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Windschattenjahre

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19.05.2015
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Windschattenjahre

Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte, während Sturzbäche auf den Asphalt krachten, Neonblitze den Tag erhellten und die Menschen in die Häuser flohen.

Ich stieg triefnass die Treppen hoch, hörte dem Holz zu, das unter den Schuhsohlen ächzte, kam im vierten Stock an, schnaufte aus, freute mich über das satte Klicken der Tür und schlüpfte in das Dachwohnungsnest, das wir damals bewohnten. Ich schnüffelte durch den Flur und roch sie nicht mehr, ließ die Stille langsam in mich sickern. Der Apfelduft des Reinigungsmittels schlug mir entgegen, darunter war nichts, kein Menschenhauch, kein Georgia-Parfüm. Die Kissen, die Decke lagen sauber gefaltet auf dem Bett, der Küchentisch blitzte wie eine leergefegte Insel, auf der Kommode stand die Vase mit den bunten Blumen, die ich gestern mitgebracht hatte. Die Zettel fehlten, die Haarbänder, das Porzellanblumenschälchen, in das sie Uhr und Schmuck legte, wenn sie heimkam. In den Schränken lachten mir Kleiderbügel entgegen, verhöhnten mich. Ich zögerte, begriff, riss Schubladen auf und wünschte mir, einen der Hauchzartstrings zu finden, durchsichtig, schimmernde Haut darunter, die pulsierende Hitze ihrer Haut. Dann setzte ich mich auf die Bettkante und schloss die Augen.
Ich nahm das Handy, streichelte über das Display, suchte, wartete auf eine Verbindung, erfuhr, dass der Teilnehmer nicht erreichbar sei. Schließlich öffnete ich den Ordner mit den Fotos, blätterte durch die Bilder, schaute manche lange an, stellte mir ihre Haare, ihre Haut vor, löschte jedes einzelne, verwischte die Spuren und versteckte Georgia, sperrte sie weg. Dann nahm ich eine Glückspille und schlief ohne Traum.

„Du bist ekelhaft, ein kalter Egoist, der an nichts als seinen miesen Geschäften interessiert ist“, hatte Georgia gesagt. Die Worte vergaß ich nicht, schließlich verließ mich ihre Kaminfeuerstimme.

***

Ich dachte, dass alles anders wäre, wenn ich mich von Karl befreite. Weil ich ihn so sehr liebte, dass nichts von mir übrigblieb. Jeden Tag fieberte ich darauf hin, ihn zu sehen, um ihn zu streicheln, ihn zu spüren und zu lieben. Ihm war’s egal, er bemerkte es nicht. Seine Gleichgültigkeit, die Kälte, die von ihm ausging, fraß mein Herz auf. Er konnte stundenlang über die Verwicklungen seiner Geschäfte sprechen, chinesische, südamerikanische Aktien, Derivate, Investments, die er sich ausgedacht hatte. Ich hörte zu, starrte in seine glühenden Augen, war eifersüchtig auf die Begeisterung, die ihn packte, die Gesten, die einen Dirigenten vor einem großen Orchester zeigten. Wenn ich von mir, den Schülern, denen ich Italienisch beibrachte, meinem Kinderwunsch erzählte, zuckte Karl, erstarrte, öffnete eine Flasche Wein und wartete darauf, dass meine Worte versickerten.

Ich ging, ohne eine Spur zu hinterlassen, anders war’s nicht möglich. Seither sind fast zehn Jahre vergangen, zu viel Zeit, um es für einen Wimpernschlag zu halten. Ich hatte einen Mann. Ich hatte ein Kind, weggestorben, noch bevor es zur Welt kam. Ich stelle es mir als Engel vor und finde es manchmal oben am Himmel. Dann bin ich nach Italien zurück, in den Staatsdienst eingetreten, pendle jetzt zwischen Rom und Catania. Ab und zu treffe ich mich mit Männern, was soll man machen, wenn man allein ist. Meine Eltern wohnen nicht weit von mir. Ich liebe sie.

Da war dieser Urlaub, als ich Karl meine Heimat zeigen wollte. Sizilien glänzt am schönsten, wenn die Wüstenglut aus der Sahara herüberweht, die Insel gefangen nimmt und in einen Dämmerzustand versetzt, die Menschen trunken von der Sonne den Schatten suchen, in kühlen, abgedunkelten Räumen die Tage verdämmern. Karl und ich verbrachten die Zeit zwischen Kissen und Decken, die wir nie aufschüttelten, die vom Liebesschweiß durchtränkt waren, mit fröhlichen Abenden in der Trattoria, bei Tanten und Onkeln, berauscht vom Wein und in den Nächten mit den schamlosesten Zärtlichkeiten. Wir schafften es nicht, zum Ätna hochzufahren, zum Gipfel zu wandern und den Vulkan zu spüren, der die ganze Gegend prägt, schoben den Ausflug immer weiter vor uns her, bis uns keine Zeit mehr blieb.
Wir saßen beim Frühstück, rührten im Espresso, nippten daran, eine Welle heißer Luft drang von draußen herein, als ich den Laden zurückschlug und das Fenster einen Spalt öffnete.

„Ich glaube, der Ätna will uns nicht. Heute wird’s auch nichts mit dem Gipfelausflug“, sagte ich und streichelte seinen Oberkörper. Karl schaute kurz nach draußen und sagte leise, ohne dass er den Blick vom Horizont abwandte: „Weißt du, was wir machen? Wenn wir uns je verlieren, egal, was passiert, treffen wir uns heute in zehn Jahren, am 25.Juli, 16 Uhr, oben auf dem Ätna, am Hauptkrater.
„Und was, wenn wir Kinder haben?“, fragte ich.
„Dann nehmen wir sie mit.“
„Einverstanden.“
„Versprichst du mir das? Egal, was passiert?“
„Ja, ganz egal, was passiert.“

Danach küsste er mich und ich spürte eine Erleichterung, als hätten wir uns dadurch Ewigkeit verschafft.

***

Ich bestelle ein Taxi, das mich zum Commerzbankturm bringt, obwohl ich vom Westend aus hinlaufen könnte. Bevor ich ihnen entgegentrete, erleichtere ich mich auf den Vorstandstoiletten des 49. Stocks, ziehe an dem Zipper, spritze gegen das Porzellan und blicke auf die Stadt, die sich vor mir ausbreitet. Urinal ist an der Außenwand des Gebäudes angebracht, darüber ein Panoramafenster. Ich betrachte die Dächer der Kaufhäuser, die Ameisenmenschen in Sommerkleidern, atme tief durch, obwohl der Strahl, den ich gegen das Porzellan spritze, sie nicht trifft, bemerke Krähen, die in Höhe des Aussichtspunktes segeln, als spielten sie mit der Luft, als genössen sie es, sich fallen zu lassen und wieder aufzusteigen. Vielleicht planen sie ein Picknick ganz oben auf dem Turm, dort, wo die Vorstände nicht mehr hinkommen.

Ich komme gleichzeitig mit den anderen zum Besprechungsraum. Reimer weist zur Tür und lässt mir den Vortritt. Seine beiden Assistenten zeigen ihr Harvard-Uni-Sankt-Gallen-Grinsen und tragen Aktenpapiermäppchen. Alle drei setzen sich mir gegenüber. Ihre Rasierwasserdüfte wehen als Kräuterteemischung zu mir.
„Wir haben unser Engagement geprüft und eine Entscheidung getroffen, Karl, wir steigen aus. Ich kann’s nicht mehr verantworten, leider. Cum-Ex-Geschäfte, Sojabohnenpreise, soll ich dir alles auflisten? Völlig undurchsichtig, was du machst. Bis Ende des Monats muss die Einlage wieder bei uns sein!“

Die Kerle neben ihm lächeln. Reimer schaut mich zum ersten Mal an, faltet die Hände, als wolle er beten, lugt unter der Brille hervor und zeigt mir Ich-kann-nichts-mehr-für-dich-machen-ich-hab-das-nicht-alleine-entschieden-Augen.
„Wir kommen bestimmt irgendwann wieder ins Geschäft,“ sagt er aus dem Off.
Die Maschine in mir rattert, zerkleinert die Wut zu Brei, ich wappne mich, nehme Haltung an.
Ein wohliges Sausen fließt mir durch den Bauch, als ich den Turm hinabschwebe, als wäre ich eine der Krähen, die an der Glasfassade vorbeigeflogen sind. Es gibt eine Lösung, über die ich schon lange nachgedacht habe. Heute ist der 21. Juli.


Im Club wummern Beats, bedrängen und penetrieren mich, wabern im Bauch. Ich spüre die Hitze der wogenden Körper, die Lichtkugelblicke, die sich ins Nichts richten, die Barrieren, mit denen wir uns umgeben. Wodka hetzt durch meine Kehle und ich lasse mich von Traumbildern treiben, die vor meinen Augen entstehen, Fantasiegebilden, Dämonenfratzen, Engeln. Ein Kerl tanzt eine Feenschönheit an, Haare umhüllen die Gestalt bis zu den Beinen, pechschwarze Seide fließt über ihren Rücken. Ich beobachte ihre Bewegungen, die sich wiegenden Hüften, stelle mir ihre Küsse vor, bis ein Mann im Blickfeld auftaucht, seinen Rhythmus ihrem anpasst, sie auf einer Woge reiten und ich die Teufelsfratze des Kerls wahrnehme, die mich angrinst, ein rotes Blutgesicht mit Hörnern und Gletscheraugen. Am nächsten Morgen wirbeln Wodkastürme in meinem Kopf, die Satansaugen verfolgen mich, der faulige Geschmack im Mund lässt sich nicht beseitigen. Die Bettdecke fühlt sich kühl an, das Hämmern lässt nach, als ich die doppelte Pillenportion genommen habe. Ich wundere mich, dass ich mich in meiner eigenen Wohnung wiederfinde. Der Rothko an der Wand gegenüber dem Bett, die roten aufgerauten Flächen rotieren und zeigen mir die grinsenden Teufelsfratzen aus dem Club.

Der Jahrestag rückt näher, die zehn Jahre sind vorbei, die Verabredung auf Sizilien, die Georgia bestimmt vergessen hat. Ich werde hinfliegen, egal, ob ich sie dort vorfinde, oder nicht. Ich durchstöbere das Gedächtnis, denke an sie, an die Luftzeit, die Frühlingsglückstage, die Nächte, in denen das Aufwachen ebenso schön wie das Einschlafen war, weil ich ihrem Atem lauschen konnte und an die Schuld, die ich auf mich geladen, das Leid, das ich ihr angetan habe. Ein paar Tage noch, viel Zeit, wenig Zeit, je nachdem. Ich buche Tickets nach New York, Catania, Acapulco.

***

Das Smartphone vibriert, obwohl ich es lautlos gestellt habe, verlangt volle Aufmerksamkeit, tanzt, schwebt über die Tischplatte, Millimeter nur, aber so aufgeregt, als wäre es ein Wesen, das zu schreien und weinen vermag. Der Anruf kommt von der Dienststelle in Rom, unterbricht die Stille des Sommerurlaubs mit der Nachricht, auf die ich gewartet habe. „Der Drache ist unterwegs, er fliegt nach New York und anschließend nach Catania. Die Maschine landet am 25. Juli frühmorgens.“ Drache. Den Codenamen habe ich ausgewählt. Für mich war er einer, feuerspeiend, schuppig, mit meterdicker Haut, die sich rau und kalt anfühlte, mit Dornen und Stacheln, Augen, die mich verzehren, töten konnten, mit der Kraft zu zerstören und jeden zu beschützen, der zu ihm gehört. Sein Drachenwesen hatte ich vor allem anderen geliebt, die Fähigkeit zu Grausamkeit und größter Zärtlichkeit zugleich, die Kraft, die in ihm steckte. Und doch hörte ich sein Drachenherz nicht pochen, als ich es am meisten brauchte, Wut, Angst, Enttäuschung zerfetzten und verwirrten mich. Deshalb hinterließ ich damals keine Spuren.

Wir spazierten am Main entlang, hielten uns an der Hand, beobachteten die anderen Pärchen, einige, die miteinander schwiegen, andere, die sich ineinander vertieften, gestikulierten, diskutierten, Familien mit Hunden und Kinderwagen. Der Frühling erfüllte die Luft mit Zwitschern. Wir setzten uns zwischen die Leute ans Ufer, die Bier tranken, rauchten und Musik hörten. Ich wusste, dass ich es ihm sagen musste, es nicht mehr aufschieben konnte.

„Ich hab ein Geheimnis, Karl.“
„Erzählst du’s mir?“
„Dann wär’s kein Geheimnis mehr.“
„Warum hast du davon angefangen, wenn du’s nicht erzählen willst?“
„Weil’s dich auch betrifft.“
Karl stand auf, fuchtelte mit den Händen, lachte, lief zum Main, zeigte zum Wasser.
„Wenn ich reinspringe und zur anderen Seite schwimme, sagst du's mir dann?“
„Nein, du Spinner!“
Er zog sich das Shirt über den Kopf, die Schuhe aus, nestelte an der Hose.
„Ich kann auch nackt rüber schwimmen. Außerdem nehme ich dich mit.“
Er umarmte mich, steckte mir die Zunge in den Mund, wollte mir das Top abstreifen.
„Nein, ich sag’s dir nicht.“
„Komm schon!“
Dann küsste er den Hals, den Bauchnabel, drückte mich an sich.
„Okay, ich sag’s dir. Ich bin schwanger.“
Er setzte sich auf, starrte auf die Silhouette der Stadt, den Kaiserdom, die Türme.
„Was? Bist du sicher?“
„Ja, gestern war ich beim Frauenarzt.“
„Von wem ist es?“
Ich nehme erst gar nicht wahr, was er da sagt.
„Warum fragst du das?“
„Na ja, muss ich doch wissen.“
„Ich denke von dir, ja, wahrscheinlich von dir!“, schleudre ich ihm ins Gesicht.
„Willst du’s behalten?“
Ich stehe auf und laufe davon, drehe mich nicht um. Er kommt mir nicht hinterher.

***

Im Spiegel sehe ich morgens einen Kerl mit Welteroberungslächeln, ein Fürst, ein König mit Satansgesicht. Selbst die Krone deutet sich über den wirren Schattenhaaren an. Die weißen Barthärchen, die Warze neben der Nase, die Furchen auf der Stirn, existieren nicht, waren nie vorhanden, weil ich es nicht wollte, ich, der Gott meiner Welt. Der Rasierer kreischt wie Kreide auf einer Schultafel. Danach streichle ich die weiche Haut und stelle mir die feine Georgia-Klavierhand vor, die mit den Fingerspitzen über meine Wangen haucht. Es kommt mir vor, als hätte es nach ihr keine anderen gegeben, nichts als aneinandergereihte Abenteuer.

Die Maschine hebt ab, steigt auf. Ich bin bereit, die Dämonen zu besiegen. Ich lehne mich im Businessclass-Seat zurück. Als der Anflug auf New York beginnt, habe ich eine Menge Transaktionen erledigt, Geld verscharrt, Mails losgejagt und den Akku des IPhones wundgewhatsappt. Auf dem Weg zum Hotel betrachte ich die Menschen auf den Gehsteigen, die Bettler mit umgehängten Schildern, auf denen ihr Schicksal verzeichnet ist, die Frauen mit Nylonbeinen, die sich gegen die Hitze stemmen, in Ich-bin-auf-dem-Weg-nach-oben-Kostümen, die Männer in Businessjeans, Karriereanzügen, die Laptoptaschen geschultert wie Waffen. Ich werde die Einladung zum Galageburtstagsempfang mit einem Besuch bei Jerzy verbinden, um die Zukunft zu regeln.

Hill hält das Champagnerglas wie eine vorwurfsvolle Aufforderung und begutachtet mit Gefrierpunktaugen die Eintreffenden im Lüstersaal des Ritz.
„Da bist du ja, Karl! Ich habe schon auf dich gewartet.“
Ich lächle. Betrunken grinst Hill wie Mickymaus. Eine Hand reicht mir ein Glas Champagner. Als ich die Lichtaugen der farbigen Dienerin sehe, die Marmorfigur, die sie in eine Göttin verwandelt, senke ich den Blick.
„Die Kleine ist scharf, oder? Wusste gar nicht, dass du auf was Exotisches stehst.“
Ich starre Löcher in die Luft, sage nichts.
„Ich kann dir die Nummer von ihr besorgen.“
„Du bist so ein Scheißkerl“, zische ich Hill an.
„Ach übrigens. Ich habe da was gehört, paar Leute haben dich im Visier.“ Er lacht Tränen und wendet sich ab, um sich mit den neu Eintreffenden zu beschäftigen.
Stimmengewirr schlägt mir entgegen, als ich mich weiter in den Saal bewege. Das Licht der Kronleuchter jagt Blitze durch den Raum, beugt sich und stößt auf die Clowns-, die Karnevalsgesichter der Gäste. Ich bleibe bei den Schroeders stehen, Klienten, die ich seit Jahren berate, wichtige Leute, wohlhabend, einflussreich, begieße Helene mit Komplimenten über ihre makellos gestraffte Kunstfigur, das knallrote Understatement ihres 10.000 $ Chanel-Kostüms und spule ohne nachzudenken Roboter-Formelsätze ab. Die Schroeders freuen sich und versprechen mir eine sechsstellige Summe, die ich für sie anlegen soll, völlig unwichtig, weil ich in ein paar Tagen eine Schattengestalt sein werde, so wie die Göttin, die mir das Glas Champagner gereicht hat. Ich schleiche mich nach einer Stunde aus dem Saal.

***

Sie zeigen mir Fotos, Videosequenzen an der Sicherheitsschleuse in New York. Ich versichere ihnen, dass er es ist, schaue sie mir genau an, suche nach den Augen, bemerke, wie gebückt er geht, welche Last auf den Schultern liegt, denselben weggetretenen Gesichtsausdruck, mit dem er mich damals angeschaut hatte, als er mit mir in die Klinik ging. Wir schwiegen, zwischen uns spürte ich einen Graben, den wir nicht überwinden konnten. Ich hörte dem Arzt zu, der mich fragte, ob ich den Eingriff wirklich ohne Vollnarkose über mich ergehen lassen wolle. Eine Krankenschwester spreizte die Beine. Der Doktor hatte graue Haare, graue Augen und riss mir den Leib mit einem Gerät auf, das sich wie ein Schwert anfühlte, erklärte mir, dass er jetzt die Spritze setzen würde, ein kleiner Stich, mehr nicht, sagte er und dass er das Wesen, das noch gar keins war, aus mir heraussaugen werde, sobald das Mittel wirke und dass dann alles vorbei sei. Ich blickte in mich, sah das Baby, ein Mädchen, so hübsch und zart, atmete schneller, wollte weinen, rufen, schaffte es nicht und zog mich tief in mich zurück, wollte es einfach geschehen lassen.

Schreie lösten die Erstarrung. Plötzlich stand Karl neben dem Bett, brüllte, redete auf den Arzt ein, wollte stoppen, was schon vorüber war. In einem Eimer, das mein Blut aufgefangen hatte, lag es. Karl weinte, schluchzte wie ein Kind und nahm mich in die Arme. Ich hatte ihn nie zuvor weinen sehen.

***

Jerzy treffe ich in einer Bar an der 45. Er trägt Jeans, Psychedelic-Shirt und Baseballcap, dazu feinste Nubuklederstiefel, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.

„Was gibt’s, Kumpel? Du warst erst vor drei Wochen hier.“
„Ist dringend.“
„Ja? Siehst mies aus, Karl.“
„Hab ne Menge Ärger am Hals.“
„Und jetzt?“
„Weißt du noch, was ich dir damals in der Hütte an deinem scheiß masurischen See gesagt habe? Wenn’s zu heiß wird, hör ich auf, verschwinde ich einfach. Wozu habe ich mir sonst in Acapulco ein Strandhaus gekauft?“
„Das ist kein scheiß masurischer See! Der See heißt Sniardwy! Du verträgst keinen polnischen Wodka, Mann, das ist alles.“
„Ihr panscht das Zeug auch!“
„He Karl, ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht auf die Wichser mit den dicken Brieftaschen einlassen sollst. Bringt kein Glück. Hab ich das gesagt, oder nicht?“
„Hast du.“
„Und jetzt soll ich dir aus der Scheiße helfen, was?“
„Kann man so sagen.“
„Okay. Und wie?“
„Du jagst alles, was ich habe mitsamt dem Kapital der Kunden, so oft über den Globus und durch die Cloud, dass am Ende keiner weiß, wo ich mit dem Geld bin.“
„Walpurgisnacht, yea!“
„Schaffst du das?“
„Mm, vielleicht, ja, Mann, kann klappen.“
„Du bist der beste, Jerzy, wusste ich immer. Wie lange brauchst du?“
„Muss ich vorbereiten, ist nicht so einfach. Ein paar Wochen schätzungsweise.“
„Drei, maximal, vier Tage, mehr Zeit habe ich nicht.“
„Du bist wahnsinnig, Karl!“
„Stimmt!“
„Okay. Legen wir los. Was machst du so lange?“
„Ich fliege nach Catania und dann nach Acapulco.“
„Nettes Programm. Was machst du in Catania?“
„Georgia treffen, ich hab dir von ihr erzählt.“
„Du bist komplett verrückt.“

Mir bleibt noch etwas Zeit, bevor der Flieger nach Italien startet. Ich lasse mich nach Ellis Island fahren, weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, vom Kranz der Freiheitsstatue aus über die Stadt zu schauen und dort Handy und SIM-Karte luftzubegraben. Als ich ankomme, lese ich auf einem Schild, dass man seit 9/11 nicht mehr hochdarf, Brandschutz, viel zu gefährlich. Die Fahrt zum Empire State Building dauert zu lange, also werfe ich mein Smartphone samt Inhalt in einen Container und trinke an der Bude mit den Souvenirs einen Kaffee, der nach Suppe schmeckt. Ein sanfter Wind schickt mir Seeluft in die Nase und ich beobachte die kreisenden Möwen, die ihre Kinderlaute ausstoßen.

***

Ich frage mich, ob Karl sich wie damals über den Kopf streichen wird, als könne er seine Gedanken dadurch ordnen, ob er nach Zedern und Leder riecht, nach Milch und Schokolade schmeckt, ob er die Muskeln unter der Babyhaut noch anspannen kann, die Stimme fest und wie ein Lied klingt, in seinen Augen noch das lodernde Feuer wohnt, ob er noch küssen kann, als wolle er mich verbrennen, mich in sich schlingen, wärmen, nie mehr loslassen, ob seine Stimme sich immer noch überschlägt, wenn ihn etwas empört, ob er kurz vorm Orgasmus leise Schreie ausstößt, als wäre er ein Vogel, ein Drache, der seine Beute packt.

Wir lassen Catania hinter uns, nach oben, dem Ätna entgegen. Der Lärm der Stadt verrauscht, je weiter wir uns von ihr entfernen, die Luft atmet sich anders, Teer, verrotteter Müll und der verwirrende Geruch der Bewohner, ihr Schweiß und ihre Parfums verflüchtigen sich, der Duft von Wildblumen und Kräutern, Korkeichen und Johannisbrotbäumen breitet sich aus, der Vulkan, seine wütende Hitze, Schwefel mischen sich darunter, fühlen sich wie Heimat, wie eine lächelnde Kindheit an. Giuseppe schweigt und summt ein Lied, das ich nicht kenne, während er gemächlich die Serpentinen hochfährt. Als junger Mann wollte er Künstler werden, mindestens ein Michelangelo, verbrachte die Jugend in Rom, Turin und Florenz, erzählte mir meine Mutter mit einem Blick, als ob sie einst in ihn verliebt gewesen wäre. Seit ich denken kann, führt er Leute auf den Ätna, liebt den Vulkan und malt ihn heimlich, wie man sich erzählt.

***

Je näher ich Georgia komme, desto klarer wird ihr Bild, als ob sie aus dem Schattenengel, dem pastellfarbenen Gemälde, auf dem ich sie abgebildet habe, in die Wirklichkeit gelangen könnte. Ich schließe die Augen und spüre ihre Apfelsinenwangen, sehe sie vor mir in Grazienhaltung, das Gewicht auf ein Bein verlagert, höre die Georgia-Stimme und schmecke ihre Vanillezunge, wie sie mich überfällt, kitzelt, über alle Maße erregt und mich vollständig verschlingt. Ihre Nähe hat sich immer wie Heimat angefühlt, wie Familie, Zuhause, Ewigkeit, vielleicht weil sie ihre Eltern nicht kannte, als Pflegekind aufwuchs, so wie ich auch, nur dass meine Pflegeeltern in ihrem Wagen verbrannt sind, als ich gerade 18 war. Nach ihrem Verschwinden richtete ich mich in dem ein, was man so Leben nennt, ließ die Zeit verstreichen, amüsierte mich und liebte, was mir Geld brachte.

Der Kerl, die mich zum Krater bringen soll, der ‚leader del vulcano’, wie er sich selbst nennt, heißt Emilio, entpuppt sich als Klischee-Italiener, bewegt sich o-beinig, hat eine olivenölgegelte Frisur und eine Ich-krieg-euch-alle-Statur. Ich habe ihn während des Fluges online geordert. Er holt mich am Flughafen ab. Ich will vor ihr oben sein, wenn sie denn kommt. Der GLK klettert Woge um Woge, Kurve um Kurve nach oben. Der Druck in meinen Ohren nimmt zu, während ich mich an die Hitzetage erinnere, die ich mit Georgia auf der Insel verbracht habe. Wir fahren an Dörfern vorbei, die staubig, unberührt, menschenfeindlich wirken, dann durch Baumsiedlungen, Wälder, die seltsam dunkel aussehen, als hätten sie etwas zu verbergen. Als wir sie hinter uns lassen, sehe ich den Vulkan, rauchüberzogen, von Wolken umkränzt. Emilio erklärt mir, dass ein Sturm aufkommen könnte. Wir müssten schnell nach oben, bevor das Wetter umschlüge. Als ich genauer hinsehe, überspannt Zauberleuchten den Berg, als wäre er die Behausung von Dämonen und Feen. Wir kommen zu einem Hochplateau, wo Emilio den Wagen abstellt. Ein scharfer Wind umtobt mich, als wir aussteigen. Er könne mich zu einem der Krater bringen, höre ich ihn sagen. Meine Gedanken irrlichtern, weil ich nicht weiß, an welchem ich Georgia finde. Wir steigen aus, während ich darüber nachdenke, Staub über mein Gesicht jagt und Schwefel in meine Nase dringt. Mir fällt ein, dass die Kopfschmerzen verschwunden sind. Ich suche den Horizont ab und entdecke die Teufelsgesichter, die ich erwartet habe. Ich bin viel zu früh dran, müsste Stunden auf sie warten, ohne zu wissen, wo. Emilio bringt mich zum nächstgelegenen Schlund, aus dem mir Rauch und Gestank entgegenschlägt, sonst nichts, obwohl mich nach vorne beuge, die Hölle in der Tiefe suche. Im Nebel suche ich vergeblich nach Gesichtern. Wir kehren um, sperren das Pfeifen und Wüten des Vulkans aus, als wir die Autotüren schließen. Ich nenne Emilio die Adresse, wo er mich hinbringen soll.

***

„Da braut sich was zusammen“, sagt Giuseppe und deutet nach oben. Rauch steigt vom Krater zum Himmel. Wolken zeigen sich, dunkel, bedrohlich, Wind kommt auf, bläst uns entgegen, als wolle er mit uns spielen, pfeift durch die geöffneten Fenster. Mein Blick wandert am Horizont entlang. Ich fühle mich ganz leicht, als könne ich fliegen. Mein Bauch summt, obwohl die Wolken wie Hexengesichter aussehen. Ich schalte das Handy aus.
„Wo sind die anderen?“, frage ich ihn.
„Postieren sich längst.“
„Dann fahr mich bitte nach Hause, Giuseppe.“
„Und die anderen?“
„Die kommen schon zurecht.“

***

Am Straßenrand wachsen Maulbeerbäume. Ich setze mich in ein Café, bestelle Cassata, trinke Limoncello und Mokka. Zauberleichtigkeit bemächtigt sich meiner, Schattenzeit verstreicht, ohne dass ich es bemerke. Ein Geländewagen hält auf der anderen Straßenseite. Ich erkenne Georgia an den Engelsbewegungen und gehe ihr entgegen.

***

Karl wischt sich über den Kopf und kommt zu mir, sieht müde aus, als habe er jahrelang nicht geschlafen, die Haut glänzt babyweich, das T-Shirt flattert wie eine Fahne und er weint Drachentränen, zarte, große Tropfen, die auf den trockenen Boden fallen wie Geschosse. Ich streichle seine Wangen, will feststellen, ob er echt ist.

„Ich war oben am Krater“, sagt Karl.
„Jetzt bist du hier", sage ich.

 

Lieber Ernst

Ich denke, ich werde auf die überarbeitete Fassung warten, Ise, denn gegen Ende zu hast du wirklich ein bisschen geschusselt, kommt mir vor:
ausgewartet, fertig, bin ich froh drum:Pfeif:

im Übrigen heißen sie nicht alle irgendwie Giovanni?:D

 
Zuletzt bearbeitet:

Also schon in der ursprünglichen Fassung hat mir die Geschichte wirklich gut gefallen, Ise. Vor allem sprachlich. Für mein Gefühl entwickelst du mehr und mehr eine ganz eigenständige, unverkennbare Erzählsprache.

Kaminfeuerstimme
Gletscheraugen
Gefrierpunktaugen
Lichtaugen
Schattenhaare
usw.

Diese … öhm, Nominalkomposita sind ja schon beinahe so was wie ein Markenzeichen von dir. :D
In den meisten Fällen funktionieren diese Wortschöpfungen für mein Gefühl auch recht gut, da kommen zum Teil wirklich hübsche (und aussagekräftige) Wörter raus.
Nur übertreibst du’s halt manchmal, kommt mir vor. Hier zum Beispiel:

Zahnpastawelteroberungslächeln
Welteroberungslächeln alleine würde mir echt gefallen. Das Zahnpastalächeln hingegen ist halt schon ein schrecklich abgenutzter Begriff, musst du zugeben, und die Kombination aus beiden klingt ein bisschen … na ja, ein bisschen dings halt, finde ich, zumal man da durchaus auch eine Zahnpastawelt, die es zu erobern gilt, herauslesen kann, wenn man’s drauf anlegt.

Überhaupt ist es genau diese (überschäumende) Sprachkreativität, die - gepaart mit deiner typischen Schlampigkeit - jede Menge Gefahren birgt und dich bisweilen schrecklich in deinen Satzkonstruktionen verheddern lässt. (Ein paar Beispiele dazu weiter unten.)
Davor aber noch ein paar … äh, Schlampigkeiten, die mir aufgefalllen sind:

blätterte durch die Bilder, […], löschte jedes Einzelne [einzelne]

schließlich waren sie das letzte, was ich von ihrer Kaminfeuerstimme gehört habe
Das Perfekt passt mir hier gar nicht.

Ich dachte, dass alles anders ist, wenn ich mich von Karl befreit habe.
Und hier würde ich den Konjunktiv verwenden. Dadurch könntest du auch die Wiederholung des Hilfsverbs im folgenden Satz vermeiden:

Weil ich ihn so sehr geliebt habe, dass nichts von mir übrigblieb.
Wobei ich hier statt des Perfekts sowieso das Präteritum (bzw. das PQP) besser fände.

als ich den Turm herabschwebe,
Strenggenommen ist das ein Perspektivfehler, weil Karl ja nur aus Sicht eines Beobachters, der unten ist, herabschweben könnte. Aus seiner eigenen Sicht kann er selbstverständlich nur hinabschweben, capisce?
(Wobei sich die missbräuchliche Verwendung von hin und her umgangssprachlich immer mehr verbreitet - ebenso wie die von scheinbar anstatt anscheinend - es also quasi einem Kampf gegen Windmühlen gleichkommt, das überhaupt noch zu beanstanden. Aber egal, solange es sich für mich falsch anhört, werde ich es auch als Fehler bezeichnen.)

Der Rothko an der Wand gegenüber dem Bett, die roten aufgerauten Flächen, rotieren und zeigen
Sollten sich die Verben auf die Flächen beziehen, müsste das Komma hinter Flächen weg, wenn sie sich hingegen auf den Rothko beziehen sollen, stimmt die Pluralform der Verben nicht.

Jerzy treffe ich in einer Bar an der 45. Er trägt Jeans, Psychedelic-Shirt und Baseballcap, dazu feinste Nubuklederstiefel. Er bleibt sitzen, ausdruckslos, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.

***​

Jerzy treffe ich in einer Bar an der 45. Er trägt Jeans, Psychedelic-Shirt und Baseballcap, dazu feinste Nubuklederstiefel. Er bleibt sitzen, ausdruckslos, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.
Dazu brauch ich jetzt nix sagen, oder? :Pfeif:

„Weißt du noch, was ich dir damals in der Hütte an deinen [deinem] scheiß masurischen See gesagt habe?

Das ist jetzt was eher Inhaltliches:

„Du bist der beste, Jerzy, das wusste ich immer. Wie lange brauchst du?“
„Ich muss das vorbereiten, ist nicht so einfach. Ein paar Monate?“
Drei, maximal, vier Tage, mehr Zeit habe ich nicht.“
„Du bist wahnsinnig, Karl!“
„Stimmt!“
„Okay. Legen wir los. Was machst du so lange?“
Da würde ich statt Monate Wochen schreiben. Klänge einfach glaubwürdiger.

Mir bleibt noch etwas Zeit[,] bevor der Flieger nach Italien startet.

ob er noch so küssen kann, dass es mir durch und durch geht,
Verwundert mich ein bisschen, dass ausgerechnet du Glanzsprachlicht so eine zigtausendmal gehörte Phrase verwendest.

Und zum folgenden Satz würde dir Friedel - auch wenn er in seinen eigenen Kommentaren diesen Ratschlag nicht immer beherzigt :D - vermutlich das sagen:

Friedrichard schrieb:
Und Sätze nur von einer Länge konstruieren, denen Du selbst noch folgen kannst, ohne Dich in Fußfallen zu verheddern.

Der Lärm der Stadt verrauscht, je weiter wir uns von ihr entfernen, die Luft atmet sich anders, Teer, verrotteter Müll und der verwirrende Duft der Bewohner, ihr Schweiß und ihre Parfums verflüchtigen sich, weichen dem der Wildblumen und Kräutern [Kräuter], dem Laub der Korkeichen und Johannisbrotbäume mischen sich nach und nach mit dem des Vulkans, der wütenden Hitze, dem Schwefel, der von ihm ausgeht, der sich für mich wie Heimat anfühlt, weil er mich an die lächelnde Kindheit erinnert.
Sofern man ihn nur überfliegt, ist das eigentlich ein wirklich toller Satz, sehr bildreich, sehr atmosphärisch.
Genauer darf man ihn sich allerdings nicht anschauen. Grammatikalisch, syntaktisch und semantisch ist er nämlich schlicht kaputt, klingt ein bisschen, als hätten da drei Sätze bei Tempo 90 einen Auffahrunfall gebaut.
Selbst wenn ich den Einschub „ihr Schweiß und ihre Parfums verflüchtigen sich“ weglasse, stellt sich mir noch immer die Frage: „Was weicht wem?“
Das Verb im Plural impliziert, dass es mehrere Dinge sind, die irgendwem weichen, das Pronomen „dem“ wiederum, dass es nur ein Ding ist, dem gewichen wird. Ich nehme an, du meinst den Duft. (Weil ich mir schwer vorstellen kann, dass Wildblumen und Kräuter neben ihrem Duft auch Teer und verrotteten Müll besitzen.)
Und der Satzteil „dem Laub […] mischen sich mit dem des Vulkans“ … also der klingt einfach … na ja, als hätte ihn sich ein Übersetzungsprogramm aus den frühen 90ern ausgedacht.

Und bei diesem Absatz warst du offenbar wieder einmal unter Zeitdruck:

Die Straße ist an den Rändern mit Maulbeerbäumen bepflanzt, , um sie zu beschatten. Ich setze mich in ein Straßencafé, bestelle Cassata, trinke Limoncello und Mokka[.] Zauberleichtigkeit bemächtigt sich meiner, während ich warte. Zeit, [Komma weg] verstreicht, Stunden womöglich, ohne dass ich es bemerke. Ein Geländewagen mit der Aufschrift ‚Guardia forestale’ hält auf der anderen Straßenseite. Ich erkenne sie an den Engelsbewegungen und gehe ihr entgegen.

Gleich der erste Satz ist unschön. Wozu diese unnötige Passivkonstruktion und diese noch unnötigere Infinitivgruppe?
Am Straßenrand stehen/wachsen Maulbeerbäume/Maulbeerbäume säumen die Straße. Ich setze mich in ein Café …/Ich setze mich in ein Straßencafé, in den Schatten von Maulbeerbäumen, … usw. Also da gäbe es unzählige bessere Lösungen, finde ich.
Und im letzten Satz könntest du das Pronomen getrost durch den Namen Giovanna Georgia ersetzen und so den missverständlichen Bezug aus der Welt schaffen. Und bei der Gelegenheit auch gleich die Straßenseite rauswerfen, weil dreimal Straße in fünf Zeilen für mein Gefühl einfach zu viel ist.


Aber abgesehen von den … äh, isegrimstypischen Hoppalas ist das wirklich eine großartige Geschichte. Mit jeder Menge außergewöhnlich schöner Formulierungen.
Hat mir sehr gut gefallen.

offshore


PS
Weil ich momentan leider kaum Zeit für die Wortkrieger finde, bezieht sich der Kommentar auf die Fassung von gestern Abend, ist also ohne Kenntnis eventueller Änderungen und auch ohne Kenntnis der anderen Kommentare geschrieben. Deshalb finden sich eventuell auch ein paar Verbesserungsvorschlagswiederholungen. (Wow, ein Wort mit 36 Buchstaben. :eek:)

 

Hallo Isegrims,

heute habe ich mal nur kritische Anmerkungen im Gepäck. Du bist eine versierte Autorin und ich denke, du hältst das aus. ;) Außerdem sind es nur meine persönlichen Gedanken, subjektiv - was sonst.

Der Text hat das Plotgerüst einer Romanze vom Subtyp ‚Zweite Chance‘. Warum spüre ich kein Prickeln, warum funktioniert die Story bei mir nicht?

Mein erstes Problem ist Karl. Als Finanzzocker hat er den falschen Job. (Nur Bestattungsunternehmer wäre noch schlimmer.) Okay, er wirft hin. Aber aus falschen Motiven.

Zweitens bürdest du den beiden (also eigentlich ihm) noch mehr auf: (Unsensible Reaktion auf ihre Schwangerschaft, okay, geschenkt.) Aber als einer, der im Job mit Millionen jongliert, lässt er zu, dass ein Quacksalber den Schwangerschaftsabbruch vornimmt?! (Kann sie überhaupt noch Kinder bekommen, liegt mir da fast auf der Zunge zu fragen.) Dieser Konflikt wird nicht zu Ende gebracht. Wie verarbeiten die beiden das?

An den Scharnierstellen der Romanze verletzt du das ‚Show, don’t tell‘-Prinzip:

Weil ich ihn so sehr geliebt habe, dass nichts von mir übrigblieb.

Und doch hörte ich sein Drachenherz nicht pochen, als ich es am meisten brauchte, Wut, Angst, Enttäuschung zerfetzten und verwirrten mich.

zwischen uns spürte ich einen Graben, den wir nicht überwinden konnten.

Das sind Sätze, die gehören weg! Das alles gehört gezeigt.

Karl und Georgia - die bestehen bei dir, in den zahlreichen Rückblenden, vor allem aus Sinneseindrücken (Aussehen, Stimme, Geruch, Haptik). Natürlich sind all diese (Sinnes-)Kanäle wichtig, das ist ein Grundsatz guten Schreibens. Aber mir ist es ganz entschieden zu viel davon!

Und vor allem: Das allein trägt keine Romanze. Karl und Georgia haben keinen (positiven) Dialog, keine kleinen Gesten miteinander. Kein gemeinsamer Running-Gag, kein Codewort, keine Chemistry.

Stilistisch: Die Begeisterung von ernst offshore für deine Nominalkomposita kann ich nur bedingt teilen. Das läuft für mich irgendwann zusammen mit dem gerne kritisierten übermäßigen Gebrauch von Adjektiven. In beiden Fällen wird versucht, einem Substantiv noch ein Attribut überzustülpen. Nicht immer ist das nötig.
Der Text ist so durchsät damit, dass es mich in meinem Lesefluss bremst. Dass ich mich immer wieder dabei ertappe, zu überlegen und zu überlegen und zu überlegen, welches Bild diese Wortneuschöpfung bei mir auslösen soll.
Also, du bist da auf einem spannenden Weg, die Richtung mag stimmen. Aber derzeit wirkt es auf mich noch gekünstelt. (Mag auch an mir liegen, vielleicht bin ich selbst noch nicht bereit, wer weiß.)

Ich wünsche dir einen superschönen Wochenanfang!

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo alexei,

dankeschön für deinen Kommentar zur ersten Kurz-vor-Schluss-Version der Geschichte.

Herzlichen Glückwunsch, dass du es noch geschafft hast.
Die Geschichte hat mir gefallen, aber meiner Meinung nach solltest du die KG sprachlich nochmal durchgehen.
bin ich sehr froh und ich habe mittlerweile eine ganz Menge geändert, sprachlich nicht gar so viel, einiges ist dazugekommen, vieles hat sich inhaltlich geändert, vor allem zum Ende hin.

Glückspille
Der Begriff ist witzig. War das beabsichtigt?
yes!

Zahnpastawelteroberungslächeln, ein Fürst, ein König mit Satansgesicht.
Vielleicht etwas übertrieben. Ich fänds schöner, wenn du eine der beiden Metaphern woanders im Text verwendet hättest.
muss ich drüber nachdenken, vielleicht ein bisschen zu fett beide Ausdrücke so kurz hintereinander zu verweden.

Ich hatte ein Kind, weggestorben
Eine Frau würde doch nicht so ihre Fehlgeburt beschreiben. Schreib doch sowas wie "Ich hatte einen Mann. Dann war ich schwanger, aber ... Jedenfalls, ich bin in Italien zurück."
sie hat das weit weg geschoben, in die Tiefen ihrer Gedanken und gerade dazu habe ich den Text um zwei Szenen erweitert.

die Frauen mit Nylonbeinen, die sich gegen die Hitze stemmen, in Ich-bin-auf-dem-Weg-nach-oben-Kostümen, die Männer in Businessjeans, Karriereanzügen, die Laptoptaschen geschultert wie Waffen.
Ich weiß nicht. Ich ... ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Hauptfigur in so einer blumigen Sprache denkt.
macht Kalr aber und gerade deshalb ist er nicht der kalte Technokrat und fliegt nach Intalien.

Liebe Grüße und ein inspirierendes Sonnenjahr für dich
Isegrims

 

Anne49 schrieb:
Die Begeisterung von @ernst offshore für deine Nominalkomposita kann ich nur bedingt teilen.

Na ja, von bedingungsloser "Begeisterung" war auch nicht wirklich die Rede:

offshore schrieb:
In den meisten Fällen funktionieren diese Wortschöpfungen für mein Gefühl auch recht gut, da kommen zum Teil wirklich hübsche (und aussagekräftige) Wörter raus.
Nur übertreibst du’s halt manchmal, kommt mir vor.

:D

 

Gude Vulkangestein, (ein Hessenkenner oder selbst einer?)

schön, dass di dir meinen Rohtext angeschaut hast und dabeibleibst. Der Text hat sich gerundet und es werden schätzungsweise keine größeren Änderungen mehr nötig sein.

Daneben sehe ich es allerdings ähnlich wie barnhelm, dass mir die Motivation Georgias nicht ganz schlüssig ist. Auf der anderen Seite kreierst du ein leicht traumartiges Bild von ihr, dadurch, dass du nur ihre inneren Prozesse darstellt anstatt die Handlung wie bei Karl.
der Fokus sollte sich mittlerweile verändert haben, Georgia hat deutlich mehr Raum, allerdings bleibt sie weiter handlungsarm, was ebenso beabsichtigt ist, wie der Versuch Karls Perspektive sprachlich anders zu gestalten als die Georgias.

Ich habe kein Problem mit der Reihung an sich, aber es sind mir in diesem Text viel zu viele. Ich persönlich fühle mich davon etwas überwältigt; es ist zum einen monoton und zum anderen wirkt es auf die Dauer durch den Verzicht auf Konjunktionen für mich etwas beliebig.
Eine Stilfrage lässt sich aber natürlich nicht dadurch lösen, dass ich sage: "Schreib anders." Mein Vorschlag wäre nur, dass du dir vielleicht überlegst, ob es diese Reihungen an jeder Stelle braucht. Das Ergebnis kann/wird ein anderes sein, als bei meiner Lesart, aber das ist ja nicht schlimm.
mm, das ist ein Gesichtspunkt, den ich ernst nehme, jedenfalls was die Häufigkeit der Reihungen betrifft. Grundsätzlich will ich damit wellenartige Bewusstseins-, Gedankenströme nachahmen, Klang erzeugen.

Er hat noch ihre gültige Handynummer, nach fast zehn Jahren? Kann sein, wundert mich aber etwas. Seine "Machtdemonstration" (ja, ich komme "dich holen") würde wahrscheinlich auch stärker wirken, wenn er überhaupt erst ihre neue Nummer herausfinden würde.
diese Anmerkung kapiere ich nicht, weil ich nirgendwo im Text bewusst lese, dass er ihre Nummer hat.

Mir gefiel es besser, als noch die Städte bei den Szenewechseln voranstanden. Diese Sterne in der Mitte finde ich immer so unspektakulär, aber das ist wohl Geschmackssache.
Es gibt zwei Gründe, weswegen ich die Ortsangaben rausgenommen habe. Einerseits, um der Kritik zu begegnen exotische Standorte plakativ zu verwenden, andererseits, weil bei Georgia sonst immer nur Catania stünde.

[ Daher würde ich dich eher darum bitten, mich in einem Kommentar zu verlinken, wenn du mit der Geschichte für dich fertig bist. Ansonsten schaue ich einfach am Ende des Monats nochmal rein.
/QUOTE]done!

Liebe Grüße und ein Vulkanjahr für dich
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Ise,

weißt ja, dass ich deinen leidenschaftlichen Stil mag, deine dir so eigene und mittlerweile fast unverwechselbare Art des Schreiben.

Aber (wärs nicht die Challenge) ich hätte dieses Mal wahrscheinlich nicht kommentiert, obwohl ich die Geschichte wie immer gelesen und genossen habe. Das ist einfach was Geschmacksmäßiges. Zu solchen Liebesgeschichten fällt mir generell nicht so viel ein. Mich interessiert das einfach nicht. Und irgendwie muss man wohl im tiefsten Inneren seines Herzens ein sehr sehr großer Romantiker sein, um über das setting hinwegzuschauen, das halt schon sehr in der Glitzerbankeneurowelt (um in deinem Stil zu schreiben) angesiedelt ist. Wie gesagt, Geschmackssachen und persönliche Themen gehören in eine vernünftige Textarbeit nicht rein, auch wenn man das nicht immer trennen kann, aber man sollte sie sich ins Bewusstsein bringen und versuchen, dies zumindest säuberlich zu trennen.
Und .. naja ... wenn ein Thema oder ein setting so gar nicht mein Geschmack ist, dann muss ich mich schon immer auch anstrengen, Betrachtung der Geschichte und Geschmack voneinander zu lösen. Das erfordert so viel analytisches Trennen, dazu bin ich einfach nicht immer bereit. Das ist nur ein anderer Ausdruck für - zu faul. :)

Trotzdem hab ich den pinkelnden Karl durchaus genossen, das hat was, wie du ihn da charaktersierst und seine Angst und den kommenden Misserfolg. Ich zitiere der Einfachheit halber mal:

Ich betrachte die Dächer der Kaufhäuser, die Ameisenmenschen in Sommerkleidern, atme tief durch, obwohl der Strahl, den ich gegen das Porzellan spritze, sie nicht trifft, bemerke Krähen, die in Höhe des Aussichtspunktes segeln, als spielten sie mit der Luft, als genössen sie es, sich fallen zu lassen und wieder aufzusteigen. Vielleicht planen sie ein Picknick ganz oben auf dem Turm, dort, wo die Vorstände nicht mehr hinkommen.

Ansonsten hab ich mich jenseits der Geschichte mal wieder an deinem Stil erfreut, wollte dir aber auch ein bisschen was Kritisches da lassen.
Zahnpastawelteroberungslächeln
Nein - um Gottes willen. Also du machst das ja gerne, diese Nomezusammenfügungen und oft ist das ja klasse, aber hier finde ich es nicht so gelungen.

Auch hier gefällt mir dein blumiger Stil nicht:

Ihre Rasierwasserdüfte wehen als Kräuterteemischung zu mir.
Man muss doch nicht immer und überall ein Sprachbild verwursten. Iwie ist mir der Mehrwert auch nicht klar, was an den Rasiewasserdüften jetzt noch deutlicher wird, wenn sie wie Kräutertee riechen. Ich nehme an, du willst auf die Melange raus, und dass die Mischung nicht so dolle duftet, wie die Herren das gerne hätten. Oder - willst du überhaupt darauf raus? Also ich kann mir diesen Satz echt auch ohne die Kräuterteemischung vorstellen. Oder, wenn du was Negatives konnotieren willst, würde ich ein anderes Bild wählen.

Oder hier:

Die Kissen, die Decke lagen sauber gefaltet auf dem Bett, der Küchentisch blitzte wie eine leergefegte Insel, als sei er nie benutzt worden.
Der Tisch als leergefegte Insel verdeutlicht doch genug das Bild der Leere. Warum dann noch der Relativsatz danach. Es geht natürlich auch nur der Relativsatz, aber beides ist einfach zu viel des Guten.

Jedenfalls finde ich, du schießt manchmal aus lauter Freude über deine sprachlichen Einfälle über das Ziel hinaus. Ich würde noch ein bisschen mehr prüfen und bewusst schauen, welche Stimmung/inhaltliche Nuancierung das Sprachbild erreichen soll, ob es nicht zu viel insgesamt wird, einfach zu redundant, und sich dadurch die Sprachbilder gegenseitig behindern, und ob sie auch wirklich immer frisch und originell genug sind, ich denke da gerade nur an das Zahnpastalächeln.

Und noch was, mir fällt auf, dass du einen sehr schönen Satzbau hast, erinnert mit den vorantreibenden Aufzählungen und Gliedsätzen, die sich aber nicht im Nirgendwo verlieren, ein bisschen an Zsusa Banks. Ich mag das sehr. Zwei beliebige Sätze, einfach mal so aus dem Text gegriffen:

Ich spüre die Hitze der wogenden Körper, die Lichtkugelblicke, die sich ins Nichts richten, die Barrieren, mit denen wir uns umgeben. Wodka hetzt durch meine Kehle und ich lasse mich von Traumbildern treiben, die vor meinen Augen entstehen, Fantasiegebilden, Dämonenfratzen, Engeln.
Gefällt mir.
Weniger gelungen finde ich es dann am Anfang:
Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte.
Da sträubt sich richtig was in mir. Ich finde das total brüchig, wenn du "Fassaden verletzte" anhängst. Das ist eigentlich ein schönes Bild, aber in den Zusammenhang passt es mir so zusammenhangslos überhaupt nicht rein. Entweder liegt das daran, dass mir hier eine Konjunktion fehlt, um das Ganze weicher zu machen, oder du schließt nach "anzischte" und bastelst das Bild in den nächsten Satz rein. ich weiß schon, das wird schwierig, weil du es dann ins Passiv setzen müsstest. Aber so sträubt es sich einfach in mir, weil ich es total abgehackt finde.

Jedenfalls wollte ich, auch was den Satzbau betrifft, anmerken, dass du da noch mal drüber schauen könntest. Manchmal ist ein knapperer Satz dazwischen wohltuend. Und ich würde auf das Fließende aufpassen. Dein Stil ist ja sehr sehr fließend, so krasse Ruckler (wie im zitierten Beispiel) passen da finde ich nicht rein.

Lieber Ise, ich hoffe, ich habe persönliche Themenvorliebe genügend abtrennen können von meinen Aussagen zu deiner Geschichte. Der Text enthält viele wirklich sehr schöne Stellen. Er ist interessant und spannend gemacht durch die unterschiedlichen Perspektiven auf das Geschehen. Und vielleicht kannst du das ja auch so sehen, dass es wirkllich gekonnt sein muss, wenn es jemand, dessen Geschmack das nicht ist, gut gemacht findet.

Viele Grüße an dich von Novak

 

Hallo Isegrims,

auch deine Geschichte fehlt mir noch, was ich jetzt aber sofort ändere.
Ich arbeite da am besten gleich doppelt. Will heißen, ich lese und kommentiere während dessen, also nicht wundern...;)
Los geht es:
Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte. Sturzbäche krachten auf den Asphalt, Neonblitze erhellten den Tag und die Menschen flohen in die Häuser.

Wow, der erste Satz ist gleich mal ein Kracher!

Der nächste Absatz hat viel Atmosphäre. Man spürt, da ist ein Mensch, der einen anderen schmerzlich vermisst. Lediglich der "Hauchzartstring" gefällt mir nicht so. Da würde ich den Satz anders formulieren: wünschte mir, einen der Strings zu finden, hauchzart, durchsichtig, ihre ...

Kaminfeuerstimme
darunter kann ich mich nicht viel vorstellen. Wie klingt die? Heiß, knisternd, rauchig? Vermutlich...:confused:

Aha, der nächste Absatz dann aus der Perspektive der Frau.
Er konnte stundenlang über die Verwicklungen seiner Geschäfte sprechen, chinesische, südamerikanische Aktien, Derivate, Investments, die er sich ausgedacht hatte, .

Wenn ich von mir, den Schülern, denen ich Italienisch beibrachte, meinem Kinderwunsch erzählte, zuckte Karl, erstarrte, öffnete eine Flasche Wein und wartete darauf, dass meine Worte versickerten.

Kommt mir irgendwie bekannt vor...;)

Ich hatte einen Mann. Ich hatte ein Kind, weggestorben, noch bevor es zur Welt kam. Ich stelle es mir als Engel vor und finde es manchmal oben am Himmel. Dann bin ich nach Italien zurück, in den Staatsdienst eingetreten, pendle jetzt zwischen Rom und Catania. Ab und zu treffe ich mich mit Männern, was soll man machen, wenn man allein ist. Meine Eltern wohnen nicht weit von mir. Ich liebe sie.

Da finde ich den Wechsel ein bisschen zu abrupt. Zuerst wird von dem verstorbenen Kind berichtet und gleich einen Satz weiter der Eintritt in den Staatsdienst. Auch die nächsten Sätze gefallen mir nicht so gut. Sie trifft sich mit Männern. Ja gut, warum auch nicht? Warum rechtfertigt sie sich da? Die Eltern wohnen nicht weit. Sie liebt sie...nun ja. Vielleicht wird das noch wichtig.

Den nächsten Absatz finde ich wieder großartig. Er hat so viel Atmosphäre. Beschreibt wunderschön.

Ah...dieses Wiedersehen. Das abgemachte Treffen erinnert mich an einen Film...An affair to remember...Empire State Building.

Die Pinkelszene ist auch super! :D

Reimer weist zur Tür und lässt mir den Vortritt.
Heißt der Typ wirklich Reimer? Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Nachname ist oder ein Tippfehler und er heißt Reiner?

Harvard-Uni-Sankt-Gallen-Grinsen
Super!:D

Aha...der Reimer kommt nochmal vor. Wird also sein Nachname sein. Sorry!

Aber die wo-sie-ihn-abservieren-und-ihn-fallen-lassen-Szene ist fein!

Im Club wummern Beats, bedrängen und penetrieren mich, wabern im Bauch.
Oh! :shy:

Teufelsfratze des Kerls wahrnehme, die mich angrinst, ein rotes Blutgesicht mit Hörnern und Gletscheraugen. Am nächsten Morgen wirbeln Wodkastürme in meinem Kopf, die Satansaugen verfolgen mich, der faulige Geschmack im Mund lässt sich nicht beseitigen. Die Bettdecke fühlt sich kühl an, Wodkastürme wirbeln in meinem Kopf, das Hämmern lässt nach, als ich die doppelte Pillenportion genommen habe. Ich wundere mich, dass ich mich in meiner eigenen Wohnung wiederfinde. Der Rothko an der Wand gegenüber dem Bett, die roten aufgerauten Flächen, rotieren und zeigen mir die grinsenden Teufelsfratzen

Wieder ein Absatz der viel Stimmung einfängt -das brauch ich dir wahrscheinlich nicht jedes mal sagen. Lediglich die WW haben mich etwas gestört.

Ah...das Treffen rückt näher. Ich bin gespannt!

Ich hab ein Geheimnis, Karl.“
„Erzählst du’s mir?“
„Dann wär’s kein Geheimnis mehr.“
„Warum hast du davon angefangen, wenn du’s nicht erzählen willst?“
„Weil’s dich auch betrifft.“

Mensch...das wäre ja so typisch..:Frau! Wieso fängt sie davon an und erzählt es dann nicht! Ich ärgere mich im Moment mehr als Karl darüber.:lol:

Wow...das Gespräch fällt ja vollkommen aus dem Ruder. Jetzt bin ich auch auf Karl sauer!

Zahnpastawelteroberungslächeln ein bisschen too much, für mich.

Sie zeigen mi(r) Fotos, Videosequenzen an der Sicherheitsschleuse in New York.
Eine Krankenschwester spreizte die Beine. Der Doktor hatte graue Haare, graue Augen und risse mir den Leib mit einem Gerät auf, das sich wie ein Schwert anfühlte, erklärte mir, dass er jetzt die Spritze setzen würde, ein kleiner Stich, mehr nicht, sagte er und dass er das Wesen, das noch gar keins war, aus mir heraussaugen werde, sobald das Mittel wirke und dass dann alles vorbei sei. Ich blicke in mich, sehe das Baby, ein Mädchen, so hübsch und zart, atme schneller, will weinen, rufen, schaffe es nicht und ziehe mich tief in mich zurück, will es einfach geschehen lassen.

Ich weiß nicht, ob du den Zeitwechsel beabsichtigt hast? Zuerst erzählt sie in der Vergangenheit, dann Gegenwart.
Jerzy treffe ich in einer Bar an der 45. Er trägt Jeans, Psychedelic-Shirt und Baseballcap, dazu feinste Nubuklederstiefel. Er bleibt sitzen, ausdruckslos, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.


***

Jerzy treffe ich in einer Bar an der 45. Er trägt Jeans, Psychedelic-Shirt und Baseballcap, dazu feinste Nubuklederstiefel. Er bleibt sitzen, ausdruckslos, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.

Treffen beide diesen Jerzy?

Die Fahrt zum Empire State Building dauert zu lange
Da! Es kommt vor! :D

Wo sind die anderen?“, frage ich ihn.
„Postieren sich längst.“
„Dann fahr mich bitte nach Hause, Giuseppe.“
„Und die anderen?“
„Die kommen schon zurecht.“

Den Gesprächsverlauf versteh ich nicht ganz...

Die Straße ist an den Rändern mit Maulbeerbäumen bepflanzt, , um sie zu beschatten.

Limoncello und Mokka Zauberleichtigkeit bemächtigt sich meiner,

Sie treffen sich also...das Ende bleibt offen. Aber er setzt sich vermutlich mit einer Menge Kohle nach Acapulco ab. Mit oder ohne ihr...Hab ich gerne gelesen . Du kannst sehr schön beschreiben, atmosphärisch erzählen, auch wenn es mir gegen Ende ein bisschen zu viel wurde.

Ich hab die Kommentare nicht gelesen, bitte entschuldige, falls irgendwas doppelt ist.

Liebe Grüße Sabine

 

Hallo Isegrims,

also mich hat es mächtig in den Anfang deiner Geschichte reingesogen. Sprachlich fand ich das wunderschön wie du die leere Wohnung zeigst. Gerade eine solche Szene, das würde ja bereits hunderte von Malen beschrieben, dem etwas Neues abzugewinnen, das ist schon richtig gut.

Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte.
Bei dem Einstiegsatz würde ich aber das mit den Fassaden rausnehmen, das empfinde ich als Überreizung. Zuvor ist das Bild doch schon klar, dieses Draufsetzen hat für mich etwas künstliches.

Ich dachte, dass alles anders ist, wenn ich mich von Karl befreit habe. Weil ich ihn so sehr geliebt habe, dass nichts von mir übrigblieb.
Hm, also diese Einleitung in Georgias Sicht, die bremst für mich aus. Auch sehe ich das nicht, dass sie sich da derart aufgibt.

Sprachlich schön geht es weiter und das Gegenüberstellen beider Welten, das ist schon sehr kunstvoll und lesenswert gemacht. Ab der Hälfte aber erwachte eine Unruhe in mir, die immer stärker wurde. Ich erwischte mich dabei, wie ich begann, den Text zu überfliegen.
Diese Ungeduld hat mich bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Ich mag nicht der ideale Leser für deine Geschichte sein, vielleicht ist es aber dennoch eine Überlegung wert, die Geschichte etwas zu kürzen? Also wirklich Wesentliches passiert ja nicht weiter. Also das mit der Abtreibung, das ist natürlich wichtig, aber das meiste andere könnte man auch eindampfen.
Das Ende dann, ja das ist einerseits sehr schön, aber ein Happy End ist es wohl nur auf Zeit. Letztlich hat Karl doch wieder kalt und egoistisch gehandelt, indem er sein Vermögen ungeachtet der Verluste, die andere Menschen dadurch unweigerlich erleiden werden, verschleiert sonstwohin geschleust.
Abe wer weiß. Ich habe nichts gegen Happy Ends, wenn es nach mir ginge verdienen wir alle eins :)

Im Text sind noch einige Flüchtigkeitsfehler.

Und was, wenn wir Kinder haben?“, fragte ich.
„Dann nehmen wir sie mit.“ „Einverstanden.“
„Versprichst du mir das? Egal, was passiert.“
Absatz bei Sprecherwechsel vergessen

Boah und die anderen Sachen hätte ich mal gleich rausschreiben müssen, finde ich jetzt auf die Stelle nicht. Einmal sind zwei Kommas hintereinander, irgendwo stimmte eine WR nicht, solch kleines Zeugs eben.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte. Sturzbäche krachten auf den Asphalt, Neonblitze erhellten den Tag und die Menschen flohen in die Häuser.

Schon recht hefty, dieser Satz. Sturzbäche krachen. Neonblitze erhellen. Ein Sturmtag zischt heulend die Stadt an. Menschen fliehen in ihre Häuser. Würde ich diesen Satz in einem Buch lesen, als ersten Satz, würde ich das Buch wieder weglegen. Die Idee, etwas zu verorten, finde ich super, aber das muss man einfach subtiler machen, nicht diesen Holzhammer.

Ich stieg triefnass die Treppen hoch, hörte dem Holz zu, das unter den Schuhsohlen ächzte, kam im vierten Stock an, schnaufte aus, freute mich über das satte Klicken der Tür und schlüpfte in das Dachwohnungsnest, das wir damals bewohnten.

Und es geht so weiter: schwer, behäbig, stilistisch ungelenk. Hört er wirklich aktiv dem Holz? Freut er sich über das satte Klicken der Tür (es ist wenn auch nur das Schloss, das klickt) und wenn ja, warum? Schlüpft er in die Dachwohnung (Was ist ein Dachwohnungsnest?) wie ein Tier, durch eine fellbehangene Öffnung, oder wie soll ich mir das vorstellen? Fragen über Fragen.

Ich schnüffelte durch den Flur und roch sie nicht mehr, ließ die Stille langsam in mich sickern.

Also, die Wortwahl wirkt einfach unpräzise oder unbeholfen, ich bin mir nicht sicher. Schnüffeln. Hunde oder Perverse schnüffeln. Und wen riecht er hier nicht mehr? Die Stille? So lese ich diesen Satz nämlich. Wenn du da zwei Einheiten draus machst, wird es eventuell deutlicher.

Die Kissen, die Decke lagen sauber gefaltet auf dem Bett, der Küchentisch blitzte wie eine leergefegte Insel, als sei er nie benutzt worden. Blitzen leergefegte Inseln? Und dann: die Verbindung zu der noch nicht vorhandenen Nutzung. In mir erzeugt das ein Bild, und zwar folgendes: Eine leergefegte Insel, die blitzen soll und nie benutzt wurde. Entweder nur das Bild, oder nur die nüchterne Feststellung. Beides ist irgendwie paradox.

Ich habe sie zuende gelesen. Also, bis auf die paar Dialoge ist mir das alles sofort wieder entfallen, weil du die ganze Geschichte unter dieser gespreizten Sprache begräbst, das lässt sich auch nicht überlesen. Also, wenn man das manchmal macht, dann wirkt auch ein etwas exzentrisches Bild vielleicht, weil man denkt, aha, das ist ausgefallen, aber wenn sich das durch alles zieht, durch noch so jede kleine Idee, dann wirkt es einfach vollkommen überfrachtet. Du kannst das machen, klar, aber damit wendest du eben auch den Fokus weg vom eigentlichen Geschehen. Es gibt diesen Roman von Malapart, "Die Haut", es geht um Italien im zweiten Weltkrieg, ein sprachliches, lyrisches Feuerwerk, aber da gibt es diese Juxtaposition - grauenhafte Ereignisse, und dann diese Sprache. Da passiert etwas, das macht etwas. Hier habe ich das Gefühl, es passiert nichts, es ist kein Sujet vorhanden, es ist nicht tief genug, es reicht nicht aus, die Sprache hat auch ein Problem in der vermittelnden Ebene, aus der Sprechposition heraus, da wird das Mobiltelefon zu einem Wesen, dass nach Aufmerksamkeit verlangt und tanzt und schwebt, und ich denke: Wer denkt so etwas, wer stellt diese Assoziationen auf? Es ist der Autor. Dann wird so etwas zu einem künstlichen Überhang, dem ich als Leser das Ausgestelltsein sofort anmerke.

Gruss, Jimmy

 

"(Denn der Berg glaubt nichts und ist mit uns nicht beschäftigt)"
Brecht: Der Schuh des Empedokles​

Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte. Sturzbäche krachten auf den Asphalt, Neonblitze erhellten den Tag und die Menschen flohen in die Häuser.
Zwischen diesem Weltuntergang - jedes neue Leben schafft sich unter seinem Schädel eine eigene Welt, dass neben der realen derzeit über 7 Mrd. Modelle der Welt existieren mögen - und dem Besuch des Ätna bleibt mir für den Meister der Finanzjonglage das Schicksal des Empedokles, nicht umsonst schwirret Buchgeld im Wolkenkuckucksheim zwischen Wolke neun und cloud seven
weil ich es nicht wollte, ich, der Gott meiner Welt.
[...]
weil ich in ein paar Tagen eine Schattengestalt sein werde,

und eine kurze Runde wider Flüchtigkeit

..., Derivate, Investments, die er sich ausgedacht hatte, . Ich hörte zu, ...
... auf den Vorstandstoiletten des 49.[...]]Stocks, ziehe den ...

Wodka hetzt durch meine Kehle ...
der lässt sich einfach nicht hetzen

„Wenn ich rein springe und zur anderen Seite schwimme, sagst du's mir dann?“
besser "reinspringen" ein Wort, ähnlich hier rüberschwimmen
nackt rüber schwimmen.
Sie zeigen mi Fotos, ---

Der Doktor hatte graue Haare, graue Augen und risse mir den Leib mit einem Gerät auf, das sich wie ein Schwert anfühlte, erklärte mir, ...
riss

... damals in der Hütte an deinen scheiß masurischen See gesagt habe?
entweder "deinem" oder "Seen" ...

Mir bleibt noch etwas Zeit[,] bevor der Flieger nach Italien startet.

... sich, weichen dem der Wildblumen und Kräutern, dem...
entweder "den Kräutern" oder "Kräuter"

Emilio erklärt mir, dass ein Sturm aufkommen könnte. Wir müssten schnell nach oben, bevor das Wetter umschlägt.
Warum der Wechsel Konj. vs. Indikativ?

Mir fällt ein, dass die die Kopfschmerzen verschwunden sind.
Die Straße ist an den Rändern mit Maulbeerbäumen bepflanzt, , um sie zu beschatten.

Bis bald

Friedel

 

Hallo wieselmaus,

zunächst alles Gute, ein Wunderfreudenjahr für dich! Vielen Dank für deine erste Einschätzung des Textes. Zum Glück konnte ich den Text mittlerweile abrunden.

Unbedingt wichtig ist die Entscheidung, ob Georgia sich mit Karl nach Acapulco absetzen möchte und ob dieser Schritt eine romantische oder berechnende Komponente hat. Je nach dem kriegt die Geschichte einen ganz anderen Touch.
das bleibt offen, aber die Bedeutung des Treffens für die beiden nimmt durch die Vorgeschichte, die ich zeige, eine andere Richtung.

Überhaupt erfährt man über sein Seelenleben sehr wenig. Wieso hängt er so stark an Georgia? Soll er nur ein fieser Macho sein? Oder ist er irgendwie doch nur ein armer Hund?
er ist natürlich ein Maskencharakter, dennoch traumatisiert, mit Georgia verbunden, durch die Abtreibung.

Ich bin neugierig auf das Treffen im Juni.
o ja, das bin ich auch, sehr sogar. Übrigens sind die Straßen durch den Wald zwar kurvenreich, aber nicht richtig gefährlich (ich glaube, du wolltest das wissen, vielleicht war's aber auch banrhelm)

Liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo wegen,
wow, toller Kommentar, vielen Dank für die Auseinandersetzung mit dem Text, die Zeit, die di aufgebracht hast und die konkreten Vorschläge.

Manches ist für dich bestimmt Murks, anderes kannst du gebrauchen…
kann ich eine Menge von gebrauchen, habe den Text an einigen Stellen geändert.

…der heulend die Stadt anzischte
Heulend und anzischen sind für mich verschiedene Geräuschsarten, so wie ich sie mir vorstelle bzw. wenn ich versuche das nachzuahmen.
für mich ist das ein passendes Bild, gerade wenn der Wind durch Häuserzeilen peitscht.

Sturzbäche krachten auf den Asphalt
Krachen finde ich im Zusammenhang mit Wasser irgendwie nicht geeignet. Es gibt vielleicht passendere Verben: prasselten, platschten, klatschten, spritzten, strömten, ergossen sich, schauerten, fielen, …
alle diese Verben könnte man nehmen, krachen gefällt mir deshalb besser, weil es inhaltlich passt und der Leser es nicht einfach überfliegen kann, dran hängen bleibt, wie auch du.

Ich nahm das Handy, streichelte über das Display, suchte, wartete auf eine Verbindung, erfuhr, dass der Teilnehmer nicht erreichbar sei.
Du willst dadurch Zärtlichkeit reinbringen. Strich wäre mMn hier besser, weil eindeutiger.
strich ist zwar eindeutiger, aber streicheln beschreibt genau das, was die Leute mit ihren Smartphones machen

Ich hatte einen Mann. Ich hatte ein Kind, weggestorben noch bevor es zur Welt kam. Ich stelle es mir als Engel vor und finde es manchmal oben am Himmel. Dann bin ich nach Italien zurück, in den Staatsdienst eingetreten, pendle jetzt zwischen Rom und Catania. Ab und zu treffe ich mich mit Männern, was soll man machen, wenn man allein ist. Meine Eltern wohnen nicht weit von mir. Ich liebe sie.
Das sind - von dir so inszenierte - kurze, harte, kalte Sätze. Diese Ausdrucksweise ist nicht so meins.
ja, das ist kalt erzählt, aber genauso kalt schieben viele ihre Schmerzen in abgelegene Gegenden ihrer Erinnerung

ziehe den Zipper des Hosenschlags herunter
Ist das ein regionaler Begriff? Google ergab auch nur Schlag am Hosensaum. Warum nicht Hosenstall?
mm, ich hab es nicht geprüft, aber der Zipper, mit dem zeiht man den Reißverschluss runter, oder?

Schweinebauchaktien. Verkaufen, Verkaufen! Kennst du den Film?

„Wir kommen bestimmt irgendwann wieder ins Geschäft,“ sagt er aus dem Off.
Sagt man das im Commerzbankturm so?

ja, den Film kenne ich und Formelsätze dieser Art benutzt man allüberall.

…als ich den Turm herabschwebe, als wäre ich eine der Krähen, die an der Glasfassade vorbeigeflogen sind. Es gibt eine Lösung, über die ich schon lange nachgedacht habe.
Hörte sich erst nach Suizidtraum an. Ist es ein gläserner Fahrstuhl an der Außenseite des Gebäudes?
der ist innen, aber er denkt an das schwebende Gleiten der Vögel.

Im Spiegel sehe ich morgens einen Kerl mit Zahnpastawelteroberungslächeln, ein Fürst, ein König mit Satansgesicht. Selbst die Krone deutet sich über den wirren Schattenhaaren an. Die weißen Barthärchen, die Warze neben der Nase, die Furchen auf der Stirn, existieren nicht, waren nie vorhanden, weil ich es nicht wollte, ich, der Gott meiner Welt. Der Rasierer kreischt wie Kreide auf einer Schultafel.
Das blick ich echt gar nicht, auch beim zweiten Lesen nicht.
bisschen Größenwahn, mehr nicht

ich beobachte die kreisenden Möwen, die ihre Kinderlaute ausstoßen.
Weil es wie schreiende Kinder klingt?
ja, genau

Manche (nur) gute Freunde versprechen sich in Hollywoodfilmen gar die Ehe, falls sie in soundso viel Jahren nicht fest leiert sind. Nichtdestotrotz hast du das Thema glaubhaft wieder gegeben. Ich habe mit Gloria und Karl gelitten und gehofft, dass sie wieder zueinander finden.
wär auch romantisch, direkt zu heiraten.

Liebe Grüße und einen wundertollen Tag, ach was Monat, ach was Jahr
Isegrims

 

Ach, wie ich mich über deinen Kommentar freue, Ernst! Nicht so sehr wegen der lobenden Worte (doch klar, aber was bringen die, wenn sie hüllenleer sind), sondern vor allem, weil mir dein Kommentar zeigt, dass ich den richtigen Weg einschlage, vielleicht noch nicht die Balance, die Genauigkeit gefunden habe, mich von Einfällen, Sprachrausch verführen lasse, während noch so viel fehlt (Disziplin zum Beispiel, Konzentration, Plotgestaltung, Was-passiert-wenn-Pläne).

Für mein Gefühl entwickelst du mehr und mehr eine ganz eigenständige, unverkennbare Erzählsprache.
darum geht’s und ich bin völlig am Anfang, denke, dass ich alle vergangenen Text neu schreiben müsste.

Lichtaugen
Schattenhaare
usw.
Diese … öhm, Nominalkomposita sind ja schon beinahe so was wie ein Markenzeichen von dir.
In den meisten Fällen funktionieren diese Wortschöpfungen für mein Gefühl auch recht gut, da kommen zum Teil wirklich hübsche (und aussagekräftige) Wörter raus.
Nur übertreibst du’s halt manchmal, kommt mir vor. Hier zum Beispiel:


Zahnpastawelteroberungslächeln
Welteroberungslächeln alleine würde mir echt gefallen.

das ist das Ding mit der Balance, ich spiele natürlich mit diesem Ideen-Element.

Überhaupt ist es genau diese (überschäumende) Sprachkreativität, die - gepaart mit deiner typischen Schlampigkeit - jede Menge Gefahren birgt und dich bisweilen schrecklich in deinen Satzkonstruktionen verheddern lässt.
mm, ja, da gibt es diese Wörter, die auf dem Bildschirm rumschleichen, so viel Fokus haben meine armen Augen nicht, dann gilt es auf Kommas, Bezüge, Kasus zu achten und gleichzeitig spielt sich so ein Klangbild im Kopf ab, weißt du, was ich meine?

Strenggenommen ist das ein Perspektivfehler, weil Karl ja nur aus Sicht eines Beobachters, der unten ist, herabschweben könnte. Aus seiner eigenen Sicht kann er selbstverständlich nur hinabschweben, capisce?
nö, kapier ich nicht, hab’s trotzdem geändert, wegen dir halt, und weil ich Giovanni fürchte.

Er bleibt sitzen, ausdruckslos, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.
Dazu brauch ich jetzt nix sagen, oder?
na ja, hab ich geändert nehme an, so ein herauf-hinab-Ding wieder.

ob er noch so küssen kann, dass es mir durch und durch geht,
Verwundert mich ein bisschen, dass ausgerechnet du Glanzsprachlicht so eine zigtausendmal gehörte Phrase verwendest.
stimmt, wobei ich sprachlich ein Kontrast in der Erzählstimme Georgias setzen wollte.

ob er noch küssen kann, als wolle er mich verbrennen, mich in sich schlingen, wärmen, nie mehr loslassen,
nach der Änderung

Sofern man ihn nur überfliegt, ist das eigentlich ein wirklich toller Satz, sehr bildreich, sehr atmosphärisch.
Genauer darf man ihn sich allerdings nicht anschauen. Grammatikalisch, syntaktisch und semantisch ist er nämlich schlicht kaputt, klingt ein bisschen, als hätten da drei Sätze bei Tempo 90 einen Auffahrunfall gebaut.
Selbst wenn ich den Einschub „ihr Schweiß und ihre Parfums verflüchtigen sich“ weglasse, stellt sich mir noch immer die Frage: „Was weicht wem?“
Das Verb im Plural impliziert, dass es mehrere Dinge sind, die irgendwem weichen, das Pronomen „dem“ wiederum, dass es nur ein Ding ist, dem gewichen wird. Ich nehme an, du meinst den Duft. (Weil ich mir schwer vorstellen kann, dass Wildblumen und Kräuter neben ihrem Duft auch Teer und verrotteten Müll besitzen.)
Und der Satzteil „dem Laub […] mischen sich mit dem des Vulkans“ … also der klingt einfach … na ja, als hätte ihn sich ein Übersetzungsprogramm aus den frühen 90ern ausgedacht.
äh, ja, das mein ich mit den Augen und den Kasus und all dem Zeugs


Der Lärm der Stadt verrauscht, je weiter wir uns von ihr entfernen, die Luft atmet sich anders, Teer, verrotteter Müll und der verwirrende Geruch der Bewohner, ihr Schweiß und ihre Parfums verflüchtigen sich, der Duft von Wildblumen und Kräutern, von Korkeichen und Johannisbrotbäumen breitet sich aus, der Vulkan, seine wütende Hitze, Schwefel mischen sich darunter, fühlen sich wie Heimat, wie eine lächelnde Kindheit an.
hübscher, richtiger?:confused:

Aber abgesehen von den … äh, isegrimstypischen Hoppalas ist das wirklich eine großartige Geschichte. Mit jeder Menge außergewöhnlich schöner Formulierungen.
Hat mir sehr gut gefallen.
:Pfeif:

Deshalb finden sich eventuell auch ein paar Verbesserungsvorschlagswiederholungen. (Wow, ein Wort mit 36 Buchstaben. )
:D
viele liebe Grüße und ein Glückslichtjahr für dich, ohne grausige Unfälle, Hindernisse und mit viel kreativer Kraft.
Isegrims

 
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Isegrims schrieb:
offshore schrieb:
Strenggenommen ist das ein Perspektivfehler, weil Karl ja nur aus Sicht eines Beobachters, der unten ist, herabschweben könnte. Aus seiner eigenen Sicht kann er selbstverständlich nur hinabschweben, capisce?
nö, kapier ich nicht

Also dann nochmal ganz langsam:

"hin" heißt: von mir (bzw. vom Erzähler) zu einem anderen Ort, "her" heißt: von einem anderen Ort zu mir (zum Erzähler). Was so viel heißt wie: Weder kann ich in ein Haus herein gehen, noch eine Treppe herab steigen, jemand anderer allerdings kann in das Haus hereinkommen, sofern ich drinnen bin. Sollte ich draußen sein, kann er wiederum nur hineingehen, ist halt immer eine Frage des Standortes der Erzählinstanz.
Ebensowenig kann ich von einem Haus herunterspringen, sofern ich mich nicht schon unten befinde, was natürlich nicht geht. Ich kann nur hinunterspringen.
Gar nicht so schwierig eigentlich, oder?


Isegrimns schrieb:
na ja, hab ich geändert nehme an, so ein herauf-hinab-Ding wieder.
Nö, ich würd's eher ein copy und paste-Dings nennen, wenn du zweimal den gleichen Satz untereinder im Text hast. :D

Und wer zum Teufel ist Giovanni?

 

"hin" heißt: von mir (bzw. vom Erzähler) zu einem anderen Ort, "her" heißt: von einem anderen Ort zu mir (zum Erzähler). Was so viel heißt wie: Weder kann ich in ein Haus herein gehen, noch eine Treppe herab steigen, jemand anderer allerdings kann in das Haus hereinkommen, sofern ich drinnen bin. Sollte ich draußen sein, kann er wiederum nur hineingehen, ist halt immer eine Frage des Standortes der Erzählinstanz.
Ebensowenig kann ich von einem Haus herunterspringen, sofern ich mich nicht schon unten befinde, was natürlich nicht geht. Ich kann nur hinunterspringen.
Gar nicht so schwierig eigentlich, oder?

Hey Ernst! Und wie ist es mit dem Abstreifen eines Kleides? Kann eine Figur ihr Kleid herabstreifen oder hinabstreifen oder beides? Gruß Achillus

 
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Sorry, wenn ich mich da kurz mit einmische, Achillus, ernst offshore und Isegrims:

Hey Ernst! Und wie ist es mit dem Abstreifen eines Kleides? Kann eine Figur ihr Kleid herabstreifen oder hinabstreifen oder beides? Gruß Achillus

Der Duden sagt zum Wort "abstreifen": "durch Herunterstreifen von etwas entfernen"

Man kann also sagen, dass in dem Wort "abstreifen" bereits das Wort "herunter" implizit enthalten ist, und damit ein Vorgang bezeichnet wird, der etwas von einem ersten Punkt (evtl. oben?) zu einem zweiten streift, um z. B. das Kleid vom Körper zu entfernen.

Damit gibt es bereits einen festen Bezugspunkt in dem Wort "abstreifen", der nicht von einer Person, sondern von dem Objekt selbst abhängt.

Wenn man nun "hin" oder "her" hinzufügt, so würde nach meinem Verständnis "herabstreifen" bedeuten, dass das Kleid zu jemanden (Erzähler) "herabgestriffen wird", der unter der Person liegt, die das Kleid herabstreif. Also die Frau mit dem Kleid steht über dem Mann, die Szene wird aus Sicht des Mannes beschrieben und dann sagt er: Die Frau streift das Kleid (zu mir) herab (P.S.: "her ab").
Wäre der Erzähler die Frau, würde sie sagen: Ich streife das Kleid zum Mann hinab (P.S.: "hin ab").

Gruß

Geschichtenwerker

P.S.: Ich mache mir die Bedeutung von "hin" und "her" immer mit den Sätzen klar: "Ich gehe zu Dir hin" und "Komm doch mal her", wenn man nämlich zwischen diesen Sätzen "hin" und "her" vertauscht, merkt man sofort, dass das nicht stimmen kann.
P.P.S.: Natürlich kommt auch noch ein Kommentar zur Geschichte von mir, dauert aber noch etwas.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Isegrims,

wäre wirklich schade gewesen, wenn Deine schöne Geschichte in der Challenge fehlen würde.
Und viel Zeit zum dran arbeiten haben/hatten wir ja auch. Da ich die Geschichte gleich nach dem Einstellen gelesen habe, weiß ich, wie viel Du noch getan hast. Ein paar verbleibende Fehlerchen (wohl eher vom Umarbeiten und Kopieren) haben Dir schon andere aufgezeigt. Ich belasse es bei einem kleinen Leseeindruck ...

Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte. Sturzbäche krachten auf den Asphalt, Neonblitze erhellten den Tag und die Menschen flohen in die Häuser.
Ein starker Einstieg, auch wenn für meine Geschmack "zu adjektiv-laut", da kommt bei mir die kühle norddeutsche durch.

Ich nahm das Handy, streichelte über das Display, suchte, wartete auf eine Verbindung, erfuhr, dass der Teilnehmer nicht erreichbar sei. Schließlich öffnete ich den Ordner mit den Fotos, blätterte durch die Bilder, schaute manche lange an, stellte mir ihre Haare, ihre Haut vor, löschte jedes einzelne, verwischte die Spuren und versteckte Georgia, sperrte sie weg. Dann nahm ich eine Glückspille und schlief ohne Traum.
schöne Charakterisierung von Karl, weiß nicht, ob ich den mag

Kaminfeuerstimme
ja, da gebe ich vielen anderen Kommentatoren recht, interessante Wortschöpfungen, sie scheinen zu Dir zu gehören, ich bin gespannt

„Der Drache ist unterwegs, er fliegt nach New York und anschließend nach Catania. Die Maschine landet am 25. Juli frühmorgens.“ Drache. Den Codenamen habe ich ausgewählt.
Mh, da kommt ein zweiter Handlungsstrang, etwas, was parallel zu der "Liebesgeschichte" läuft

„Ich denke von dir, ja, wahrscheinlich von dir!“, schleudre ich ihm ins Gesicht.
„Willst due’s behalten?“
Ich stehe auf und laufe davon, drehe mich nicht um. Er kommt mir nicht hinterher.
Ja, der Einschub erklärt vieles in Ihre Beziehung und deren Ende

Sie zeigen mi Fotos, Videosequenzen an der Sicherheitsschleuse in New York.
ah, noch ein Hinweis auf die zweite Ebene

Ich versichere ihnen, dass er es ist, schaue sie mir genau an, suche nach den Augen, bemerke, wie gebückt er geht, welche Last auf den Schultern liegt, denselben weggetretenen Gesichtsausdruck, mit dem er mich damals angeschaut hatte, als er mit mir in die Klinik ging.
Sorry, hier war ich kurz raus, der Ort, die Zeit, alles ist anders, ohne Übergang oder durch den Übergang, aber es hat ja sonst niemanden gestört

Schreie reißen mich aus der Erstarrung. Plötzlich steht Karl neben dem Bett, brüllt, redet auf den Arzt ein, will stoppen, was schon vorüber ist. In einem Eimer, das mein Blut aufgefangen hat, liegt es.
Warum ein Kurpfuscher? Warum ist er dabei, bei seinem da vorigem Verhalten, sehr zwiespältige Persönlichkeit

Dann machen sich beide auf zum Krater, Karl ist viel zu früh und fährt dann aus reiner Ahnung an einen Ort, den auch Georgia als zu Hause bezeichnet. Aber dann, sorry Isegrims, ich verstehe den Schluss nicht, aber alle anderen könne anscheinend folgen, hilf mir bitte.

Deine Figuren finde ich sehr interessant und so schön menschlich zwiegespalten. Toll gezeigt. Von Deinen Dialogen versuche ich mir noch etwas abzugucken, für mich waren sie jedenfalls schön echt. Nur für den Schluss bin ich zu doof. :(
Ich fand die Idee, da eine zweite Schicht mitlaufen zu lassen (Spionage, Steuer, ...?) echt gut, was habe ich also überlesen. Und am Schluss ist wieder alles gut, ich glaub, ich bin zu einfach gestrickt.
Also nicht falsch verstehen, ich mag Deine Geschichte und Deinen Schreibstil sehr, würde nur gerne, die Geschichte ganz verstehen wollen.

Beste Wünsche (in diesem speziellen Falle - wunschgerechtes Wetter und ausdauernd gute Laune)
witch

 

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