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Blaues Leuchten

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22.10.2011
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Blaues Leuchten

„Du kannst es nicht, du kannst es nicht.“
Lachend liefen die Kinder davon und ließen die Kleine zurück. Sie starrte auf die Hüpfkästchen. So groß waren sie. Kästchenriesen! Wenigstens die ersten paar musste sie schaffen, sonst ließen die Kinder sie nie mitspielen. Entschlossen warf sie die Zöpfe zurück, stellte sich knapp vor den ersten Strich und sprang. Geschafft! Der nächste. Und noch einer. Edith sah zum vierten Kästchen. Je länger sie darauf starrte, desto weiter weg war es. Ihr Bein wog schwer, immer schwerer. Schnell jetzt. Edith holte mit den Armen aus, sprang, für einen Moment schwankte sie in der Luft, als könnte ihr Körper sich nicht entscheiden, wo er landen sollte. Und gerade, als sie glaubte, jetzt klappte es, da mogelte sich der Strich doch unter ihren Schuh. Sie stampfte auf: „Böser Fuß!“ Von weitem hörte man Kinder lachen. Hatten sie das etwa beobachtet? „Blöde dicke Bowkes, ich wollte ja sowieso nicht mit euch spielen“, schniefte sie, dann nahm sie die Schürze vor das Gesicht und verbarg ihre Enttäuschung in dem mürben Stoff.
Hinter dem Zaun des nächsten Hauses schrien Gänse und rannten flügelschlagend auf die Straße, ein weißes Geschwader mit Schnäbeln wie hartes Holz. Ängstlich sah das Mädchen sich um, Willumeits Gänse waren gefürchtet in ganz Brösen. Ihr Herz hämmerte. Wo sollte sie hin? Gerade, als sie davonlaufen wollte, hörte sie eine Jungenstimme hinter sich. „Haut ab oder ich zieh euch den Holzschlorren über, ihr weißen Deiwel!“ Das Kreischen der Gänse verebbte. Als sie sich umwandte, watschelten sie zurück in den Hof. Vor ihr stand ein Junge, den sie noch nie gesehen hatte. Er war schmal. Arme und Beine schlotterten an ihm, als gehörten sie zu einem viel größeren Menschen. Irgendwie sah er falsch zusammengesetzt aus. Selbst der blonde Haarwust stand in einem verkehrten Winkel vom Kopf ab. Der Junge blickte auf sie herunter, als wollte er prüfen, wen er da vor sich hatte. Dann lächelte er. Mit einem so schiefen Mund, dass sie laut lachen musste.
„Bist du der schiefe Junge?“, sagte sie.
„Na hör mal, Marjellchen, grad pflück ich dir die Gänse von deinen dicken, kleinen Waden, jetzt wirst du mucksch.“ Während er das sagte, lächelte er weiter. Sogar die Nase krauste sich zu einem drolligen Fächer. „Wie alt bist du?“
„Ich bin schon fünf.“
„Und wie heißt du?“
„Edith.“
„So, Edith, ich bin der Georg, jetzt zeig ich dir mal, wie man hüpft, damit deine Freunde dich nicht mehr auslachen können. Nimm meine Hand und mach einfach mit. Und sprich mir alles nach.“ Er spreizte sein linkes Bein ab wie ein Storch, wartete, bis sie beide ruhig standen, dann hüpfte er los, zog sie mit, und sang im Rhythmus der Sprünge dazu:
Schwarz weiß rot
Der kleine Mann ist tot
Wir wollen ihn begraben
In einem Puppenwagen

Ihr Beinchen hüpfte und balancierte, fing sich und hüpfte weiter, die Zunge klemmte zwischen den Lippen, gleich hatte sie es geschafft. Schon waren sie im Himmelbogen, drehten und sprangen zurück, ein Kästchen, schwarz weiß rot, und noch ein Kästchen, der kleine Mann ist tot. Und da waren sie. Ohne Fehler.
„Ich kann es“, schrie Edith, „ich kann Kästchen hüpfen.“ Und der Junge mit dem schiefen Mund und dem schiefen Körper lachte sein schiefes Lächeln.
„Wohnst du hier?“, fragte Edith.
„Jetzt ja, früher wohnten wir in Kleschkau.“ Georg zupfte an seiner Oberlippe, ein Hautstreifchen löste sich und schwebte zu Boden. Das musste doch weh tun, dachte Edith.
„Du bist lieb, schiefer Junge, aber warum hilfst du mir? Mein Cousin macht das nie und der ist schon groß. So wie du.“
Das Lächeln des Jungen wurde gerade und so glatt, dass Edith sich das schiefe zurückwünschte. „Vielleicht, weil du mich an meine kleine Schwester erinnerst?“
„Wo ist die“, Edith hüpfte aufgeregt auf und ab. „Vielleicht kann ich mit ihr spielen?“
„Das wird nicht gehen“, sagte der Junge leise.
„Warum nicht, ich kann doch jetzt Hüpfkästchen.“
„Es geht wirklich nicht. Sie ist fort.“
„Fort? Ganz allein?“
„Sie ist nicht allein. Sie ist jetzt im Himmel. Die See hat sie geholt."
„Oh“, Edith runzelte die Stirn. „Das glaub ich dir nicht. Da hat dir einer Märchen erzählt. Das tut die nicht, die Ostsee, die ist nicht bös, die hat sogar Osterlämmchen. Die wohnen da. Komm, ich zeig sie dir. Man muss aber früh aufstehen. Genau am Ostersonntag, da kann man sie sehen.“

*

Es war noch dunkel. Aus dem Stall drang warmer, süßer Heugeruch, Kühe brummelten, träumten von einer saftigen Sommerwiese. Edith schlich über den Sandweg, ihr Blick kletterte das Rosenspalier hinauf zu dem Fenster der Mutter. Es war geschlossen. Gut, dachte Edith, ihre Mutter durfte nicht wissen, dass sie dem Jungen die Osterlämmchen zeigen wollte. Es war verboten, allein an die See zu gehen. Aber für Edith war es das Schönste. Wenn noch niemand da war, wenn selbst der Wind noch schlief, konnte man am besten sehen, wie die Sonne rotgoldenes Gefunkel auf das Wasser streute und den Sand versilberte. Zu Staub zerfallene Muscheln, die immer noch glänzen. Und wenn die See darüber hinwegbrandete, nach ihren Füßen leckte und wieder zurückwich, haftete Schaum darauf, der nach Tang roch und nach Salz.
Als sie von der Promenade auf den Strand bog, sah sie schon die Silhouette des Jungen.
„Schiefer Junge“, rief sie, „wir müssen uns beeilen.“ Energisch packte sie seine Hand und zog ihn zum Wasser. Sie stapfte durch den Sand, sank ein bis zu den Knöcheln, ein kühler Strumpf, der zwischen den Zehen rieb.
Dann blickten sie hinaus auf das Meer, bis die Weite sie einsaugte. Dünne Striche vor einem Land voller Wälder und Seen. Das Meer schimmerte grau. Doch der Himmel war schon in rosafarbenes Licht getaucht, Wolken türmten sich zu Bergen, hinter denen man fremde Länder ahnte. Violette Schlieren schoben sich davor, vereinten sich zu immer breiteren, rotglänzenden Flüssen und wurden orange.
„Wer hat dir das erzählt mit den Osterlämmchen?“, fragte Georg.
„Mein Vater. Aber er kann sie mir nicht mehr zeigen. Er ist in Amerika, Geld verdienen, und jetzt kann er nicht mehr zurück.“
Als er ihren Blick sah, sagte er: „Du hast wohl heut dein Sonntagskleid angezogen?“ Er zupfte an ihrem Puffärmelchen und lachte. „Nein, ich glaube, das ist eher ein Himmelskleid für ein Ostermädchen.“ Er deutete auf die blauen Blumen, die sich von dem orangen Stoff abhoben. Als er ihre schmutzigen Füße sah, lachte er noch mehr. „Himmel, Stall und Erde, passend zum Land“, sagte er. „Aber es ist noch kalt, du wirst Schnupfen kriegen.“
„Das ist mein Osterkleid“, sagte Edith stolz und fuhr mit dem Finger die Blüten nach. Blassblaue Vergissmeinnicht, zwischen denen die Tupfen kräftiger Veilchen leuchteten. „An Ostern muss man sein bestes Kleid anziehen für die Osterlämmchen, aber die Schuhe muss ich sparen.“ Vor Verlegenheit blies sie ihren Pony in die Höhe, dass er wie ein waagrechtes kleines Dach von ihrem Kopf abstand. Und dann war es soweit. „Schau! Da sind sie“, schrie sie und deutete hinaus. Als die Sonne sich zur Hälfte aus dem Wasser erhoben hatte, schickte sie ihre Strahlen wie suchende Finger über das Meer, und dort, wo sie die Oberfläche betasteten, brachen sie das Wasser und sprengten silbrige Lichter auf die Wellen. Wie kleine hüpfende Körper, die mutwillig miteinander spielten und rangen und hin und her sprangen, junge Schafe auf einer Weide.
„Siehst du die Osterlämmchen?“
„Ja“, sagte der Junge, „ich sehe sie.“

*

Und dann war Sommer. So schnell war er gekommen mit seinen Sommergästen und den Kornblumen, die das Gold des Roggens sprenkelten, viel zu schnell für ihre Mutter und für die anderen Erwachsenen, die arbeiteten und doch nie genug Geld hatten, um die Hände still zu halten. Die See wurde ruhig und tobte nicht mehr. Und am Abend, wenn man nur weit genug am Wasser entlang lief, bis die Lichter Brösens nur noch Punkte waren, dann glaubte man, das Atmen der Tiere zu hören, so leise berührten die Wellen den Strand.
Und viel zu schnell auch war der Sommer für Georg gekommen. Edith sah ihn nur selten, denn er spielte mit den großen Jungen. Doch manchmal, wenn er aus einem Fußballspiel aufblickte, wenn er sich vielleicht gerade um einen Gegner herumgespielt hatte, sah sie sein schiefes Grinsen, wie es für einen Moment auf ihr ruhte. Und wenn Hans, einer der anderen Jungen, schrie: „Pass doch auf, tu ihn rein, den Dubbas, was will das Madammche hier schon wieder“, senkte er rasch seinen Blick und trat nach dem Ball.
Doch manchmal traf sie ihn am Strand und dann liefen sie am Ufer entlang, kleine Schwester, großer Bruder, vorbei an der Seebrücke und dem Strandhotel, aus dem Jitterbug-Klänge zu ihnen wehten: My Little Bimbo Down On The Bimbo Isle. Und sie zeigten gleichzeitig mit dem Finger auf den anderen, kreischten Bimbo und sangen das Lied, obwohl sie nichts verstanden.
Und eines Tages zeigte er ihr das Leuchten der Ostsee.

„Hier“, sagte er, und deutete auf den Meeresabschnitt weit hinter dem letzten Strandbad, „hier darfst du nie weit reingehen. Siehst du da draußen, wo die See ganz dunkel wird? Wie es hochdampft? So ein ganz blaues Schillern?“
Edith kniff die Augen zusammen. „Es ist überall blau“, sagte sie.
„Ganz weit, bestimmt einen halben Kilometer weg, siehst du? Da steigt es hoch. Blauer Dunst.“
„Oh“, sagte Edith, „jetzt seh ich es auch, komisch. Das Wasser ist wirklich blauer. Wie ein Edelstein. Und der Nebel darüber ist auch blau. Und er wackelt. Was ist das?“
„Nein, er wackelt nicht, das sind Temperaturunterschiede. Mein Vater sagt, es sind gefährliche Gase. Da darfst du nie hinschwimmen. Versprich mir das. Nie!“
„Aber du auch nicht“, sagte Edith.
„Nein, das ist zu gefährlich. Aber hier am Ufer können wir rein. Wer als erster drin ist!“
Sie kreischten, weil die Kälte in ihre Haut schnitt, bespritzten sich und kreiselten wie flinke Fische. Und als er, einen Schwall Wasser vor sich herschiebend, mit verstellter Stimme brummte: „Siehst du die Osterlämmchen, hier kommen die Osterlämmchen, kleiner Bimbo“, da verschluckte sie sich vor Vergnügen. Dann stieg sie auf seine Schultern. Da oben stand sie, in ihrem dunkelblauen Badeanzug, bereit für ihren ersten Kopfsprung.
Als sie auftauchte, sah sie eine Schar Jungen über den Strand kommen. Die Fußballer. Mit Handtüchern um ihre braun gebrannten Jungenkörper und weiß gebleichten Haaren. Allen voran Hans. „Auf! Wir spielen Johnny Weißmüller. Bis zum blauen Leuchten. Wer als erster wieder hier ist. Nu los, Georg!“
„I wo. Mein Vater verbietet es. Da geht nuscht. Ich bin auch schon lang nich mehr so viel geschwommen.“
„Ei Georg, warst du in Kleschkau auch schon son Vaterkind? Was soll mir das?“
„Ne, nich, aber …“, er sah verstohlen zu Edith.
„Was die Ältern reden, das is doch schlimmer als Kleckermussupp. Hätt Kolumbus so rumgemaddert, würden wir heut noch im Poggenteich sitzen. Mein Vater hat im Wanderkino gesehen, dass eine Frau nach England geschwommen is. Eine Frau! Und du traust dich nich! Wer‘s gewinnt, kriegt zehn Dittchen. Wer‘s nich macht, is ein feiger Hund.“ Dann drehte Hans sich zur Seite, legte die Arme um die Schultern der beiden neben ihm stehenden Jungen und redete vertraulich auf sie ein.
„Ich weiß nich.“ Georg kratzte sich am Kopf und sah zu der Jungengruppe hin.
Edith stampfte mit dem Fuß, baute sich vor Hans auf, die Fäuste geballt, und trat mit Wucht gegen sein Schienbein.
„Au“, schrie der, „du verdammte Kreet. Was soll das? Du kannst froh sein, dass du noch so klein bist und Georgs Schwester.“
„Ihr dürft da nicht schwimmen.“
„Das ist nich meine Schwester, nur eine …“
„Was jetzt … dein Puppke vielleicht? Was betudderst du die kleine Kreet. Pomuchelskopp. Weißt du, dass die andern dich Rodolfo Valentino nennen? Ich sag ja immer was dagegen, aber …“
Georg senkte den Kopf. „Ich könnt‘ ja den Startschuss geben, statt Heinrich.“
Hans spuckte auf den Boden. „Du bist nich zu retten. Der hat ein offenes Bein, er würd alles drum geben, mitzumachen. Und du flennst. Willst du einen Lutschpungel? Bleib doch hier, lass dich schützen von einem Suckelkind. Du … Rodolfo.“ Er spie den Namen aus, als wäre er Dreck, der seinen Mund verstopfte.
Georg prallte zurück, als hätte Hans einen Stein geworfen und nicht einen Namen. Er sah zu Edith hin, dann wieder zu Hans, der an ihm vorbeiging, und ihn dann zur Seite stieß, so roh, dass Georg aus dem Kreis der Jungen taumelte.
„Feiglinge können abhauen“, sagte Hans ruhig, dann drehte er sich weg, als wäre da keiner mehr.
Georg vermied Ediths Blick. Er sah aus, als wäre etwas Schlimmes mit ihm geschehen, etwas, das Edith nicht verstand. Er hob den Kopf und schrie: „Komm mir nich so. Oder du kriegst gleich eene inne Fress. Ich mach mit, da gibt’s nuscht. Doch wehe, einer kadreiert das meinem Vater.“
„Ei, was glaubst du!“
Edith fing an zu weinen. „Du hast gesagt, da darf man nicht hinschwimmen, du hast gesagt, das ist gefährlich.“
„Nur für kleine Leute.“
„Du lügst. Du hast es versprochen.“
Doch Georg hatte sich abgewandt und sah zum Meer. Nur einmal noch spürte sie seinen Blick.
Dann hob ein Junge den Arm, schaute auf seine Uhr und gab das Kommando: „Auf die Plätze fertig“, bei „Los“ fiel sein Arm. Die Beine von sieben Jungen trommelten auf den feuchten Strand und wurden langsamer, als das Wasser an ihren Körpern hochstieg, dann tauchten sie ein, in die Wellen, dass man nur noch ihre Köpfe sah. Immer kleiner wurden sie, dann war da nur noch Wasser. Weit draußen wirbelten blaue Schlieren zum Himmel, verloren sich in seiner Weite und wirbelten erneut. Der Junge neben Edith schaute immer wieder auf seine Uhr, jedes Mal, nachdem er sie geprüft hatte, barg er sie umständlich in seinem Handtuch. Und endlich, endlich kletterte der erste erschöpfte Junge aus dem Wasser und ließ sich auf den Strand fallen. Edith stand still, wartete weiter und ließ die Zurückkehrenden an sich vorbeiziehen, Einzelne, einmal eine Traube von drei Jungen. Sie starrte weiter auf das Wasser, als könnte sie das blaue Leuchten mit ihren Blicken bezwingen. Dann kam keiner mehr.
Als sie sich umdrehte und die Jungen anschaute, starrte Hans zurück, blickte zu seinen Freunden und hinaus auf das Meer. Er zählte. Zählte noch einmal. „Einer fehlt.“ Und dann schrien alle durcheinander, sprangen ins Wasser und schwammen los, bis ihre Köpfe von den Wellen verschluckt wurden, trotzdem hörte man ihre Rufe bis an den Strand. Sie verstummten erst, als Hans zurückkam und nach Brösen rannte. Ein Junge nach dem anderen kehrte aus dem Wasser zurück. Aufgereiht standen sie neben ihr, starrten hinaus und warteten auf die Erwachsenen.
Um sie herum war plötzlich Geschrei, Leute rannten herum, von Brösen näherten sich Boote, erst vier, dann sechs oder sieben, sie schwirrten hinaus, hin zu dem blauen Leuchten und wieder zurück, kreuzten auf und ab, als wollten sie das Wasser vermessen. Der Strand war voller Menschen. Edith irrte zwischen ihnen herum, zupfte die Männer am Arm und fragte nach Georg. Doch keiner antwortete ihr, sie redeten und befahlen und redeten wieder. Und dann sah Edith eine blonde Frau. Sie wusste, dass das Georgs Mutter war, denn ihr Lächeln hing schief in ihrem Gesicht. Und als ein Polizist mit dem Kopf schüttelte, fing das schiefe Lächeln an zu zucken. Der große Mann neben ihr nahm sie am Arm und ging mit ihr fort. Weg vom Strand, hin zu den Weizenfeldern. Dort, wo das kleine Haus stand mit der Schaukel unter dem Apfelbaum, mitten in einem Garten voller Ringelblumen.
Als es dämmerte, saß sie immer noch am Ufer und schob den Sand zu kleinen Dämmen auf. Rahmte Kästchen bis zum Wasser und während sie häufelte, sang sie ein Lied: schwarz weiß rot, der kleine Mann ist tot und dann sang sie nicht weiter, sondern wiederholte die Verse, bis ein Nachbar kam und sie nachhause brachte.

*

In der Nacht hatte der erste Sturm das Meer aufgewühlt und das, was es verborgen hielt, dem Ufer zurückgegeben.
Als Edith an den Strand kam, wunderte sie sich; im Osten sah sie eine Menschenmenge. Blaue Uniformen, dazwischen die braunen Oberkörper von Jungen. Alle konzentriert auf einen Punkt. Ihr Herz schlug, endlich hatte man ihn gefunden. Das war ein weiter Weg zurück an den Strand. Da würde er müde sein. Bestimmt war er nur müde. Sonst nichts. Erst würde sie ihn schelten und dann lieb drücken.
Sie zwängte sich durch die Menge, vorbei an den Beinen der Männer, ignorierte ihr Geschimpfe, stieß und schob, bis nur noch ein Mann vor stand. Vor ihm sah sie einen Körper auf dem Boden liegen, bedeckt mit einem Laken. Fror er denn, der Georg? Edith kniff den vor ihr stehenden Mann, so dass er zur Seite zuckte und den Weg freigab.
„Gottverdammich, was …“, fluchte er los, doch als er das kleine, blasse Mädchen sah, das vor dem Laken kniete, verstummte er. Vorsichtig hob Edith das Tuch, ganz leicht, doch kaum hatte sie das getan, glitt ein schwarzer, langer Körper unter dem Laken hervor und schlängelte sich fort, Richtung See. Edith stand auf. Sie öffnete den Mund wie zu einem Schrei, doch nichts war zu hören. Der Schrei gellte zurück. In sie hinein, verbrannte sie. Der Mann packte Edith am Arm und sagte: „Ei Marjellchen, das ist nur ein Aal. Der tut dir nichts. Die Seele des Jungen hat die See geholt, den Körper überlässt sie ihren Totengräbern. Die haben nur getan, was in ihrer Natur liegt.“
Edith machte sich von ihm los und ging zum Wasser. Sie sah hinaus, hin zu dem blauen Leuchten, das wie ein dunkler Edelstein schillerte, und sie fürchtete sich vor der See und hasste sie.

*

Die Nächte wurden länger und die Tage kürzer. Und immer hörte man das Rauschen der See. Irgendwann war es eine Melodie, die den Atem der Menschen umspielt und die Seele gebrannter Kinder heilt. Als Edith im folgenden Jahr Georgs Grab besuchte, wuchsen darauf dunkelblaue Blüten, in deren Mitte kleine Sonnen glühten. Und die Luft summte wie von tausend Bienen.
Am nächsten Morgen ging sie an den Strand. Zusammen mit ihrem Vater, der zurückgekehrt war, um mit ihr die Osterlämmchen zu suchen. Da begrüßte sie den Himmel, der goldene Lichter auf die See zauberte. Und sie fragte sich, ob das alles tote Kinder waren und ob sie eines von ihnen erkennen würde. Das Wasser glitzerte, und sie wusste, dass die See tötete, wenn sie wollte. Aber jetzt machte ihr das nichts mehr aus. Denn die See sprach zu ihr und schenkte ihr Gesichter.

 

Diese Geschichte ist ein Geschenk für meine Mutter, die in Ostpreußen geboren ist. Sie erzählt von einem Kindheitserlebnis. Natürlich alles abgeändert und verfremdet.
Da eine Geschichte für eine alte Dame vielleicht zu viel rumromantisiert, wollte ich euch bitten, einen kritischen Blick draufzuwerfen. Nicht dass ich einen Kitsch-Contest gewinne.

Da ich Dialoge in ihrem Dialekt eingebaut habe, hier eine Übersetzung, obwohl man die Wörter wohl auch aus dem Zusammenhang erschließen kann.

Bowke: böser Junge, Lümmel
Marjellchen: kleines Mädchen
Holzschlorren: Holzschuh
Deiwel: Teufel
mucksch: böse, frech, trotzig
nuscht: nichts
Kleckermussupp: Mehlsuppe
rummaddern: sich rummachen, dilettantisch ausprobieren
Poggenteich: Kaulquappenteich
Dittchen: Zehnpfennigstück
Kreet: Kröte.
Puppke: Püppchen
betuddern: verwöhnen
Pomuchelskopp: Trottel
Lutschpungel: Lutschsäckchen für Babys
Suckelkind: Kleinkind, Säugling
kadreiern: rumschwätzen

 

Hallo Novak,
erstmal muss ich sagen, dass mir die Geschichte gut gefällt. Ein bisschen melancholisch, aber nicht zerschmetternd. Auch wenn der Tod darin vorkommt.

Positives:
Ich finde das foreshadowing zu Georgs Tod sehr subtil. Die Schwester, die gestorben, und Georg stirbt auf selbe Art. Sehr gut. Dazu passt das Auftauchen des Aals am Ende. Ein sehr stimmiges Symbol für das Eingehen der Seele in die See.
Auch die Dynamik zwischen Edith und George gefällt mir. Sie wirkt echt; ein Junge, der sich seine "neue" kleine Schwester sucht und das Mädchen, das ihn dafür mag.

Mich stört allerdings arg der Dialekt, aber das ist natürlich sehr subjektiv. Mich persönlich reisst ein einzelnes Wort nicht aus der Geschichte, aber die Unterhaltung zwischen den Jungs am Strand war zuviel des Guten. Da könnte man vielleicht ein oder zwei Worte durch normales Hochdeutsch ersetzen.

Zuletzt missfällt mir das gebrochene Versprechen. Dass es gebrochen werden musste, ist für die Geschichte natürlich wichtig, aber mir würde es besser gefallen, wenn beides nicht im Abstand von - was? - zehn Minuten geschehen würde. Vielleicht eine Andeutung, dass das Versprechen vor einigen Tagen gegeben wurde so dass Georg es jetzt "vergisst"? Sonst wirkt es arg heuchlerisch von ihm und das sollte ihm auch auffallen.

 

N'Abend Novak,

was für eine schöne, traurige Geschichte. Ich hab's nicht kommen sehen, wohl weil ich nicht damit gerechnet habe, in einer Weihnachtsgeschichte so viel Tragisches zu finden. Und kitischig ist sie auf gar keinen Fall - stimmungsvoll, sie fängt den Leser mit einer Unmenge an sinnlichen Details und mit ihrem vom Dialekt bestimmten Stil ein, einer Sprache, die ansonsten im positiven Sinne unauffällig bleibt und der Geschichte ihren Raum lässt. Ich habe etwas gebraucht, bis ich in der Geschichte drin, mit deinem Stil vertraut war, sie hat mich dann aber am Kragen gepackt und nicht mehr losgelassen.

Ich bin mir sicher, deine Mutter wird sich irrsinnig freuen!;)

Gerade habe ich Jandalfs Kommentar gesehen. Mich stört der Dialekt ganz und gar nicht, im Gegenteil, ich finde ihn stimmig und stimmungsvoll - authentisch eben, er macht die Geschichte glaubwürdig, echt - und weil ich weiß, für wen die Geschichte ist, gibt es daran in meinen Augen rein gar nichts auszusetzen.:thumbsup:

So, ich hoffe, du kannst mit meiner bescheidenen Rückmeldung etwas anfangen, ich reiche dir für Rückfragen das Lasso. ;)

Einen lieben Gruß
Sam

→ „Du kannst es nicht, du kannst es nicht“
Ich würde hier einen Absatz machen, falls die Geschichte nicht nur vorgelesen werden soll.

→ Vor Verlegenheit blies sie ihren Pony in die Höhe, dass er wie ein waagrechtes kleines Dach von ihrem Kopf abstand.
Schreibt man nicht 'waagerechtes'?

 

Liebe Novak,

und nach all dem Horror endlich mal wieder was für mich :).

Ich würde auch gern jetzt in Jubel und Lob ausbrechen, wie es meine Vorredner getan haben, ehrlich, aber ich kann nicht. Das heißt, ich kann nur bedingt. Also, für Mutti ist das eine super tolle Geschichte, wenn Mutti die Kleine ist, die nicht hopsen kann und die den tragischen Unfall ihres Freundes miterlebt. Da gibt es gar nix dran zu rütteln. Die Geschichte ist schon gut, keine Frage und da die beiden vorher so angetan waren, vielleicht liegt es auch einfach nur an mir.

Also, für mich liegt der Schwachpunkt der Geschichte genau darin, dass es eine Geschichte für Mutti ist. Man merkt das, dass du das Mädchen da mit Spitzenhandschuhe anfässt. Ich hatte so das Gefühl jedenfalls. Erst dachte ich, die Erzählerstimme. Und dann, nee, die ist schon richtig, an wen denn sonst dranpappen? Und Ich-Erzähler fällt bei dem Alter wohl auch aus. Und an einen Beobachter angelehnt, wäre auch nicht die optimale Lösung. Also, Erzähler stimmt. Aufbau stimmt. Alles richtig (für mich jedenfalls) und ich musste echt überlegen, was mich denn nun triggert. Deine Figuren sind weiß. Alle beide. Sie kann nicht hüpfen und er ist schief. Aber das sind so oberfläche Dinge in Hinsicht auf Charakter. Die beiden haben eine super-sauber-weiße Weste. Und na klar haben die die. Man kann weder Mutti, noch den sterbenden Freund madig machen. Schönes Dilemma. Also, wäre die Geschichte für mich und ich wäre die Hauptperson, die Geschichte könnte nicht genug auf Hochglanz poliert sein. Und kitschig finde ich sie auch nicht. Trotz Hochglanz. Ich würde sie lieben. Aber überzeugt haben mich die beiden nicht. Da lag irgendwie eine Distanz dazwischen. So etwas beobachtendes, erzählendes. Mein Gefühl. Und ich teile das sicher auch nicht mit vielen. Vielleicht bin ich ja sogar allein damit.

Textkram noch ein bisschen:

Als sie sich umwandte, schlichen sie zurück in den Hof.

Ich will auch mal schleichende Gänse sehen. Meno! (Echt? Gänse können schleichen?)

Er war schmal und so dünn, dass Arme und Beine an ihm schlenkerten wie Fäden.

schlenkernde Fäden? Arme und Beine wie schlenkernde Fäden? Mir gefällt das Bild nicht.

Wenn noch niemand da war, konnte man am besten sehen, wie die Sonne rotgoldenes Gefunkel auf das Wasser streute und den Sand versilberte. Wie zu Staub zerfallene Muscheln, die immer noch glänzen. Und wenn die See darüber hinwegbrandete, nach ihren Füßen leckte und wieder zurückwich, haftete perlenfarbener Schaum darauf.
Als sie von der Promenade auf den Strand bog, sah sie schon die Silhouette des Jungen. Seine helle Jacke hob sich (schief - nicht übertreiben) gegen den Himmel ab. „Junge“, rief sie, „wir müssen uns beeilen.“ Energisch packte sie seine Hand und zog ihn zum Wasser.
Dann blickten sie hinaus auf das Meer, bis die Weite sie einsaugte. Kleine schwarze Striche vor einem Land voller Gelb und Blau und Grün. Die See schimmerte grau. Doch der Himmel war schon in rosafarbenes Licht getaucht, Wolken türmten sich zu Bergen, hinter denen man fremde Länder ahnte. Blassblaue und violette Schlieren schoben sich davor, vereinten sich zu immer breiteren, lichtglänzenden Flüssen und wurden orange.

Ich sehe nur noch bunt. Irgendwann ist mir eindeutig zu viel Farbe im Spiel. Schon klar, Du brauchst die alle für das Ende. Und wenn es hier um Atmosphäre geht, wieso nur visuell? Wo ist der kalte Wind, okay, die Kühe am Anfang, aber sonst, rauscht da nicht was? Fühlen, hören, riechen? Irgendwas als Kontrastprogramm zu dem Farbenspiel auf dem Wasser. Und zähle die Farben nicht auf, sondern gib mir ein Bild. Bei den Sonnenstrahlen, die auf das Wasser treffen, mir fällt da dieses Kinderdings ein, wo so bunte Dings drin sind, die man schüttelt und dann entstehen über die Spiegel so herrliche bunte Muster. Ich komme jetzt echt nicht auf den Namen. Wäre jetzt mein Bild. Muss nicht deins sein. Aber die Farbenaufzählung gibt mir persönlich recht wenig.

„An Ostern muss man sein bestes Kleid anziehen für die Osterlämmchen, aber die Schuhe muss ich sparen.“

Mochte ich sehr. Genau wie die dialektischen Einschübe. Das hat was lokales und was zeitliches. Da kommt bei mir was an.

Als die Sonne sich zur Hälfte aus dem Wasser erhoben hatte, schickte sie ihre Strahlen wie suchende Finger über das Meer, und dort, wo sie die Oberfläche betasteten, brachen sie das Blaugrau des Wassers und sprengten silbrige Lichter auf die Wellen. Wie kleine hüpfende Körper, die mutwillig miteinander spielten und rangen und hin und her sprangen, junge Schafe auf einer Weide.

Die Lämmer sind auf dem Wasser? Hier bin ich nicht mitgekommen.

Und eines Tages zeigte er ihr das Leuchten der Ostsee.

Das Leuchten der Ostsee klingt toll. Und auch der blaue Dunst.

Und der Nebel darüber ist auch blau. Und er wackelt.

niedlich :)

Hans spuckte auf den Boden. „Du bist nich zu retten. Der hat ein offenes Bein, er würd alles drum geben, mitzumachen. Und du flennst. Willst du einen Lutschpungel? Bleib doch hier, lass dich schützen von einem Suckelkind. Du … Rodolfo.“ Er spie den Namen aus, als wäre er Dreck, der seinen Mund verstopfte.

Hans ist echt. Der wirkt auf mich.

Edith stand still, wartete weiter und ließ die Zurückkehrenden an sich vorbeiziehen, Einzelne, einmal eine Traube von drei Jungen. Sie starrte weiter auf das Wasser, als könnte sie das blaue Leuchten mit ihren Blicken bezwingen. Dann kam keiner mehr.
Als sie sich umdrehte und die Jungen anschaute, starrte Hans zurück, blickte zu seinen Freunden und hinaus auf das Meer. Er zählte. Zählte noch einmal. „Einer fehlt.“ Und dann schrien alle durcheinander, sprangen ins Wasser und schwammen los, bis ihre Köpfe von den Wellen verschluckt wurden, trotzdem hörte man ihre Rufe bis an den Strand. Sie verstummten erst, als Hans zurückkam und nach Brösen rannte. Ein Junge nach dem anderen kehrte aus dem Wasser zurück. Aufgereiht standen sie neben ihr, starrten hinaus und warteten auf die Erwachsenen.

Den Absatz mochte ich auch sehr, sehr.

Und als ein Polizist mit dem Kopf schüttelte, fing das schiefe Lächeln an zu zucken.

Sehr schön gelöst!

Vorsichtig hob Edith das Tuch an, ganz leicht, doch kaum hatte sie das getan, glitt ein schwarzer, langer Körper unter dem Laken hervor und schlängelte sich fort, Richtung See. Edith stand auf. Sie öffnete den Mund wie zu einem Schrei, doch nichts war zu hören. Der Schrei gellte zurück. In sie hinein, verbrannte sie. Der Mann packte Edith am Arm und sagte: „Ei Marjellchen, das ist nur ein Aal. Der tut dir nichts. Die Seele des Jungen hat die See geholt, den Körper überlässt sie ihren Totengräbern. Die haben nur getan, was in ihrer Natur liegt.“

Der Aal ist toll und der Gedanken am Schluss, dass das Glitzern der See zu den Kindern gehört, das ist schon arg ..., aber auch soo schön!

Also, wenn ich was gemeckert hab, dann ist das auf jeden Fall auf hohem Niveau. Das ist eine schöne Geschichte und ganz liebevoll erzählt.

Liebe Grüße Fliege

 

Lieber Jandalf,
erst mal ein Hallo und herzlich Willkommen zurück. Bist ja eigentlich schon länger hier als ich.
Ich hab mich sehr über deinen Kommentar und deine Anmerkungen gefreut.

Dass sie dir gut gefällt, das hat mir natürlcih auch gut gefallen. Und melancholisch, aber nicht zerschmetternd, das gefällt mir noch besser. Das ist ulkig, ich wäre nie auf das Wort melancholisch gekommen, aber es passt für mich.
Auch deine Anmerkungen zu den Charakteren und ihrem Verhältnis haben mich gefreut, denn ich hatte echt ein wenig Schiss, dass das nicht so klar rüberkommt. Toll, dass das bei dir funktioniert hat.
Dass der Dialekt dir auf den Sender geht, das kann ich sehr gut verstehen. Wenn es jetzt außer dir noch mehr Leute gewesen wären, also die große Mehrheit, dann hätte ich eine kg-Version und eine Geschenk-Version gemacht, wär also deinem Ratschlag gefolgt und hätte einfach ein paar Wörter rausgeschmissen. Wie es also im Moment aussieht, bleibt der Dialekt drin, aber ich behalte es auf jeden Fall im Auge.
Dein zweiter Punkt, den du nicht so gut fandst, das fand ich eine interessante Sache. Meine Absicht war eigentlich, dass er wiklich das Versprehen, das er der Kleinen gegeben hat, bricht. Er ist im Konflikt mit sich selbst: Will er der Kleinmädchenbetreuer sein, was er auch ganz gern mag, weil er die kleine Schwester vermisst? Dann wird er zum Weichling erklärt. Umgedreht verscherzt er es sich mit der Kleinen, wenn er rausschwimmt. Das habe ich wohl als Konflikt für ihn nicht deutlich genug rübergebracht, in die Richtung ging ja auch Flieges Kommentar, der sich auf die allgemeine Figurenzeichnung bezieht. Bin dir sehr dankbar für den Hinweis, denn da kann ich jetzt ein Schippchen nachlegen, um seinen Charakter ein wenig eckiger zu machen. Und du hast Recht, es muss ihm mehr auffallen. Bisher geht er viel zu glatt darüber hinweg.
Ob das Ergebnis dann in deinem Sinne ist, ich weiß es natürlich nicht, denn ich will das gebrochene Versprechen natürlich noch vertiefen. Vielleicht hättest du ihn ja lieber insgesamt glaubwürdiger und gradliniger haben, aber ich mag in die Konfliktrichtung gehen, vielleicht krieg ich das ja ein bisschen besser hin als bisher. Und das hast du gemerkt, dass das offensichtlich zu wenig ist, von daher tausend Dank.
Vielen Dank für Zeit und Kritik und natürlich auch das Lob.
Viele Grüße Novak

Lieber Sam,
bei deinem Kommentar ist dann ein ganzer Steinberg von meinem Herzen ins Rutschen gekommen. Ich war vielleicht froh, als du den Dialekt nicht so nervig fandst, sondern er dir gefiel.
Ich sah mich schon mit einer Mutterversion und einer kg-Version rumhantieren. Ich werd das natürlich im Auge behalten, denn eine Geschichte mit Dialekt, das ist immer so eine Sache. Von daher kann ich Antpathien in der Richtung verstehen. Aber hier war es für mich selbst so stimmig. Hat auch Spaß gemacht, diese Wörter rauszusuchen, ich war selbst verwundert, wieviele ich davon in- und auswendig kenne, obwohl ich den Dialekt nie gespriochen habe.
Was mich wahnsinnig gefreut hat das war, dass du sie nicht kitschig fandst.
Das war hier irgendwie mein größtes Bedenken. Bei der nächsten Geschichte, die von Fröschen handelt, glaub ich nicht, dass man mit flächendeckend Kitsch vorwerfen würde, dafür wird man, befürchte ich, die Geschichte nicht verstehen. Naja, man entwickelt sich immer weiter, da sind auch Patzer drin. Aber zurück zum blauen Leuchten.

Was mich auch sehr gefreut hat, das war, dass der Verlauf für dich nicht vorhersehbar war und dass sie sinnlich wirkte. Ich mag das manchmal selbst gerne so schreiben, und dann freut man sich natürlich, wenn es geklappt hat bei jemandem. Ich werd vermutlich sogar noch ein paar Sinneseindrück mit reinnehmen, um das Meer atmosphärisch zu verstärken.

Ich habe etwas gebraucht, bis ich in der Geschichte drin, mit deinem Stil vertraut war, sie hat mich dann aber am Kragen gepackt und nicht mehr losgelassen.
Dass die Geschichte dich dann erwischt hat, das ist cool. Aber weißt du jetzt, was ich meine mit unserem unterschiedlichen Stil?

Ich bin mir sicher, deine Mutter wird sich irrsinnig freuen!
Mit dieser Einschätzung hast du mir einen Riesengefallen getan. Das war ja der Hauptzweck der Geschichte.

Das Lasso schnappe ich mir übrigens auf jeden Fall, wenn ich mir bei was unsicher werde, oder wenn sie sich so doll verändert, dass ich denke, hoffentlich guckst du noch mal drauf.


Zitat:
→ „Du kannst es nicht, du kannst es nicht“
Ich würde hier einen Absatz machen, falls die Geschichte nicht nur vorgelesen werden soll.
Ich denke, ich verstehe, warum du da einen Absatz willst. Wär mir jetzt nicht so aufgefallen, Aber da trau ich einfach deinem Gefühl.

waagrecht hab ich nachgeguckt, hattest mich dann irgendwie verunsichert, aber waagrecht stimmt schon.

Deine Rückmeldung, was den Zweck der Geschichte angeht, das war sowas von erleichternd für mich. Ist ja ungewöhnlich für das Einstellen einer Gesch., dass sie so einen ulkigen Zweck hat, aber ich dachte mir, warum nicht mal.

Also, herzlichen Dank für deine Hilfe, deine Anmerkungen und für dein Lob. Das braucht man manchmal sehr.
Bis denne
Novak


Und da ist sie, meine liebe Fliege,

Ich würde auch gern jetzt in Jubel und Lob ausbrechen, wie es meine Vorredner getan haben, ehrlich, aber ich kann nicht. Das heißt, ich kann nur bedingt. Also, für Mutti ist das eine super tolle Geschichte, wenn Mutti die Kleine ist, die nicht hopsen kann und die den tragischen Unfall ihres Freundes miterlebt. Da gibt es gar nix dran zu rütteln. Die Geschichte ist schon gut, keine Frage
Das ist sehr gut, wenn du kritisierst, was für dich nicht stimmig ist. Das bringt mir was, wenn du erklärst , warum was für dich nicht hinhaut.
Ja die Mutter ist das kleine Mädchen und was auch aus deienr Kritik schon mal rauskommt, das ist, dass es der Empfängerin wohl gefallen wird. Und das ist ja der Hauptzweck.

Also, für mich liegt der Schwachpunkt der Geschichte genau darin, dass es eine Geschichte für Mutti ist. Man merkt das, dass du das Mädchen da mit Spitzenhandschuhe anfässt. (...) Erst dachte ich, die Erzählerstimme. Und dann, nee, die ist schon richtig, an wen denn sonst dranpappen? Und Ich-Erzähler fällt bei dem Alter wohl auch aus. Und an einen Beobachter angelehnt, wäre auch nicht die optimale Lösung. Also, Erzähler stimmt. Aufbau stimmt. Alles richtig (für mich jedenfalls) und ich musste echt überlegen, was mich denn nun triggert. Deine Figuren sind weiß. Alle beide. Sie kann nicht hüpfen und er ist schief. Aber das sind so oberfläche Dinge in Hinsicht auf Charakter. Die beiden haben eine super-sauber-weiße Weste. Und na klar haben die die. Man kann weder Mutti, noch den sterbenden Freund madig machen. Schönes Dilemma.
So wie ich dich hier verstehe, kommt das Dilemma zustande, weil die Gesch. diesen Geschenk-Zweck hat. Da tut man niemandem weh. Die Kleine muss niedlich sein, der Freund darf auch kein Arschloch sein. Hinzu kommt, dass das Meer und das Verhältnis des kleinen Mädchens zum Meer eine große Rolle spielen sollte. Das alles ist ja auch erst mal nicht schlimm, denn das ist/war ja ihr Zweck. Möglicherweise kam/kommt daher auch meine Sorge, sie könnte zu romantisch oder kitschig sein. Es liegt wohl, meinst du, eher an der Harmoniezeichnung der Figuren. Und mit dem Dilemma hast du natürlich Recht. Jetzt juckts mich natürlich in den Fingern, da wenigstens ein Fitimchen zu verbessern. Ich hab da auch schon eine Idee, denn in Jandalfs Kommentar fiel mir auf, dass der Konflikt von Georg nicht deutlich genug ausgeführt ist. Er sollte schon das Problem haben, dass egal, was er macht, er was falsch macht. Also da guck ich noch mal.

Zitat:
Als sie sich umwandte, schlichen sie zurück in den Hof.
Ich will auch mal schleichende Gänse sehen. Meno! (Echt? Gänse können schleichen?)
Da musste ich echt lachen. Wenn du wüsstest, was diese Gänse schon alles auf dem Kerbholz haben. Vor dem Schleichen trotteten sie. Und der Bürzel hing sonstwo. Aber das war auch alles so ungansmäßig. Diese blöden weißen Vögel nerven. Kein Wunder, dass sie als Braten auf dem Tisch landen. Also klar, ich hatte es schon befürchtet. Ich lass mir eine neue Gansfortbewegung einfallen. Versprochen.

Zitat:
Er war schmal und so dünn, dass Arme und Beine an ihm schlenkerten wie Fäden.
schlenkernde Fäden? Arme und Beine wie schlenkernde Fäden? Mir gefällt das Bild nicht.
Oweh, wie schade, ich mag es total gerne. Na mal schauen, wenn sich noch einer beschwert, dann fliegts halt doch oder wird gemildert. Ich seh da immer diese jungen Männer, die mit einem Schlag in die Höhe schießen, so dass die Gliedmaßen wie Arme und Beine nicht mehr zum Rest passen wollen.

Ich sehe nur noch bunt. Irgendwann ist mir eindeutig zu viel Farbe im Spiel. Schon klar, Du brauchst die alle für das Ende. Und wenn es hier um Atmosphäre geht, wieso nur visuell? Wo ist der kalte Wind, okay, die Kühe am Anfang, aber sonst, rauscht da nicht was? Fühlen, hören, riechen? Irgendwas als Kontrastprogramm zu dem Farbenspiel auf dem Wasser.
Vielleicht sollte ich dir eine Sonnenbrille schicken. :lol:
Hier musst ich wieder lachen, denn eigentlich wollte ich furchbar sinnlichen Krempel schreiben. Und dann essen die Augen mit, aber auch nur die. Also versprochen, die Farben werden zwar wohl bleiben, höchstens eine Farbenstelle ersetzt durch ein anderes Bild aber ich werde jede Menge fühlen und tasten und riechen reinbringen. Puhhhh, eigentlich will ich das sowieso immer, jedenfalls Danke.

gib mir ein Bild. Bei den Sonnenstrahlen, die auf das Wasser treffen, mir fällt da dieses Kinderdings ein, wo so bunte Dings drin sind, die man schüttelt und dann entstehen über die Spiegel so herrliche bunte Muster. Ich komme jetzt echt nicht auf den Namen. Wäre jetzt mein Bild. Muss nicht deins sein.
Das ist eine schöne Idee. Mal schauen, vielleicht verwende ich es ja wirklcih, wenn ich darf. Aber ich weiß auch nicht, wie die Biester heißen. Aber du meinst schon diese Schüttelkugeln. Oder?

Zitat:
„An Ostern muss man sein bestes Kleid anziehen für die Osterlämmchen, aber die Schuhe muss ich sparen.“
Mochte ich sehr. Genau wie die dialektischen Einschübe. Das hat was lokales und was zeitliches. Da kommt bei mir was an.
Mensch, war ich da froh, hab ja schon in den vorherigen Komms geschrieben, dass ich eine Abneigung gegen Dialekte zwar verstehen kann. Aber hier wollte ich es gerne drin haben.

Die Lämmer sind auf dem Wasser? Hier bin ich nicht mitgekommen.
Mit den Lämmern sind die Lichtreflexe auf dem Wasser gemeint. Sie hüpfen doch so ein bisschen, diese kleinen Lichter. Bleiben nicht auf derselben Stelle.

Also, wenn ich was gemeckert hab, dann ist das auf jeden Fall auf hohem Niveau. Das ist eine schöne Geschichte und ganz liebevoll erzählt.
Na also so einen Mecker lass ich mir aber echt gerne gefallen.

Vielen Dank für deine Zeit, dein Lob, dein Levitenlesen, deine Einfälle und deine kritischen Gedanken.

PS: War übrigens schon die zweite Nicht-Horrorgeschichte.

Vielen Dank noch einmal euch dreien. Eure Gedanken und Anmerkungen die haben mir sehr geholfen.

Viele Grüße von Novak

 

Hallo Novak,

gleich auf die Kritik von Fliege die Antwort:

Ich habe das mit den tanzenden Lämmern nachvollziehen können; das gleissende Licht am Horizont, die Wellen, die es verändern.

Das Bein hing an ihr wie etwas Fremdes, Schweres, ein riesiger Wurm, der sich im Erdboden verkriechen wollte.

Nee, das ist mir zu pathetisch. Sowieso: Also kleines Kind sind es die Maßgaben von draußen, die einen kapitulieren lassen, aber nicht die eigenen Unzulänglichkeiten. So ging es mir jedenfalls immer, wenn was nicht geklappt hat.

Auch gefiel mir das Bild mit den Fäden nicht, das ist zu sehr Suppenkasper.
Überhaupt denke ich nicht, dass ein fünfjähriges Mädchen ein weniger attraktiven Körper so wichtig nimmt und auch noch darüber lacht, da muss sie doch eher Angst haben, dass sie Probleme mit ihm bekommt, wenn sie ihn auslacht.

Mit dem Dialekt hatte ich keine Mühe, jedoch kam mir der nicht konsequent vor. Du schreibst ganz normales Hochdeutsch und setzt nur einzelne Dialektworte ein. Der ganze Slang ist doch sicher anders, oder? Also wenn ich da an meinen Heimatdialekt denke, müsste ich fast jedes Wort anders schreiben.

Mir ist die Geschichte zu betulich in der Wortwahl erzählt. Auch wenn man die Protagonisten "sauber" belässt, bräuchte es teilweise nicht diese Sprache. Eine Situation von vor 50-60 Jahren bedeutet ja nicht, dass man in diese Sprache reinrutscht, als wäre die Mutter noch ein Kind. Aber du kennst deine Frau Mama ja besser, vielleicht gefällt ihr das so recht gut.

Von diesen Kritikpunkten her abgesehen ist es liebevoll nostalgisch erzählt, trotz dem Ertrinken des Jungen. Dieser Tod gehört aber wohl zum Leben, wenn man am Meer wohnt. Bei meinem Eltern sind früher, vor der Rheinbegradigung, viele im Rhein in den Strudeln ersoffen. Das hielt auch keinen davon ab, dort baden zu gehen.

Ach ja, noch was: Die Enten könnten statt schleichen watscheln oder schaukeln.

Deine Mutter wird sich auf jeden Fall sehr darüber freuen, wenn sie was Handgeschriebenes geschenkt bekommt, da bin ich mir sicher.

Liebe Grüße
bernadette

 

Ja hallo beradette, das ist schön, dass du vorbeischaust.
Erst mal gleich ein fettes Gottseidank, dass man das mit den Lämmern doch erkennen konnte.
Dann lass ich das auch mal so, wie es jetzt ist.

das gleissende Licht am Horizont, die Wellen, die es verändern.
genau so war es gemeint.

Zitat:
Das Bein hing an ihr wie etwas Fremdes, Schweres, ein riesiger Wurm, der sich im Erdboden verkriechen wollte.
Nee, das ist mir zu pathetisch. Sowieso: Also kleines Kind sind es die Maßgaben von draußen, die einen kapitulieren lassen, aber nicht die eigenen Unzulänglichkeiten. So ging es mir jedenfalls immer, wenn was nicht geklappt hat.
Ja, hast Recht, die Stelle ist mir auch unmaklig. An der hab ich noch/schon rumgefroiemlt, da war ich grad beim Einstellen der Geschichte. Von daher werde ich es ändern. Das Pathetische passt ja nicht. Die andere Begründung leuchtet mir nicht ein. Ich kenn viele Kinder, die mit sich selbst hadern, wenn ihnen etwas nicht gelingt. Aber die Begründung ist ja auch unwichtig, denn mein Gefühl sagt mir auch, dass es für den Wurm höchste Zeit ist.

Auch gefiel mir das Bild mit den Fäden nicht, das ist zu sehr Suppenkasper.
Überhaupt denke ich nicht, dass ein fünfjähriges Mädchen ein weniger attraktiven Körper so wichtig nimmt und auch noch darüber lacht, da muss sie doch eher Angst haben, dass sie Probleme mit ihm bekommt, wenn sie ihn auslacht.
NEEINNN, der Fädchenkerl. Himmel, den mag ich so. Und jetzt seid ihr schon zu zweit. Ihr habt euch doch abgesprochen. Hilfe!!! :lol:
Na klar, ich werd auf jeden Fall drüber nachdenken, obwohl ich mit Sicherheit da noch mal drüber schlafen muss. Oder auch mehrmals. Ich kenn das schon bei mir, man ist verliebt in eine Formulierungen und behält sie "trotzig" bei und nach zwei Wochen denkt man: Huch, was hab ich denn da geschreiben. Das geht aber so nicht, wie klingt das denn?
Mal schauen, was draus wird. Im Moment, das hab ich ja auch Fliege geschrieben, häng ich noch zu sehr dran. Aber deiner und Flieges Bohrer drillt schon ein bisschen ....

Mit dem Dialekt hatte ich keine Mühe, jedoch kam mir der nicht konsequent vor. Du schreibst ganz normales Hochdeutsch und setzt nur einzelne Dialektworte ein. Der ganze Slang ist doch sicher anders, oder?
Stimmt, der Dialekt ist nicht konsequent durchgezogen. Das ist kein Zufall, hab ich mir was dabei gedacht.
Zum einen: Wenn man es durchgängig im Dialekt schriebe, wäre es sehr schwer verständlich.
Das zweite aber, und das war mir wichtiger, ich wollte über den Dialekt ein paar Unterschiede zwischen den Personen verdeutlichen. Man weiß das heute vielleicht nicht mehr, aber dieses ostpreußische Platt wurde längst nicht von allen gesprochen. Stadtbewohner oder Reiche z. B. sprachen Hochdeutsch. Die kleine Edith z. B. spricht durchweg Hochdeutsch und wird von Hans auch Mamsell genannt. Sie stammt aus der Stadt, daher das Hochdeutsch, ist aber arm und relativ isoliert, das Hochdeutsch wird als Sinnbild für Angeberei, Vornehmtuerei des Stadtbew. gesehen von Hans. Der ist der Bauernjunge mit wohlhabenderen Eltern. Und wie man das an der Küste gemacht hat, er spricht am meisten Platt, aber eben auch nur so viel, dass es noch verständlich bleibt, die Wörter geben Kolorit. Und der Georg, der kann beides. Er kommt auch ursprgl. aus der Stadt, weiß, dass Edith ihn sonst nicht verstehen würde und im Gespräch mit Hans greift er dann irgendwann zum Dialekt, die Sprach der "angesagten Jungs", als er verhindern will, dass er als Rodolfo Valentino gedisst wird.

Mir ist die Geschichte zu betulich in der Wortwahl erzählt. Auch wenn man die Protagonisten "sauber" belässt, bräuchte es teilweise nicht diese Sprache. Eine Situation von vor 50-60 Jahren bedeutet ja nicht, dass man in diese Sprache reinrutscht, als wäre die Mutter noch ein Kind.
Oh je, das hat geschmerzt. Aber es is ja gut, wenn du es schreibst. Dann kann man das ändern, bzw. sich damit auseinandersetzen. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, was du damit genau meinst. Betuliche Wortwahl, das klingt, als hätte ich eine Küchenschürze um meine Schreibe gebunden. :D Uahhh
Kannst du mir da ein Beispeil für geben? Ich wär echt sehr dankbar.
Ich kann mir das, was du sagst, momentan einfach nicht richtig zusammenklamüsern. Die Mutter ist ja da ein fünfjähriges Kind. Und geschrieben ist es zwar nicht gänzlich, aber doch sehr aus der Sicht dieses Kindes.
Meinst du, dass die Wortwahl zu sehr an der Sprache des Kindes angelegt ist? Oder sind die Wörter zu oll? Ich habs echt nicht richtig kapiert.

Von diesen Kritikpunkten her abgesehen ist es liebevoll nostalgisch erzählt, trotz dem Ertrinken des Jungen. Dieser Tod gehört aber wohl zum Leben, wenn man am Meer wohnt. Bei meinem Eltern sind früher, vor der Rheinbegradigung, viele im Rhein in den Strudeln ersoffen. Das hielt auch keinen davon ab, dort baden zu gehen.
Da hab ich mich dann sehr gefreut. Liebevoll nostalgisch, das war der Plan. Klasse.

Ach ja, noch was: Die Enten könnten statt schleichen watscheln oder schaukeln.
Ja die Enten, die mal Gänse waren. Ich wusste doch, dass sie abgemurkst werden. Ich glaub, ich werd sie watscheln lassen. Gerade, als ich Fliege in der letzten Antwort schrieb, was ich den armen Vögeln schon alles angedichtete hatte als Bewegungsformen, fiel es mir wieder ein. Gänse und Enten watscheln. Ganz einfach. Und das klingt ja auch schön scheiße. Ich hatte das sogar schon mal und dann ersetzt, weil ich es zu normal fand. Aber manchmal ist weniger glaub ich mehr. Vielen Dank für deine Bestätigung, hab ich schon mal ein Problem weniger. Schaukeln find ich auch nicht schlecht. Klingt aber zu lustvoll für die Stimmung dieser Gänse.

Ich hab mich sehr sehr über deinen Kommentar gefreut, liebe bernadette. Die Hilfe, die Kritik, das Lob, das Gänseschaukeln ... Und nicht zuletzt für deine Einschätzung, dass die Geschichte gefallen wird. Ist ja schon ein ungewöhnliches Geschenk.

 

Liebe Novak

Zuerst las ich deinen Kommentar im Anhang, dann noch die andern, bevor ich mich an die Geschichte machte. Da ich nun deine Absicht kannte, es wird ein Geschenk an jemand der mit dieser gezeigten Welt vertraut ist, spürte ich eine Hemmung aufkommen, da reinzureden. :shy: Doch ich bin ja nicht der Erste und vielleicht fällt mir nichts auf, was nicht schon gesagt wurde. Also stürz ich mich einfach mal rein.

Und gerade, als sie glaubte, jetzt klappte es, da mogelte sich der Strich doch unter ihren Schuh.

Bereits bei den ersten Zeilen kam mir der Eindruck auf, es ist kein Kind, das da spricht. Doch das scheint mir auch gut so, es ist ja eine erwachsene Erzählstimme, die da Rückschau hält. Und mit diesem Strich, der sich unter den Schuh mogelt, gewann es mir eine einfühlsame Sichtweise.

Er war schmal und so dünn, dass Arme und Beine an ihm schlenkerten wie Fäden.

Im Bild, das sich mir eröffnete, waren weniger die Fäden vordergründig, als die Marionettenteile, die an ihnen hingen. Ich weiss nicht, ob es deiner Vorstellung zu entsprechen vermag, doch glaubte ich, das darin zu erkennen.

„Auf! Wir spielen Johnny Weißmüller.

Ein Moment war ich baff, dann musste ich lachen. Diesen Namen hatte ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört. Dass man ihn überhaupt noch kennt. Natürlich, Tarzan war damals der Grösste und ein kampferprobter Schwimmer dazu.

Du … Rodolfo.“

Na, wenn das nicht eine Anspielung auf Valentino ist! Da klang gleich der Songtext von André Heller in mir auf. Mir gefällt es, diese Nostalgie, die sich leise in den Text schleicht. :)

Auch wenn es einen tragischen Verlauf nimmt, es ist eine sehr poetische Geschichte, die sich durch die Akzeptanz gegenüber der Gewalt der Natur rundet und so ihren Schrecken verliert. Ich fand sie eindrücklich, insbesondere da es in der Welt von Kindern handelte, und sich von der Handlung her schlicht gibt. Die Erzählsprache wirkte mir sehr gelungen, die Dialektbegriffe waren auch an allen Stellen interpretierbar, manches Wort wie Deiwel kennt man gar bei uns als Deibel.

Doch ich kann mir vorstellen, dass es für einen Menschen der mit diesem Leben dort vertraut war, ein ganz besonderes Geschenk ist, den damaligen Zeitgeist einfangend. Durchaus romantisierend, doch in einer guten Art.

Soweit meine Perspektive.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Liebe Novak

Das ist eine sehr stimmungsvolle Geschichte mit schönen Bildern. Gut, ich habe ohnehin ein Faible fürs Meer, schon immer gehabt, und auch schöne (Kindheits-)Erinnerungen an die Ostsee, bin dort zwar nicht aufgewachsen, aber früher im Urlaub gewesen.

Du beherrscht die Sprache, das muss ich dir nicht sagen. Deine Beschreibungen sind treffend, deine Formulierungen abwechslungsreich. Handwerklich finde ich das auf beachtlichem Niveau, ich kann dir da gar keine grossen Tipps / Ratschläge geben:

Wenn noch niemand da war, konnte man am besten sehen, wie die Sonne rotgoldenes Gefunkel auf das Wasser streute und den Sand versilberte.

Gefunkel, gefällt mir ausgesprochen gut! Das finde ich einen ausgesprochen schönen Satz.

Mir war es dann wie Fliege im Folgenden auch einen Tick zu viel der Farben. Also bei dem Satz muss ich mich innerlich schon ein wenig verrenken, um da noch ein Bild in den Kopf zu bekommen:

Blassblaue und violette Schlieren schoben sich davor, vereinten sich zu immer breiteren, lichtglänzenden Flüssen und wurden orange.

Blassblau, violett und orange in einem Satz - damit überforderst du mich, ehrlich gesagt. Ich fände es auch schön (hier wiederhole ich, was Fliege gesagt hat, aber nur deshalb, weil ich es einen wichtigen Punkt finde und mir auch aufgefallen ist), wenn du auf den Geruch des Meeres eingehen würdest. Der ist mir zum Beispiel noch gut in Erinnerung. Oder: Wie fühlt sich der Sand im frühen Morgen an? Wie die Luft? Das ist eine tolle Szene im Morgengrauen am Strand, auch dieses Formulierung:

Als die Sonne sich zur Hälfte aus dem Wasser erhoben hatte, schickte sie ihre Strahlen wie suchende Finger über das Meer, und dort, wo sie die Oberfläche betasteten, brachen sie das Blaugrau des Wassers und sprengten silbrige Lichter auf die Wellen.

ergibt ein stimmiges Bild in meinem Kopf (wenngleich ich an deiner Stelle über "das Blaugrau" nochmal nachdenken würde, kann evtl. raus). Du könntest die Szene jedoch noch um weitere Eindrücke anreichern, würde sicher deiner Mutter auch gefallen, denn je reichhaltiger die Eindrücke, umso eher entstehen nicht nur Bilder, sondern richtige Erinnerungen.

Eine Geschichte, in der ein fünfjähriges Mädchen als Prot. agiert, finde ich eine anspruchsvolle Aufgabe. Es ist schwer, sich in den Kopf einer Fünfjährigen hineinzuversetzen. Du machst das gut, gleich zu Beginn die Sache mit den Kästchen, die Unsicherheit da und dann die trotzige Reaktion, als die anderen Kinder lachen. Das finde ich realistisch, da nehme ich dir die Figur ab.
Es gibt zwei Stellen, mit denen ich Probleme habe: Zum einen das Ende:

Ihr Herz hüpfte, endlich hatte man ihn gefunden. Das war ein weiter Weg zurück an den Strand. Da würde er müde sein. Aber jetzt war es egal, erst würde sie ihn schelten und dann lieb drücken.

Da wirkt sie auf mich zu naiv. Das passt nicht so recht zu dem Mädchen, das Georg frühmorgens heimlich mit zum Strand nimmt. Ich kann nicht beurteilen, ob das eine angemessene Reaktion für eine Fünfjährige ist, vielleicht willst du in der Szene auch andeuten, dass sie unter Schock steht und sich das nur einzureden versucht, aber sie wirkt für mich im Laufe der Geschichte reifer als am Ende. Zumal sie als Kind an der Ostsee doch sicher von den Eltern aufgeklärt wurde über die Gefahren des Meeres ...

Die andere Stelle, die ich schwierig finde, ist das hier:

Edith sah ihn nur selten, denn er spielte mit den großen Jungen.

Ich habe hier überlegt: Stört sie das? Wenn ja, warum eigentlich? Also Georgs Motive, sich mit Edith zu treffen, sind da klarer. Was mag aber Edith an ihm? Ist es nicht eher so, dass lose Kontakte in diesem Alter einfach einschlafen? Man ist da ja nicht so bemüht, Kontakt zu halten ...

Doch manchmal traf sie ihn am Strand und dann liefen sie am Ufer entlang,

Hm, ja, klingt als wären sie zehn Jahre älter. Du weisst sicher besser, wie Kinder in diesen Regionen aufwachsen, aber für mich könnten sie sich bspw. auch auf einem Spielplatz tummeln oder so. Nichtsdestotrotz: Ich würde an deiner Stelle evtl. noch einen Hinweis einflechten, vielleicht ungefähr an diese Stelle, worin für Edith die Motivation liegt, sich mit Georg zu treffen. Vielleicht fühlt sie sich ja geehrt, dass einer von "den Grossen" sich mit ihr abgibt? Würde die Sache für mich an dieser Stelle abrunden.

Davon abgesehen finde ich die Figur aber sehr gut getroffen. Besonders gefällt mir, wie ihr Georgs "Schiefe" auffällt, auch als sie ihn "schiefer Junge" nennt fand ich gut. Da kommt sie für mich sehr glaubhaft rüber.

Ebenso Georg. Ich bin nicht so recht schlau geworden, wie alt er ist, vielleicht acht oder so? Sein erster Auftritt, mit den Gänsen, das finde ich gelungen. Er spaziert nicht so mir-nichts-dir-nichts in die Geschichte, sondern hat sofort eine Aufgabe: Edith von den Gänsen zu retten ;). Ein schöner Einfall.

Das hier gefällt mir nicht so gut:

Dann sagte er: „Vielleicht, weil du mich an meine kleine Schwester erinnerst?“

Das ist zu offensichtlich. Da wusst ich schon: Aha, die ist tot. Und das nur durch diesen Satz. Das zeigt, dass dieses Schema etwas abgenutzt ist. Mich würde interessieren, warum du die tote Schwester hier erwähnst: Bereitest du hier wirklich schon das Ende vor? Das wird für mich dadurch nämlich etwas unrealistischer: Würde er wirklich so weit ins Meer schwimmen, wenn schon seine Schwester darin umgekommen ist? Oder brauchst du einen Grund, warum er den Kontakt zu ihr knüpft und sie ihm die Lämmchen zeigen geht? Wenn ich die Stelle jetzt nochmal lese, fügt sich das schon sauber zusammen, keine Frage. Wenn du die Schwester rausnimmst, musst du diese Fragen anders lösen. Und ein weiterer Punkt für dich: Trotz grosser Kitsch-Gefahr ("Meine Schwester ist im Himmel und du erinnerst mich an sie") kann ich nicht sagen, dass es hier rührselig wird. Also sagen wirs mal so: Mir ist das beim ersten Lesen etwas sauer aufgestossen, weil ich finde, das Szenario hat einen Bart. Wenn ich aber jetzt nochmal drübergehe und mehr darüber nachdenke, hat es auch seine Berechtigung.

Beim Höhepunkt der Geschichte dann, der Szene am Strand mit den anderen Jungen, musste ich auch immer wieder runterscrollen zu den Begriffen. Hat aber nicht weiter gestört. Ich sehe bernadettes Einwand, dass es nicht konsequent genug ist, finde aber, diese Wörter geben der Geschichte auch einen schönen Lokalkolorit. Ich finde, die sollten drinbleiben, vor allem, weil man deren Bedeutung auch dem Kontext entnehmen kann.

Vorwerfen muss ich dir - was du aber weisst und absichtlich gemacht hast - dass die Szene zu konstruiert ist - erst das Versprechen und direkt danach das Brechen desselben. Und im Hinterkopf dazu noch die tote Schwester. Ich finde, man kann das hier so lösen, der Dramatik und des Spannungsbogens zuliebe.

„Du lügst. Du hast es versprochen.“
„Es ist alles gut, Edith. Ich bin bald zurück. Und nicht ins Wasser gehen.“

Hier klingen sie nicht mehr wie Kinder, vor allem Georg nicht mehr. In dieser Szene könnte er Edith auch komplett ignorieren, um seinen Freunden zu imponieren (auch wenn diese durchaus in der Lage ist, sich Gehör zu verschaffen). Also ich würde es vermutlich so lösen, dass ich diesen letzten Satz "Es ist alles gut ..." rausnehmen würde. Stattdessen könnte er sich ja nur "schief" anschauen oder so. Fände die Szene dann besser.

Ganz stark dann der Teil:

Als sie sich umdrehte und die Jungen anschaute, starrte Hans zurück, blickte zu seinen Freunden und hinaus auf das Meer. Er zählte. Zählte noch einmal. „Einer fehlt.“ Und dann schrien alle durcheinander, sprangen ins Wasser und schwammen los, bis ihre Köpfe von den Wellen verschluckt wurden, trotzdem hörte man ihre Rufe bis an den Strand.

Das finde ich eine schreckliche Vorstellung, vor dem Meer zu stehen in dem Wissen, dass jemand unter der Oberfläche ist. Und man demjenigen nicht helfen kann. Unfassbar schlimm sowas, vor allem in den ersten 2-3 Minuten, wo man denkt, wenn ich ihn jetzt finde, dann überlebt er vielleicht noch. Das hast du toll gemacht, diese knappe szenische Darstellung, auch wie die Erwachsenen plötzlich auftauchen.

Auch der Aal am Ende - also die Nähe zu Horror ist auch in dieser Geschichte nicht ganz von der Hand zu weisen, liebe Novak ;-) (nicht dass ich was dagegen hätte ...). Klar, ist auch wieder so ein symbolträchtiges Bild, vielleicht ein Stück zu weit entfernt von der Realität, aber in einer Geschichte wie dieser durchaus zulässig.

Textarbeit fällt entsprechend knapp aus:

Das Kreischen der Gänse verebbte, als hätte jemand es abgestellt.

Als hätte es jemand abgestellt klingt in meinen Augen (bzw. Ohren) etwas flüssiger.

Und am Abend, wenn man nur weit genug am Wasser entlang lief, bis Brösens Häuser nur noch winzige Lichter in die Nacht streuten,

Die gestreuten Lichter kommt etwas weiter oben schon, vielleicht fällt dir hier noch ein anderes Bild ein.

dass eine Frau nach England geschwommen iss.

Ich hätte es vermutlich mit einem s geschrieben: is.

Sie sah hinaus auf das Wasser, hin zu dem blauen Leuchten, das wie ein dunkler Edelstein schillerte, und sie fürchtete sich vor der See und ihrem tiefen Blau und hasste sie.

Ich verstehe nicht, auf wen sich das letzte "sie" bezieht. Falls du damit die See und das Blau meinst, wäre vielleicht "... und hasste beides" klarer. Oder ist es ein Singular-Sie und bezieht sich auf die See? Bin da beim Lesen hängengeblieben.

Also alles in allem eine sehr schöne Geschichte, Novak, über die sich deine Mutter sicher freuen wird. Sie enthält schöne Formulierungen, tolle Bilder und ist durchgehend unterhaltend, nie langweilig oder müssig. Ich würde noch ein wenig an den Eindrücken des Meeres und der Stimmung dort feilen, das kannst du nämlich wirklich gut und das gäbe noch einen echten Mehrwert.

Einige Dinge sind mir zu konstruiert, Edith als Figur an den beiden genannten Stellen nicht ganz stimmig - aber da ist jetzt nichts dabei, wo ich sagen würde: So kannst du das als Geschenk nicht überreichen. Das ist ja eine emotionale Geschichte, wo es auch darum geht, Erinnerungen wachzurufen, und sie funktioniert so, wie sie dasteht.

Wirklich eine schöne Idee, so etwas zu verschenken.

Grüsse,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

einen stillen Horror verbreitest du da. Ich bin sehr beeindruckt, dass du dich traust, diese Kindheitserinnerung deiner Mutter in eine Geschichte zu packen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte.

So große Vierecke. Kästchenriesen. Wenn sie die ersten fünf nicht schaffte, ließen die Kinder sie nie mitspielen. Also warf sie entschlossen die Zöpfe zurück, stellte sich knapp vor den ersten Strich und sprang.
Und ich wette, sie hat genau so entschlossen die Lippen aufeinander gepresst. Schöner Einstieg!

Was ich nicht verstehe, ist, weshalb das Wellenglitzern bei Sonnenaufgang als Osterlämmchen bezeichnet wird. Der ganze Oster-Zusammenhang ist mir nicht klar: Weshalb zieht Edith sich ihr Osterkleidchen an? Wegen der Osterlämmchen, die sie eigentlich jeden Tag sehen könnte? Also das ist etwas, das verstehe ich nicht.

ein weißes Geschwader mit Schnäbeln wie hartes Holz
Sorry, aber: Geil. :D
Das Gleiche ist meiner Schwstser passiert, da war sie ungefähr so alt wie Edith - und sie hat bis heute ein Gänsetrauma. Sehr schön getroffen!

„Junge“, rief sie, „wir müssen uns beeilen.“ Energisch packte sie seine Hand und zog ihn zum Wasser.
Das Junge ist hier verwirrend. Sie kennt ja seinen Namen, weshalb benutzt sie ihn nicht? Dann dachte ich, vielleicht verwendest du es als Ausruf, im Sinne von Junge, Junge! Aber dann denke ich mir, Edith ist fünf, sie ist zu jung dafür. Oder ist das das Städter-Äquivalent zu Georgs Mamsell?

Und dann schrien alle durcheinander, sprangen ins Wasser und schwammen los, bis ihre Köpfe von den Wellen verschluckt wurden, trotzdem hörte man ihre Rufe bis an den Strand. Sie verstummten erst, als Hans zurückkam und nach Brösen rannte. Ein Junge nach dem anderen kehrte aus dem Wasser zurück. Aufgereiht standen sie neben ihr, starrten hinaus und warteten auf die Erwachsenen.
Um sie herum war plötzlich Geschrei, Leute rannten herum, von Brösen näherten sich Boote, erst vier, dann sechs oder sieben, sie schwirrten hinaus, hin zu dem blauen Leuchten und wieder zurück, kreuzten auf und ab, als wollten sie das Wasser vermessen. Der Strand war voller Menschen. Edith irrte zwischen ihnen herum, zupfte die Männer am Arm und fragte nach Georg. Doch keiner antwortete ihr, sie redeten und befahlen und redeten wieder. Und dann sah Edith eine blonde Frau. Sie wusste, dass das Georgs Mutter war, denn ihr Lächeln hing schief in ihrem Gesicht. Und als ein Polizist mit dem Kopf schüttelte, fing das schiefe Lächeln an zu zucken.
Wow. Wie mit der Kamera draufgehalten, richtig, richtig gut. Ich finde, hier bist du voll und ganz in der Perspektive der kleinen Fünfjährigen geblieben, da gibt es keine Antworten, nur ratloses Zuschauen. Also der Leser weiß natürlich, was los ist, aber du bleibst hammerhart in der Kleinen. Das gefällt mir, da sehe ich sie, wie sie einfach da steht und noch nichts ahnt. Richtig gut.

Vorsichtig hob Edith das Tuch an, ganz leicht, doch kaum hatte sie das getan, glitt ein schwarzer, langer Körper unter dem Laken hervor und schlängelte sich fort, Richtung See. Edith stand auf. Sie öffnete den Mund wie zu einem Schrei, doch nichts war zu hören. Der Schrei gellte zurück. In sie hinein, verbrannte sie.
Und hier ist die Kamera von außen irgendwie. Das ist nicht mehr die Kleine, die beobachtet, das kommt nicht mehr aus ihr heraus. Und das finde ich richtig gut an der Stelle, dieser Perspektivwechsel. Das ist so krass und hart gezeichnet. Also wenn man die Kleine in dem Moment fotographiert hätte, man müsste das Bild nehmen und bearbeiten, den Kontrast bis zum Anschlag erhöhen, Farben raus, vielleicht noch mit Bleistiftskizzeneffekt. Ein Bild, in dem die Zeit stehen bleibt. Wow.

Edith machte sich von ihm los und ging an den Strand.
Sie sind doch schon am Strand. Vielleicht besser: zum Wasser?

Das Wasser glitzerte, und sie wusste, dass die See tötete, wenn sie wollte. Aber jetzt machte ihr das nichts mehr aus. Denn die See sprach zu ihr und schenkte ihr halb vergessene Gesichter.
Warum macht es ihr jetzt nichts mehr aus? Was ist passiert, dass es ihr nichts mehr aus macht? Und weshalb Gesichter, weshalb Plural? Es ist doch nur ein Gesicht, das sie hätte vergessen können. Hier habe ich gestockt, so kurz vorm Ende, das fand ich schade.


Mir gefällt diese kleine wahre Geschichte. Und auch der Dialekt stört mich überhaupt nicht, im Gegenteil, das gibt dem ganzen Authentizität.
Bis auf die paar kleinen Anmerkungen habe ich nichts auszusetzen.

Schön gemacht, Novak.

Liebe Grüße,
PSS

 

Hej Novak,

erstmal Hut ab vor so einem Geschenk! Ich würde mir etwas Vergleichbares nicht ohne weiteres zutrauen. Außerdem ist es eine wunderschöne Idee. Deine Mutter freut sich bestimmt.

Ich habe die Geschichte gestern schon gelesen. Viele Bilder haben mir sehr gefallen und sind hängengeblieben.
In Erinnerung hab ich aber auch noch, dass ich dem Jungen kein konkretes Alter zuordnen konnte und er dadurch nicht ganz greifbar war.

Ich mag an einem solchen Geschenk nicht lang und breit herumkritteln, zum Kitsch-Kontest bist Du für mich jedenfalls nicht einmal zugelassen.

Was mir so aufgefallen ist:

Das Bein hing an ihr wie etwas Fremdes, Schweres, ein riesiger Wurm, der sich im Erdboden verkriechen wollte.
Hier dachte ich, dass es sich um ein körperbehindertes Kind handelt. Ist aber nicht so gemeint, oder? Oder doch? Weil es später kein Thema mehr zu sein scheint.

dass Arme und Beine an ihm schlenkerten wie Fäden.
Bei dünnen Armen und Beinen treten mir automatisch die dadurch dicker wirkenden Gelenke vor Augen, die Du hier aber praktisch wegradierst, weil Fäden eben keine Ecken haben. Ich würde ein anderes Bild suchen.

Mein Cousin macht das nie und der ist auch schon groß. So wie du.“
Hier könnte man gut das Alter von Georg einbauen.

Aber für Edith war es das Schönste.
Die nachträglichen Beschreibungen sind vielleicht nicht ganz kindgerecht, aber sehr schön.

„Junge“, rief sie, „wir müssen uns beeilen.“
Warum nennt sie ihn nicht bei seinem Namen?

Dann blickten sie hinaus auf das Meer, bis die Weite sie einsaugte.
:)

„Wer hat dir das erzählt mit den Osterlämmchen?“, fragte Georg.
„Wer hat dir das erzählt, mit den Osterlämmchen?“, fragte Georg.

Und dann war Sommer. So schnell war er gekommen mit seinen Sommergästen und den Kornblumen, die das Gold des Roggens sprenkelten, viel zu schnell für ihre Mutter und für die anderen Erwachsenen, die arbeiteten und doch nie genug Geld hatten, um die Hände still zu halten. Die See wurde ruhig und tobte nicht mehr. Und am Abend, wenn man nur weit genug am Wasser entlang lief, bis Brösens Häuser nur noch winzige Lichter in die Nacht streuten, dann glaubte man, das Atmen der Tiere zu hören, so leise berührten die Wellen den Strand.
Ein schöner Absatz. Ich mag diesen Zsuzsa-Bank-Tonfall (so nenn ich das, was jetzt nicht heisst, dass ich dir hier irgendeine Nachahmerei unterstelle, es ist einfach ein ähnlicher Klang).
Vorschlag: ... dann glaubte man, das Atmen der Tiere in den Ställen / auf den Weiden zu hören, so leise berührten die Wellen den Strand.
Oder sind andere Tiere gemeint?

Und sie zeigten gleichzeitig mit dem Finger auf den anderen, kreischten Bimbo und sangen das Lied, obwohl sie nichts verstanden.
Hier und im Folgenden wirken sie auf mich eher wie Gleichaltrige.

Mit Handtüchern um ihre braun gebrannten Jungenkörper und weiß gebleichten Haaren.
Das ist ein schönes Bild. Schlicht und einfach sorgt es für Spannung.

„I wo, ihr wisst doch. Mein Vater. Da geht nuscht.
Was ist mit seinem Vater? Ist es, weil seine (Georgs) Schwester auch ertrunken ist? Müsste es dann nicht heißen: Wegen meiner Schwester? Oder liege ich total daneben? Für mich ist das wichtig, weil ich ab hier ahne, dass Georg ertrinken wird und überlege, warum er das so bereitwillig tut. Warum die anderen ihn lassen, wenn sie wissen, was mit seiner Schwester passiert ist.

Du kannst froh sein, dass du noch so klein bist und Georgs Schwester.“
Hier ahne ich, dass da alles irgendwie anders sein muss, denn sicher würde Hans doch wissen, dass Georgs Schwester tot ist. Ich versteh da etwas nicht.

wuchsen darauf dunkelblaue Blüten, in deren Mitte kleine Sonnen glühten.
Das reimt sich. Soll es?

Ich wünsche einen schönen Geburtstag, wenn es dann so weit ist.

LG,
Ane

 

Liebe Kommentatoren: Anakreon, Schwups, PSS, Ane und Marai
vielen Dank schon mal vorweg für eure hilfreichen Anmerkungen. Bin im Moment am Überarbeiten, die Anmerkungen von Jandalf, Sam, Fliege und bernadette habe ich schon eingearbeitet. Habe die Geschichte z. B. an der Stelle, wo Georg sich zu schnell zum Wettschwimmen entscheidet verlängert, um den Konflikt, unter dem er steht, ein bisschen mehr herauszustellen, was ja glaub auch Schwups Bedenken war, dass das zu schnell und zu erwachsenenmäßig geht.
Bin mir durch eure Anmerkungen und Kritikpunkte über manche Stellen meiner Geschichte auch selbst klarer geworden, darüber, warum ich mich so entschieden habe und was ich selbst wichtig finde. Das fand ich schon sehr interessant.
Also, ich bin mal wieder über das Forum und die Arbeit hier froh wie nur irgendwas. Da reichen acht Smileys gar nicht, um das auszudrücken.
Jedenfalls kommen detailliertere Antworten auf jeden Fall noch und die eingearbeiteten Stellen selbstverständlich auch.
Viele Grüße
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Novak

Ich habe deine Geschichte gestern Abend gelesen.

Was mich ein wenig stutzig machte, war das Bein, was an dem Mädchen hing. Ich glaubte, sie wäre behindert oder so. In der damaligen Zeit auch nicht abwegig, da Kinderlähmung und Co. noch ein Thema waren. Als dann der total schiefe Junge kam, wurde meine Vermutung eher bestätigt. Erst sehr spät habe ich das falsche Bild deiner Protagonisten verloren.

Ich habe mir noch nicht die Kommentare durchgelesen (bis auf den letzten Komm von dir), vielleicht bin ich die Einzige, die es so aufgefasst hat. (Schäme mich)

Der Anfang kommt mir ein wenig schleppend vor und die Entscheidung, dass er ins Wasser geht, kam auch mir ein wenig zu schnell daher. Da du am Überarbeiten bist, werde ich jetzt erst einmal enden.

Mir gefällt die Geschichte. Sie hat, trotz der Tragik, eine gewisse Ruhe.

LG
Nachtschatten

 

Hallo Nachtschatten, kann nich viel schreiben jetzt, freu mich, dass du mir Zeit und Gedanken schenkst, musste lachen, als ich deinen Komm las, denn der Wurm, der wurde echt nich nur von dir angemerkt. Fast jeder hat an dem armen Wurm gezerrt, so dass er jetzt in seine Kleinteile (pfui deibel) zerrieben in die ewigen Jagdgründe für Würmer eingezogen ist. Auch die anderen Stelle, als er dann am Schwimmen teil nimmt, das ist auch verändert.
So viel schon mal vorweg.
Alles andere folgt
Danke schon mal, bis bald
Novak

 

He Novak,

Also anscheinend hat der Text bei mir anders gewirkt als bei den meisten. Keine Annung, vll ist es die Thematik, die mich voll erwischt oder war der richtige Moment, oder icn bin einfach weniger kritisch oder wasauchimmer. Ich habe deine Geschichte in eine Rutsch gelesen, war und bin berührt und bin dann durch die Beiträge gescrollt und musste feststellen, dass hier doch relativ viel Kritik aufgeploppt ist. Einiges konnte ich nachvollziehen von dem, was da gesagt wurde. Aber erst im Nachhinein, während des Lesens war mein innerer Monitor aus, war ich ganz in der Geschichte. Für mich ist das eigentlich der wichtigste Punkt. Und wenn das eine Geschichte schafft, dann suche ich auch nicht im Nachhinein nach irgendwelchen Sachen, die man eventuell und schnubbeldiwupp noch ändern könnte. Da habe ich gelegentlich hier im Forum so das Gefühl, dass es einigen darum geht, immer irgendwas finden zu müssen, was man noch zum Nachbessern anbieten müsste, weil wir ja alles nur wannabes sind und so. (Und damit sich niemand auf den Schlips getreten fühlt - ich meine damit keinen Schreiber hier unter der kg, sondern es ist eine allgemeine Beobachtung) Werkstattcharakter der Seite hin oder her, ich sage auch mal gerne, wenn mir ein Text rundum Gefallen hat. Auch daran kann ja die Autorenseele reifen ;)
Das hier ist jetzt also so ein undifferenzierter Kommentar. Da knisterte die ganze Zeit über dieses drohende Unheil zwischen dem zerbrechlichen Glück, ich finde das hast du sehr gekonnt eingefangen. Auch das "schiefe" hat mir sehr zugesagt, das war so schön warm in Szene gesetzt, den musste man einfach lieb haben. Für mich an keiner Stelle zu süß oder aufgesetzt.
Sehr gerne gelesen und ich bin mir sicher, über dieses Geschenk wird sich jemand mächtig freuen.

Grüßlichst
Weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Anakreon,
ich freu mich immer total, wenn du bei einer meiner Geschichten hereinschaust, hier natürlich auch wieder.

Da ich nun deine Absicht kannte, es wird ein Geschenk an jemand der mit dieser gezeigten Welt vertraut ist, spürte ich eine Hemmung aufkommen, da reinzureden. Doch ich bin ja nicht der Erste und vielleicht fällt mir nichts auf, was nicht schon gesagt wurde. Also stürz ich mich einfach mal rein.
Konntest du ruhig, daher hab ich es ja reingestellt. Ich halte nun mal sehr viel von den Rückmeldungen und Kritiken hier.

Bereits bei den ersten Zeilen kam mir der Eindruck auf, es ist kein Kind, das da spricht. Doch das scheint mir auch gut so, es ist ja eine erwachsene Erzählstimme, die da Rückschau hält. Und mit diesem Strich, der sich unter den Schuh mogelt, gewann es mir eine einfühlsame Sichtweise.
Ich finde das einen sehr interessanten Gesichtspunkt. Ich bin im Moment sehr mit der Thematik aus einer Perspektive zu schreiben, befasst. Ich glaube, es wäre nicht auszuhalten, wenn die gesamte Erzählstimme vollkommen kindlich wäre. Wenn das Kind spricht, muss man es kindlich sein lassen, ohne wenn und aber. Aber in der Erzählerstimme? Ich finde das sehr schwierig und auch sehr spannend. Hier ist mir das wohl meistens geglückt, da die Waage zu halten.

Im Bild, das sich mir eröffnete, waren weniger die Fäden vordergründig, als die Marionettenteile, die an ihnen hingen. Ich weiss nicht, ob es deiner Vorstellung zu entsprechen vermag, doch glaubte ich, das darin zu erkennen.
Der Fädchenmann hat zu viel Unwillen erregt. Auch du bist glaube ich nicht ganz zufrieden. Ich habe es geändert und hoffe, es ist jetzt weniger "anstößig".

Ein Moment war ich baff, dann musste ich lachen. Diesen Namen hatte ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört. Dass man ihn überhaupt noch kennt. Natürlich, Tarzan war damals der Grösste und ein kampferprobter Schwimmer dazu.
Das ist so lustig, ich habe früher Unmengen uralter Filme gesehen, z. B. alte Murnaus, aber auch andere., war ein bisschen cineastisch. Und irgendwann war mir klar, dass Weissmüller, ein Schwimmer, der Urvater des Tarzans ist.

Na, wenn das nicht eine Anspielung auf Valentino ist! Da klang gleich der Songtext von André Heller in mir auf. Mir gefällt es, diese Nostalgie, die sich leise in den Text schleicht. :)
Genau, Rodolfo Valentino, der ist gemeint. Das Nostalgische war der Grund, sollte sich durch solche Zeitgeistfiguren einschleichen. Schön.

Auch wenn es einen tragischen Verlauf nimmt, ... die sich durch die Akzeptanz gegenüber der Gewalt der Natur rundet und so ihren Schrecken verliert.
Wunderbar, war sehr froh, dass du das geschrieben hast, denn genau das wollte ich mit den letzten Zeilen sagen. Die Kleine liebt die See (die Natur), leidet an ihrer Gewalt und akzeptiert sie dann doch. Ja die See trägt sogar zu ihrer Heilung bei.

Doch ich kann mir vorstellen, dass es für einen Menschen der mit diesem Leben dort vertraut war, ein ganz besonderes Geschenk ist, den damaligen Zeitgeist einfangend. Durchaus romantisierend, doch in einer guten Art.
Mit dem Romantisierenden hast du sicherlich recht, dass es gut romantisch ist, finde ich schön. Und dass du auch findest, dass es ein besonderes Geschenk ist, das finde ich richtig toll.
Ich danke dir für deine Mühe, deine Gedanken und für deinen Zuspruch.
Vor allem für deine Anmerkungen zu der Akzeptanz der Natur.
Viele liebe Grüße in die Schweiz, lass es dir gut gehen.
Novak

Morgen kommt der Rest.

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Novak,

kommt schon wieder keine fundierte Textanalyse von mir, sondern eher so gefühlsduseliges Zeug:

Ich habe das Blaue Leuchten schon am Sonntag gelesen, aber am Ende begonnen quasi, also mit deiner Erläuterung zum wahren Zweck der Geschichte, wo du die Befürchtung äußerst, eventuell „Alten Damen – Kitsch“ fabriziert zu haben.
Und, verzeih mir bitte, dass ich jetzt aus einer PN von dir zitieren muss:

Es ist furchtbar. Ich finde, die Geschichten klingen alle drei bieder und ätzend weiblich-hausfraulich. Oh Mann!

schriebst du vor einigen Tagen, und als ich dann las, wer die eigentliche Adressatin deines neues Textes sei, und ich mal davon ausgehen darf, dass deine Mutter älter ist als du, war ich sozusagen doppelt vorgewarnt.
Das heißt, meine Erwartungen waren, äh, sagen wir mal, nicht sehr hoch, obwohl natürlich gleichzeitig auch ein gewisser Sympathiebonus da war, weil ich es wunderbar finde, wenn wer Geschichten schreibt für Menschen, die er mag. (Ich schreibe meine Sachen halt für meine Söhne und darf mich einer dementsprechend „rotzigeren“ Sprache bedienen.)
Nicht dass ich überheblich an deinen Text herangegangen wäre, es war eher so ein zögerliches „Ich will nicht stören, mich nur ein wenig umschauen“, ich fühlte mich wie ein zufälliger Passant, der in eine intime Familienfeier stolpert.
Nach nur wenigen Zeilen allerdings waren meine Bedenken und meine Vorbehalte weg, Kitschalarm abgeblasen quasi, weil einfühlsam und behutsam geschrieben zwar, aber auch originell und ja, schön. (Von Anfang an hatte ich Siegfried Lenz im Kopf, die Gänse, die Ostsee, die Holzschlorren, was weiß ich.)
Und mit der kleinen Edith und ihrem Beschützer Georg hat mich die Geschichte sowieso sofort berührt, mich auf der Stelle an meine eigene Kindheit erinnert, als wir drei großen Brüder täglich um die Gunst unserer kleinen Schwester, des Nesthäkchens, buhlten („Heute bist du mein Lieblingsbruder, dafür musst du aber …“ Teufel, hat uns das kleine Luder verarscht!)

Sie kreischten, weil die Kälte in ihre Haut schnitt, bespritzten sich und kreiselten wie flinke Fische. Und als er, einen Schwall Wasser vor sich herschiebend, mit verstellter Stimme brummte: „Siehst du die Osterlämmchen, hier kommen die Osterlämmchen, kleiner Bimbo“, da verschluckte sie sich vor Vergnügen. Dann stieg sie auf seine Schultern. Da oben stand sie, in ihrem dunkelblauen Badeanzug, bereit für ihren ersten Kopfsprung.

Da mochte ich die beiden schon dermaßen, dass es ab der Stelle

Edith fing an zu weinen. „Du hast gesagt, da darf man nicht hinschwimmen, du hast gesagt, das ist gefährlich.“

mit meiner Contenance endgültig vorbei war, kein Spaß, nicht dass ich an den Fingernägeln kaute, aber verdammt, ich litt richtiggehend mit der kleinen Edith, weil ich genau ahnte, worauf das jetzt hinausläuft, und ich weiß nicht, wie alt ich werden muss, damit mir die Vorstellung tödlich verunglückender Kinder keinen Pfahl mehr ins Herz rammt …

Nein, liebe Novak, deine Geschichte ist von Kitsch so weit weg wie nur irgendwas.

Den Textkram überlasse ich den anderen. Klar sind ein paar Stellen drin, die ich angestrichen hab (ja, ich hab mir den Text ausgedruckt, nach Jimmys Phantomschmerz und Eires Ehschonwissen erst der dritte, seit ich im Forum bin, und ja, ich hab ihn auch meiner achtzigjährigen Mutter zum Lesen gegeben …) aber nachdem ich nun auch die Kommentare der anderen überflogen habe, stelle ich fest, dass meine Beanstandungen sozusagen Mehrfachnennungen sind (das Bein als Wurm und die Arme als Fäden, naja, ich nehme mal an, du wirst dich dem massiven Druck beugen und da und dort noch was verändern.)

Ein wenig geschleudert hat’s mich bei der Beschreibung des Sonnenaufganges über dem Meer. An sich mag ich eindrückliche Naturschilderungen, aber das wollte mir nicht richtig gefallen beim erstenmal Lesen, das war mir irgendwie zu bunt und plakativ, nur ja keine Farbe auslassen, aber dann ist mir ein Licht aufgegangen: Die zwei Kinder sehen das so, genau so sehen und empfinden die das, die kennen nicht Begriffe wie mauvefarben, zartpastellig, was weiß ich. Und dann hat’s gepasst.

Wie die ganze Geschichte gepasst hat, wunderschön und ergreifend geschrieben. Jessas, liebe Novak, ich hatte gegen Ende einen Kloß im Hals, kein Scheiß. Oder, um es mit Philippe Djian zu sagen: "Die Gänsehaut wurde erfunden, damit man nicht andauernd mit den Zähnen klappern muss."

Lieben Gruß
offshore

 

Hi Novak,

ein kleines Meisterwerk, wie ich finde. Liest sich aus einem Guss. Ich finde, es hat schon fast etwas von magischem Realismus, deine Story. Habe die anderen Kommentare nur überflogen, deswegen ist es hier eher eine spontane Erstlesermeinung. Ja, die Stimmung ist melancholisch, ein wenig düster, aber nicht zu besorgnisserregend, eher wehmütig dunkel, falls das passt. Ganz toll sind dir die Beschreibungen gelungem, Osterlämmchen, und dann diese zaghafte Beziehungsebene zwischen Georg und Edith, alles ohne kitschig zu wirken, finde ich gut gelöst. Das Ende berührt dann umso mehr, also mich, man mag dann auch nicht mehr großartig analysieren, dein "Leuchten" ist ein runder Lesegenuss. Mir hat es sehr gut gefallen.

Lieben Gruss,
Jimmy.

 

Hallo Novak,

ich habe jetzt nicht alle vorangegangenen Kommentare gelesen, aber soviel, dass ich weiß, dass ich dir kaum noch was Neues sagen kann.
Auch mir hat die Geschichte gefallen. Im ersten Teil steht das Lokalkolorit im Vordergrund, und ich denke, das kommt sicher sehr gut, wenn man das so kennt, also deine Mutter wird sich bestimmt freuen. Dann kam es mir, wie z.B. auch Fliege, saubergespült vor, ich weiß nicht, hab irgendwie so eine Art alten Fernsehwerbespot vor Augen, damals, die gute, alte Zeit, und das Ganze ist ja auch deutlich verklärt. Was es dann nochmal etwas künstlich macht sind diese, hm, eben "künstlichen" Elemente, am deutlichsten der Aal. Ich mag das hier eher nicht, weil es eben zu der Saubergespültheit noch mehr Künstlichkeit in das eigentlich Realistische, Lokalkolorithafte mengt, aber es stört mich jetzt auch nicht wirklich. Es ist ja eine Geschichte zum Erinnern, von daher passt das, denk ich.

Ich hab noch ein bisschen Textkram. Manches ist ziemlich kleinkariert, kannst ja gucken, ob du mit was davon was anfangen kannst:

Edith holte mit den Armen aus, jetzt, das war das letzte Kästchen.
Du machst das manchmal, dass du Sachen zusammenpackst, die ich trennen würde (ist aber sehr subjektiv). Der erste Teil hier ist der Erzähler, das "jetzt" denkt Edit und der Rest des Satzes ist eher wieder Erzähler (könnte auch zur Denke gehören). Das würde ich nicht so zusammenpacken.

„Ich bin schon fünf“
Satzzeichen

Mein Cousin macht das nie und der ist auch schon groß. Bestimmt zwölf. So wie du.“
Über sein Alter hat der Junge nichts gesagt, das "so wie du" müsste sich also auf die Größe beziehen - fraglich ist dann, ob es das Alter überhaupt braucht, so eingeschoben hat es mich jedenfalls kurz irritiert.

„Sie ist nicht allein. Sie ist jetzt im Himmel. Die See hat sie geholt.
Anführungszeichen

„Fort?“ Edith schluckte. „Aber wohin denn? Und ganz allein?“
Den Einschub würde ich streichen, zum einen, weil eine Fünfjährige nicht so schnell auf den Trichter kommt (zumal sich danach zeigt, dass sie es ja auch nicht tut), und zum anderen, weil da schon so oft er und sie erwähnt werden - lass sie ruhig mal ein paar Zeilen reden ohne "sagte er", "erwiderte sie" und so.

Sie stapfte durch den Sand, fühlte ihn bis zu den Knöcheln, ein kühler Strumpf, der zwischen den Zehen rieb wie gekörnter Samt.
Würde ich einfach streichen. Das ist ein (ich finde, nicht gut funktionierender) Vergleich, mit dem du den Sand beschreiben willst, aber der Sand ist bereits genannt, also wozu..

Edith stampfte mit dem Fuß, baute sich vor Hans auf, die Fäuste geballt, und trat mit Wucht gegen sein Schienbein.
Hier hab ich das innere Bild verloren - ich sah die im Wasser stehen und du schreibst nicht, dass sie an den Strand gehen, oder so.

Georg prallte zurück, als hätte Hans einen Stein geworfen und nicht einen Namen. Er sah zu Edith hin, dann wieder zu Hans, der an ihm vorbeiging, ganz nah, und ihn dann zur Seite stieß, so roh, dass Georg aus dem Kreis der Jungen taumelte.
Hier auch - offenbar sind die plötzlich wieder an Land..

Die Beine von sieben Jungen trommelten auf den feuchten Strand und wurden langsamer, als das Wasser an ihren Körpern hochstieg, dann sah man nur noch ihre Köpfe. Immer kleiner wurden sie, tanzten auf den Wellen, bis da nur noch Wasser war.
Das geht mir zu schnell. Der Ablauf ist so, dass man schnell reinrennt, dann hebt man die Beine, je tiefer man kommt, und schließlich macht man so eine Art Kopfsprung. Zumindest ist das mein Bild von ins Meer rennen. ;)

und ließ die Zurückkehrenden an sich vorbeiziehen, Einzelne, einmal eine Traube
einzelne

Sie wusste, dass das Georgs Mutter war, denn ihr Lächeln hing schief in ihrem Gesicht.
Gut!

Dort, wo das kleine Haus stand mit der Schaukel unter dem Apfelbaum, mitten in einem Garten voller Ringelblumen und wenn man auf der Schaukel nach oben blickte, sah man rotbackige Äpfel, wie sie mit dem Schwung des Schaukelns auf und nieder tanzten.
Finde ich eine plumpe, nicht recht passende Verknüpfung, das kannst du eleganter.

bis ein Nachbar kam und sie nachhause brachte.
nach Hause

stieß und schob, bis nur noch ein Mann vor stand. Vor ihm sah sie einen Körper auf dem Boden liegen
Hinter. Denn wenn er vor ihm läge, läge er ja vor ihr (du bist da ja in ihrer Perspektive)..

Gern gelesen!

Viele Grüße,
Maeuser

 

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