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Aufruf zum sprachbewussteren Schreiben

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12.03.2001
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Aufruf zum sprachbewussteren Schreiben

Warum englische Namen und amerikanische Location?

Warum nehmen deutsche Autoren so oft englische Namen für ihre Figuren, keine französischen, spanischen, isländischen oder kroatischen, vor allem aber warum keine deutschen Namen?

Mir ist das hier schon oft aufgefallen, zB. bei Poncher und stephy, dass deutsche Autoren ihre Geschichten in Amerika (oder England?) spielen lassen.

Mich würde mal interessieren, warum Ihr das macht.

 

Gute, berechtigte Frage!
Ich darf mal aus meiner Sicht antworten: Da ich fast nur am. Literatur lese bzw. solche Filme besehe, ist mir Amerika viel näher als zB Österreich, mein Heimatland.

Außerdem bietet dies einen großen Vorteil: In meinen Geschichten verwende ich ausschließlich fiktive Kleinstädte (allerdings mit realen Vorbildern, abgeschaut während eines mehrwöchigen Amerika-Aufenthaltes); würde ich nun zB eine deutsche Location verwenden käme sicher der berechtigte Einwurf: "Hey, es gibt in Bayern keine Stadt die Geleckmiamoasch heißt! Und überhaupt: Warst du schon mal in Bayern? Da stimmt ja überhaupt nix von dem, was du da schreibst!".

Verwendet man eine "exotische" Location, hat man praktisch Narrenfreiheit (natürlich sollte man ein bisserl Ahnung schon besitzen, sonst geht es einem so wie dem Typen, der "Das Böse ist näher als einem lieb ist" geschrieben hat, wo man in ein paar Stunden mit dem Auto von Maine nach Kalifornien fährt).

Jedenfalls könnte ich nie über meine "echte" Umgebung schreiben.

 

Irgendwer hat hier in irgendeiner Diskussion auch schon mal gesagt, daß sich englische Namen häufig besser anhören würden, als deutsche.
Mein Tip: einfach nur einen Vornamen verwenden, da hat man viele Möglichkeiten, die sich nicht auf Nationalitäten festnageln lassen. Ausserdem ist ein Nachname in Kurzgeschichten auch nicht so immens wichtig.

 

: Da ich fast nur am. Literatur lese bzw. solche Filme besehe, ist mir Amerika viel näher als zB Österreich, mein Heimatland.

Dies wird wohl der Haupgrund sein. Ich denke, das gilt für die meisten von uns.

Wir sind alle von Hollywood geprägt. Wenn also ein 'normaler' Name gesucht wird, dann ist es deshalb ein amerikanischer sein, weil wir es einfach so gewöhnt sind.

"Jenny Torn" - klingt normal.

"Davide Rossati" - klingt eben so, als hätte der Name an sich schon eine Bedeutung, was mit den Archetypen zusammenhängt, denen sich Hollywood eben Jahrzehnte lang bedient hat:

Den it. Mafiakiller
den russ. KGB-Agenten
das 'Latino-Gangmitglied'
(ja, ja ... Hollywood kann ziemlich rassistisch sein)

Will der Autor also vermeiden, dass der Leser von Namen abgelenkt wird, die bereits mit Archetypen belegt sind, oder dass falsche Assoziationen geweckt werden, so wählt er amerikanische Namen.


Gruss,

Batch

 

Mir fallen Namen auch immer schwierig und irgendwie müssen die schon vom Klang her zur Geschichte und zum Character passen. Und mit ausgedachten Namen ist das meist nicht so leicht, ich habe mal bei meiner SiFi Story den Namen "Epoh" für einen männlichen Protagonisten gewählt. Das bedeutet rückwärts "Hope" und hat dementsprechend auch etwas mit der Geschichte zu tun. Naja, kreativ sein ist nicht immer leicht, aber doch irgendwie notwendig.

Ich bin am Überlegen mir mal so ein Buch über die Bedeutung von Vornamen zu kaufen. Benutzt ihr soetwas vielleicht, oder sind euch Namen egal?

Ich meine, durch einen Namne wie "Pompus Adonis" kann man sich doch schon was unter der humorigen Seite und den Character der Geschichte vorstellen.

____________________

Es gab eine Zeit als Gulliver die Kanalisation durchkreuzte.

 

Mir geht es ähnlich wie Rainer; ich lese hauptsächlich amerikanische Literatur und das fließt irgendwie auch ein bißerl in den Stil ein...

ABER ich habe mich gebessert!!! JAAA!!!! KAUM ZU GLAUBEN!!!!
Jetzt gebe ich meinen Figuren deutsche Namen. Zumindest mehr als sonst immer... ;)
Ich finde es übrigens blöd, wenn man zu viel Amerika in die Geschichte einfließen läßt. Fängt ja meistens beim Namen an.
Vielleicht finde ich auch deshalb die Hälfte meiner Geschichten total mißraten... Kann ja sein... :rolleyes:
Egal. Ich habe mich auf jeden Fall gebessert!!!!!!!!! Jetzt kommen meine Hauptpersonen aus... aus der Nachbarschaft in Kleinstädten wie... Berlin... Hamburg... :D

Griasle
stephy

die heute Schwimmen hatte und jetzt fix und fertig is weil zu oft Wasser geschluckt hat

 

"Jedenfalls könnte ich nie über meine "echte" Umgebung schreiben."

Das habe ich jetzt schon oft gehört, ein Freund von mir sagt von sich dasselbe. Mir geht es genau umgekehrt, ich kann nur über meine "echte" Umgebung schreiben, über Dinge, die ich kenne oder mir vorstellen kann (Utopie); wenn ich eine Geschichte in Amerika spielen lassen wollte, dann wüßte ich nicht, welcher Sprache ich mich bedienen müßte, ich kenne die Lebenswelten dort ja nicht wirklich. Oder eben nur aus verschiedenen Medien, aus Büchern, Fernsehen, Filmen - nicht direkt.

Aber back to business, warum ausgerechnet Amerika? Warum gehen deutsche Autoren davon aus, dass das amerikanische Stereotyp einen besonders guten Hintergrund für eine Geschichte ausmachen kann?
Hat da niemand eine "Theorie"? ;)
Was verbindet Ihr denn mit englischen Namen? Welche Assoziationen?

 

Na, ich stimme im wesentlichen Batch zu.

Außerdem gefällt es mir persönlich einfach besser, beispielsweise "Special Agent Cole Parker" zu schreiben, anstatt "Hauptwachtmeister Kurt Laub".

Letztendlich ist es doch jedem selbst überlassen, was für eine "Location" oder welche Nationalitäten man bei seinen Figuren verwendet...

Sodele!

Poncher

 

Hey Ponch! Letztendlich ist es doch egal, ob eine Geschichte in Amerika spielt oder in Afrika - entweder sie ist gut oder sie scheiße.

Übrigens: Hast du BeautifulExperiences neuesten Erguss (ehehe!) schon gelesen? Unter Romantik. Ich werde nicht schlau daraus...

 

"Letztendlich ist es doch jedem selbst überlassen, was für eine "Location" oder welche Nationalitäten man bei seinen Figuren verwendet..."

Das hat ja auch niemand bestritten. Ich möchte ja nur wissen, warum Du glaubst, dass ein amerikanischer Schauplatz authentischer wirkt, als ein deutscher. Ist nur Interesse, kein Vorwurf. :)

Ich mache da zur Zeit was mit Kultursemiotik, deshalb frag ich.

 

@Armelle:

ich kann nur über meine "echte" Umgebung schreiben, über Dinge, die ich kenne oder mir vorstellen kann (Utopie);
Gibt es etwa auch Menschen, die Dinge schreiben ohne sich diese überhaupt vorstellen zu können?
:eek:

Kultursemiotik? Also analysierst du Schriftkulturen und den Zusammenhang zwischen Schrift und Sprache. Das ist wohl wie im sozialen Bereich. Man assimiliert das, womit man am häufigsten Umgang hat. Ob nun sprachlich oder nichtsprachlich... denk ich doch.

__________________

Erst wenn zwei die gleiche Sprache sprechen gibt es Missverständnisse.

 

"Gibt es etwa auch Menschen, die Dinge schreiben ohne sich diese überhaupt vorstellen zu können?"

Stimmt, ich habs dämlich formuliert. Ich meinte damit, dass eine Geschichte, die ich in Amerika spielen lasse, höchstens in meiner Vorstellung von Amerika spielen würde; meine Vorstellung von Amerika hat aber nichts mit der Wirklichkeit zu tun, sondern ist durch verschiedene Medien, Klischees usw. geprägt.

"Kultursemiotik? Also analysierst du Schriftkulturen und den Zusammenhang zwischen Schrift und Sprache."

Nein, Semiotik heißt "Lehre von den Zeichen". Es geht also um kulturelle Zeichensysteme. Wenn ein deutsches Kind seinem Lehrer in die Augen sieht, gilt es als aufmerksam. Wenn ein afrikanisches Kind seinem Lehrer in die Augen sieht, gilt es als anmaßend und unverschämt, die Autorität des Lehrers angreifend. Das Zeichen "in die Augen sehen" hat kulturell unterschiedliche Bedeutung.
Die Lehre von den sprachlichen Zeichen ist übrigens die Linguistik; das studiere ich. :)

"Das ist wohl wie im sozialen Bereich. Man assimiliert das, womit man am häufigsten Umgang hat. Ob nun sprachlich oder nichtsprachlich... denk ich doch."

Sprache und Lebenswelt sind eins. Das ist ja das interessante: warum also Amerika? Batchs Ansatz (wir sind am. Namen von Hollywood usw. her gewöhnt) klingt jedenfalls gut.

 

@Rainer: Ja, hab ich! Aber warum soll ich da noch großartig drauf antworten... längere Texte verstehe ich ja nicht, weder Inhalte noch Zusammenhänge, wie mir gesagt wurde, tja.

@Armelle: Ne, war schon klar, kein Vorwurf!

Das hat ja auch niemand bestritten. Ich möchte ja nur wissen, warum Du glaubst, dass ein amerikanischer Schauplatz authentischer wirkt, als ein deutscher.

Wenn ich wirklich eine "deutsche" oder "finnische" Geschichte schreiben will, dann nehme ich auch entsprechend Rücksicht auf Gewohnheiten, Orte, Klischee´s usw.

Ich weiß auch nicht warum, kann dir da keine Erklärung geben, aber irgendwie hab ich immer englische Namen im Kopp, deutsche, spanische oder usbekische Namen spielen eine eher untergeordnete Rolle...

Wie gesagt, Batch hat es wohl ganz treffend formuliert!

Sodele!

Ponch(ero) :cool:

 

Tja, Ponch - da bist du nicht der einzige!
Ich will ja nicht kleinlich sein, aber mal ist die Autorin der Mail eine Frau, mal ein Mann. Fällt das unter künstlerische Freiheit? :confused:

Leute, wir nehmen deshalb am. Namen und Umgebung, weil wir darauf trainiert wurden! Hat schon mal jemand einen Roman gelesen, wo Ralf Huber aus Unterdupfing/Bayern die Welt dank seiner phantastischen Erfindung gerettet hat?
Ne, es sind immer Jims und Johns und Craigs und so Zeugs.

Nur eines irritiert mich bei am. Filmen: Manchmal sind Männlein und Weiblein noch per Sie, obwohl sie übereinander herfallen.
Ganz extrem in "Alien 3": Ripley und der Doc bumsen, bis dahin sind sie per Sie. Kurz nach dem Fick sind sie per Du, klar. Später sind sie wieder per Sie... :D

 

@Rainer

Das war diese Amelie von der Lindenstraße auch immer... mit ihren ganzen Ehemännern war die per Sie... höhö :D

Aber weil die Sache mit "Alien" ja aus Amerika kommt und es dort sozusagen gar kein "Sie" gibt, könnte das ja auch irgendein Synchronfehler sein oder so??? :confused: Weißt ich aber nicht, da kenne ich mich nicht genug aus... :(

Mir gehen die vielen amerikanischen Namen im Moment mächtig auf den Sack - weshalb ich jetzt auch die Handlungen größtenteils nach Deutschland verschoben habe... :rolleyes:

Griasle!
stephy

 

Mir geht es genauso wie Armelle; ich kann auch nur über mich und meine Umgebung schreiben, nur über etwas, das ich kenne. Mir geht es auch einfach um Glaubwürdigkeit.
Mit den Namen halte ich es mal so, mal so. Da ich aber besonders oft den Ich-Erzähler wähle, spare ich mir wirkliche Überlegungen. Und sonst versuche ich den Hauptpersonen passende Namen zu geben, dabei aber auch verschiedene Kulturen abzudecken. Ich mische sozusagen; jedenfalls mache ich mir sehr viele Gedanken darüber, so wie Ben P.
Ach ja, Ben, ich habe mir auch überlegt, ob so ein Buch sinnvoll wäre. Bedient man sich verschiedener Sprachen, so ist es aber noch einfacher!

 

Fast alle Autoren beginnen mit einer Nabelschau. Das ist auch ok, doch nicht ewig.
Was den Schriftsteller vom Autoren unterscheidet, ist die Fähigkeit, Dinge zu schreiben, die über seinen Erfahrungshorizont hinaus gehen! ( <IMG SRC="smilies/znaika.gif" border="0">)
Ich kann jungen Autoren nur zu diesem Wagnis raten. Nur so entwickelt man sich weiter!

 

Das wahre Leben, Euer Leben, ist das, was interessiert.

Naja, man kann durchaus tiefsinnige Literatur verfassen, obwohl man sich an das Alltägliche hält. Aber wie lange?

Grass zum Beispiel tut das meist. Aber dennoch bettet er seine Aussagen in einen Kontext ein, der nicht unbedingt alltäglich ist, zum Beispiel als Fabel, oder er siedelt die Handlung in einer anderen Zeit/Gesellschaft/Epoche an. Warum tut er das? Weil auf Dauer nichts so langweilig ist wie das Alltägliche (im alltäglichen Gewand, wohlgemerkt). Natürlich spielen sich auch dort wahre Dramen ab, die erzählenswert sind, Dramen, anhand derer man seine Ansichten sehr gut verdeutlichen, Botschaften transparent transportieren kann, doch der Schriftsteller (vergesst das nie!!!) schreibt für Publikum. Publikum will nicht nur belehrt, sondern auch unterhalten werden. Publikum will lachen, weinen, mitfiebern, vor allem aber IN FREMDE WELTEN EINTAUCHEN. Nämlich in genau jene Welten, die über DESSEN Erfahrungshorizont hinausgehen. Fragt Euch erst mal alle, WAS Ihr lest, und WARUM Ihr es lest!

Dann ergibt sich auch eine Antwort auf die Frage, wie und warum Ihr schreiben solltet. Man kann nämlich auch aus den falschen Gründen schreiben. Das Resultat ist immer Mist.

 

Gehe konform. Mein Beitrag war allgemeiner Natur, bezog sich auf Vorredner und nicht auf das topic.

 

"Was den Schriftsteller vom Autoren unterscheidet, ist die Fähigkeit, Dinge zu schreiben, die über seinen Erfahrungshorizont hinaus gehen!"

Kannst Du das mal ein bißchen ausführen? Warum ist gerade das es, was den Schriftsteller vom Autoren unterscheidet? Vielleicht verstehe ich auch nicht, was Du mit "über seinen Erfahrungshorizont hinaus gehen" meinst.

 

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