Zwei Männerprobleme
Es ist schwer für mich geworden, ein Mann zu sein. Schwerer noch, als es schon immer war.
Und die Ursache dieser Meinung ist nicht die Emanzipation der Frau, damit kann ich mich gut abfinden(obwohl ich das Runterklappen der Klobrille doch ein wenig störend finde). Ich habe auch nichts gegen das moderne Bild des 'Ich-schäme-mich-nicht-meiner-Tränen'- Mannes, bin ich doch seit jeher ein sehr softer Typ gewesen, zuvorkommend, höflich, intelligent, Linksscheitel- und Hornbrillenträger. Aber trotz dieser günstigen Voraussetzungen für ein unbeschwertes Durchschnitts-Leben, gibt es zwei Dinge, die mir ein normales Dasein beinahe unmöglich machen. Ich spreche von Titten.
Ja, sie haben richtig gehört; Titten. Verzeihen sie mir dieses Wort, aber es beschreibt mein Problem perfekt, meine ich doch nicht zarte, liebliche Frauenbrüste, sondern deren größere, silikongestützte Ausfertigung. Titten eben.
Der Busen war früher einmal etwas Unschuldiges; von der Evolution wurde ihm nur die sinnvolle Aufgabe der Säugung unseres Nachwuchses zugedacht. Aber in den vergangenen Jahrzehnten hat er mit chirurgischer Hilfe andere Talente entwickelt. Brüste wurden zu Titten gemacht und sind seitdem ein eigener Wirtschaftszweig. Sie erschaffen Partyluder, verkaufen Konsumgüter, erhöhen Einschaltquoten und beleben die Kunststoffindustrie. Überall sind Titten, in Urlaub, auf Werbepostern und im Fernsehen. Pralle, große Dinger ziehen meine Blicke an und ich deren Besitzerinnen in Gedanken aus. Ob durch Bikinis verhüllt, von durchsichtigen Seidenblusen verschleiert oder in ihrer nackten Ursprünglichkeit dargestellt, an jeder Ecke lauern sie.
Ich will in Ruhe Formel-1 sehen, dann kommt ein kurzer Bericht aus der Boxenstraße; und!? Titten. Gut gefüllte Ausschnitte von Boxenludern lassen jedes Interview ungehindert von einem Ohr zum anderen durchwandern.
Ich will nach dem 'ERNSTL' Wörter raten; und?! Titten. Das eng anliegende Kleid der Buchstabenfee reduziert die sprachliche Kreativität aller männlichen Zuseher auf ein mit Sabbern verbundenes 'bab bab bab'.
Ich will einen Englischkurs besuchen, um etwas zu lernen, und!? Titten. Die hauchdünne Bluse der sexy Lehrerin entlockt mir nur ein 'Ausziehen! Ausziehen!'. Natürlich rufe ich es auch noch in Deutsch.
Man raubt mir jegliche Möglichkeit, ein unbeschwertes Leben zu führen, die Industrie verwandelt mich bewusst in einen triebgesteuerten Affen, zielsicher schaltet man mein höheres Denken aus. Ja, auch ich will mal in Ruhe grübeln, in Gedanken versinken, geistigen Genüssen frönen, Luftschlösser bauen. Aber man lässt mich nicht. Man zeigt mir Titten, dann eine Banane und schon bin ich geil auf die Banane; der aufrechte Gang lediglich gestützt durch den gefüllten Schwellkörper. Was ist das für ein Leben!? Ich kann nicht einmal den werbeplakatreichen Weg zur U-Bahn gehen, ohne eine Erektion zu bekommen.
Wissen sie, wie man sich mit einer Erektion in der U-Bahn fühlt!?
Aber um wieder auf das Eigentliche zurückzukommen, eine kleine Anmerkung: ich will hier Frauen keinesfalls auf ihre Brüste reduzieren, unbestritten, dass das Gesicht oder das Lächeln einer Frau viel schöner und erotischer sein können als ihre Silikonimplantate. Leider sind diese Dinge nur für sekundäre Marketingstrategien geeignet, Zahnpastas und Lippenstifte werden eventuell noch durch ein strahlendes Lächeln verkauft, aber sonst nichts. Oder haben sie schon einmal einen Mann sagen hören: 'Ich gehe jetzt Baywatch schauen', Pamela hat so schöne Augen!' Haben sie!? Wirklich!? Er ist sicher schwul.
Kann sein, dass Pamela -die nur stellvertretend für die große Gruppe der Busenwunder steht- wirklich schöne Augen hat, aber wie soll ich das jemals erfahren, mit den evolutionären Scheuklappen, die mir die Natur angelegt hat?! Ich weiß nicht mal genau, wie die gut gebaute Verkäuferin vom Supermarkt nebenan aussieht, bleibt mir doch bei jedem Einkauf nichts anderes, als mir über den Erregungszustand ihrer Brustwarzen klar zu werden.
Glauben sie, ich mache das gerne!? Ich hoffe nicht. Auch liegt es mir fern, hier um Mitleid zu betteln, was ich wirklich brauche, ist ihr Verständnis. Ich will doch nur ein normales Leben führen, ich will einfach im Frühling durch den Park gehen können, über die Schönheit unserer Welt sinnieren, ohne gleich an den Busen der Natur denken zu müssen. Ich will in der Lage sein, einen Atlas zu betrachten, ohne beim Erkennen des finnischen Meerbusens rollig zu werden. Aber ich bin ein Gefangener, gefangen in der Übermacht meines Triebes und ausgestattet mit einem Maß an Verstand, das gerade nicht ausreicht, um diesem Wahnsinn zu entkommen, aber genug ist, um die Nachteile zu begreifen und dementsprechend darunter zu leiden. Und das Bedrückende daran, ich bin keine Ausnahme, vielen Männern ergeht es gleich. Beim Anblick eines Werbeblockes beginnt selbst ein Säugling spätestens nach einer Minute zu schreien, weil er hungrig wird, bei einem normalen MTV-Videoclip geht es noch schneller.
Ich wurde offensichtlich von Mutter Natur benachteiligt; selbst wenn Brat Pitt in einem Interview zufällig mal ein Hemdkopf aufgehen sollte, würde keine Frau ein feuchtes Höschen kriegen. Aber wenn irgendeine unbekannte Titten-Tussi im Fernsehen auftaucht und nur andeutungsweise den Versuch unternimmt, sich wenig frei zu machen, ist es mir unmöglich, auch nur einen weiteren klaren Gedanken zu fassen. Genauer gesagt; die einzige geistige Leistung, derer ich beim Anblick eines 'Ja-ich-habe-mich-operieren-lassen'-Weibes noch fähig bin, ist die religiöse Erkenntnis, zu wissen, warum Gott mir zwei Hände gegeben hat.
Und die Gesellschaft fördert die Verkümmerung meines Intellektes weiter, Schönheits-OP's werden langsam aber sicher salonfähig und auch die Modetrends gehen nach wie vor zu tieferen Dekolletes und kürzeren Röcken. Extrapoliert man diese Entwicklung, muss sich die moderne Frau in zehn Jahren wohl nur noch einen Gürtel um die Taille binden, um ein sexy Outfit zu tragen. Ein schlichtes Nabelpiercing wird wahrscheinlich noch als etwas zu gewagt gelten. Wie es dann mit meiner Lebensqualität aussieht, können sie sich wohl denken. Und auch die bereits erwähnten Brustoperationen machen meine Lage nicht gerade rosiger, sie scheinen nach folgendem Motto abzulaufen: 'Sie kommen als eine Frau und gehen als zwei Sexbomben!'
So werde ich wohl weiter verblöden und kann nichts dagegen tun. Dabei wünsche ich mir doch nichts sehnlicher als ein so einfaches und beschauliches Leben zu führen wie mein kastrierter Kater.
Warten sie, ich habe da eine Idee...