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Wiedersehen

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03.10.2001
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Wiedersehen

Ich sitze in dieser kleinen Bar. Gelächter und Geschrei betäuben mich, betäuben meine Sinne. Der Geschmack von kaltem Rauch auf meinen Lippen. Noch einen Amaretto-Kirsch. Irgend etwas ist seltsam. Keine Ahnung, was es ist. Die Zigarette in der einen Hand, während die andere unruhig an einem Bierdeckel fummelt.

Ein im Vorbeigehen zugeworfener Blick. Entsetzen, als ich dich erkenne. Ein tiefer Schluck aus meinem Glas.
Du hast dich nicht verändert. Weißt du, wie lange ich auf den Moment gewartet habe? Wahrscheinlich nicht. Inzwischen stehst du vor mir, verseuchst meine Ohren mit sinnlosem Geschwätz, willst mir einen Drink ausgeben. Erinnerst du dich nicht an mich? Macht nichts. Früher oder später...

Ich lächle dich an. Ich weiß, was du im mir siehst. Ein langer, genussvoller Zug an meiner Zigarette mit geschlossenen Augen. Es stört mich nicht. Wieso auch? Ich weiß, wer du bist. Niemand weiß das so gut wie ich. Oder?

Damals standest du vor mir, älter und reifer als ich. Weißt du noch? Du wusstest genau, was du wolltest. Und ich? Ich habe auf dich gewartet, dich hereingebeten. Die Ledercouch haben meine Eltern immer noch.

Tja, das war damals. Du sahst du an, anders als heute in dieser stinkenden Bar, nicht wahr? Du standest vor mir. Wie jetzt. Weißt du es wirklich nicht mehr? Deine sanften, braunen Augen. Alles Lüge. Wenn man jung ist, lässt man sich leicht blenden. Das weiß jeder. Du auch, oder?

Ich wusste nicht, dass du gekommen bist, um mich zu verletzen. War hilflos, konnte nicht schreien. Mich nicht wehren. Hab nur gewartet. Gewartet, bis du fertig bist. Der einzige Trost die Gewissheit, dich nie wiederzusehen. Heute ist das anders. Du baggerst in der Hoffnung, mich noch heute Nacht zu ficken. Nur zu. Du erinnerst dich immer noch nicht. Ich trinke inzwischen Wodka. Diesmal wirst du es sein, der nie vergisst. Es ist meine Nacht. Heute bin ich am Zug. Prost. Auf dich, mein Liebster. Es ist spät. Zeit zu gehen, findest du nicht?

Was sagst du jetzt? Was sagst du nun, wo ich halbnackt auf dir sitze und du hilflos unter mir liegst? Es fühlt sich gut an, nicht wahr? Macht es dich geil? Was gäbe ich für deine Gedanken. Ein Brett im Bett. Das war einmal. Einen Augenblick noch. Ich bin sofort wieder für dich da. Versprochen. Ich stehe auf, um mein kleines Geschenk für dich zu holen. Es kommt von Herzen. Garantiert. Eingepackt ist es nicht. Wozu auch? Wir stehen doch beide nicht auf sentimentalen Scheiß. Zärtlich raune ich dir meinen Namen ins Ohr. Du verstehst nicht. Noch nicht. Ich habe mich verändert, oder? Ja, das habe ich wohl. Ich spüre diese warme Masse, die sanft meine Finger in ein beruhigendes, rotes Licht taucht, während ich das Messer tief in deinen Bauch stoße. Und, kommt dir das bekannt vor? War es damals nicht das Gleiche?

Na endlich! Dein entsetzter Blick zeigt mir, endlich hast du mich erkannt. Aber das Grau deiner Haut passt gar nicht zu dem Braun deiner Augen. Du willst ohnmächtig werden. Das wollte ich damals auch. Aber das macht doch so keinen Spaß, oder? Ich setze an. Um wieder zuzustechen. Ohne Ziel. Es belebt mich. Immer und immer und immer wieder. Es ist gut so, wie es ist. Gerade eben habe ich dir vergeben.

 

brrrrrr...hartes Brot. Zum Glück währte Dein Job als Weltbeherrscherin nur kurz. ;)

Stilistisch gibt es schon mal nichts zu meckern.
Düstere Atmosphäre, mit wenigen Worten zum Leben erweckt; die Story schmiegt sich an. Ausgeprägte Charaktere: sie, die sich unnahbar fühlen möchte, damals aber genau das Gegenteil erfahren hat und in ihm Ursache und Heilung sieht. Er, der einfache Arsch, der wahrscheinlich schon immer so durch Leben geht.
Und dann die Erlösung...

Ihre Gedankengänge klingen nachvollziehbar (auf ihre Situation bezogen), seine ja wohl eh. Die harten Worte unterstreichen passend.
Also, insgesamt heftig und gelungen.

gruß Baddax

Der letzte Satz wirft Fragen auf, über die ich erst noch mal nachdenken muss.

[Beitrag editiert von: baddax am 08.01.2002 um 16:13]

 

Rache, die wohl nur in der Literatur stattfindet und leider nie im wirklichen Leben.

Eine perfekte Geschichte, die mir wieder mal deutlich macht, daß sich die vielen Stunden Freizeit, die für kg.de "draufgehen", doch lohnen ;)

 

Wie ich schon sagte: Ich steh auf Vergeltung :naughty:

Aber im Ernst: Die Geschichte ist Dir wirklich gelungen. Keine unnötigen Worte, die Essenz gekonnt auf den Punkt gebracht. Deine Formulierungen haben es mir angetan.
Trotz der Kürze des Textes schaffst Du es, den Leser (mich) auf unangenehme Weise in die Gefühlswelt der Protagonistin eintauchen zu lassen. (Das meine ich durchaus als Kompliment!)

Auszusetzen hätte ich nur... öhm... nein, nichts auszusetzen. :D

1, setzen!

 

Hi Pandora, da ist dir eine recht spannende Geschichte gelungen ein paar sprachliche Kleinigkeiten sin mir jedoch aufgefallen

Geschmack von kalter Asche auf meinen Lippen
kalte Asche? Rauch hätte mir besser gefallen.

Damals standest du vor mir, älter und reifer als ich
einmal älter immer älter, hätte man vielleicht sprachlich etwas besser differenzieren können(am ende sieht der Protagonist schließlich ganz alt aus :) )

Ich weiß, was du im mir siehst
kleiner Tippfehler
bis dann
Gruß Asparagus

[Beitrag editiert von: asparagus am 09.01.2002 um 19:03]

 

Hi,

erstmal danke an alle für eure positiven Kritiken.

Zu Asparagus:

Du hast Recht mit deinen Kritikpunkten. Ist mir gar nicht aufgefallen. Die erste und die letzte Sache habe ich geändert.
Zu dem zweiten Punkt:

Sicherlich ist er heute genauso viel älter wie früher. Heute spielt es aber keine Rolle, damals schon.
Deswegen habe ich es auch so geschrieben.

Danke auch für deine Verbesserungsvorschläge.

liebe Grüße, Pandora

[Beitrag editiert von: Pandora am 10.01.2002 um 01:21]

 

Stil hat mir gefallen, sagte ich dir schon. Das Ende passt... jetzt! Hatten wir auch besprochen.

Alles in allem ´ne gute Geschichte! Und wehe, du bist jetzt beleidigt, weil ich keine "konstruktive" Kritik abgegeben habe.

Manchmal sagt ein "Schön" mehr aus als 1000 Worte, verstehst du?

Poncher

 

hallo!

uiuiui, ziemlich krasse geschichte-aber interessante perspektive, auch recht gut erzählt.

gruß!

 

Endlich mal wieder eine handwerklich anspruchsvolle Geschichte! :)

Das Bild mit dem In-ihn-Stechen ist gut, analog, aber wie sticht man in einen (noch dazu kümmerlichen) Schwanz - wobei "in" weiterhin klein geschrieben wird???

Und spüren junge Rehe wirklich keine Gefahr? Haste das recherchiert? Nie Blödsinn schreiben, bloß weil er grade passt! ... lassen sich besonders leicht blenden ... funktioniert.

Diese beiden inhaltlichen Kritiken sind die einzigen, die mir spontan einfallen. Gute Arbeit!

 

Hi Alpha,

danke für deine Anregungen und dein Lob. :)

"In" ist natürlich ein inzwischen editierter Tippfehler.
Ich denke, man kann sehr gut ein Messer in einen Penis stoßen. Das kümmerlich kann rein subjektiv sein oder ein Ausdruck dafür, dass er noch nicht sein voller Volumen ausgeschöpft hat.

Bei der Sache mit dem Reh hast du natürlich Recht. Sie haben gewiss Instinke, die sie vor Gefahr bewahren, bleiben aber trotzdem anfälliger.
Ich hoffe, so ist es jetzt besser.

Liebe Grüße, Pan

[Beitrag editiert von: Pandora am 12.01.2002 um 02:11]

 

Liebe Pan!

Hab Deine Geschichte gestern gelesen, mußte sie erst einmal verdauen. - sehr heavy.

Finde sie absolut gut geschrieben.
Die Idee finde ich originell.

Nicht so ganz gefällt mir die Änderung, da jetzt m.E. nicht mehr klar wird, was mit "War es damals nicht das gleiche?" gemeint ist.

Gesamturteil: * * * *

Alles liebe
Susi

[Beitrag editiert von: Häferl am 12.01.2002 um 04:54]

 

danke Häferl,

aber an der Stelle hab ich gar nichts geändert:

Während ich das Messer tief in deinen kümmerlichen, vor Erregung lächerlich bebenden Schwanz stoße. Und, kommt dir das bekannt vor? War es damals nicht das Gleiche?

Ich glaub, da haste dich vertan, oder? :confused:


Geändert hab ich folgende Stellen:

Junge Rehe kennen keine Gefahr. Lassen sich leicht blenden.
(Junge Rehe spüren keine Gefahr)

Ohne Ziel.
(den Satz hab ich hinzugefügt.)

Deswegen kann ich deine Kritik in bezug auf die Änderungen nicht ganz nachvollziehen.

Liebe Grüße, Pan

[Beitrag editiert von: Pandora am 12.01.2002 um 10:50]

 

Da stand doch sowas wie "immer und immer wieder" drin, Pan?!

Ist aber auch egal, will nicht um des Kaisers Bart streiten.

Wie gesagt: :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

Alles liebe
Susi

[Beitrag editiert von: Häferl am 12.01.2002 um 11:46]

 

Hi Häferl,

ja, da stand "immer und immer wieder" drin:

Um wieder zuzustechen. Ohne Ziel. Es belebt mich. Es erfüllt mich. Immer und immer und immer wieder.

Aber das hat mit dem Vergleich (War es dasmals nicht das gleiche?) gar nichts mehr zu tun.
Für diesen Vergleich war das einmalige Treffen in das "beste Stück" von Bedeutung. Und daran hab ich nichts geändert.
Wohin die Protagonistin die darauffolgenden Male sticht, spielt keine Rolle. Wichtig war ihr nur, dass er den Schmerz fühlt, den er ihr vor Jahren zugeführt hat. Sie muß nicht immer und immer und immer wieder in sein Heiligtum stoßen. Abgesehn davon, dass es schwer umsetzbar wäre (wie Alpha völlig richtig bemerkt hat), ist es für die Protagonistin nicht von Belang. Verstehst du?

Gruß, Pandora

 

Ich gestehe, Pan: Ich habs in der Nacht im falschen Absatz gesucht, einen zu früh, und dann nicht weitergelesen, *schäm*

Kriegst noch einen Stern dazu: * * * * *

Alles liebe
Susi

 

Hi Pandora

Ich finde es spitze, den Leser selbst die Details schreiben zu lassen. Daher Kompliment für diesen Satz:

Zitat:
__________________________________________________________
"Die Ledercouch haben meine Eltern immer noch"
__________________________________________________________

Insgesamt eine ziemlich heftige Geschichte. Ich krieg eine Gänsehaut, wenn ich mir das bohrende Messer vorstelle... brrrrrrrrrrrrrr
Aber, das darf man wohl sagen, ein berechtigtes Rachemanöver (ist ja schließlich nur literarisch, oder?)
.

Gruß, Gin

[Beitrag editiert von: Gina am 12.01.2002 um 17:36]

 

Hi Gina,

danke für deinen Kommentar.
Ich denke, du darfst diesen literarischen Racheakt durchaus als gerechtfertigt ansehen.
Und, so hart das klingen mag, ich hätte auch für jeden Verständnis, der in der Situation ähnlich agiert wie meine Protagonistin.
Ich denke, man könnte es keinem verübeln (was jetzt aber kein Aufruf sein soll).

Gruß, Pan

 

Dem stimme ich zu. Wäre diese Geschichte ein Tatsachenbericht, stünde ich ganz auf der Seite der Protagonistin.

 

Dem stimme ich zu. Wäre diese Geschichte ein Tatsachenbericht, stünde ich ganz auf der Seite der Protagonistin.

Glaubst du an die Todesstrafe ?

 

Hallo,

ich sage nur zu deinem Gedicht: tragisches gut - wenn auch an einigen Stellen extrem - beschriebenes Einzelschicksal. Nur die Umgebung zu beginn müsste etwas genauer sein (in einem Pub, welches Land, ist das Pub klein?) ansonsten recht gut und (einigermaßen) realistisch. :)

die umgebung spielt aber keine rolle welches land uíst doch völlig wurscht ist

Ja klar, das verstehe ich, es kommt ja auch gut rüber, nur als sie sagt, sie trinkt einen Wodka könnte es auch in Russland spielen. aber so wie sie ist ist es die geschichte schon in Ordnung.

Ein besonders treffend und gut/abwechslungreich beschrieben Stelle:

Wir stehen doch beide nicht auf sentimentalen Scheiß.

Have a nice day (or evening!),

David.

 

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