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Diese Geschichte ist in in Zusammenarbeit mit mat entstanden!
Wurzelbehandlung mit Folgen
Johannes Schwitzer war von Natur aus darin begabt, sich und andere Menschen in Gefahr zu bringen. Gerade neulich hatte er einen Arzttermin bei einem Allergiespezialisten. Wie üblich bei Ärzten, musste er zuvor in einem Wartezimmer platznehmen.
Als er sich hinsetzte, geschah folgendes: Das linke hintere Stuhlbein konnte der abrupten Belastung nicht standhalten und gab nach, sprich es brach. Johannes war kein fettleibiger Typ, eher durchschnittlich gebaut. Trotzdem vermochte der billige Stuhl nicht, sein Gewicht zu tragen. Es gab nun ein Stuhlbein nach dem anderen nach und kippte zur Seite, und unter lautem Getöse sackte Johannes mit der nun sich in der Luft befindenden Sitzfläche nach unten und landete laut plumpsend am Boden.
Nachdem sich die Situation wieder einigermassen normalisiert hatte, wurde er vom Arzt gebeten, im Sprechzimmer Platz zu nehmen.
"Herr Schwitzer, wie kann ich ihnen helfen?", fragte der Arzt.
"Seit circa einer Woche habe ich starke Ausdünstungen und ich vermute, es hängt mit meiner Allergie zusammen", erwiderte Johannes.
Der Arzt entgegnete: "Das mit der Ausdünstung kenne ich gut. Unsere ganze Familie ist davon betroffen. An Familienfesten ist es kaum auszuhalten, haha!" Was niemand wusste: Der Arzt hatte afrikanische Wurzeln, von denen er nun zwei Stück aus seiner Schublade nahm. Er reichte sie Johannes: "Hier, diese Wurzeln sind äusserst selten und in der modernen Medizin weitestgehend unbekannt. Ich habe sie auf einer meiner Reisen selbst entdeckt. Sie enthalten natürliche Wirkstoffe, welche ihr Problem zum Verschwinden bringen werden. Kauen Sie dreimal täglich darauf. Melden Sie sich in zwei Wochen nochmals bei mir, dann sehen wir wie es Ihnen geht."
"Vielen Dank, Dr. Schmidt!", gluckste Johannes.
Während Johannes das Wartezimmer passierte, entglitt im leider etwas Luft aus dem Hintern. Selbst erschrocken ab diesem Vorgang, zuckte er zusammen. Dabei rutschten ihm seine geliebten Murmeln seitlich aus dem Rucksack, welchen er stets bei sich trug. So kam es, dass sich diese Murmeln über den ganzen Boden des Warteraums verteilten. Ausserdem stand das entwichene Gas im Raum! Ein Patient öffnete das Fenster und ein anderer rief verwirrt: «Um Himmels Willen, was machen Sie?" Am Boden kniend und schweissgebadet suchte Johannes am Boden seine Murmeln zusammen. Natürlich war diese horizontale Position ein weiterer Antrieb für seinen Darmtrakt, sodass er abermals weiter fürzeln musste.
Der bissige Geruch war zu viel für eine alte Dame, die bislang ruhig in der Ecke des Wartezimmers gesessen hatte. Unter leisem Stöhnen kippte sie bewusstlos nach vorne und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Nun sprang ein übergewichtiger Herr auf, um der Dame zu Hilfe zu eilen. Doch bevor er sie erreichen konnte, rutschte er auf einer Murmel aus und landete platschend auf dem Rücken. Auch er blieb bewusstlos liegen. Doch damit nicht genug: Die Murmel wurde durch die Rutschbewegung zum Geschoss und flog im Bruchteil einer Sekunde durch den Raum, genau in den offenen Mund einer weiteren Frau, die das Geschehen ungläubig beobachtet hatte. Auch sie kippte vom Höckerchen runter und platsche mit aufgerissenen Sehorganen frontal auf den Floor. Nun sass nur noch eine dünne Frau mit Sidecut im Wartesaal, die noch unbeschädigt die Situation mit Johannes überstanden hatte. Ihr war bewusst, dass sich hier etwas Merkwürdiges abspielte. Im Bruchteil einer Sekunde lief ihr der Film "Final Destination" mentavisuell durch den Kopf. Doch schon einige Sekunden später landete sie bewusstlos auf dem Boden des Wartezimmers, weil just in diesem Moment ihre Mens eingesetzt hatte.
Unterdessen hörte Dr. Schmidt in seinem Sprechzimmer das Gepolter und Geschrei und beschloss, nach dem Rechten zu sehen. Er betrat das Wartezimmer und sah, was sich dort abspielte. Alle Patienten lagen bewusstlos am Boden, bis auf Johannes, der den Arzt verdutzt anstarrte. "Oh mein Gott, was haben Sie getan?", stammelte Schmidt und griff sofort zum Telefon. Er wählte eine lange Nummer mit einer Schweizer Vorwahl und wartete, bis das Gegenüber den Anruf entgegennahm: "Ihr seid einfach das Hinterletzte! Könnt ihr nicht mal ein normales Drehbuch für eine Kurzgeschichte schreiben? Immer das gleiche: Ein paar doofe Namen, schludrige Grammatik, frauenfeindlich, und alles abstrus zusammengewürfelte Textfragmente! Und dann meint ihr noch, ihr seid voll die speziellen Schreiber oder sowas. Nein, seid ihr nicht! Macht mal einfach ein normales Ende, das einen Sinn ergibt!" Dr. Schmidt machte eine kurze Pause, während die anderen Schauspieler noch am Boden gebannt zu ihm blickten. Norther nutzte die Pause, um folgendes zu entgegnen: "Ich finde das nicht gut, diese Wendung. Das macht jetzt alles noch komplizierter. Wir dürfen unseren guten Ruf als Autoren nicht aufs Spiel setzen, also sehen wir zu, dass wir nun das Ende auflösen!"
Gesagt, getan: Die Handlung nahm wieder ihren Lauf, und Johannes sah zu Dr. Schmidt auf. Er sagte: "Es tut mir leid Herr Doktor, das hat alles mit meiner Allergie zu tun!"
"Ach was, ich habe kein' Bock mehr", sagte Schmidt. Dann nahm er Anlauf und rannte in Richtung Fensterfront. Mit einem Satz sprang er durch das geschlossene Fenster, das in tausend Splitter zerbarst. Schmidt stürzte aus dem dritten Stock direkt in den Kaktusgarten. Die einigermassen weiche Landung bezahlte er mit höllischen Schmerzen und schrie passenderweise "Aaaargh!"
Die Nachbarin, Frau Jankovic, hatte den Sturz beobachtet und rief sofort die Polizei, die direkt gegenüber stationiert war und daher bereits 15 Minuten später vor Ort war.
Inzwischen war es dunkel geworden. Mit einer Kopfbandage und in eine Wolldecke gehüllt hockte Schmidt im offenen Heckraum des Krankenwagens und liess die Beine zu Boden hängen. Im Hintergrund standen einige Polizeiwagen, die mit ihrem Blaulicht die umliegenden Gebäude erhellten. Ein Polizist sperrte den Kaktusgarten mit Absperrband ab, ein anderer befragte Frau Jankovic.
Vor Schmidt standen zwei FBI-Agenten, die ihn fragend ansahen.
"Sie sagen also, einer ihrer Patienten habe in ihrem Wartezimmer Murmeln verstreut und die anderen Patienten mit Giftgas terrorisiert... Und dann?"
"Korrekt. Und dann kann ich mich an nichts mehr erinnern", murmelte Schmidt und starrte ins Leere.
"Na gut, Herr Schmidt..."
"Doktor, wenn ich bitten darf!"
"Äh, natürlich... Doktor Schmidt, wir werden sie jetzt an einen Ort bringen, wo man sich gut um Sie kümmern wird..."
Wie sich herausstellte, war Schmidt schon vor Jahren die Arztlizenz entzogen worden. Die Wurzeln, die er auf seinen Afrikareisen tatsächlich entdeckt hatte, enthielten halluzinogene Substanzen, die den Konsumenten auf einen LSD-artigen Trip schickten. Schmidt selbst hatte seither praktisch täglich auf den Wurzeln gekaut und inzwischen komplett den Bezug zur Realität verloren. Ab und zu brach er in seine alte Praxis ein und hockte im leeren Sprechzimmer, wo er sich einbildete, noch immer Patienten zu behandeln. Die ganze Geschichte mit Johannes, das Chaos im Wartezimmer, das Telefonat mit irgendwelchen Autoren... Nichts davon war wirklich passiert - abgesehen von seinem Sprung aus dem Fenster.
Was niemand wusste: Schmidt war in der Nacht zuvor ins örtliche Trinkwasserwerk eingebrochen und hatte seinen gesamten Wurzelvorrat in die Wiederaufbereitungsanlage gekippt, um die gesamte Bevölkerung zu heilen, wie er dachte. Es konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen, welch unvorstellbares Chaos in den nächsten Stunden über die Stadt hereinbrechen würde...
Ende