschrieben - vielleicht hat das mich abgeschreckt. Also das ist natürlich voll schön, wenn man so was macht … aber ich als Kritiker, wenn ich das von Anfang an weiß, dann fühle ich mich als Kritiker irgendwie eingeengt. Weil angenommen der Text ist jetzt nicht so gut, aber hat dann einer sie für die Mama oder die Freundin oder so was geschrieben, dann komm ich mir ja schäbig vor, wenn ich dann sage … ey … ist leider nicht so gut.
Aber wie auch immer, ich hätte eh nicht so viel zum Kritiseiren gehabt. Also den schiefen Jungen, und das Mädchen, die sind dir echt gut gelungen, das ist ein wirklich ein lieber, schöner Text, mit tollen Bilder, der Akzent hat auch was, das hat mir gefallen … und das "Blaue Leuchten", die Ostsee und die Liebe für das Meer und wie er dann die Seelen nimmt … das Hüpfespiel … ah je … das kommt allles rüber, die ganze Atmosphäre. Ist wirklich sehr schön alles.

Die Dialoge find ich auch gut … die Jungs da untereinander … auch das Mädchen mit ihrem Kleid … das ganze hat so ein Märchentouch, ein bisschen Kindheitsidyll, aber dann doch traurig.

Also mir hats sehr gut gefallen. Würde mich freuen noch mehr von dir zu lesen.

MfG,

JuJu

 

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