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sonstige

Genre: sonstige

  1. Gottverlassen

    Es gab keine richtigen Engel. Zumindest war keiner von denen, die ich kannte, auch nur ansatzweise besser als irgendein beliebiger Mensch. Sie mochten vielleicht hellblonde, lockige Haare und prächtige Flügel haben, aber die Vollkommenheit hatten sie deswegen noch lange nicht gepachtet. Manche...
  2. Drachenflügel

    Das dunkle Himmelszelt breitet sich über unseren Köpfen aus. Einzelne Sternenbildnisse erhellen den restlichen Teil der dunklen Materie, unterstützt durch das eindringliche Licht des Mondes, der die grauen Wolkendecken zu schlucken scheint. Meine braunen, eng gebundenen Wanderschuhe versinken im...
  3. Der Nachtfahrer

    Nachts schien die Sonne nie. Während andere schliefen, lag Roberto wach und dachte nach. Er dachte ohne Ergebnis, dachte ohne Zusammenhang. Immer wieder besah er sein bisheriges Leben. Dreiunddreißig Jahre – irgendwann hatte er eine Ausfahrt verpasst, dessen war sich Roberto gewiss. Dann...
  4. Heiße Kartoffeln mit Butter und Salz

    Sie starrten aus dem Fenster. Zwei tief blaue Augen, vom Schleier der Zeit umnebelt und in eine seichte unansehnliche Farbe verwandelt. Aber dahinter war immer noch unendliches Blau erkennbar, wie wenn man an einem sonnigen Tag in einen klaren Bergsee hüpfen würde. Doch über die Jahre war dieses...
  5. Das Glas der Erinnerung

    Du kannst dich noch genau an den ersten Besuch des Professors erinnern. Er stand mit seinem weißen Schnurrbart, der grauen Tweedjacke und mit Keksen und Kaffee in seiner Hand vor der Tür deiner kleinen Studentenwohnung und bat um ein Gespräch. Etwas verwirrt bist du zur Seite getreten, während...
  6. Menschen wie bunte Leuchten

    Haben Sie jemals diese Art von Menschen kennen gelernt, die das eigene Leben verändern? Es bereichern! Wie durch einen Entertainer oder Moderator einer spektakulären Show ergeben sich permanent aufregende Situationen, Erlebnisse, Abenteuer. Diese Menschen sind wie eine Droge: du bekommst...
  7. Inventar

    Siehst du das ovale Bild, das da auf dem Tisch steht, an die Wand gelehnt, unfertig, mit Farbklecksen auf dem noch leeren Hintergrund? Das ist von mir. Da habe ich versucht, Maria zu malen - nicht weil ich gläubig wäre oder auf Kitsch stünde. Ich finde sie faszinierend, weil sie die Überfrau...
  8. Ein Stück Heimat

    Wie sollte sie damit leben? Noch nie hatte sie sich so mies gefühlt. Gerne hätte sie sich jemandem anvertraut. Doch den einzigen Menschen, mit dem sie darüber hätte reden können, ja müssen, hatten sie heute zu Grabe getragen. Ob sie ihr verziehen hätte? Alle waren zu Tränen gerührt, als der...
  9. Warum?

    Die Diagnose hatte er letzte Woche erhalten. Er hatte nur noch ein Jahr zu leben. Die Zeit wurde knapp, deshalb beschloss er es heute zu tun. Schon oft hatte er darüber nachgedacht sie anzurufen. An vielen Abenden hatte er in seinem Wohnzimmer gesessen, den Hörer in der Hand, die Nummer schon...
  10. Das Gedicht des Lebens

    Zu früher Morgenstunde erwachte ich in einem mir befremdlichem Zimmer. Ich sah mich um, doch erblickten meine Augen keine mir bekannten Ecken; Keines der Bilder an der Wand und auch nicht der Geruch des Kissens rief eine Erinnerung in mir hervor. So als hätte man meine Sinne in den Körper eines...
  11. Zug nach Wien

    Gerne sitze ich hier am Rande des Bahnhofsgebäudes. Gerade noch nah genug, um unter dem Schutzdach sicher vor Regen zu sein. Aber weit weg genug vom Eingang, um nicht ständig von Wartenden umlagert zu werden. Ich bin früh dran, mein Lieblingszug, der ICE 91 kommt erst in fünfzig Minuten...
  12. Der dunkle Wein des Madiran

    Dieser Wein ist rau und grob, beinahe brutal. Als Robert hier war, hat auch Lotta ihn probiert – und ausgespuckt. „Ich denke, du hast Weinverstand?“, hat sie gesagt, „Und dann trinkst du so was?“ Was konnte ich darauf antworten? Natürlich hatte sie recht. Sie ist verstimmt, weil der Wein...
  13. Bei Elena ist Tom geblieben

    Gleich wird mir jemand die Tür öffnen. Ich werde meine Schuhe ausziehen, ein paar Leuten „Hallo“ sagen und irgendwo in dieser Wohnung auf Tom treffen. Meinen Tom, von damals. Weiß er, dass ich Friedje neulich zufällig traf und er mich zu seiner Party eingeladen hat? „Tom wird übrigens auch da...
  14. Erwartungen

    Wie jeden Morgen saß Josef schlecht gelaunt in dem kleinen Strandcafé mit dem Palmblattdach. Seit sechs Wochen war er jetzt in Goa, und nichts war zu seiner Zufriedenheit gelaufen. Die Nachbarn zu laut, das Wasser zu dreckig, er hatte keine Ahnung, warum er nach all den Jahren wieder...
  15. Gekaufte Nähe - Eine kurze Geschichte von Sehnsucht

    Ich sehe Dir in die braunen Augen und kann meinen Blick nicht von Deinen langen, dichten Wimpern lösen. Du schaust nicht weg. Ich irritiere Dich gar nicht. Angst vor meiner eigenen Courage – bisher hatte ich wenig Mut, Initiative zu ergreifen. Wie kam ich bloß auf diese abgefahrene Idee, im...
  16. Fake

    Pummelig war sie schon als Kind. „Iss, sonst…“ Die angedrohte Konsequenz reichte immer, um auch den letzten Bissen zu schlucken. In der Schule hatte sie Glück. Es gab dickere, dümmere und kleinere Kinder, die sich als Mobbingopfer noch besser eigneten als sie selbst. Ihr erster Kuss erwies sich...
  17. Der erste Tanzabend (Ostdeutsche Provinz 1962)

    Endlich! Am letzten Samstag im Oktober des Jahres 1962 durfte ich zu meinem allerersten Tanzabend gehen. Traditionell wurden an unserem Gymnasium vier Schulfeste gefeiert, in jeder Jahreszeit eines. Daneben gab es noch eine Reihe von Klassenfesten, je nachdem wie gut sich eine Klasse verstand...
  18. Schwestern

    Es gab eine Zeit, da habe ich sie beneidet. Eine Zeit, zu der ich meine eigene Lebenslage nicht zu schätzen wusste. Ihre Familie hatte nie Geldprobleme – im Gegenteil! Sie wohnten im größten und luxuriösesten Haus im ganzen Bezirk. Vier Töchter und jede hatte ihr eigenes Zimmer, das mindestens...
  19. Das Mädchen und die eisigen Tränen

    Sie steht still. Atmet ruhig. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Noch drei Schritte bis zum Abgrund. Sie hat es sich gut überlegt. Hatte lang genug Zeit dafür. Hat lang genug den Anderen die Zeit gegeben. Die Möglichkeit, sie zu retten. Die Chance, ihr zu helfen. Doch die Anderen haben ihre...
  20. Sein letztes Gefecht

    Die Schüsse, die über mir einschlugen, waren viel zu nah, viel zu nah. Ich wäre jetzt gerne bei meiner Tochter gewesen und hätte ihr dabei zugesehen, wie sie langsam größer wurde. Nichts anderes, nichts anders. Nichts anderes. Ich war kein Held. Ich war nichts von dem, was hier nötig war. Weil...

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