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Wolfstage

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09.06.2017
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Wolfstage

Als das Schloss klickt, sehe ich Vanessa durch die Glasscheibe am Empfang gestikulieren. „Der Chef will dich sprechen."
„Hat er gesagt, worum es geht?", frage ich atemlos und winde mich aus meinem Poncho.
Sie schüttelt ihre blonde Mähne und wendet sich wieder dem Poststapel zu. Ich habe weiche Knie, meine Probezeit ist noch nicht um.
Ulf kommt um die Ecke und beugt sich zu Vanessa. „Hab gehört, die holen Wolf aus München zurück."
„Oh Mann", höre ich sie murmeln. „Als ob wir den Irren hier bräuchten."

Meine Hände zittern.
Zum Chef.
Ich biege kurz ab, beuge mich übers Waschbecken und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Vielleicht habe ich es in Ulfs Projekt übertrieben, meine Kompetenzen überschritten. In der Hektik der letzten Wochen habe ich einen Plan aufgestellt und koordiniere seitdem den Softwaretest. Sie lassen es zu - er und das gesamte Team. Ich glaube, dass es am besten funktioniert, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.

Ich klopfe an Carls Tür und trete ein. Er steht mit durchgedrücktem Rücken am Fenster, dreht sich um. So leise wie möglich schließe ich die Tür.
„Morgen."
„Den Leon bring ich um", donnert er los. „Hat sich beim Skifahren verletzt, der Idiot!"
Ich nehme den Stapel Computerzeitschriften vom Stuhl und setze mich.
„Du übernimmst bei Prisma II den Test."
„Gern", sage ich. „Die Testleitung macht ... wer nochmal?"
„Hab ich doch eben gesagt: Du! Das Konzept muss übrigens angepasst werden."
Ich hole tief Luft, Prisma II ist unser größtes Projekt.
„Wolf springt als Projektleiter ein. Um elf ist Telefonkonferenz. Ich mail euch die Sachen." Als Carl ein paar Schritte auf mich zuläuft, weht sein Altherren-Irisch-Moos-Geruch rüber. Mit Mühe widerstehe ich dem Impuls, Richtung Tür auszuweichen.
„Jetzt lächle mal. Damit siehst du schöner aus."
Ich versuche es, fühle eine Art Krampf im Gesicht.
„Na also. Bis elf."

Draußen erwartet mich Vanessa. „Und?"
"Ich brauch erst mal einen Kaffee", murmle ich und schiebe mich an ihr vorbei.
Sie läuft mir hinterher, ich stecke die Kapsel in den Automaten.
„Jetzt sag schon."
„Es ging um Prisma II. Ich soll testen."
„Ach so. Das." Vanessa sieht enttäuscht aus.
Ulf rührt in seinem Kaffeebecher. „Habt ihr das von Wolf gehört?"
„Was ist mit dem?", sagt Bernd. „Ich dachte, der wär jetzt fest in München."
„So wie es aussieht, kommt der zurück." Ulf nimmt einen Schluck. „Ich schätz mal, wegen Prisma II." Er fixiert mich mit zu Schlitzen verengten Augen.
„Wie ist der denn so, der Wolf?", frage ich wie beiläufig. „Ist der nett?"
Für einen Moment wird es still. Vanessa zerknüllt eine Serviette.
„Yoaah ...", sagt Bernd und geht.

Das Material, das Carl gemailt hat, liegt ausgedruckt neben mir, als ich mich einwähle.
„Hallo, hier ist Anouk", sage ich und bemühe mich, so professionell wie möglich zu klingen.
Zwischen Papiergeraschel brummt eine Stimme: „Carl, los, komm. Wähl dich ein."
Dann wird es still. Anscheinend hat er das Mikro stummgeschaltet.
Als ich den zweiten Zettel mit Blümchen bekritzelt habe, klickt es und ich höre Carls Stimme. „So, Leute. Los gehts.“
„Ich glaub, Bernd und Ulf sind noch nicht eingewählt“, werfe ich ein.
„Die können nicht“, sagt Carl. „Also, Wolf, nächsten Donnerstag kommst du zum Meeting. Anouk wird auch da sein. Sie leitet ab jetzt das Testteam."
„Testteam, meine Fresse. Ich brauche mehr Entwickler, das weißt du ganz genau. Und nicht diese Idioten, die ..."
„Ich will, dass du eng mit Anouk zusammenarbeitest. Ist das klar?“
„Auf Deutsch: Die hat erst angefangen und ich muss ihr alles erklären.“
„Sie hat Potential“, sagt Carl. „Ich schick die Einladung rum. Bis dann."
Zweimal macht es Klick.
„Sie sind der einzige Teilnehmer im Konferenzraum“, sagt die Computerstimme.

Kurz vor zehn - Vanessa ist gerade dabei, Milch und Zucker neben dem Kaffeeautomaten zu arrangieren - betrete ich den Meetingraum. Ich wähle einen Platz mit dem Rücken zum Fenster. Aus dem Flur dringen Männerstimmen, kurz darauf kommen sie zu viert in den Raum. Bernd, der Charmeur mit dem kratzigen Dreitagebart, umarmt mich wie immer. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
Ulf zwinkert mir zu und lässt sich auf den Platz gegenüber fallen. „Moin."
„Anouk, das ist Wolf", sagt Carl und gestikuliert zu einem Mann in Jeans und dunklem Rollkragenpullover, der im Türrahmen steht.
Sein Haar ist militärisch kurz geschnitten, der dünne Vollbart kann die Aknenarben nicht kaschieren. Er hebt die Augenbrauen und lässt seinen Blick unruhig durch den Raum wandern. Etwas stimmt nicht mit ihm, denke ich. Ungelenk umrundet er den Tisch und setzt sich neben mich. Zu dicht.
Carl stellt Leons Projekt vor, ab und zu unterbrochen durch unsere Fragen. Ich versuche, die wichtigen Informationen mitzuschreiben. Alles ist im Verzug, auch die Hardware aus China.
„Kina“, sagt Wolf und verzieht dabei den Mund.
Die Besprechung verläuft konstruktiv. Was er sagt, hat für mich Hand und Fuß, anscheinend hat er schon Projekte dieser Größenordnung geleitet. Das beruhigt mich.

Die Tür öffnet sich einen Spalt und Vanessa winkt Ulf und Bernd zu sich heraus. Als Carl auf den Balkon geht, um eine zu rauchen, wirbelt eine Windböe Staub durch den Raum. Mein Auge sticht, ich kann nicht aufhören, zu blinzeln. Während ich halbblind in meiner Handtasche wühle, streicht etwas meinen Oberschenkel entlang. Falls die Tränen den Fremdkörper nicht wegspülen, muss ich die Kontaktlinsen rausnehmen. Mit zittrigen Händen öffne ich die Dose und das Fläschchen mit der Desinfektionslösung. Wolfs schlanke Finger ruhen auf meinem Bein. Als ich seinen Atem auf mir spüre, steigt Wärme in mir auf. Mein Auge brennt wie die Hölle.
„Nimm die Hand da weg!", sage ich leise, während ich an Wolf vorbei Richtung Balkon blinzele.
Tränen strömen über meine Wange. Carl hat uns den Rücken zugewandt, schaut runter zum Park und bläst Rauchringe in die Luft.
„Ich zeig dich an.“
„Das wirst du nicht tun“, entgegnet Wolf ruhig.
Meine Ohren rauschen, während ich nach Worten suche und keine finde. Sein Blick brennt tief.
Als Ulf und Bernd zurückkommen, rückt Wolf von mir ab und nimmt einen Schluck Kaffee. Carl schließt die Balkontür und stellt das nächste Programmpaket vor. Alles in mir kribbelt, ich höre nur noch mit halbem Ohr zu.

In der Nacht liege ich mit trockenem Mund im Bett und lausche dem Ehestreit meiner Nachbarn. Ich erfahre, dass er überall in der Wohnung seine Kleidung rumliegen lässt und dass sie ein Flittchen ist. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und fahre mein Notebook hoch. Während der Minztee zieht, durchforste ich Stellenanzeigen und formuliere erste Anschreiben. Der abgewetzte Teddy auf meinem Bett schaut stumm vor sich hin. Vielleicht melde ich mich morgen krank, rede ich mir zu, während ich auf das Waschbecken starre und mich frage, worauf ich eigentlich warte. Weder kann ich seine Berührung abspülen noch erbrechen. Ich lege eine alte Sting-CD auf, stürze den kalten Tee hinunter und verschicke fünf Bewerbungen - mehr kann ich nicht tun.

Laut Office-Kalender ist Wolf heute in München, stelle ich erleichtert fest, und in nächster Zeit mehrmals pro Woche. Wenn er hier im Haus ist, geistert er meistens bei den Entwicklungsteams im Stockwerk unter uns rum. Gestern um 21:49 Uhr hat er mir mein Testkonzept zurückgemailt. Er hat es umgeschrieben und mit detaillierten Erklärungen am Rand versehen.
In der Mittagspause surfe ich auf dem Smartphone, beginne eine E-Mail an Henning vom Betriebsrat und lösche sie wieder.

Je mehr ich mich in Prisma II vertiefe, desto weniger traue ich meiner Erinnerung. Ich werde die Sache auf sich beruhen lassen und nicht mehr daran denken. Womöglich habe ich überreagiert. Hoffentlich vergisst er es auch.

„Berufsanfänger ... packt die nicht“, höre ich, als ich um die Ecke biege. Das Grüppchen am Kaffeeautomaten verstummt und sieht mich an. Ich öffne den Kühlschrank, um die Milchpackung zu holen. Bernd kommt gutgelaunt mit großen Schritten angefegt, angelt eine Flasche aus dem Wasserkasten und flüstert Jamil etwas ins Ohr. Der verzieht keine Miene. Manchmal frage ich mich, was in diesem dunkelhäutigen, feingliedrigen Mann vorgeht, der auf mich wie ein halbes Kind wirkt.
„Na, Anouk, alles klar? Wie läufts?“, sagt Ulf.
„Bis jetzt gut“, murmle ich und stelle mich neben Vanessa, die für mich ein Stück zur Seite rückt. Zumindest hoffe ich das, eine Rückmeldung habe ich nicht. Wolf ist ständig unterwegs, wir kommunizieren nur per E-Mail und Telefon.

Korsika. Obwohl es kühl ist, liegen wir am Kieselstrand. Wir kuscheln eng aneinander, seine Hände sind überall auf mir. Er bedeckt mich mit Küssen, ich spüre seinen kratzigen Bart, bade in seinem intensiven Blick. Ich sehe, wie seine Lippen sich bewegen, aber es kommt kein Ton - seltsam. Mit einer linkischen Handbewegung streicht er mir eine Strähne aus der Stirn. Darüber legt sich der Klang von Mülltonnen, die gerade entleert werden. Heute ist Mittwoch. Als ich aus dem Bett springe, sacken mir beinahe die Knie weg. Mein Puls rast und eine Welle von Übelkeit überrollt mich. Ich muss duschen.

„Schön, dass du da bist“, empfängt mich Vanessa auf dem Sommerfest und drückt mir ein Glas Sekt in die Hand. Ich sehe mich auf der Dachterrasse um. Ein paar aus meinem Team sind auch da, Gott sei Dank. Ganz hinten sehe ich Bernd, der zum Gruß die Bierflasche hebt. Wie immer steht er dicht neben Jamil, unserem jüngsten Entwickler. Ich habe vergessen, wo der herkommt, aus Aserbaidschan, glaube ich. Bernd zauselt ihm durchs Haar.
„Anouk, Schätzchen!“, reißt mich Carl aus meinen Gedanken. „Jetzt erzähl mal. Wie läuft Prisma II?“
Achtung, Fangfrage.
Ich nippe am Sekt und streiche eine imaginäre Fluse von meiner Jeans. „Was willst du wissen?“
„Ob ihr die Timelines haltet.“
„Also, das fragst du besser Wolf“, sage ich schnell.
„Okay. Dann formulier ich es anders: Was ihr zum Testen bekommt, taugt das was?“
Zögernd nehme ich einen Schluck. Wolf macht das Beste aus dem unterbesetzten Projekt und nimmt sich im größten Stress die Zeit, mir alles zu erklären: Wie er plant und wie er Prioritäten setzt. Die Fehlerraten im Test sind hoch, aber ich will ihn nicht reinreiten.
Wenn man vom Teufel spricht.
„Hi!“ Wolf erscheint im Türrahmen. „Gibts auch Hefeweizen?“
Er sieht müde aus, hat Ringe unter den Augen. Vanessa reicht ihm ein Erdinger und er stellt sich dicht neben mich. Ich trete zwei Schritte zur Seite.
„Ist was?“, sagt er und blickt in die Runde.
Bernd kommt angeschlendert, er ist schon angeschickert und legt den Arm um meine Schulter. „Und, wie gefällts dir bei uns, Anouk?“
Ich winde mich aus seinem Griff und stelle mein Glas etwas fester als beabsichtigt auf dem Tisch ab.
„Du bist Jungfrau, oder?“, sagt Bernd zu mir.
Wolf verschluckt sich und beginnt, zu husten.
„Das Sternzeichen, mein ich“, sagt Bernd. „Jungfrauen sind die perfekten Softwaretester, wusstest du das?“
„Sorry, aber ich glaub nicht an Horoskope“, murmle ich und rücke näher an Wolf heran.
Carl erzählt von dem neuen Projekt namens Lava, das er an Land gezogen hat. Aus dem Augenwinkel beobachte ich Wolf, der am Etikett seiner Bierflasche pult und etwas vor sich hinmurmelt, das wie „Streichkonzert“ klingt.
Ich zwänge mich an ihm vorbei und laufe zur Treppe. In der Toilette grimassiert Bea vorm Spiegel und zieht Make-up nach. Ich verschließe meine Kabine und checke E-Mails. Bisher haben zwei Firmen den Eingang meiner Bewerbung bestätigt. Ich setze mich auf den WC-Deckel, surfe im Internet. Meine Probezeit ging gestern zu Ende. Vielleicht sollte ich mich in anderen Branchen umsehen? Oder umschulen auf ... was weiß ich ... Töpferin? Schäferin auf Korsika?
Die Tür geht.
„Warst du schon bei Henning?“, höre ich Beas Stimme.
Jemand schnäuzt die Nase.
„Wieso nicht?“, fragt Bea.
Ich schließe die Augen, wünschte, ich wäre ganz weit weg.
„Da ist jemand“, flüstert eine Stimme.
Als ich die Kabine verlasse, läuft Bea auf den Flur.

Die Tür zu Carls Zimmer ist geschlossen, als ich auf dem Weg zum Kaffeeautomaten bin. Zum ersten Mal höre ich Wolfs Stimme in Maximallautstärke.
„Ist mir scheißegal, deine Lavascheiße, ehrlich gesagt.“
Was Carl antwortet, kann ich nicht verstehen. Die Tür wird aufgerissen und plötzlich steht Wolf mit finsterer Miene vor mir.
„Anouk, kommst du mal bitte zu mir“, ruft Carl.
Ich betrete sein Zimmer und schließe die Tür.
„Hast du Lust, den Test bei Lava zu übernehmen?“, fragt er und lümmelt sich auf seinem Ledersessel mit der hohen Lehne nach hinten.
„Geht das denn? Eigentlich bin ich mit Prisma II voll ausgelastet.“
„Dafür würden wir eine Lösung finden“, sagt Carl mit einem Sphinxlächeln. „Ich mail dir die Infos über Lava und du schaust es dir an.“
Er beugt sich über seine Tastatur und ich verlasse den Raum. In meinem Kopf dreht sich ein Karussell. Prisma II ist auf einem guten Weg. Ich gebe alles für Wolfs Projekt. Er gibt alles.
Irgendwann einmal werde ich Schafe hüten auf Korsika. Aber bis dahin teste ich Software. Witzig eigentlich, das ist wie ein Lauf gegen die Uhr, wenn die Überstunden wie im Flug vergehen, bis die verdammte Software endlich funktioniert.
Bin ich nun aus Prisma II abgezogen oder nicht?

In der Ecke mit der Riesenpalme, hinter der Säule vorm Abstellraum hat er auf mich gewartet. Wolf stützt sich mit der Hand an der Wand ab, dass ich eingekesselt bin. Während er sich über mich beugt, rieche ich seinen Zwiebelminzeatem, sehe direkt in seine funkelnden Augen.
„Was hast du Carl erzählt?“, fragt er heiser.
„Lass mich vorbei.“
Ich wünschte, meine Stimme klänge anders. Nicht so piepsig.
„Erst beantwortest du meine Frage.“
Wolfs Blick ist nicht zu ertragen, ich will zu Boden sinken. Oder zur Seite schauen. Er nimmt seine Finger und hebt mein Kinn, zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen. In meinem Kopf dröhnt es, als schlügen unentwegt Stahlplatten aufeinander. Ich gebe einen Angstlaut von mir und verachte mich selbst dafür. Es war falsch, sich nicht an Henning zu wenden. So falsch.
„Du miese, kleine ...“, fängt Wolf an. Abrupt dreht er sich um und lässt mich stehen.

Ich sitze mit Kaja im Straßencafé und löffele die Crema von meinem Cappuccino. Es war ein Fehler, meiner Schwester davon zu erzählen.
„Du kannst ihn immer noch anzeigen“, sagt sie mit Bestimmtheit. „Das solltest du sogar tun.“
„Morgen hab ich ein Vorstellungsgespräch bei der IT-Leiterin einer Umweltorganisation, vielleicht wird das was.“
Dass es unterirdisch bezahlt ist und auf ein halbes Jahr befristet, unterschlage ich.
„Der Täter muss weg, nicht du.“ Sie beugt sich nach vorne. „Wegen Frauen wie dir machen diese Typen immer weiter. Du musst jetzt handeln.“
„Jetzt lass doch mal die Kirche im Dorf, er hat mich ja nicht ..., nicht vergewaltigt.“
Kaja schnappt nach Luft. „Was du mir erzählst, reicht locker für eine Anzeige. Schon ein anzüglicher Witz würde genügen.“
„Weißt du ... das war irgendwie komisch, ich hatte was im Auge und war abgelenkt.“
„Siehst du!“, sagt sie. „Der hat das ausgenutzt. Statistisch gesehen trifft es meist die Schwächsten: Leute in der Probezeit, Ausländer und Behinderte.“
„Das verstehst du nicht“, sage ich. „Etwas Besseres als Prisma II konnte mir karrieremäßig nicht passieren.“
Kaja winkt den Kellner herbei und wir bezahlen. Schweigend machen wir uns auf den Heimweg.

Wolf ist nicht an seinem Platz, Jamil auch nicht. Ich habe Fragen wegen dem neuen Release und gehe vor zum Empfang.
Vanessa zieht mich zur Seite und blickt umher, bevor sie in mein Ohr flüstert: „Wolf ist bei Carl drin. Die haben sich wieder angebrüllt.“
„Warum das denn?“
Sie zuckt die Schultern.
„Weißt du, wo Jamil ist?“, will ich wissen.
„Der kommt nicht mehr. Hat gekündigt.“ Vanessa mustert mich eingehend. „Steht dir übrigens gut, die neue Brille.“
„Danke“, murmle ich und verfluche im Geiste die Entzündung, die mich dazu zwingt, mit den Kontaktlinsen auszusetzen. Ich fühle mich unwohl mit dem schweren Ding auf der Nase und ständig kommentiert jemand mein Aussehen.
Meine Gedanken wandern zu Jamil. Er ist ein stiller Typ, arbeitet genau. Wolf hat ihn fair behandelt, soweit ich das mitbekommen habe, hat sein Talent gefördert und ihm nach und nach mehr Verantwortung übertragen. Weißt du, warum er gekündigt hat, liegt mir auf der Zunge zu fragen, und dann sehe ich wieder Bernd vor mir, wie er Jamil auf dem Sommerfest belagert hat.

Carl hat mir eine Nachricht geschickt, ich soll in sein Büro kommen. Als ich eintrete, fläzen sie sich auf ihren Stühlen, trifft mich Wolfs Blick mit voller Wucht.
„Anouk, Schätzchen. Setz dich“, sagt Carl und zeigt auf den Platz neben sich.
Ich ziehe den Stuhl vom Tisch weg, um den Abstand zu den beiden zu vergrößern, und lasse mich nieder. Hoffentlich kommt jetzt kein Spruch wegen meiner Brille.
„Hast du dir die Unterlagen für Lava angeschaut?“, fängt Carl an.
Ich nicke.
„Und? Wär das was für dich?“
„Klingt interessant, aber ich bin mit Prisma II ausgelastet. Beides gleichzeitig schaffe ich nicht.“
Carl runzelt die Stirn. „Ist dir Prisma II so wichtig? Möchtest du das gerne weitermachen?“
„Ja klar. Ich will das Projekt auf jeden Fall zu Ende bringen.“
Wolf richtet sich in seinem Stuhl auf. Sehe ich da den Anflug eines Lächelns?
Carl seufzt. „Also gut. Ihr habt mich überzeugt.“ Er steht auf und gestikuliert zu Wolf. „Der hier hätte alles hingeworfen, wenn ich dich zu Lava abgezogen hätte. Ab mit euch zweien.“
Wolf und ich erheben uns gleichzeitig. An der Tür lässt er mir mit einer knappen Handbewegung den Vortritt.
Als ich eine Kapsel in den Kaffeeautomaten stecke, holt er die Milch aus dem Kühlschrank und reicht sie mir. „Kommst du dann bitte mit in mein Büro.“

Ich stehe am Fenster und schlürfe meinen Kaffee. Wolf schließt die Tür, setzt sich mit verschränkten Armen hin und betrachtet mich eine Weile.
„Ich hab Carl gesagt, dass ich mit deiner Arbeit sehr zufrieden bin, Anouk. Dass du Prisma II voranbringst, dass wir dich brauchen. Und deshalb bin ich froh, dass du bleibst. Also, danke.“
„Ist das alles?“
Er kaut auf der Unterlippe. Ich trinke den letzten Schluck und knalle meine Kaffeetasse auf die Fensterbank, dass er zusammenfährt.
„Wegen dir hab ich meine Freizeit damit zugebracht, mich auf mies bezahlte Langweilerjobs zu bewerben.“ Ich mache ein paar Schritte auf ihn zu. „Wegen dir habe ich mir von meiner Schwester diese Scheiße anhören müssen, dass ich unsolidarisch handele, wenn ich dich nicht anzeige!“
Auf dem Weg zur Tür fällt mein Blick auf ein Foto auf seinem Schreibtisch, das ein Paar mit zwei Mädchen im Grundschulalter zeigt. Ohne Bart hätte ich ihn fast nicht erkannt.
„Deine Töchter, hm?“, schnappe ich. „Wie alt sind die jetzt?“
Ohne die Antwort abzuwarten, gehe ich raus in den Flur und schließe die Tür mit Nachdruck.

Am späten Abend verlasse ich das Büro. Als ich meine brennenden Augen reibe, schlüpft Wolf im letzten Moment zu mir in den Aufzug zur Tiefgarage. Falls er jetzt meine Brille kommentiert, erwürge ich ihn. Umständlich holt er seinen Schlüssel aus der Jackentasche und ein paar Mal habe ich das Gefühl, er setze an, etwas zu sagen, oder vielleicht bilde ich es mir nur ein.

 

Hallo Anne49,

Glücklicherweise bin ich in meinem Job durch eher flache Hierarchien niemals einer solchen Situation ausgeliefert gewesen ... Dein Text bringt mich aber zu zwei Erkenntnissen: Sexuelle Aggressionen entstehen in einem Macht/Abhängigkeitsverhältnis und es reicht, wenn der Täter die Bedrohung andeutet und im Kopf des Opfers weiterwachsen lässt.

Deine Prot deckt den Täter zunächst nicht nur, sie lässt ihn zunächst auch groß werden - in ihrem eigenen Bewusstsein und beginnt auszuweichen umd sich unterzuordnen, obwohl ein massiver (und damit auch klar nachweisbarer) Angriff (noch) nicht stattgefunden hat. Besser kann Kontrolle nicht funktionieren! Toll umgesetzt von dir in dem Bild vom Entwickler und der Kontrolleurin, das ja umgekehrt dazu steht.

Gut gefallen hat mir auch, dass du zwei "Ausgänge" anbietest: Jamil kündigt und Anouk setzt sich zur Wehr. Eine richtig gute Geschichte!

Viele Grüße

Willi

 

Ihr Lieben, vielen Dank für Eure Kommentare! :)

Huhu Raindog,

und man kann sich sehr gut in Anouk und ihre Ambivalenz einfühlen, auch wenn sich der eine oder andere vielleicht doch noch mehr Gegenwind von ihr wünschen würde.

Freut mich, dass du das so siehst! Das mit dem Sicheinfühlenkönnen.

An Gegenwind wäre so vieles denkbar. Anouk könnte sich auch in übertriebener Form wehren. Damit zur Zeitung gehen. Das volle Programm. Das wäre dann eine andere Geschichte.
Egal, für welchen Weg sie sich auch entscheidet, es erfordert Courage. Ich finde es ganz gut, wenn man zunächst versucht, das ohne Hilfe von außen zu lösen (natürlich nicht bei einer Vergewaltigung, nur bei kleineren Übergriffen).

Aber das Ende lässt du ja auch offen, vielleicht kommt ja noch mehr, irgendwann. Und dass Wolf paarmal ansetzt, etwas zu sagen, ist ja auch ein Hinweis, dass er’s kapiert haben könnte. Sicher sagt er noch etwas, wenn wir nicht mehr hinlesen.

Exacto! In meiner ganz privaten Phantasievariante wäre das so.
Aber es sind auch andere Lesarten denkbar. Und das find ich witzig, dass der Schluss so unterschiedlich gedeutet wird.

Velen Dank fürs Vorbeischauen und den wohlwollenden Kommentar!

Beste Grüße
Anne

***​

Hallo Vulkangestein, äh, ich mein natürlich: Gude!

jetzt muss ich doch mal direkt fragen, bist du auch aus dem Raum Frankfurt bzw. aus Hessen? (Wahrscheinlich sagt man „Gude“ in halb Deutschland und jetzt lachen alle ...:D)

eine heftige Kurzgeschichte, das muss ich gleich zu Anfang loswerden. Das beklemmende Gefühl hat mich noch immer nicht ganz losgelassen.

Freut mich! Wenn wir schon bei Wölfen, oder Raubtieren ganz allgemein sind: Haifischbecken wird so was auch gerne genannt.

Das Problem ist nicht nur singulär, sondern schlägt ihr auf vielen Ebenen entgegen.

Stimmt. Ist schon ein übles Haifischbecken, in das ich meine Anouk schubse.

Und dann ist sie (vielleicht) auch nicht die einzige, die Opfer von Sexismus wird, wie man bei Jamil vermuten kann - aber nicht weiß, weil er schweigt.

Ja, ich wollte noch so eine kleine Nebenhandlung einbauen. Jamil erlebt, zumindest wird es angedeutet, sexuelle Belästigung und aufdringliche körperliche Nähe durch Bernd. Dass Jamil aus einem anderen Kulturkreis kommt, wird es für ihn nicht einfacher machen.

Aber besonders gekriegt hast du mich mit der emotionalen Schockstarre, in die Anouk gerät. Sie weiß nicht vor, sie weiß nicht zurück, sie weiß nicht, ob Wolf das Problem ist oder sie - selbst ihre intimste Gefühlswelt gerät durcheinander und alles ist verkehrt. Du hast das glaubhaft beschrieben und somit auch gut dargelegt, warum Anouk nicht tut, was man rational erwarten würde.

Freut mich, dass du das so wahrnimmst! Ich nehme an, mit dem Durcheinandergeraten ihrer Gefühlswelt meinst du ihren Traum. Ja, den empfinde ich selbst als verwirrend und gewagt. Ich stell mir vor, der Wolf macht einfach einen verdammt guten Job als Projektleiter und das macht ihn so unglaublich sexy, obwohl er gleichzeitig ein Riesenar...:sealed: ist.

Ob das so glasklar ist, was man rational von Anouk erwarten würde? Mir ist es ehrlich gesagt nicht ganz klar. Als erstes hatte ich übrigens eine Frau vom Betriebsrat vorgesehen. (Hab schon wieder vergessen, welchen Namen sie hatte.) Na ja, auf jeden Fall wurde es dann Henning. Nur um die Schwelle ein bisschen zu erhöhen. Ob es so super-ober-easy ist, zu so einem Betriebsratstypen zu gehen und ihm zu erzählen, mein Projektleiter hat seine Hand auf mein Knie gelegt?!

Wo ich an deiner Geschichte etwas gestutzt habe, war die Einführung zu Wolf. Er wird am Anfang bereits als "Irrer" eingeführt.

Hm, ja, „Irrer“ - das ist so ein Lieblingswort von mir. Hach, ich liebe dieses Wort! (Was sagt das über mich? Ach, besser nicht nachdenken!) War auf jeden Fall gut, dass du mich drauf hingewiesen hast. Denn ich hab das die Vanessa und später den Carl sagen lassen. Das ist irgendwie unwahrscheinlich, dass beide dieses Wort verwenden. Also hab ich es bei Carl gekillt.

da du Anouk als emotionalen, nicht rationalen Menschen aufgebaut hast

Interessant. Das ist mir selbst nicht bewusst, dass man Anouk als emotional empfinden würde. Softwaretester sind rationale Menschen, hätte ich jetzt gedacht.

Doch damit kommen wir leider zum "zweiten" bzw. letzten Ende. Und da hab ich schwer geschluckt. Gerade dieser kleine, einzige (Etappen-)Sieg - und dann diese Vorausdeutung. Mit dem Aufgreifen des bekannten Bildes der flackernden Neonröhre lässt du mir als Leser nicht den Hauch einer Hoffnung.

Für mich ist das nur ein intensives Bild der Tristesse - nicht mehr und nicht weniger.

Ich muss dazu sagen, dass ich normalerweise keine paranormalen Geschichten oder auch nur Horror lese, geschweige denn schreibe. Überhaupt nicht. Insofern ist die flackernde Neonröhre für mich kein so „bekanntes Bild“.

Na ja, vielleicht habe ich beim Ende ein bisschen dick aufgetragen. Ich hatte erst ein anderes Ende. Und direkt vorm Posten habe ich dann dieses hier geschrieben. Ich werd mal in mich gehen ...

Besten Dank für deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut!
Anne

to be continued ...

 

Hallo Anne49,

Jaja, der Sexismus. Vor allem zurzeit durch die amerikanische Unterhaltungsindustrie stark im Thema. Ich persönlich hätte die Sache etwas anders aufgebaut, die Protagonistin zu Wolf erst ein Vertrauensverhältnis aufbauen lassen, damit es am Ende richtig weh tut. Das Schlimmste an Diskriminierungen ist nämlich, wenn sie sich strukturell selbst bei wohlgesinnten Menschen äußern und es denen nicht einmal auffällt, dass sie ihr Gegenüber gerade verletzen. So ist das mir zu binär dargestellt. Dennoch habe ich deine Geschichte gern gelesen. Vor allem der Titel deiner Story gefällt mir. Der "Wolf" als triebgesteuertes Wesen. Animalisch. Symbolisch für die Karikatur des Mannes.

Liebe Grüße
Grayson

 
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Gude Anne49,

jetzt muss ich doch mal direkt fragen, bist du auch aus dem Raum Frankfurt bzw. aus Hessen? (Wahrscheinlich sagt man „Gude“ in halb Deutschland und jetzt lachen alle ...:D)
-> Ne, Raum Frankfurt ist absolut richtig :D

Ob das so glasklar ist, was man rational von Anouk erwarten würde? Mir ist es ehrlich gesagt nicht ganz klar. Als erstes hatte ich übrigens eine Frau vom Betriebsrat vorgesehen. (Hab schon wieder vergessen, welchen Namen sie hatte.) Na ja, auf jeden Fall wurde es dann Henning. Nur um die Schwelle ein bisschen zu erhöhen. Ob es so super-ober-easy ist, zu so einem Betriebsratstypen zu gehen und ihm zu erzählen, mein Projektleiter hat seine Hand auf mein Knie gelegt?!
-> Easy ist es natürlich nicht! Aber theoretisch würde ja jeder sagen: sag das doch, sprich darüber. Macht auch die Schwester. Aber für Anouk ist es eben nicht so einfach und das stellst du, wie ich finde, sehr glaubwürdig dar und das ist die große Stärke deines Texts! :)

Ich muss dazu sagen, dass ich normalerweise keine paranormalen Geschichten oder auch nur Horror lese, geschweige denn schreibe. Überhaupt nicht. Insofern ist die flackernde Neonröhre für mich kein so „bekanntes Bild“.
-> Für mich ist das ein Bild (Weiter Weg, schlechte Beleuchtung) einer drohenden Vergewaltigung.
Woher ich das Bild habe: es gibt z.B. Frauenparkplätze, die näher am Eingang eines Parkhauses sind, damit man nicht so weit und an so vielen "dunklen Ecken" vorbeilaufen muss auf dem Weg zum Auto. Ich dachte, du knüpfst hier bewusst an dieses Bild einer Angstzone an, um mich am Ende damit allein zu lassen: Wolf ist noch nicht fertig mit ihr.
Ob es jetzt gleich so drastisch wird, ist wahrscheinlich auch eine gute Frage, aber ich neige beim Lesen dazu, in Extremen zu denken. Wenn man es in seinem Hirn weniger übertreibt, dann hat man immer noch das Bild einer anhaltenden Bedrohung (und damit ziemlich tristen Situation).


Liebe Grüße,
Vulkangestein

 
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Hei Kubus,

ich hab mich so über deinen Kommentar gefreut, damit hast du mir den Sonntag versüßt. Spannende Ideen! Ich muss dazusagen, ich schreib noch nicht lange Kurzgeschichten. Insofern hatte ich beim Lesen deines Kommentares das Gefühl: Hoppla, ich weiß vielleicht gar nicht, was ich da so fabriziere und welche Wirkung das haben könnte.
Also, jedenfalls hab ich „Empowerment“ nachgucken müssen und ich glaub, ich weiß immer noch nicht, was das eigentlich genau bedeutet. Mein erster Impuls war die Entrüstung: Ich schreib doch keine belehrenden/selbstermächtigende Texte! Schreckliche Vorstellung, den Leser bei der Hand nehmen zu wollen. Ich bin kein Sozialarbeiter oder Weltverbesserer und überhaupt.
Mittlerweile finde ich die Vorstellung, dass Leser aus der Lektüre von Kurzgeschichten eine gewisse Stärkung für die eigene Lebenssituation zu erfahren, gar nicht mehr sooo abstoßend. Vielleicht nicht das Instrument der ersten Wahl. Da sind direkte menschliche Kontakte (Freunde, Selbsthilfegruppen, whatever, je nach Problemlage) sicher besser.
Ist halt scheiße, falls es als Absicht im Text durchschimmern sollte. Insofern ahne ich das Unbehagen, das meine Geschichte bei dir erzeugt. Dieses Empowerment/Selbstermächtigungszeugs arbeitet jedenfalls heftigst in mir nach und ich danke dir für dieses Stichwort!
Auffällig finde ich bei dieser Geschichte (im Vergleich zu meinen anderen Geschichten), dass in vielen Kommentaren Plotalternativen genannt werden. Jede Variante hat dann wieder ihre eigenen Schwächen, warum sie politisch nicht korrekt wäre oder halt eine schwache Story abgeben würde. Das ganze Thema scheint mir dermaßen verbrannt durch #metoo, dass ich mich frage, wie kann man darüber überhaupt noch eine Geschichte schreiben?
Andererseits geht es in der Geschichte auch um die generelle Haifischbeckenatmosphäre im Berufsleben, die viele Männer mit Sicherheit auch als unangenehm empfinden: Knackig kurze Meetings zum Informationsaustausch, bei denen die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt, und so ein Firmensommerfest (akuell eher Firmenweihnachtsfeier), wo man sich nicht wirklich entspannen kann, Events, die man nüchtern nicht ertragen könnte. :D

sich aus Klamotten 'schälen' ist fast eine stehende Wendung, aber die passt mE fast nie. Eigentlich nur bei komplizierten, mehrteiligen Anziehsachen wie einem Ballkleid zB

Och, so’n Poncho könnt schon auch mehrlagig sein ... Der Ich-Erzähler trägt das Ding ja nur, damit man früh im Text weiß, dass es eine Frau ist.
Okay, das Wording hat außer dir noch jemand kritisiert. Und in meiner letzten Geschichte hat sich die Protagonistin aus der Bettdecke geschält. Muss mit meiner Vorliebe für Obst zusammenhängen, diese ganze Schälerei ... Ich überlege noch, einfach nur ausziehen find ich irgendwie doof. Vielleicht bin ja nur ich so unbeholfen, aber ich empfinde es bei Winterkleidung, sagen wir mal Jacke und Schal, schon so, dass ich mich da irgendwie rauswinden oder rausschälen muss.
Vielleicht werde ich es zu „rauswinden“ ändern, mal gucken.
(EDIT: Das Argument mit Winterkleidung ist Schwachsinn, weil es in der Geschichte ein Sommerfest gibt ...)

Kontrollfreak würde ich hier weglassen und dem Leser somit Raum geben, die Figur zu bezeichnen.

Thanx. Hab den Kontrollfreak gekillt!

Ab hier habe ich geahnt, wohin die Reise geht. Das ist für mich als Leser nicht so meins. Stilhöhe und Erzählton halten mich zwar mühelos bei der Stange, aber mir fehlen in der Geschichte überraschende Momente oder Herangehensweisen

Ist meine sechste Kurzgeschichte. Jedes Mal nehm ich mir vor, die nächste wird der innovative Oberknaller ... :shy:

es ist manchmal faszinierend, wer wem welche sexuelle Orientierung unterstellt. die Beschreibung zeigt aber auch dass eben die Frage, ob jemand straight ist, schwul oder bi fast immer eine große Rolle spielt, obwohl es im Arbeitszusammenhang ja eigentlich eher zweitrangig sein müsste

Ja, das ist ein hübsches Spielchen im Alltag, sich das zu überlegen, oder? Ich geb zu, ich spiel das gelegentlich ganz gern. Und „eher zweitranging“ ist gut ... Ist doch schnurz.

Was ist denn mit dem verkehrt? sie so was denken lassen? wäre uU näher an ihr dran, Zoom in den Figurenkopf

Hm, weiß noch nicht, ob ich es schaffe, das zu ändern. (Novak hat es auch gestört.) Aber das hat sich bei mir so ganz tief festgesetzt. Schlimm.

die Situation ist klasse durchkomponiert. einerseits hast du ein realistisch anmutendes Problem mit den Kontaktlinsen erschaffen, in dessen Windschatten sozusagen die Hand auf Anouks Bein landet. ich mag auch das Detail seiner schlanken Finger - und nicht die als Klauen oder Griffel bezeichnen, nur weil er ein Belästigungsmonster ist. das ist alles sehr gut angelegt und miteinander verwoben, wirkt organisch auf mich.

Merci. Ja, das mit der Kontaktlinse ist fies, nicht?
Dieses Detail mit Wolfs schlanken Fingern hab ich erst, kurz bevor du kommentiert hast, eingefügt. Das mag ich inzwischen auch sehr. Ich denk, das bleibt so.

die Unaufgeregtheit der Geschichte. keine Vergewaltigung sondern eine kleinere Grenzverletzung wird thematisiert. und vor allem die Folgen. ihre Verunsicherung, wie sie sich verhalten soll. Suche nach einer neuen Stelle. Allgemein sich mit dem Scheiß beschäftigen müssen

Sich mit dem Scheiß beschäftigen müssen, genau das ist für mich der Punkt! Anouk will da eigentlich „nur“ arbeiten, mehr nicht.

Menschen im Spätkapitalismus. Hopper hätte seine Freude dran.

Ich nix kulturelle Bildung. Verrat mir doch mal bei Gelegenheit den Vornamen dieses Knaben, dass ich den wenigstens googlen kann. (Gott, das ist so peinlich.)

Oder: das letzte Mal hat jemand meinen Klassenarbeiten so viel Aufmerksamkeit geschickt oder was in der Richtung? das indirekt vermittelt fände ich hier besser.... ist leicht ähnlich dem Kontrollfreak - mir etwas zu viel Vorgabe.

Du hast sowas von Recht mit der Vorgabe! Ich hab den Mini-Lehrersatz ersatzlos gestrichen. (Klassenarbeiten wären ja auch der Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, von da bis zum Lehrer ist es nicht weit.)

ist die Berührung hier das eigentliche Problem? Ich hätte gedacht dass es bei einer Situation wie du sie hier erschaffen hast eher das Machtgefüge das Problem ist und dass er als Vorgesetzter zig Möglichkeiten hat, ihr das Leben zu verkomplizieren oder zur Hölle zu machen.

Ich persönlich tue mich mit Berührungen im Berufsleben schwer. Dieses Küsschen-Rechts-Links-Zeugs mit Leuten aus Südeuropa, ich finds grauenvoll. Aber nehmen wir mal an, Anouk wäre nicht so. Trotzdem denke ich, dass sich das Machtgefälle zu Wolf über die Berührung ausdrückt und dass sie dann dieser Berührung dauernd nachspürt, so wie ein Abdruck, so ein körperliches Unbehagen. Natürlich steckt da mehr dahinter, aber ich glaube, das verbalisiert sie in dem Moment nicht.
Okay, seine Berührung per se ist nicht das Schlimmste. Das, was er ihr danach sagt, als sie droht, ihn anzuzeigen, ganz ruhig zu sagen: „Das wirst du nicht tun.“ DAS ist die eigentliche Machtdemonstration.
Als ich den Text geschrieben habe, hab ich ihn am Anfang noch nachsetzen lassen „Du bist in der Probezeit.“ Das hab ich dann wieder weggenommen. Das muss der gar nicht sagen, das schwebt ohnehin im Raum.
Aber es würde nicht funktionieren, wenn Anouk seine Worte als Echo im Kopf hätte - das wirst du nicht tun. Was für sie bleibt, ist dieses körperliche Unbehagen, die Erinnerung an die Berührung und an seinen Blick.
Es sollte keine Geschichte über Mobbing und Schikane sein. Ich glaube, das sind wieder andere Mechanismen.

Zögernd nehme ich einen Schluck. Wolf macht das Beste aus dem unterbesetzten Projekt und nimmt sich im größten Stress die Zeit, mir alles zu erklären: Wie er plant, wie er Prioritäten setzt, wie er das Team zum Blühen bringt. Die Fehlerraten im Test sind hoch, aber ich will ihn nicht reinreiten
gefällt mir sehr gut diese Ergänzung - dass sie trotz des wölfischen Verhaltens ihm gegenüber fair bleibt. so was hat für mich viel mit innerer Stärke zu tun.

Witzig, mir hat es eher dazu gedient, klarzumachen, dass er ein fairer Projektleiter ist. Sein Projekt ist ja understaffed, wie es neudeutsch heißt, also, er hat zu wenig Programmierer, ihm steht das Wasser bis zum Hals. Dass er sich trotzdem Zeit nimmt, ihr Dinge zu erklären, gefällt ihr. Anscheinend sieht er ihr Talent und ihren Lernwillen.
Aber so wie du das siehst, wirkt es natürlich auch. Ich befürchte fast, dass diese „Heldin“ mit den positiven Eigenschaften (innere Stärke) bei dir den negativen Empowerment-Fantasy-Eindruck verschärft hat.
Ich hätte natürlich auch eine Geschichte über ein verdaderes Opfer schreiben können, eine, die sich nicht wehren kann, die daran zugrundegeht. Dieser Plot wäre mir dann aus anderen Gründen wieder um die Ohren geflogen. Billige Mitleidsstory und so. Gut, dann wäre es zumindest kein Empowerment. :lol:

schimmern passt für mich nich zu Augenringen.

Danke. Hab ich geändert.

Junge MA, Ausländer und Behinderte? Hier gehts doch die ganze Zeit um ein Mann-Frau-Ding

Vorwiegend ja. Obwohl. Sexuelle Belästigung ist in allen Hetero- und Homo-Varianten denkbar.

Ich hab mal nachgelesen: Statistisch gesehen trifft es überdurchschnittlich oft Frauen (Menschen), die als wehrlose Opfer erscheinen, also Leute in der Probezeit, Ausländer und Behinderte (als Zusatzmerkmal). Anscheinend gehen die Täter davon aus, dass die sich nicht trauen oder es nicht schaffen, sich zu wehren.
Ich denke, ich werde vielleicht „junge Mitarbeiter“ durch „Leute in der Probezeit“ ersetzen.

da fällt mir ein dass meine Chefin und meine Ausbilderin im Sommer immer mal wieder hinter mir herglotzten wenn ich Librikisten schleppen musste und Bemerkungen machten die man beim Lackmustest als sexistisch einstufen würde

Siehe oben, junge Männer (Azubis, Praktikanten ...) bieten sich dafür besonders an.
Und wir Frauen sind keinesfalls die besseren Menschen, wir besitzen genauso die „Fähigkeit“ zu unschönen, übergriffigen Verhaltensweisen. (Wenn nicht Männern gegenüber, dann z. B. gegenüber alten Menschen, also immer da, wo Machthierarchien es uns ermöglichen.)

finde ich auch gut wenigstens by the way anzudeuten dass das kein reines Frauenthema ist. die Thematisierung davon ist aber ein reines Frauenthema, also in meiner Erfahrung

Über Jamil zu schreiben, wäre wahrlich innovativer gewesen. Hab mich mental schon bei ihm und seinen Kollegen entschuldigt. Ich konnte mich halt echt nicht in diesen jungen Muslim reinversetzen.

hier ist es mir ausnahmsweise etwas viel - dass beide breitbeinig fläzen. lässt mich eher an Schulkids denken nicht an Bosse.

Oh, ich kenn das reihenweise von Bossen, gerade von denen! Mindestens in jedem zweiten Meeting eigentlich.
Okay, breitbeinig hab ich gekillt. Fläzen tun sie sich immer noch und das machen die ja selten mit parallelen Knien.

das kommt kool, das ist gut! aber ich kaufs trotzdem nicht! [...] und zum Anderen daran dass sich die abschließende Szene für mich nach einer Fantasie anfühlt, die den realistisch anmutenden Rahmen der Geschichte verlässt

Ja, die Anouk hat ihren Auftritt. Könnte man sagen, das ist ein Triumph, das ist Fantasy. Ich versteh deinen Einwand. Allerdings wissen wir nicht, wie es danach mit den beiden weitergeht, ob sie den Wolf damit überhaupt gezähmt hat.

Kubus, ich bedanke mich für deine Analysen, es war mir ein Vergnügen!

Besten Gruß
Anne

 

Hallo Anne49,

ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen, schildere dir einfach meinen Eindruck von dem Text. Richtig gut finde ich die Umsetzung, sprachlich, stilistisch fein, die Dialoge passen, das Tempo, der Rhythmus, das Setting in einer größeren Firma, Projektarbeit, Telefonkonferenzen und dergleichen. Das Thema, dieses Me-too-Ding ist natürlich super wichtig, aber doch ein bisschen wie Wellenreiten auf der Woge, die sich gebildet hat. Gänzlich durchdacht scheint mir die Durchführung nicht. Die Szene mit dem Übergriff bleibt zum Beispiel sehr vage, kann ich mir gar nicht genau vorstellen, was passiert: er streicht über ihre Knie, that’s all? Auch frage ich mich, ob es realistisch ist, dass Wolf gleich beim ersten Meeting, bzw. in einer Pause zupackt. Die weitere Entwicklung, dieses Verstricktwerden in einen insgesamt positiven Prozess guter Zusammenarbeit, gefällt mir wieder. So läuft es ja oft. Man wird Teil des Teams, vergisst Beleidigungen, vielleicht sogar mehr, eine Art Kennenlern-Prozess, etwas Menschliches. Was du am Ende im Ungefähren lässt, sie fahren zusammen Aufzug, es erfolgt keine weitere Attacke, mm, das zeigt was. So, mehr kriegst du nicht. Der beste Text, den ich bisher von dir gelesen habe. An der ein oder anderen Stelle lohnen sich Änderungen.

Textstellen:

Sie haben es geschehen lassen - er und das gesamte Team. Schon immer habe ich einen Blick fürs Detail gehabt.
klingt etwas hölzern

weht sein Altherren-Irisch-Moos-Geruch
:shy:

„Auf Deutsch: Die hat erst angefangen und ich muss ihr alles erklären.“
„Sie hat Potential“, sagt Carl. „Ich schick die Einladung rum. Bis dann."
mm, während sie dabei ist, lobt er sie vor den anderen?

Bernd, der Charmeur, umarmt mich wie immer. Sein Dreitagebart kratzt. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
Umarmung, echt? Too much und wie lange kennt die den? Sie ist doch in der Probezeit, oder?

Sein Blick brennt tief.
guter Satz, tief bräuchte es gar nicht

bade in seinem intensiven Blick.
wieder der Blick und wieder gut formuliert

Wolf macht das Beste aus dem unterbesetzten Projekt und nimmt sich im größten Stress die Zeit, mir alles zu erklären: Wie er plant, wie er Prioritäten setzt, wie er das Team zum Blühen bringt. Die Fehlerraten im Test sind hoch, aber ich will ihn nicht reinreiten.
kommt bisschen unvermittelt, dieser Einschätzung

In meinem Kopf dröhnt es, als schlügen unentwegt Stahlplatten aufeinander.
:Pfeif:

. „Was du mir erzählst, reicht locker für eine Anzeige. Schon ein anzüglicher Witz würde genügen.“
echt?

Liebe Grüße und eine angenehme Restwoche
Isegrims

 

Hallo Novak,

um es mit Bildern der Saison zu sagen: Ich hab mich wie ein Schneekönighonigkuchenpferdchen über deinen Kommentar gefreut!

Ich denke, dir kommt es schon auf die Ambivalenz von Anouk an, sie findet den Mann als "Eroberer" gleichzeitig furchteinflößend, abschreckend, ekelerregend, aber irgendwie auch interessant, faszinierend [...]
dass deine Protagonistin sich zwar abgestoßen fühlt von Wolf, sie aber trotzdem Schutz bei ihm sucht. Das fand ich sogar sehr sehr stark. Und dazu noch der Traum. Der ist ja echt der Hammer. Ich dachte erst, ich les nicht recht.

Yeah! Wolfsnächte! :D Da war ich mir nämlich echt nicht sicher. Ich hab gedacht, der Traum wird mir so was von um die Ohren gehauen. Hat die’n Knall oder was?
Aber die deutsche Sprache kennt ja das Wort Hassliebe. Wolf hat Charisma und Anouk empfindet Ekel und Faszination zugleich. Ja, der Kerl hat Präsenz, der hat Sexappeal. Im Traum stand erst explizit sein Name und dann hab ich den durch Pronomen ersetzt. Weiß trotzdem jeder, wer gemeint ist.

wenn die sowas träumt, irritiert sie das nicht? Schämt die sich dann nicht vielleicht sogar und zweifelt an sich selbst? Oder vor sich selbst?

Ich denke, dieses anschließende „Ich muss duschen“ - das ist zweideutig. Da geht es vielleicht nicht nur um die Morgenroutine. Das wollte ich aber nicht weiter im Text auswalzen.

Alle Kerle (außer Ulf und dem Aserbaidschaner, Jamil oder so, und denen, die nicht da sind :D ) reagieren mehr oder weniger alle sexistisch

Und denen, die nicht da sind ... ganz genau! Das ist ziemlich auf die Spitze getrieben, stimmt schon. Bin aber keine Männerhasserin, das weißt du doch ... :)

Ein heftiger Übergriff einerseits und dann seine unverschämte Reaktion, die seine Machtposition widerspiegelt. Man kann es auch so interpretieren, dass diese Melange in Anouks Augen durchaus zu seiner Faszination beiträgt. [...]
Ich würde die Reaktion weder abmildern noch eine mildere sexuelle Zwischenbelästigung dazwischensetzen. Es kommt halt drauf an, wie weit seine Faszination für sie gehen soll. Ob die Faszination tatsächlich auch ein Quäntchen Faszination über seine Dominanz enthält. Und wenn das der Fall ist, würde ich das alles so lassen.

Also, ich find das witzig, dass du auch diesen Gedankengang nachvollzogen hast! Ich hab wirklich intensiv über den Vorschlag von Rina Wu nachgedacht, dass seine Belästigungen sich organisch steigern sollten. Erst nur eine wie zufällig wirkende Berührung, ein Blick und dann beim nächsten Mal mehr. Hab auch versucht, es zu schreiben. Ging nicht.
Inzwischen bin ich überzeugt, es so zu lassen, wie es ist. Der legt ihr beim ersten Mal gleich die Hand aufs Bein. Und lässt sie da liegen. Einfach so. Das ist unterm Tisch. Selbst wenn die anderen drei zurückkommen, kann er die Hand immer noch wegnehmen, ohne dass irgendjemand was merkt. Das ist so oberdreist, dass es schon wieder funktioniert.
Dann kommt ja noch die zweite Attacke, die an der Säule. Und dreimal wäre mir zu viel.

Ganz hinten sehe ich Bernd, der zum Gruß die Bierflasche hebt. Wie immer steht er dicht neben Jamil, unserem jüngsten Entwickler. Ich habe vergessen, wo der herkommt. Aus Aserbaidschan, glaube ich. Bernd zauselt ihm durchs Haar.
Aber du hast Jamil doch schon eingeführt. Brauchst du doch hier nicht mehr.

Hier kapier ich nicht ganz, worauf du hinauswillst bzw. was ich hier am Text ändern soll.
Die einzelnen Infos über Jamil sollen nur so nebenbei durch die gesamte Geschichte tröpfeln. Und die Andeutungen, dass Bernd ihm auf die Pelle rückt, auch.

Am meisten hat mir eigentlich die Atmosphäre gefallen. Diese Spannung, die zwischen allen Beteiligten schwebt. Dieses konkurrente "Miteinander", man muss sich zuarbeiten, empfindet den oder die andere aber gleichzeitig als Rivalin in der Karriere, da geiert jeder nach oben, missgönnt dem anderen und spürt dem Fehler des Konkurrenten und jeder seiner Schwächen nach. Das ist so widerlich und du triffst diese Atmosphäre so gut. Es geht dir zwar nicht speziell darum

Na ja, darum ging es mir schon auch. Der Wolf ist ein Raubtier. Und Wolfstage, das ist ein Name für diese Gesamtatmosphäre. Man spricht auch oft vom Haifischbecken, noch so ein Bild mit Raubtier.

„Jetzt sag schon."
„Es ging um Prisma II. Ich soll testen."
„Ach so. Das." Vanessa sieht enttäuscht aus.
Das zum Beispiel. Man weiß nicht genau, warum Vanessa enttäuscht ist. Kann wegen einer ganz anderen Sache sein. Ich musste denken, sie hat für sich selbst einen Sprung auf der Karriereleiter erhofft. Oder vielleicht sogar, dass Anouk eins auf den Deckel kriegt. Wie auch immer, selbst wenn es ganz was anderes ist als das, du erzeugst hier so eine unterschwellige Spannung, ein unterschwelliges Misstrauen.

Die Vanessa arbeitet am Empfang. Die ist keine Konkurrenz für Anouk. Aber superneugierig. Könnt ja sein, dass Anouk die Probezeit nicht überlebt, höhö.

In diesem Sinne finde ich auch die Telko wirklich geschickt gemacht.
Puhh, die reden über sie wie über einen Gegenstand.

Geht auch einfach, weil man sich ja nicht sieht.

Hier fand ich es fast schade, wenn sie nicht genauer denkt, was mit ihm nicht stimmt. Jemand anderes hat das auch schon eingeworfen. Ging mir genauso.

Ja, Kubus ging es genauso. Ist so ein Darling von mir, der schwer zu killen ist.
Ich mag diese Unbestimmtheit. Sie findet vom ersten Augenblick, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Aber sie kann den Finger nicht drauflegen, was es ist.

Alles ist im Verzug, auch die Hardware aus China.
„Kina“, sagt Wolf und verzieht dabei den Mund.
Cool

Jo mei, die Münchner, die sogns doch so, odr?

„Sorry, aber ich glaub nicht an Horoskope“, murmele ich und rücke näher an Wolf heran.
Top

Ich bin so glücklich, weil dieses kleine Detail mehreren Wortkriegern aufgefallen ist! Wolf ist nüchtern und übermüdet. Der tut nix. Jedenfalls nicht heute Abend.

„Erst beantwortest du meine Frage.“
Wolfs Blick ist nicht zu ertragen, ich will zu Boden sinken. Oder zur Seite schauen. Er nimmt seine Finger und hebt mein Kinn, zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen. In meinem Kopf dröhnt es, als schlügen unentwegt Stahlplatten aufeinander. Ich gebe einen Angstlaut von mir und verachte mich selbst dafür. Es war falsch, sich nicht an Henning zu wenden. So falsch.
„Du miese, kleine ...“, fängt Wolf an. Abrupt dreht er sich um und lässt mich stehen.
Das ist auch klasse gemacht. Es ist so, das ist hier nicht nur ein körperlicher Übergriff, der aber andere Ursachen hat als eine sexuelle Nötigung, der reagiert so, weil er glaubt, sie verlässt das Projekt. Und das macht es auf andere Weise so schrecklich. Es ist furchteinflößend, echt eklig, aber was ich da gut finde, es ist eben diese üble Büromischung, die sich aus Macht und dem Gefühl des Verrats und der körperlichen, bedrängenden Dominanz ergibt, eben wieder sehr ambivalent.

Ich muss sagen, ich finde diese zweite Attacke auch wesentlich unangenehmer. Dass er mit den Fingern ihr Kinn anhebt und sie zwingt, ihm in die Augen zu sehen.
Ihre Reaktion ist auch heftiger. Der Angstlaut. Die Reue, doch nicht zum Betriebsrat gegangen zu sein.

Leute in der Probezeit.

Danke! Ja, das hab ich geändert von ‚Junge Mitarbeiter‘ auf ‚Leute in der Probezeit‘. Bei denen hofft man, dass die sich nicht beschweren.

Und dass sie hier ihre Karriere sprechen lässt, finde ich konsequent, so wie du diese Frau charakterisiert hast. Dass sie allerdings sagt, Wolf sei schwer in Ordnung kann ich mir trotzdem nicht vorstellen.

Ja, ich versteh schon, was du meinst. Sie findet den halt als Projektleiter sehr gut und weil der sich Zeit nimmt, sie zu coachen. Fehleinschätzung? Unzuverlässige Erzählerin? Provokation?
Na, vielleicht kille ich es doch noch. Vom Rhythmus her brauch ich es nicht zwingend.

Karriere - das ist so ein Reizwort. Da hab ich drauf gewartet, dass es heißt, das mache die Protagonistin unsympathisch. Frauen gesteht man diese Denke im allgemeinen weniger zu.

Wolf und ich erheben uns gleichzeitig. An der Tür lässt er mir mit einer knappen Handbewegung den Vortritt.
Als ich eine Kapsel in den Kaffeeautomaten stecke, holt er die Milch aus dem Kühlschrank und reicht sie mir.
Ihre Loyalität scheint ihm einen gewissen Respekt abzufordern.

Ganz genau. Macht echt Spaß, zu lesen, wie du meinen Text aufnimmst. :)

Hmmm, ich bin wohl die einzige, die dieses Ende echt sehr künstlich findet. Du spielst halt damit, dass noch was anderes möglich wäre, er über sie herfällt. Und wenn nicht er, dann der nächste. Aber es wächst nicht organisch aus der Geschichte. Ist drangebabbt. Schade.

Das mit dem drangebabbt hast du ganz richtig erkannt. Kurz vorm Posten hab ich das Ende umgeschrieben. (Huhu wegen) Davor lautete es so:

Sein Audi steht vorne, nahe der Ausfahrt, während ich ganz hinten parke, wo die Neonröhren flackernd und sirrend einen langen Tod sterben. Meine Schritte hallen über den Betonboden, ich beeile mich, so gut ich kann, und endlich klickt die Zentralverriegelung. Als ich auf die Schranke zurolle, sehe ich ihn in seinem dunklen Wagen sitzen. Er hebt die Hand zum Gruß, die Scheinwerfer leuchten auf und er fährt nach mir aus der Tiefgarage.

Ursprünglich hatte ich also ein versöhnliches Ende geplant. Eine kleine Geste von Wolf, dass er auf sie wartet. Vom Bedroher zum Beschützer. (Wobei ich mir auch nicht sicher bin, ob mir das alle Leser abgekauft hätten.)
Das jetzige Ende findet Vulkangestein total gruselig, sieht darin die drohende Vergewaltigung Anouks. Aber davor gibt es doch positive Signale, etwa im Aufzug, wo Wolf mehrmals ansetzt, etwas zu sagen.

Tausend Dank für deinen ausführlichen Kommentar und liebe Grüße,
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Also, jedenfalls hab ich „Empowerment“ nachgucken müssen und ich glaub, ich weiß immer noch nicht, was das eigentlich genau bedeutet. Mein erster Impuls war die Entrüstung: Ich schreib doch keine belehrenden/selbstermächtigende Texte! Schreckliche Vorstellung, den Leser bei der Hand nehmen zu wollen. Ich bin kein Sozialarbeiter oder Weltverbesserer und überhaupt

okay, darauf will ich noch mal antworten. schreckliche Vorstellung, ja. wird wohl am Thema liegen - wenn es um Sexismus geht, passe ich anders auf. hatte bestimmt schon Schiss, dass mich eine Wildfremde umerziehen wollen könnte. :D

da habe ich ja was gesagt. wusste gar nicht, dass empowerment so viele verschiedene Bedeutungen haben kann. aber ich glaube, hier in Deutschland wird damit meist Selbsthilfe und Hilfe zur Selbsthilfe bezeichnet, mit dem Ziel, für den Menschen einen höheren Grad an Autonomie und Selbstbestimmtheit zu erreichen.der Begriff ist mir bei der Flüchtlingshilfe zuerst begegnet, 2012 / '13, mittlerweile sehe ich das nur in feministischen Kontexten. ein deutesche Synonym ist (Selbst)ermächtigung. Eigentlich müsste sich das auf fast jeden Menschen beziehen lassen, solange es ungenutzte Spielräume gibt, also können sich theoretisch auch weiße, untergewichtige, spielsüchtige Männer gegenseitig emowern, wenn sie meinen, sich gemeinsam gegen Diskriminierung wehren zu müssen.,praktisch kommen aber meines Wissens eher Frauen und Migranten in den Genuss, empowert zu werden. (ideales) Endziel ist bestimmt ein möglichst zwangloses, unabhängiges und selbstbestimmtes Leben. und wenn die linken Selbstermächtiger wissen, was sie tun, findet das alles unter den Flügeln der Französischen Revolution statt, im Zeichen von Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit. well, my five cent

Mittlerweile finde ich die Vorstellung, dass Leser aus der Lektüre von Kurzgeschichten eine gewisse Stärkung für die eigene Lebenssituation zu erfahren, gar nicht mehr sooo abstoßend.

also als Leser kann ich das nicht so gut haben, aber das liegt bestimmt an meinen empfindlichen Sensoren. wenn's hilft, sollen sie das tun.

st halt scheiße, falls es als Absicht im Text durchschimmern sollte. Insofern ahne ich das Unbehagen, das meine Geschichte bei dir erzeugt. Dieses Empowerment/Selbstermächtigungszeugs arbeitet jedenfalls heftigst in mir nach und ich danke dir für dieses Stichwort!

geht mir wohl ähnlich, deswegen schreibe ich jetzt hier, so wollte ich das nicht stehen lassen.
ich will noch sagen dass ich solchen Texten nie per se ihre Daseinsberechtigung oder so absprechen wollte und empowerment und Emanzipationsbewegungen gleich welcher Art grundsätzlich positiv gegenüber stehe. ich weiß nur nicht, ob das mit diesem Medium gut funktioniert und reagiere auf so was als Leser im ersten Moment leicht allergisch.

Das ganze Thema scheint mir dermaßen verbrannt durch #metoo, dass ich mich frage, wie kann man darüber überhaupt noch eine Geschichte schreiben?

ja dazu lohnt es sich vielleicht ne Antwort für dich zu finden. mir fällt Karl Valentin ein: es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem...
Themen die an sich schon so stark emotional besetzt sind, sind oft schwierig, glaube ich, weil die Leute vllt sogar schon zu viel mitbringen und wenigstens bei mir der Subkontext wie Hintergrundstrahlung beim Schreiben weiterwirkt und das stört. andererseits kann man so ein hohes Erregungslevel auch für die Geschichte nutzen und nen Gang runterfahren und trotzdem alles sagen.

Ist meine sechste Kurzgeschichte. Jedes Mal nehm ich mir vor, die nächste wird der innovative Oberknaller

wow, respect. das ist deine sechste Geschichte.. ich bin etws beeindruckt.
und kenne das sp ähnlich, in diese Richtung zu denken. aber innovative Oberknaller nur wenns passt, davon gibts im Massenindividualismus eigentlich auch schon genug, denk ich manchmal..ich fände erst mal ein Thema gut, das weniger emotionalen Ballast mitbringt als Sexismus, das nicht so sark besetzt ist.

Dieses Detail mit Wolfs schlanken Fingern hab ich erst, kurz bevor du kommentiert hast, eingefügt. Das mag ich inzwischen auch sehr. Ich denk, das bleibt so.

ja!

Edward Hopper, amerikanischer Maler. schäm dich

u hast sowas von Recht mit der Vorgabe! Ich hab den Mini-Lehrersatz ersatzlos gestrichen. (Klassenarbeiten wären ja auch der Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, von da bis zum Lehrer ist es nicht weit.)

...über diese Brücke kann der Leser gehen...

ch persönlich tue mich mit Berührungen im Berufsleben schwer. Dieses Küsschen-Rechts-Links-Zeugs mit Leuten aus Südeuropa, ich finds grauenvoll.

bisous bisous ist unangenehm, komische Sitte. die Franzosen denen ich sagte, wie intim das für manche hier ist, meinten, dass Küsschen Küsschen distanzierter sei als jemanden umarmen, wobei man den ganzen Körper spürt. (fand ich nen guten Punkt, ist mir vorher noch nie so aufgefallen) es bleiben aber Luftküsse mit Wangenrubbeln

Trotzdem denke ich, dass sich das Machtgefälle zu Wolf über die Berührung ausdrückt und dass sie dann dieser Berührung dauernd nachspürt, so wie ein Abdruck, so ein körperliches Unbehagen.

kann ich mir vorstellen

„Du bist in der Probezeit.“ Das hab ich dann wieder weggenommen. Das muss der gar nicht sagen, das schwebt ohnehin im Raum.

ja cool, den Lesern im Zweifel etwas mehr zutrauen

Was für sie bleibt, ist dieses körperliche Unbehagen, die Erinnerung an die Berührung und an seinen Blick

passt für mich. ist gut so wie es ist.

Aber so wie du das siehst, wirkt es natürlich auch. Ich befürchte fast, dass diese „Heldin“ mit den positiven Eigenschaften (innere Stärke) bei dir den negativen Empowerment-Fantasy-Eindruck verschärft ha

das ist zu viel gesagt :) für mich hat sie nichts Überzeichnetes. im Gegenteil eine fest umrissene Silhouette in Normalmenschgröße, Anouk ist realistisch und vorstellbar gezeichnet, greifbar, spürbar. und als sie in minen Augen zum Schluss leicht aus der Rolle fällt, ist sie für mein Empfinden nur minimal neben der Spur, mein Eindruck.
aber wenn die anderen Kommentatoren damit gut klarkommen und sich nicht dran stoßen, kannst du ne Einzelmeinung als statitischen Asreißer abheften. an deiner Stelle würde ich Minderheitsmeinungen vernachlässigen, fast egal wie die begründet sind. hat ja auch sonst niemand empowerment gerufen, du hast genug Leserstimmen hier für ein gutes Gesamtbild

tatistisch gesehen trifft es überdurchschnittlich oft Frauen (Menschen), die als wehrlose Opfer erscheinen, also Leute in der Probezeit, Ausländer und Behinderte (als Zusatzmerkmal).

okay mit dem Zusatzmerkmalzusatz versteh ichs

Anscheinend gehen die Täter davon aus, dass die sich nicht trauen oder es nicht schaffen, sich zu wehren.
Ich denke, ich werde vielleicht „junge Mitarbeiter“ durch „Leute in der Probezeit“ ersetze

gute idee. Probezeit ist mächtiges Wort

nd wir Frauen sind keinesfalls die besseren Menschen, wir besitzen genauso die „Fähigkeit“ zu unschönen, übergriffigen Verhaltensweisen.

ich hoffe weiterhin, dass die emanzipierte Frau, wenn sie denn mal fertig ist mit der Emanzipation, ihre Privilegien und Freiheiten nicht ausnutzen wird, um endlich die gleichen Fehler machen zu dürfen wie die Typen und am Ende in genau die gleiche Falle tappen, wo sie dann gefangen bleiben bis sie verenden oder ihr Bein durchnagen müssen, um zu entkommen. aber es kommt bestimmt ganz anders und alles wird gut

ber Jamil zu schreiben, wäre wahrlich innovativer gewesen. Hab mich mental schon bei ihm und seinen Kollegen entschuldigt. Ich konnte mich halt echt nicht in diesen jungen Muslim reinversetzen.

kann ich total gut verstehen. ich bin generell dafür, von so was im Zweifel lieber Abstand zu nehmen. Innovation ist beim Schreiben für mich nicht zwingend was Gutes. das ist ja auch ein Begriff der im Kraftfeld des neoliberalen Finanzmarktkapitalismus entstanden ist, wo jede Innovation gefeiert wird als Beitrag auf dem Weg einer unendlich wachsenden Wirtschaft die nur leider auf einem endlichen Planeten angesiedelt ist.
in der Literatur ist der Begriff mE noch irreführender. hier gibts ja wirklich keinen allgemeinen, messbaren Fortschritt. wir dümpeln seit ungefähr hundert Jahren in der Postmoderne rum und jeder macht Fortschritte für sich, auf seinem oder ihrem Weg und Innovationen kommen von selbst, ein ganzes Leben lang. macht der Mensch ja von selbst. ich bin ein Freund davon solchen Entwicklungen eher mehr Zeit zu geben ... und nur was Neues oder was Krasses machen sind keine guten Motivationen zum Schreiben denke ich. aber das weißt du schon oder checkst das auf jeden eher als ich

h, ich kenn das reihenweise von Bossen, gerade von denen! Mindestens in jedem zweiten Meeting eigentlich.
Okay, breitbeinig hab ich gekillt. Fläzen tun sie sich immer noch und das machen die ja selten mit parallelen Knien

hehe.

Ja, die Anouk hat ihren Auftritt. Könnte man sagen, das ist ein Triumph, das ist Fantasy. Ich versteh deinen Einwand. Allerdings wissen wir nicht, wie es danach mit den beiden weitergeht, ob sie den Wolf damit überhaupt gezähmt hat.

stimmt natürlich. ich vergesse manchmal dass es noch andere Lesarten als meine gibt. hm. ja. sehr spannend das alles hier. hat viel Spaß gemacht und mich auch inhaltlich weitergebracht. Danke für deine Erklärungen.

Grüße
Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo barnhelm

dankeschön fürs Vorbeischauen!
Ich hatte schon befürchtet, dich mit meinen letzten Geschichten vergrault zu haben. :)

Wolf stößt sie ab und zieht sie auf eine diffuse Weise gleichzeitig an, sie möchte sich vor ihm in Sicherheit bringen und sucht doch auch seine Nähe. [...] Ich glaube, die Gefahr, bei dieser Thematik in eine Schwaz-Weiß-Darstellung zu geraten, ist sehr groß.

Ja, der böse Wolf, den kennen wir von klein auf aus dem Märchen. Der ist so böse.
Und wenn der Wolf aus meiner Geschichte durch und durch böse wäre, dann wäre Anouk gut beraten, sich eine neue Stelle zu suchen.
Aber niemand ist nur böse. Wolf macht seinen Job als Projektleiter sehr gut und das macht ihn sexy.

Die hast du mit klugen Einsprengseln und der Traumsequenz gut umschifft und deiner Figur damit eine innere Spannung verschafft.

Die positive Resonanz auf die Traumsequenz hier im Forum hat mich sehr überrascht und letztendlich darin bestärkt, dass das eine wichtige Szene im Text ist. Im Traum können wir geheime Wünsche ausleben, die wir bei Tageslicht entrüstet von uns weisen würden.

Probleme hatte auch ich mit dem recht unvermittelten Annäherungsversuch Wolfs. Der kommt mir zu schnell, was den Aufbau der Geschichte angeht, aber auch, was die Nachvollziehbarkeit der Situation betrifft.

Im Vergleich zur ersten Fassung habe ich die Szene mittlerweile entschärft und überarbeitet.
Oben in meiner Antwort an Novak habe ich auch noch was dazu geschrieben. Mir erscheint es so jetzt plausibel, vor allem weil ihm der Tisch im Meetingraum einen Sichtschutz bietet: Wer den Raum betritt, sieht nicht, dass er seine Hand auf ihrem Knie hat.

Es wäre sicher mal ein sehr interessantes Unterfangen, dieselbe Geschichte aus der Sicht des Mannes (Wolfs) darzustellen. Denn das ist für mich eigentlich das größte Fragezeichen dieser Thematik: Was geht in den Köpfen dieser Männer vor sich? Ich frage mich aber, ob wir als Frauen das überhaupt schaffen können, ohne wieder auf eine Ebene zu geraten, die von vermeintlichem Wissen, nicht von echtem getragen ist.

Es gibt Figuren, aus deren Perspektive ich nicht schreiben könnte, weil sie mir vollkommen fremd sind. Für mich ist Wolf da aber nicht das Extrembeispiel. In einige seiner Facetten könnte ich mich durchaus reinversetzen.
Die Versuchung zu übergriffigem Verhalten, zum Nichtrespektieren der körperlichen Privatsphäre entsteht anscheinend immer dort, wo wir über andere Menschen Macht haben. Frauen können in anderem Kontext genauso zu Tätern werden. Ich sehe da keinen grundlegenden Unterschied zwischen den Geschlechtern.

dir ist eine facettenreiche Geschichte gelungen, bei der mir diesmal besonders die Charakteristik deiner Protagonistin in ihrer Mehrschichtigkeit sehr gut gefallen hat.

Das ist so schön, das aus deiner Feder zu lesen!
Bin gespannt auf deine Gegenwindgeschichte! :read:

Besten Gruß!
Anne

+ + +​

Hallo rieger

ich empfinde eine Bedrohlichkeit, die von der Bedrängnis ausgeht, kann die argwöhnische Wachsamkeit spüren, die Anouk aufbaut und die sich in den Alltag hineinfädelt im Büro, an der Kaffeemaschine und so weiter. Die kleinen Deutungen, die Fragen, die sich dann auftun, das Bohrende , das sich aus dem Übergriff ergibt und der Ekel, das ist für mich dicht eingefangen.

Damit machst du mich glücklich! Freut mich, dass du das spürst!

Gleich am Anfang stört mich das "Schälen aus dem Poncho". Das klingt für mich zu ambitioniert.

In meiner Antwort an Kubus habe ich dazu etwas geschrieben. In der aktuellen Fassung „windet“ sie sich nun aus dem Poncho. Hoffe, das ist nun nicht vom Regen in die Traufe?

"Pudding in den Knien" finde ich zu pauschal und als Bild etwas abgetragen.

Danke dir für deine Einschätzung! Ich war mir auch unsicher, ob dieses schnodderige Wording zu Anouk passt. (Zu einigen meiner Protagonisten aus früheren Geschichten hätte es eher gepasst.)
Nun hat sie weiche Knie.

Auch den Zwiebelminz-Geruch. Es muss immer Zwiebel sein, damit es auch wirklich eklig ist.

Der Zwiebelminzgeruch steht noch so drin. Zeigt er doch Wolfs edles Ansinnen, den Zwiebelgeruch vom Mittagessen mit Hilfe eines Minzbonbons zu übertünchen. :lol:

Interessant finde ich die Geschichte unter dem Aspekt, was Macht bedeutet, was Kontrolle bedeutet und wie sie ausgeübt und erzeugt wird

Es gibt ja durchaus das positive Pendant dazu, die guten Führungsqualitäten, das klare Kommunizieren und das Motivieren - Dinge, die Wolf anscheinend gut beherrscht.
Dazu gehört aber auch, die körperliche Privatsphäre des Mitarbeiters zu respektieren, und da haperts bei ihm. Aber vielleicht lernt er es ja noch ... :hmm:
Vielen Dank für deinen Kommentar!

Besten Gruß!
Anne

 

Hey Anne49 ,

ich schreib spontan beim Lesen mit.

frage ich atemlos
Das atemlos gefällt mir irgendwie nicht. Ihrer Frage nach zu schließen, ist sie überrascht, aber atemlos ist man doch, wenn man schockiert ist.

Ich habe weiche Knie, meine Probezeit ist noch nicht um.
Diesen Satz find' ich schön.

Schon immer habe ich einen Blick fürs Detail gehabt.
Wenn sie wirklich so aufgeregt ist, würde sie sich doch nicht so ein Selbstlob denken.

Ich habe geglaubt, es funktioniere am besten, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.
Wenn du das "geglaubt" rauslässt, also wenn du zum Beispiel schreibst "Es funktioniert doch am besten, wenn ich alles prüfe." dann fände ich es näher an deiner prota :) Das wäre dann mehr Show

So leise wie möglich schließe ich die Tür.
schön

Mit Mühe widerstehe ich dem Impuls, Richtung Tür auszuweichen.
Hier kannst du auch mehr ihre Gedanken zeigen, statt davon zu erzählen. "Verdammt, wenn ich jetzt Richtung Tür ausweiche, macht es ihn vielleicht wütend." oder so.

Ich versuche es, fühle eine Art Krampf im Gesicht.
Den ersten Teil vom Satz kannst du rauslassen, finde ich. Mit dem Krampf ist schon klar, dass sie zu lächeln versucht.

Sein Dreitagebart kratzt. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
Diese Stelle gefällt mir.

Ich erfahre, dass er überall in der Wohnung seine Kleidung rumliegen lässt und dass sie ein Flittchen ist.
Auch schön.

Meine Probezeit ging gestern zu Ende.
Warum zeigt sie jetzt den Typen nicht an??

Meine Gedanken wandern zu Jamil.
Diesen Satz kannst du streichen und dann gleich schreiben: "Jamil ist ein stiller ... "

Ich trinke den letzten Schluck und knalle meine Kaffeetasse auf die Fensterbank, dass er zusammenfährt.
Wow, warum ist sie plötzlich so stark geworden? Also, schöne Idee, aber ich glaub das hat mehr Übergang nötig. So wirkt das jedenfalls auf mich sehr plötzlich.

Ich hoffe, meine Kritik konnte dir helfen. :silly:

Oh, und ich finds richtig cool, dass du dich auf #metoo beziehst.
Liebe Grüße,
alexei

 

Huhu Willi,

freut mich, dass dir die Geschichte gefällt, und danke für deine interessante Analyse! Obwohl es ja kein mittelalterlicher Text ist; meine eigenen Erfahrungen in diesem Bereich liegen zwar schon eine Weile zurück, aber sooo lange dann auch wieder nicht ... :lol:

Glücklicherweise bin ich in meinem Job durch eher flache Hierarchien niemals einer solchen Situation ausgeliefert gewesen

Hm, ich glaub, in meiner Geschichte sind die Hierarchien auch eher flach. Dass Anouk als Neuling schon die Testleitung für ein ‚größeres‘ Projekt bekommt, kratzt ein wenig an der Glaubwürdigkeit, oder? Allzu riesig können das Büro und das Projekt wohl nicht sein.

Dein Text bringt mich aber zu zwei Erkenntnissen: Sexuelle Aggressionen entstehen in einem Macht/Abhängigkeitsverhältnis und es reicht, wenn der Täter die Bedrohung andeutet und im Kopf des Opfers weiterwachsen lässt.

Oder im Kopf des Lesers ... Siehe Schlussszene in der Tiefgarage.

Deine Prot deckt den Täter zunächst nicht nur, sie lässt ihn zunächst auch groß werden - in ihrem eigenen Bewusstsein und beginnt auszuweichen umd sich unterzuordnen, obwohl ein massiver (und damit auch klar nachweisbarer) Angriff (noch) nicht stattgefunden hat. Besser kann Kontrolle nicht funktionieren!

Schwer nachvollziehbar, warum Anouk sich nicht gleich von Anfang an wehrt?

Toll umgesetzt von dir in dem Bild vom Entwickler und der Kontrolleurin, das ja umgekehrt dazu steht.

Das ist ein sehr spannender Aspekt, den du da ansprichst! Stimmt schon, Wolf hat als Gesamtprojektleiter eher die Brille der Entwickler auf.
Anouk als ‚Kontrolleurin‘ ... Na ja, wie schon angemerkt wurde, sind die Softwaretester nicht hoch angesehen in diesem Business: Besserwisser, die halt selbst nicht gescheit programmieren können und deshalb andere Leute an der Arbeit hindern, oder so ähnlich.
Im Projekt sind sie ein Stück weit beide aufeinander angewiesen, aber Wolf steht letzten Endes über ihr und hat die mächtigere Position.

Liebe Grüße und bis bald
Anne

P.S. Freut mich sehr, dass es mit der Ratskirche weitergeht ... :)

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Hallo Grayson

Jaja, der Sexismus. Vor allem zurzeit durch die amerikanische Unterhaltungsindustrie stark im Thema.

Stimmt, wobei ich mich damit sehr wenig beschäftige und unabhängig von der Tagesaktualität (#metoo) eine Neigung zu solchen Themen habe (siehe ‚Unter Laborbedingungen‘).

Ich persönlich hätte die Sache etwas anders aufgebaut, die Protagonistin zu Wolf erst ein Vertrauensverhältnis aufbauen lassen, damit es am Ende richtig weh tut. Das Schlimmste an Diskriminierungen ist nämlich, wenn sie sich strukturell selbst bei wohlgesinnten Menschen äußern und es denen nicht einmal auffällt, dass sie ihr Gegenüber gerade verletzen.

Ja, da hast du Recht, das ist auf jeden Fall ein interessanter Aspekt und eine spannende Plotidee!
Ich glaub, mein Problem bei diesem Szenario wäre meine Vorliebe für Liebesgeschichten, mit Sicherheit würde bei mir eine Friendship-to-Love-Romanze draus werden. :D

So ist das mir zu binär dargestellt.

Geht noch doller, guck mal: 0110100100110100101110010101000101

Dennoch habe ich deine Geschichte gern gelesen. Vor allem der Titel deiner Story gefällt mir. Der "Wolf" als triebgesteuertes Wesen. Animalisch.

Freut mich. Und ja, mit dem Titel bin ich auch ganz glücklich.

Symbolisch für die Karikatur des Mannes.

Ach du liebe Zeit! Das meinst du doch nicht Ernst, oder? Hast du das so empfunden? Da bekäme ich ja ein schlechtes Gewissen. :shy:
Es gibt auch Wölfinnen, das gesamte Büroklima bei denen ist total verwolft! Vanessa, die scheinheilig nachfragt, als Anouk aus dem Zimmer des Chefs kommt, und nur auf die schlechte Nachricht geiert, dass Anouk die Probezeit nicht besteht, verhält sich auch verdammt wölfisch, oder?

Danke für deinen Besuch und liebe Grüße
Anne

 

Liebe Anne49,

bei ARTE hat die zweite Staffel von Top of the Lake: China Girl angefangen. Die weibliche Sicht im Krimi. Passt ausgezeichnet zu deiner Thematik. Die erste Staffel kann nan auch online sehen.

Gruß wieselmaus

 

Ja wie jetzt: Mal kein Totalverriss?! ... Hallo herzallerliebste maria.meerhaba ,

und dann noch dein grandioser Vorschlag, auf den ich die ganze Zeit (wenn auch unterbewusst) gewartet habe! Die Tarantel ist tot! Too-hoot! Ich hab den ganzen Satz gekillt.
Weil du da einfach Recht hast: Der Wolf springt nicht auf wie von der Tarantel gestochen. Phh! Macht der nicht. Hat der gar nicht nötig.
Ich bin selbst immer wieder über diesen Satz gestolpert, drumherumgeschlichen, hab gedacht, der passt nicht. Wusste nicht, mit was ich den ersetzen sollte. Nu isser wech.
Überhaupt hatte ich beim Lesen deines Kommentares den Eindruck, dass du meine Figuren gut kennst und den Wolf genauso wunderbar widerlich findest wie ich.

Und jetzt von vorne:

Meine Hände zittern. Zum Chef.
[...] Im Nachhinein sieht man zwar ihre Panik, wie sie Wasser in ihr Gesicht spritzt und dann die Überlegungen macht, aber ich fände es halt besser, wenn ihre Überlegungen und ihre Handlungen miteinander sich vermischen, als dass du sie zuerst trennst und Schritt für Schritt rangehst.

Guter Punkt. Ich bin am Überlegen, ob ich ‚Zum Chef.‘ einen Satz weiter nach hinten verschiebe.

Für einen Moment wird es still. Vanessa zerknüllt eine Serviette.
„Yoaah", sagt Bernd und geht.

Das ist ein toller Effekt :3 Da wird so vieles klar über den Wolf. Schon am Anfang wird über ihn gemeckert und hier zeigst du uns, was für ein Arschloch er ist.

Yoaah, ich mag die Stelle auch.

Konstruktiv. So ein absolut hässliches Wort, das in der Literatur meiner Meinung nach nichts zu suchen hat.

Ja, da drückt sie sich sehr nüchtern aus, die Anouk. Ob du’s glaubst oder nicht: Die ist da zum Arbeiten. Ich werde mal in mich gehen, ob mir was Besseres einfällt. Weiß aber nicht, ob das was wird. Zielführend gefällt mir nicht so, glaub ich. Effizient? Auch nicht.

„Kina“, sagt Wolf und verzieht dabei den Mund.
Was er sagt, hat für mich Hand und Fuß. Anscheinend hat er schon Projekte dieser Größenordnung geleitet. Das beruhigt mich.

Nicht für mich. Wolf hat hier ein Wort ausgesprochen, auch noch absichtlich falsch. Also hat er nicht gerade viel gesagt bzw. du zeigst uns nicht, was er alles sagt. Da hat nichts Hand und Fuß.
Für mich macht Wolf den Eindruck eines Klugscheißers, der alles besser zu wissen glaubt. Ich würde mich nicht wirklich auf ihn verlassen können.

Also, der Wolf kommt aus München. Und da sprechen halt viele das Wort China so aus, als ob es mit K beginnen würde. Das ist der Dialekt und kein Sprachfehler.
Und das Zweite, das war mir von Anfang an bewusst, dass ich seine Expertise hier mit Getelle abhandele. Abhandeln muss, weil ich sonst eine Geschichte über IT-Projektmanagement draus machen würde. Ich könnte das nicht zeigen, ohne in Fachsprache abzudriften und mich in Nebensächlichkeiten zu verzetteln. (Bei ‚Unter Laborbedingungen‘ ist mir dieser ganze Laborkram so was von um die Ohren gehauen worden. In allen Kommentaren.) Hier muss ich einfach raffen und der Leser muss Anouk vertrauen, dass sie das richtig einschätzt.
Gut, es gibt halt keinen gescheiten Übergang. Das stört mich an der Stelle auch schon immer. Wie du ganz richtig bemerkst, ist der Text hektisch geschnitten oder, wie du so schön sagst, kurzgehackt.

Die Tür geht.
Da fehlt doch was.

Ich glaube, das darf man so sagen. Sehr minimalistisch, aber nicht verboten.

Beim ersten Mal war das irgendwie komisch.
Es passierte öfter? Wieso habe ich davon nichts mitbekommen?

Genau zweimal passiert was. Das zweite Mal ist direkt davor, als er ihr an der Säule auflauert, weil er befürchtet, sie hätte Carl etwas von seinem Übergriff im Meetingraum erzählt und deshalb würde sie sein Projekt verlassen. Da fasst er sie am Kinn an und so.

Als ich eintrete, fläzen sie sich auf ihren Stühlen, trifft mich Wolfs Blick mit voller Wucht.
Der Zwischensatz hier klingt ungelenkt, stört den Lesefluss, vor allem weil es mit einem Verb beginnt. Ich habe zuerst gedacht das Als würde sich auf das Fläzen beziehen, doch beim dritten Teil kommt Trifft und da musste ich mehrmals den Satz lesen, damit ich das richtig verstehen konnte. Unschön.

Ich hab ein Faible für diese Konstrukte. Klingt so schön gehetzt.

was für eine Bedeutung hat eigentlich diese 49? Ist doch hoffentlich nicht dein Geburtsjahr

Die Ländervorwahl von Deutschland? Meine Schuhgröße? Auch nicht ...
Gibt es eigentlich ein Wort für diese Form der Diskriminierung? So analog zu rassistisch und sexistisch? Vielleicht geriatristisch? :shy:

Und mich stört es auch, dass Bernd auch gleich notgeil ist und den einen Araber oder so begrabscht. Das überlädt den Text meiner Meinung nach und du hättest ihm nicht unnötig so viel Platz geben müssen.

Och komm, der hat doch nur so’n kleines Plätzchen bekommen ...

Der Text baut eine gewisse Atmosphäre auf, die toll das Büroleben zeigt, aber diese vielen kurzgehackten Absätze sorgen dafür, dass da eine gewisse Hektik ist [...] Doch die Wut der Dame, das machst du gut, das funktioniert, dem glaube ich. Sie hasst Wolf, ich hasse Wolf, sie will weg aus dem Büro, ich will weg, doch das hier ist gut für ihre Karriere und auch ich denke das. Also die Figur funktioniert. Alles an ihr funktioniert [...]der finale Orgasmus ihres Hasses, das passt, das stimmt, das gefällt mir, da hast du alles richtig gemacht. Und wie sie dann nur eine Frage stellt, als sie rausgeht: „Wie alt sind die jetzt?“ Sie wartet nicht auf die Antwort, weil sie diese Antwort nicht braucht, weder sie, der Leser, noch Wolf, denn diese Frage zeigt so vieles, dass ich es toll finde.

Jaha, das macht mich einfach glücklich! :herz:

Ich wünsch dir ein wunderschönes Wochenende!
Anne

 

Hallo Isegrims,

wie schön, dich bei meiner Wolfsgeschichte begrüßen zu dürfen! Geht ja um deinen tierischen Namensvetter ... ;)

Das Thema, dieses Me-too-Ding ist natürlich super wichtig, aber doch ein bisschen wie Wellenreiten auf der Woge, die sich gebildet hat.

Hm, ganz ehrlich, Wellenreiten ist das bei mir nicht. Ähnlich wie bei ‚Unter Laborbedingungen‘ möchte ich zeigen, wie es sich anfühlt, in einer verwolften Arbeitsatmosphäre zu arbeiten.
Jeder Autor hat ja so seine Themen beim Schreiben, denke ich mal, und das ist eines meiner Themen, unabhängig von seiner Aktualität.
Ich bezweifle auch, dass es viel mit dem normalen Bürowahnsinn zu tun hat, wenn Stars und Sternchen #metoo twittern.

Die Szene mit dem Übergriff bleibt zum Beispiel sehr vage, kann ich mir gar nicht genau vorstellen, was passiert: er streicht über ihre Knie, that’s all? Auch frage ich mich, ob es realistisch ist, dass Wolf gleich beim ersten Meeting, bzw. in einer Pause zupackt.

Weiß nicht, ob du die letzte (oder die vorletzte Fassung) gelesen hast. Egal.
Wolf beugt sich zu ihr und legt seine schlanken Finger auf ihr Knie.
Unterm Tisch sieht man es nicht. Dreist.
Hm, und der Realismus ... Das gleiche könnte man über Anouks Auftritt am Ende sagen. Ich denke mal, möglich ist das schon.

Die weitere Entwicklung, dieses Verstricktwerden in einen insgesamt positiven Prozess guter Zusammenarbeit, gefällt mir wieder. So läuft es ja oft. Man wird Teil des Teams, vergisst Beleidigungen, vielleicht sogar mehr, eine Art Kennenlern-Prozess, etwas Menschliches. Was du am Ende im Ungefähren lässt, sie fahren zusammen Aufzug, es erfolgt keine weitere Attacke, mm, das zeigt was.

Freut mich. Ich denke auch, die beiden arbeiten im Grunde hervorragend zusammen.
Ich hab mich ein wenig dazu zwingen müssen, das Ende offen zu gestalten. Aber jetzt fühlt es sich richtig gut an. Einigen ist der Schluss ja zu düster. Für mich spiegeln die Neonröhren die Tristesse nach einem langen Arbeitstag, dieses fahle Licht ...

Richtig gut finde ich die Umsetzung, sprachlich, stilistisch fein, die Dialoge passen, das Tempo, der Rhythmus [...]Der beste Text, den ich bisher von dir gelesen habe.

Ach Isegrims ... :shy:

Wortkrieger ist wirklich großartig.
Und an der Stelle einfach mal ein fettes Danke an den Webmaster

Sie haben es geschehen lassen - er und das gesamte Team. Schon immer habe ich einen Blick fürs Detail gehabt.
klingt etwas hölzern

Hm, den ersten Satz hab ich nur leicht umformuliert, statt „geschehen lassen“ heißt es nun „zugelassen“.
Sie hat da anscheinend in einer chaotischen Projektsituation Arbeit an sich gerissen und niemand (nicht einmal der Projektleiter) hat sie zurückgepfiffen.
Den zweiten Satz hab ich gekillt. An dem haben sich mehrere Leser gestoßen. Den brauch ich nicht. Besser ohne.

„Auf Deutsch: Die hat erst angefangen und ich muss ihr alles erklären.“
„Sie hat Potential“, sagt Carl. „Ich schick die Einladung rum. Bis dann."

mm, während sie dabei ist, lobt er sie vor den anderen?

Carl muss Wolf gegenüber ja begründen, warum er ihm die Anfängerin Anouk ins Projekt reinsetzt.

Bernd, der Charmeur, umarmt mich wie immer. Sein Dreitagebart kratzt. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.
Umarmung, echt? Too much und wie lange kennt die den? Sie ist doch in der Probezeit, oder?

Na ja, das gibt es doch im Geschäftsleben. Manche machen das, diese flüchtig hingehuschte Umarmung zur Begrüßung. Mir ist das hier wichtig, denn Anouk scheint das bei Bernd nicht unangenehm zu sein. Sie ist nicht grundsätzlich zimperlich, was diese Berührungen angeht. Wichtig ist, denke ich, immer der Kontext, in dem das geschieht, die Grundhaltung. Das Wort Charmeur ist verräterisch, oder? Wann ist es charmant und wann ist es Belästigung?

Sein Blick brennt tief.
guter Satz, tief bräuchte es gar nicht

Der Satz ist später in der Überarbeitung entstanden, als die erste Fassung schon hier gepostet war. Also, ich hab nicht tagelang drüber gebrütet.
Ich find das witzig, dass gerade du diesen Satz hervorhebst. So habe ich dich in deiner Copywrite-Geschichte erlebt und deshalb ist die Empfehlung verdient: Du kreierst da Sätze, neu zusammengesetzt aus einfachen, gängigen Wörtern und daraus erwächst sprachliche Kraft.
Ja, ich mag deine Schreibe. Auch wenn wir unterschiedliche Auffassungen zur Zuckrigkeit von Texten haben. :Pfeif:
Ich hab hier auch überlegt, ob das wirklich geht, diese Formulierung, oder ob ich die um die Ohren gehauen kriege. Wer Deutsch als Fremdsprache lernt, dem würde man das vermutlich als Fehler anstreichen. Also, danke für die Rückmeldung an dieser Stelle.

Wolf macht das Beste aus dem unterbesetzten Projekt und nimmt sich im größten Stress die Zeit, mir alles zu erklären: Wie er plant, wie er Prioritäten setzt, wie er das Team zum Blühen bringt. Die Fehlerraten im Test sind hoch, aber ich will ihn nicht reinreiten.
kommt bisschen unvermittelt, dieser Einschätzung

Ja, hast schon Recht. Da hab ich so einen Laber-Flush. Wie ich schon oben maria.meerhaba erklärt habe, handele ich Wolfs herausragende Fähigkeiten als Projektmanager in einigen Tell-Sätzen ab. Wenn ich das in Dialogform zeigen wollte, ich glaub, da würd ich mich verzetteln, dann bräuchte ich IT-Fachsprache, das ginge nicht.
Das geht ihr halt alles im Kopf rum, als Carl (der Chef-Chef) von ihr wissen will, wie das Projekt läuft.
Einziger Wackelkandidat ist „das Team zum Blühen bringt“. Wundert mich, dass mir das noch niemand rausgepickt hat. Ist ja eine wahrlich blumige Formulierung für etwas, was gute Projektleiter auszeichnet: Das Team motivieren und bewirken, dass die sich entfalten können und optimal arbeiten. So, und jetzt schmeiß ich das raus! If in doubt, leave it out, heißt es so schön.

„Was du mir erzählst, reicht locker für eine Anzeige. Schon ein anzüglicher Witz würde genügen.“
echt?

Nee, hast Recht, der würde natürlich nicht für eine Anzeige genügen. Das sagt die Kaja so dahin. Die echauffiert sich halt gerade. Das ist in der Situation auch nur begrenzt hilfreich für Anouk.
Wobei ich anzügliche Witze ab einer gewissen Dosis, also na ja ... Alte SäckeÄltere Herren, die die in einer Tour erzählen, wobei ihr heiseres Lachen regelmäßig in röchelnden Kettenraucherhusten übergeht und die dabei die anwesenden jungen Damen reihum prüfend anschauen, ob nicht doch eine von ihnen schamhaft erröte, nur um dann noch lauter zu lachen. You know what I mean?

Liebe Grüße und ein schönes (Rest-)Wochenende!
Anne

 

Hi Kubus

danke, dass du nochmal reingeschaut und Text(nicht)änderungen kommentiert hast! Und für deine Ausführungen zu Empowerment und Innovation.

ich fände erst mal ein Thema gut, das weniger emotionalen Ballast mitbringt als Sexismus, das nicht so sark besetzt ist.

Meine Themen suchen mich aus. Nicht umgekehrt. :shy:

ich hoffe weiterhin, dass die emanzipierte Frau, wenn sie denn mal fertig ist mit der Emanzipation, ihre Privilegien und Freiheiten nicht ausnutzen wird, um endlich die gleichen Fehler machen zu dürfen wie die Typen und am Ende in genau die gleiche Falle tappen

So viel Illusion ... :D

wenn es um Sexismus geht, passe ich anders auf. hatte bestimmt schon Schiss, dass mich eine Wildfremde umerziehen wollen könnte

Ich lebe wohl hinter dem Mond, aber ich beginne erst langsam zu realisieren, dass es anscheinend feministischen Extremismus gibt, der Männer in die Defensive treibt, und ich geh mich mal eben eine Runde fremdschämen.

Themen die an sich schon so stark emotional besetzt sind, sind oft schwierig, glaube ich, weil die Leute vllt sogar schon zu viel mitbringen und wenigstens bei mir der Subkontext wie Hintergrundstrahlung beim Schreiben weiterwirkt und das stört.

Die Hintergrundstrahlung der Me-Too-Debatte nervt mich mittlerweile. War kein guter Zeitpunkt für die Geschichte.

Nochmal danke für dein Feedback, hat mich sehr gefreut! :)
Anne

 

Hallo alexei,

Das atemlos gefällt mir irgendwie nicht. Ihrer Frage nach zu schließen, ist sie überrascht, aber atemlos ist man doch, wenn man schockiert ist.

Also, ich denk mal, ganz banal, sie kommt da gerade morgens zur Tür rein und deshalb ist sie ein wenig außer Atem vom Weg, mehr nicht.

Schon immer habe ich einen Blick fürs Detail gehabt.
Wenn sie wirklich so aufgeregt ist, würde sie sich doch nicht so ein Selbstlob denken.

Danke! Der Satz ist gestrichen. Über den sind noch mehr Leser gestolpert.

Ich habe geglaubt, es funktioniere am besten, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.
Wenn du das "geglaubt" rauslässt, also wenn du zum Beispiel schreibst "Es funktioniert doch am besten, wenn ich alles prüfe." dann fände ich es näher an deiner prota :) Das wäre dann mehr Show

Hm, ja, aber der Witz ist ja, dass sie sich in dem Moment nicht mehr sicher ist. Sie hat es damals geglaubt, aber jetzt zweifelt sie dran.

Mit Mühe widerstehe ich dem Impuls, Richtung Tür auszuweichen.
Hier kannst du auch mehr ihre Gedanken zeigen, statt davon zu erzählen. "Verdammt, wenn ich jetzt Richtung Tür ausweiche, macht es ihn vielleicht wütend." oder so.

Ich seh schon, du hast ‚show, don’t tell‘ verinnerlicht! ;) Aber hier mag ich lieber tellen. So explizit kann sie in den drei Millisekunden nicht denken. Und das wär mir auch too much. So verbalisiert klänge es irgendwie unterwürfig.

Ich versuche es, fühle eine Art Krampf im Gesicht.
Den ersten Teil vom Satz kannst du rauslassen, finde ich. Mit dem Krampf ist schon klar, dass sie zu lächeln versucht.

Findest du? Ich finde, Krampf im Gesicht klingt für mich schon ein bisschen medizinisch (Trigeminusneuralgie) und ist ja eine Übertreibung. Auch so vom Rhythmus her möchte ich das lieber behalten.

Meine Probezeit ging gestern zu Ende.
Warum zeigt sie jetzt den Typen nicht an??

Na ja, um Himmels Willen, also man kann sich, auch wenn man in der Probezeit ist, wehren, wenn man ungerecht behandelt wird. Sollte man auch tun, insbesondere wenn es etwas Schwerwiegendes ist. Leute in der Probezeit haben ein Anrecht darauf, anständig behandelt zu werden, genauso wie alle anderen Arbeitnehmer auch.
Meine Protagonistin geht sich nicht irgendwo offiziell beschweren, sie sagt es dem Typen im richtigen Moment direkt ins Gesicht.
Aber ja, du hast Recht. Sicher gibt auch es Leute, die sich in Anouks Situation anders verhalten würden.

Ich trinke den letzten Schluck und knalle meine Kaffeetasse auf die Fensterbank, dass er zusammenfährt.
Wow, warum ist sie plötzlich so stark geworden? Also, schöne Idee, aber ich glaub das hat mehr Übergang nötig. So wirkt das jedenfalls auf mich sehr plötzlich.

Ich denke, es ist für sie der richtige Moment gekommen, sich zu wehren. Er hat ja deutlich gemacht, dass er ihre Arbeit sehr schätzt und zufrieden ist, dass sie im Projekt bleibt. Das stärkt sie so weit, dass sie jetzt explodieren kann.

Ich hoffe, meine Kritik konnte dir helfen. :silly:

Auf jeden Fall! Und auch wenn ich jetzt einige deiner Änderungsvorschläge nicht übernommen habe, hat es mir geholfen, mich an einigen Stellen mit möglichen Alternativen auseinanderzusetzen. Vielen Dank, lieber alexei, für dein Besuch im Wolfsgehege. :)

Oh, und ich finds richtig cool, dass du dich auf #metoo beziehst.

Gnajanagrmpfhtzgrrh! Ich kann es eigentlich nicht mehr hören ... :D

Liebe Grüße
Anne

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Hallo liebe wieselmaus,

bei ARTE hat die zweite Staffel von Top of the Lake: China Girl angefangen. Die weibliche Sicht im Krimi. Passt ausgezeichnet zu deiner Thematik. Die erste Staffel kann nan auch online sehen.

danke für den Filmtipp! Da schau ich mal rein! :)

Schöne Adventsgrüße
Anne

 

Liebe Anne,

nach langer Abstinenz im Forum bin ich nun wieder dabei und bin direkt in deine Geschichte gerutscht...und sie hat mich so gepackt, dass ich nicht mehr aufhören konnte zu lesen.

Hast auf jeden Fall viel erreicht:
- hartes Thema, aktuell wie eh und je!
- Spannung wurde aufrecht erhalten, durchweg!!!! Und das ist echt ne tolle Kunst!!!
- deine Protagonisten bekommen ein Gesicht bei mir
- auch die Nebenfiguren sind gut dargestellt, in ihrem Rahmen, wie es sich für Nebendarsteller gehört.Nicht zu viel, nicht zu wenig. Genau passend eben!
- lebendige Dialoge, die mich die Szenen sehr mitbedachten lassen (ein bisschen so, als würde ich sie im Fernsehen oder im Theater sehen)
- die Geschichte hallt total in mir nach (mit das größte Dankeschön und Lob an den Erzähler, wie ich finde), ich musste hier echt mit meinen Gefühlen kämpfen während des Lesens: zwischen Wut und Ekel über solche Typen am Arbeitsplatz bis hin zur Bewunderung und Nachsicht für Anouk, dass sie ihren ganz persönlichen Weg findet, mit dem Ganzen umzugehen! Nicht immer für alle Leser nachvollziehbar!
Aber genau das macht es aus, finde ich!

Und dann das offene Ende, das soviel Spielraum und Fantasie freisetzt und ermöglicht.

Gerne gelesen!!!

Kafriema

 

Hallo kafriema,

da werd ich rot und weiß ich nicht so recht, was ich auf deinen liebenswürdigen Kommentar antworten soll ... Freut mich, dass du die Geschichte spannend findest. Dessen war ich mir im Vorfeld nicht sicher, angesichts der IT-Einsprengsel. Ich wollte nichts Krasses schreiben, nicht über Vergewaltigung, ‚nur‘ über kleine Grenzüberschreitungen im normalen Arbeitsalltag.

‚Nachsicht für Anouk, dass sie ihren ganz persönlichen Weg findet, mit dem Ganzen umzugehen‘, schreibst du. Vermutlich meinst du, dass sie davon träumt, wie sie mit Wolf in Korsika am Strand liegt. Ist nicht ganz leicht nachzuvollziehen, oder? ;)

Liebe Grüße
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anne,

finde ich eine tolle Geschichte. Habe sie in einem Rutsch durchgelesen, und ich finde, sie hat einen schönen Zug, ich empfand an keiner Stelle Längen oder ähnliches. Du bleibst bei deinem Thema, hast deine Konflikte zu Beginn, und die bringen mich ganz automatisch dazu, weiterzulesen. Super.

Das Thema ist natürlich brisant - im Endeffekt geht es um #metoo, um die alltägliche sexuelle Belästigung. Was ich in dieser Hinsicht erfrischend fand, war, als der Bisexuelle Jamil (war es glaube ich) genauso angetatscht hat, wie Wolf deine Prot, und dass diese Aktion(en) für Jamil wohl auch sehr ähnliche Folgen hatte, wie es für die Prot hat. Das fand ich einfach originell und hat sehr gut reingepasst, ein kleiner neuer Blick auf die Sache sozusagen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich in dem Augenblick, wo Wolf sie einfach anfasst und die Hand nicht weglegen will und ihr unterschwellig droht, und sie lässt das einfach so über sich geschehen, da hast du schon was in mir ausgelöst. Ich finde das einfach so widerlich, und ich bin tatsächlich geschockt, wie alltäglich solche Erfahrungen für Frauen/Mädchen sein muss, und das hat mich an der ganzen metoo-Debatte wirklich schockiert. Ich nehme dir das voll ab, die Dynamik, die dahintersteht, die Abhängigkeit der Frauen und dass Schweigen als der einfachste Weg gesehen wird. Hat mich auf eine Art echt wütend gemacht, muss ich dir ehrlich sagen, aber auf den Text gerichtet ist das ein Kompliment, weil du etwas in mir ausgelöst hast, und das heißt, dass ich wirklich drinnen war, in der Geschichte.

Deine Figuren finde ich auch alle (bis auf eine Ausnahme) sehr authentisch, das Klima im Büro, der Chef, die Kollegen, das fand ich alles gut und ich hatte es wirklich sehr gut vor Augen. Ich weiß nicht, inwiefern meine Kritik an Wolf jetzt Sinn macht, da ich ein Mann bin und mir aus diesem Grund vielleicht ein vollständiger Zugang oder Einfühlvermögen zur "Dynamik" von einer solchen Belästigung ein Stück weit fehlt - aber kommt das wirklich vor, dass der neue Teamchef in die Konferenz kommt, und nach einer Stunde Meeting fasst er einem einfach so ans Bein, und sagt dann noch: Du wirst nichts sagen. Ich meine, er kennt sie gar nicht wirklich? Was wäre, wenn sich hinter der Frau, die im Meeting eine Stunde relativ ruhig war, eine glühende Feministin verbirgt? Das müsste sich Wolf doch denken - was, wenn sie sofort zum Chef geht, mir eine knallt, mich öffentlich tötet/bloßstellt? Ich dachte mir, dass das Handauflegen, was ich sehr authentisch fand!, vielleicht erst nach einiger Zeit passieren würde? Wenn Wolf praktisch sie so gut kennt, dass er vom Bauchgefühl her denkt, mit der kann ich's machen, die ist schwach. Ich dachte mir, erst dann würde man sich das als Teamchef/Kollege vielleicht wirklich erst trauen. Aber das würde dir deinen Text natürlich ein wenig durcheinander hauen und den Plot verändern, weil die Story ja schon darauf aufbaut, dass sie Wolf erst im Zuge des Projektes kennenlernt. Aber ich hätte es so als organischer wahrgenommen.
Also, schwierig, und wenn du als Frau sagst, nein, das läuft so ab, dann will ich gar nichts dagegen sagen, war bloß mein Gefühl dem gegenüber, wie sich Menschen verhalten.

Habe ich wirklich gerne gelesen, Anne, du machst dich.

Gruß
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Anne, hier kommt ein wenig tough love:

Der Text hat für mein Empfinden eine Reihe von Mängeln und Schwierigkeiten, die von der äußeren Form bis zu inhaltlichen Fragen reichen. Ich bin mir nicht in allen Punkten meiner Textkritik sicher, hoffentlich helfen Dir meine Gedanken trotzdem ein wenig.

1) Sprache

Bei der sprachlichen Gestaltung hast Du eine Menge Luft nach oben. Wenn Du Dich selbst als Anfängerin siehst, ist es okay. Für eine fortgeschrittene Autorin ist zu wenig. Beispiel:

Vielleicht habe ich es in Ulfs Projekt übertrieben. Meine Kompetenzen überschritten. In der Hektik der letzten Wochen habe ich einen Plan aufgestellt und den Softwaretest koordiniert. Sie haben es zugelassen - er und das gesamte Team. Ich habe geglaubt, es funktioniere am besten, wenn ich die wichtigsten Module persönlich prüfe.

Solche Wortwiederholungen unterlaufen mir in Texten immer dann, wenn ich einzelne Sätze korrigiere, einschiebe oder austausche und vergesse den gesamten Ansatz gegenzulesen. Das ist wichtig, denn solche Wiederholungen klingen gar nicht gut.

Kurz vor zehn betrete ich den Meetingraum. Vanessa arrangiert Milch und Zucker neben dem Kaffeeautomaten. Ich wähle einen Platz mit dem Rücken zum Fenster. Aus dem Flur dringen Männerstimmen, kurz darauf kommen sie zu viert in den Raum. Bernd, der Charmeur, umarmt mich wie immer. Sein Dreitagebart kratzt. Meiner Theorie zufolge ist er bi. Ich mag ihn.

Das ist furchtbar. Auch wenn die Frage unfair anmutet: Würdest Du einen Roman lesen, der in dieser Art geschrieben wurde? Wahrscheinlich nicht. Nun ist eine Kurzgeschichte kein Roman, aber traue Dich trotzdem Sätze zu schreiben, die mehr als acht Worte fassen.

Die sprachlichen Fähigkeiten eines Autoren werden unter anderem daran deutlich, wie er mit langen und mittellangen Satzkonstruktionen umgeht. (Leider haben es deutsche Autoren damit in der Vergangenheit übertrieben, aber ich rede auch nicht von Sätzen, die über eine halbe A4-Seite gehen.) Kurze Sätze sind in der Regel für bestimmte Effekte reserviert. Man kann keinen eleganten, kraftvollen Text schreiben, der nur oder hauptsächlich aus kurzen Sätzen besteht, weil die Sprache dann zwangsläufig etwas stakkatohaftes bekommt.

Ein weiteres Problem ist die Dialoglastigkeit Deiner Geschichte. Es liegt in der Natur der Sache, dass es schwierig ist, eine sprachlich anspruchsvolle Geschichte zu schreiben, wenn der größte Teil des Textes aus wörtlicher Rede besteht:

Draußen erwartet mich Vanessa. „Und?"
"Ich brauch erst mal einen Kaffee", murmele ich und schiebe mich an ihr vorbei.
Sie läuft mir hinterher, ich stecke die Kapsel in den Automaten.
„Jetzt sag schon."
„Es ging um Prisma II. Ich soll testen."
„Ach so. Das." Vanessa sieht enttäuscht aus.
Ulf rührt in seinem Kaffeebecher. „Habt ihr das von Wolf gehört?"
„Was ist mit dem?", sagt Bernd. „Ich dachte, der wär jetzt fest in München."
„So wie es aussieht, kommt der zurück." Ulf nimmt einen Schluck. „Ich schätz mal, wegen Prisma II." Er fixiert mich mit zu Schlitzen verengten Augen.
„Wie ist der denn so, der Wolf?", frage ich wie beiläufig. „Ist der nett?"
Für einen Moment wird es still. Vanessa zerknüllt eine Serviette.
„Yoaah", sagt Bernd und geht.

Das klingt nach Chatroom. Nach Literatur klingt es für mich nicht. Das muss aber nichts heißen. Autoren gehen sehr unterschiedliche Wege. Es gibt auf jeden Fall Autoren, die danach streben, einen Text so kunstlos wie irgend möglich zu schreiben. Denn der kunstvoll gedrechselte Stil ist ebenso problematisch wie rigorose Kürzung oder endlose wörtliche Rede. Vielleicht würde Dir einen Mittelweg gefallen, eine Schreibweise in der auch Platz für ein wenig Poesie und Ästhetik ist.

Du verwendest in dieser Geschichte eine relativ saubere Alltagssprache. Wenn Kommentatoren Dir dazu gratulieren, zeigt das nur, dass die Verwendung einer sauberen Alltagssprache beileibe keine selbstverständliche Fähigkeit ist. Auch auf dieser Basisstufe gibt es viel zu üben und zu trainieren. Deshalb sagte ich, dass ich es für den Anfang okay finde. Aber da Du das ja beherrschst, kannst Du Dich nach etwas Anspruchsvollerem umsehen.

2) Inhaltiches

Wenn ich Kubus, Hell und Bas richtig verstanden habe, teile ich eine Menge ihrer Einwände gegen den Text. Ein grundlegendes Problem würde ich so formulieren: Der Text ist zu aktuell. Wenn man sich heute über Jane Austen wundert, deren aristokratische Figuren keinen Schimmer davon zu haben scheinen, dass Europa gerade von Kriegen verwüstet wird, so ist das Gegenteil einer Hyperaktualität genau so problematisch.

Seit Wochen tobt in den Medien dieser Diskurs, egal ob Hollywood (Salma Hayek über Harvey Weinstein "Er war mein Monster"/ Spacey belästigte den Mann einer Prinzessin) oder das britische Parlament (Sex-Skandal im britischen Parlament Pikante Liste: Die Grapscher von Westminster) oder wo auch immer.

Einerseits ist es natürlich verständlich, dass Themen, die hochaktuell sind und die Menschen beschäftigen, in solchen Zeiten auch verstärkt in literarischen Texten auftauchen. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass das häufiger schiefgeht, als dass es funktioniert.

Ein Leser nimmt Deine Geschichte nicht mehr allein als literarischen Text wahr, sondern zwangsläufig auch als Wortmeldung zum aktuellen Diskurs. Und das ist problematisch. Denn dabei kannst Du als Autorin eigentlich nur verlieren. Entweder Du illustrierst in Deiner Geschichte etwas, das innerhalb des Diskurses ohnehin tausendfach vorgetragen wird. (Sexuelle Belästigung ist ethisch verwerflich, denn es gefährdet und zerstört Menschenleben.) Oder Du nimmst eine andere Haltung ein, zeigst Aspekte, die im Diskurs noch nicht zur Sprache gekommen sind usw. Das setzt sehr intensive Beschäftigung mit dem Thema voraus.

Selbst Giganten wie Grass haben sich in Vergangenheit bei dem Versuch verhoben, tagespolitische Themen literarisch befriedigend umzusetzen. Ich lese im Forum ab und zu, man möge eine Geschichte für sich selbst betrachten. Das ist ein frommer Wunsch, aber praktisch eben nicht umzusetzen. Wir schreiben immer hinein in einen gesellschaftlichen Kontext. Und wenn der so aufgeladen ist, wie bei diesem Thema, wird es für eine wirklich berührende Geschichte sehr schwierig.

3) Konstruktion

Wäre Breaking Bad (entschuldige, falls Du den Vergleich unpassend findest) so erfolgreich geworden, wenn Walter White so herumgeiert hätte, wie Deine Anouk? Was ein Leser in der Regel von einer Figur erwartet, hofft, wünscht, ist die Entschlossenheit (im Guten wie im Bösen), zu der er selbst im Alltag meist nicht fähig ist. Natürlich kann man sagen, die Figur (Anouk) ist eben facettenreich, ambivalent, realistisch. Tatsächlich ist sie jedoch vor allem eines: schwach.

Mag sein, dass es Leser gibt, die eine Protagonistin gern auf ihrem gedanklichen Schlingerkurs begleiten, vielleicht spreche ich hier über persönliche Vorlieben. Aber wie war das nochmal mit dem alten Mann auf dem Meer, Don Quijote oder Kapitän Ahab? Haben die Pfefferminztee aufgebrüht und darüber meditiert, was nun zu tun sei? Meine Empfehlung: Lass Deine Figur weniger räsonieren und mehr handeln. Es spielt keine Rolle, ob das, was die Figur tut, ethisch gut oder schlecht ist. Du schreibst keine Anleitung zum moralischen Handeln. Aber bitte lass sie handeln.

Gruß Achillus

 

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