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Wirres Scheuchengebrabbel

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02.11.2001
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Wirres Scheuchengebrabbel

Drüben am Bach kriecht der Nebel.
Ein graues Tier, echsengleich, geduckt. Klauen wie ein Mörder hat es, nass, kalt, nicht von dieser Welt. Das brache Feld klirrt mit dem Eis auf seinen Schollen, hält den Atem zurück vor so viel Frost, vor soviel kalter Unersättlichkeit. Krähen trudeln als Fallobst gegen starre Wolkenwände.
Eine gläserne, erstarrte Revue. Das ist meine Bühne. Ein erfrorener Schlund. Ich bin das Vergessene darin, ohne Lippen, ohne Schrei. Eine an das Herbstlaub erinnernde Mystik in starren Lumpen. Lächerlich geworden.
Hingestellt in einen gähnenden Wintertag, in einen von den vielen im Dezember.

Das heisere Krächzen im Wolkengranit ist alles, das ich gegen die Weite habe, gegen die amorphe Ebene, die sich in eine andere Welt dehnt, irgendwo an der Stelle reißt, die ich als blutleeren Horizont erkenne. Dort ist das Ende der Platte Welt und das Gebirge der Lüge, das sie trägt.
Eure Dörfer, Städte, Trinklöcher. Eure Ehekrisen, Heilanstalten, Kinderkrippen. Eure verdauenden Därme, altersgeilen Schwänze, bitterbösen Träume. Eure nimmermüden Fäuste und euer Glaube an das Gute, obwohl ihr schlecht seid wie die Pest.
Ich hasse euch, weil ihr mich so schändlich vergessen habt, stehen gelassen habt wie einen inzestuösen Bastard, für den ihr euch schämt, nachdem eure Felder abgeerntet waren.
Darum:
Meidet mich, denn es ist schlecht um mich bestellt. Seht mich an, mich erstarrtes Einerlei. Bin ich das jetzt, das ihr gewollt habt? So gewollt, dass ihr mich darüber vergessen konntet? Ich geh’ jetzt los, doch bleibt wo ihr seid, um Gottes Willen und um Jesus Christus Willen, seinen Sohn. Ich finde euch ohne eure flackernden Laternen, ohne eure stumpfen Gebete, die euch so oder so ins Grab bringen werden. Und ich finde euch ohne dem Geschaukel über mir, das ihr Mond nennt. Ich bin das, das euch zur Ernte gereicht hat, abzuschrecken, fernzuhalten hatte, das ihr vor der Ernte mit klingendem Singsang auf die Felder gestellt habt. Ich bin die Scheuche, das Flatterhafte, jetzt der Auswurf. Ich bin der Spiegel, für all die Armseligen dieser Zeit, die sich noch an mir vorbeizuschleppen haben, weil sie in fernen Hütten leben und ohne deren Wärme nichts sind. Alles verkehrt sich. Ich gehe jetzt los. Nicht sehr schnell und doch mit Ziel. Ich bin das, das mit seinem Hauch Eisblumen auf die Fensterscheiben malen kann. Ihr seid das Ziel.
Wer weiß, was noch passiert.

Weiß es jemand?
Iihich...., gellt mir der Wahn ins klappernde Ohrgeschirr. Weil ich erfunden bin, aufgespießt, zusammengeflickt, weggeworfen und zur Schau gestellt wurde von euch. Ich bin vergessen worden hier draußen und höre das Dröhnen eurer Träume in den nackten Wäldern. Euer armseliger Herzschlag ist es, der unter dem Eispanzer sein Dezemberliedchen hämmert und damit meine Haselrutenbeine massiert. Ich sag’ euch was: Es ist nicht fein, dem letzten Erntewagen nachblicken zu müssen, dem letzten Rotzbuben darauf ein Lebewohl nachzugreinen. Ich habe genug gefroren. Stellt euch vor: Die Kälte hat mir den Mut gebracht. Wie ich die Krähen zu lieben gelernt habe in dieser Eiswelt. Komm, krächzendes Fallobst, und hab’ Angst vor meinem Fetzenschädel. Ich stecke so tief in der Haut der Rübenackerreste, dass mir alles vergangen ist. Der Hass auf euch Bestien dagegen ist gekommen.
Ihr müsst wahnsinnig sein, mich hier stehen gelassen zu haben. Mag sein, dass ihr mich dazu geschaffen habt, doch ich hatte lange Nächte Zeit, um dem Nordwind Glauben zu schenken. So geh doch, geh in ihre Träume, hat mich der beweint und nicht aufgehört damit. Wie der Frost jetzt singt und die Balken im Kirchendach zum Knacken bringt.
Ich komme in eure Träume, jawohl, und ihr alle werdet Augen machen.

Aufscheuchen will ich euch hinter euren Öfen, Holzstößen, Herrgottswinkeln. Aus euren Betten und aus den Armen eurer Lieben will ich euch treiben. Hinter euren geschwärzten Fassaden und schon dörrenden Christbäumen werde ich auftauchen und eure Vergesslichkeit verfluchen. Habt ihr einmal, so wie ich es tat, euren Mann, eure Frau gestanden? Oder in den Nächten mit dem Eiswind kopuliert und den Krähen seltsame Geschichten vorgelogen, nur um das zweite Kastanienauge behalten zu dürfen? Was habt ihr euch dabei gedacht, als ihr mich stehen ließet, in diesem Meer aus Kälte und Verzweiflung? Es ist der Ekel vor euch, der mich jetzt zu euch treibt, und meine Angst davor, zu versäumen, was euch hinter löchrigen Schneewällen erwarten wird. Sehen will ich, wenn ihr den Zerfall eurer Liebe beweint, weil euch die Prinzipien abhanden gekommen sind. Dabei sein will ich, wenn ihr die Katzenjungen ertränkt und eure Frau missbraucht, weil euch vor dem bisschen Leben graut, das euch verblieben ist und genau das Grauen es ist, das euch zu ersticken droht. Ihr verschwindet in den Beichtstühlen, um euren Schmutz dort abzuladen. Das habt ihr vor dem großen Fest noch nie vergessen, das habt ihr euch noch nie zu leisten gewagt.
Aber mich vergessen, das konntet ihr. Obwohl ich da draußen alles für euch erledigt hatte. Weil ich ausgedient hatte und ihr mit meiner Nutzlosigkeit nichts mehr anzufangen wusstet. Ihr hättet Platz gehabt in euren Scheunen und ich hatte mir diesen auch verdient. Für euch war wohl danach, als alles eingefahren war und die Scheunen sich bis unters Dach bogen, nichts mehr anzufangen mit mir, hm?

So seid ihr. So ward ihr immer schon.
Menschen eben.
Die Gier soll euch das große Kotzen bescheren, wenn ihr mit übervollen Bäuchen winselnd eure Mägde beschläft. Kriecht euren Peinigern weiter zu Kreuze. Tut es und bleibt weiter auf der Suche nach etwas, das ihr nie finden werdet. Zu mehr als dieser Suche seid ihr nicht fähig, weil ihr euch selbst nie gefunden habt. Ihr habt den Segen der Weihnacht nicht verdient, weil ihr euch immer noch für Götter hält bei all eurem gottlosen Tun. Krepiert in euren Konsumtempeln, im farblosen Geplärre eurer widerlichen Einkaufsmeilen. Stellt euch euren Plastikkrippen und wechselt Josef mit dem Esel aus. Darin seid ihr gut. Versucht euch am Stern von Tschernobyl und lasst den von Bethlehem untergehen. Ihr habt ihn nicht verdient und auch all das Andere nicht.

Ihr hättet mich da draußen nicht vergessen dürfen.
Es war nicht abgemacht.
Meine Wünsche für euch wären bessere geworden, wenn ihr euch für mich entschieden hättet. Ich habe in den Nebeln das Schluchzen gehört. Wer kann das sein, dachte ich, so kurz vor der Weihnacht. Auch etwas wie ich, etwas Vergessenes? Ihr aber seht derweil der Wintersonne beim Blähen zu und begreift gar nichts. Das könnt ihr. Ja. Das Nichtbegreifen wollen ist euch in die Wiege gelegt. Ist nicht so wichtig, dachtet ihr und habt noch lachen können dazu, weil euch der Punsch den Schädel benebelt hat. Ihr lässt euch belügen und benutzen. Ihr wollt den falschen Weihnachtsmännern hinter die Bärte pinkeln, doch ihr habt vergessen, wie das geht. Ihr habt euch zu wehren vergessen, wie ihr mich vergessen habt. Nun, ich werde euch den Abend heilig machen, aber vorher den Bart abnehmen. Ihr sollt euch in meiner ausgepickten Fresse wiedererkennen. Es wird schon gehen, weil ihr nicht die Nerven habt, euch mit mir anzulegen. Ich wurde von euch erschaffen. Das ist es, was euch die Courage nimmt und den Mut, mich zu zerstören. Lasst mich nur machen. Es ist wie ein Krippenspiel, nur spannender.

Wer weiß, was noch passiert.

 

Gegen Ende wurde das Deutsch erträglicher, weniger gearbeitet. So wünschte ich mir den ganzen Text. Denn so stehe ich vor dem Problem, dass ich nicht zum Deuten komme, sondern eigentlich erst mal übrsetzen müsste, was da geschrieben steht. Tu ich´s? Lass ich mich auf die Gefahr ein, mich hinterher belehren lassen zu müssen?

Also es spielt nicht in diesem und auch nicht im 20. Jahrhundert. Es geht um eine vom Menschen geschaffene Vogelscheuche, die bislang nicht in der Lage ist, sich bemerkbar zu machen oder sich gegen ihre Pein zu wehren, kündigt aber an, es bald zu tun und zwar zu Weihnachten in Form des Weihnachtsmannes.

Die Idee, dass eine Vogelscheuche Bewusstsein entwickelt, finde ich schön. Ansonsten abr Ungereimtheiten, dass man seinen Augen kaum traut. Vielleicht sind es Methapern; sie erreichen mich nicht. Mal hingestellt im Winter, mal "losgehend", bleibt aber letztlich an Ort und Stelle, entwickelt kein Eigenleben über das Bewusstsein hinaus.

Dann die Abrechnung mit den Menschen, gierig seien sie, gingen zum Beichtstuhl, später heißt es dann aber auch an Gott hielten sie sich nicht. Kein Text ist gut, wenn er allgemein bleibend gegen Christen wettert und völlig unmotiviert Worte wie Kotzen und dergleichen verwendet. Dann das Unglaubliche: Tschernobyl wird erwähnt und Einkaufsmeilen. Es spielt also doch heute. Dann allerdings muss ich sagen, dass das gezeichnete Menschenbild in keiner Weise getroffen ist. Völlig daneben. Und am Ende dann ist gar nicht mehr verständlich und zuordbar. Plötzlich sind es die Menschen, die Opfer sind, sich benutzen lassen; sie sollen sich selbst in der ausgepickten Fresse erkennen, sie haben nicht die Nerven sich mit ihm anzulegen. Ja warum denn nicht, warum das alles?

Nein, in disem Text sind keine Bezüge zu vorher oder später Gesagtem aufstellbar, nur Widersprüche und Palaver. Dass dies schon mit in die Überschrift genommen wurde, macht es nicht besser! Ist die Scheuche irre geworden, woher weiß sie dann das alles, wie kommt sie zu ihren Bildern und Meinungen?

Schön wäre es gewesen, wenn sie am Ende doch ein Teufelchen, ein Dämon geworden wäre, dann aber bliebe es nicht Opfer. Man könnte sicher was Schönes erzählen, so allerdings nicht.

Und warum glaubt alle Welt, das eine kaputte Sprache eine künstlerische sei. Mit kaputt meine ich hier nicht die Entgleisungen (kotzen), sondern das Gearbeitete; leider nicht genug gearbeitet, denn die Sprache ist weder schön noch rund, außer gegen Ende, wo sie standardsprachlich wird.

... "weil ihr euch immer noch für Götter hält bei all eurem gottlosen Tun" ...


1. haltet

2. immer noch ? hielten sie sich früher auch für Götter?

3. wer gläubig ist, ist nicht selbst ein Gott


Gespannt auf deine Antwort ist ...


Grüße

-S-

 

Sach ma... wat hattest du denn getrunken beim Schreiben???
So kenn ich dich garnicht... das ganze ist so Überladen und hasstriefend, gleichzeitig sich ständig wiederholend und dadurch verwirrend.
Nee, ich glaub, da solltest du nochmal ran.
Die Grundidee ist nämlich nicht schlecht, aber in der Form für mich nicht akzeptabel und ohne bleibende Wirkung.
Sorry, so seh ich das...
Lord

 

Hallo Schriftbild, hallo Lord,

Erst mal vielen Dank, dass ihr euch die Mühe des Lesens gemacht und eine Kritik dazu gepostet habt. Naja, zugegeben, der Text ist nicht Mainstream. Entstanden im Kopf, während der Autofahrt. Draußen nichts als Felder und dann diese eine Vogelscheuche. Ich dachte, dass gibts ja nicht. Das arme Ding haben sie vergessen.
Nun, es ist die eine Sache, zu wissen, dass damit eine Geschichte zu machen ist. Die andere Sache ist die Umsetzung der Idee. Ich habe mich für die schräge Umsetzung dieser Idee entschieden, obwohl daraus sicher auch ein netter romantischer, vorweihnachtlicher Text hätte werden können. Einer, den man als solchen erwartet hätte, einer der "hängen geblieben" wäre und den man leichter "verstanden" hätte. Ich bin sicher, dass solche Texte noch zuhauf eintrudeln werden. Und das ist auch gut so.

Zum Text:
Die Sätze sind fließend, betrachtet man sie aus der "zerpickten Fresse" einer Vogelscheuche. Sie sind in keiner Weise gearbeitet, sie wollen Bilder erzeugen , die hängen bleiben. Gefragt sind Fantasie und ein gutes Auge. Der Zeitrahmen soll dabei keine Rolle spielen, die Gesellschaftskritik hingegen eine große.
Die Umsetzung erscheint euch als nicht gelungen, doch ich bin davon überzeugt. Der Text behandelt die Enttäuschung, die überbleiben kann; eine Enttäuschung, die sich in Hass verwandelt. Es sind einige Metaphern darin verpackt, oder einige links, um dem verständlicheren Neusprechanglizismus gerecht zu werden. Ich verstehe den Text als einen großen Fluch auf die Eingebildetheit der Menschen, ansatzweise auch als Märchen für "Erwachsene". Das Gebrabbel könnte weitere Seiten füllen. Aber ich bin vorbei gegangen und habe das, was davor war und danach kam nicht mehr verstanden. Aber die Scheuche steht noch dort, ich kann euch hinführen.

Pfadfinderehrenwort, Lord, ich habe während des Schreibens Kamillentee getrunken.

Liebe Grüße an euch - Aqua

 

Oh - eine Aquageschichte! Was ist passiert, dass sie abgeht auf Seite 2 ohne mindestens ein dutzend Kritiken und Lobeshymnen bekommen zu haben :rolleyes: ?

Und ... ich wusste gar nicht, dass man auch über Vogelscheuchen schreiben kann *hehe*!

Ich persönlich kann leider mit der Geschichte (Wie ja so oft *seufz*) nichts anfangen. Die Vogelscheuche ist als Person sowas von ohne Seele, dass ich mir auch nach Deiner Geschichte kaum Gedanken über ihr Seelenheil machen kann.
Erzählerisch ist es natürlich wieder voll Dein Stil. Schwer, metaphorisch geladen und gekonnt sauber *smile*!

Einen Lieblingssatz habe ich auch gefunden!!!

den Krähen seltsame Geschichten vorgelogen, nur um das zweite Kastanienauge behalten zu dürfen?

*hehe*!

Tut mir leid Aqua

Bis dann

Barde

 

Hallo Barde,

freut mich sehr, von dir zu hören. Da ich ja immer ziemlich scharf auf Reaktionen bin, gehen die wenigen Reaktionen der LeserInnen diesmal auch völlig in Ordnung. Ich glaube, dass meine schrägen Textgestaltungen manch einen ziemlich fragend zurücklassen. Wahrscheinlich bin ich damit auch zu anstrengend unterwegs. Wie auch immer.
Schreiben ist ein Handwerk mit viel Fantasie und alles ist möglich.

Liebe Grüße an dich - Aqua

 

Hey Aqua, jetz schreib ich Dir doch zurück. ;)

Ziemlich skurriler Text diesmal.Viele Formulierungen gefallen mir gut in ihrer Bildhaftigkeit, gewaltige Sprache, nur sit mir der Text diesmal irgendwie zu "wirr" - der Titel ist also auch gerechtfertigt. ;)
Und viel Fantasie ist drinnen, das merkt man. DIese Abwarten, was noch passiert, aht irgendwie einen lauernden Charakter, und bei einer Vogescheuche wirkt es irgendiwe rührend, meiner Meinung nach... :shy:

liebe Grüße
Anne

 

Mäuslein, Mäuslein....

du hast Mitleid mit mir und das finde ich wunderbar. Hast dir wohl gedacht ,den Text vom alten Aqua lass' ich nicht so stehen, wie die es mit der Vogelscheuche getan haben'. Muss sagen, das tut außerordentlich gut.
Ein Geheimnis verrate ich nun doch: Das Schluchzen am Bach kommt vom Christkind. Jippieh, also doch eine Weihnachtsgeschichte....
Der Himmel riecht nach Schnee, Maus. Ich muß schauen, dass ich ein warmes Plätzchen finde, wegen dem Frieren draußen.

Liebe Grüße an dich - Aqua

 

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