Ich habe jetzt Marquez "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" beendet - es war ... okay. Ich hatte davor zum zweiten Mal 100 Jahre Einsamkeit gelesen und dieses Buch ist pure Grandiosität und ich glaub Ranicki war es der meinte, dass man ein gutes Buch durch die Übersetzung nicht kaputt machen kann. Und ich denke, das trifft auf 100 Jahre zu - aber bei der Cholera bin ich mir da nicht sicher.
Also was genau hat mich an diesem Buch enttäuscht? Hätte es mich auch enttäuscht, wenn ich 100 Jahre Einsamkeit nicht gekannt hätte und unbefangen an das Werk von Marquez gegangen wäre, ohne diese riesigen Erwartungen, weil ich mich teilweise gezwungen habe, zu vergessen, dass es sich hierbei um denselben Autor handelt. Und ich jammere hier auf höchstem Niveau, auf Marquez-Niveau, wenn ich also schreibe enttäuscht, dann meine ich hier nicht so etwas wie Krachts Faserland - was ein absoluter Flop war - sondern ich meine, dieses nörgelige enttäuscht sein, weil man sich zuuu viel versprochen hat, weil man zuvor 100 Jahre Einsamkeit gelesen hat. So, bevor ich weiter so rum laber ...
Marquez erzählt nicht linear, das ist klar, er schreibt sehr assoziativ, es muss ein Stichwort fallen und schon befindet man sich entweder in einer Rückblende oder bei einer völlig anderen Person, in einem anderem Dorf oder Land - konzentriertes Lesen ist also ein Muss. Was vielleicht bei 100 Jahre Einsamkeit noch n cooler Effekt war, weil die Form natürlich den Inhalt so unterstrichen hat, habe ich hier einfach nicht den Sinn darin gesehen, warum er so sprunghaft erzählt.
Es ist eine Liebesgeschichte, aber Marquez hat trotzdem darauf geschissen, ob man nun seine Protagonisten mag oder nicht. Ich fand sie nicht sympathisch, ich konnte ihr Leid nicht nachvollziehen, ich fand sie zuweilen dumm, wie sie handelten - da hatte er mich schon verloren.
Ich fand den Protagonistin, Florentino, als Figur insofern interessant, da ich diese Art von Figur noch in keinem anderen Buch gelesen habe. Er war auf seine kurios-geheimnistuerische, einsame Art ja ganz nett, aber meine Sympathien hatte er nicht.
Ich habe mich ja selbst beim Lesen beobachtet, weil ich immer dachte, ach, ich muss die Figuren nicht sympathisch finden, um ihnen folgen zu können. Das stimmt schon, aber ich fands auch nicht sonderlich spannend und musste mich teilweise zum Lesen zwingen.
Ab und zu - vor allem, wenn es um die gesellschaftlichen Konventionen und Restriktionen ging, wurde das Buch interessant, aber auch die Hurerei*** vom Protagonisten fand ich spannend und wie er litt, als er glaubte, sein Versprechen gegenüber der Protagonistin gebrochen zu haben, weil er mit einer anderen Frau geschlafen hat (dabei war sie schon längst mehr oder weniger glücklich verheiratet) - aber dann diese Sex-Szenen - auuua! Wie kann man bitte einen Penis ein "schlafendes Tier" nennen. Die Sprache war absurd, unfreiwillig komisch und alles andere als erotisch. Wollte sich Marquez darüber lustig machen? Ich weiß es nicht. Wenn es um Beschreibungen von Personen, von Ortschaften und Ereignissen geht, dann mag ich seine üppige Sprache, diese bildreiche, detaillierte Sprache - aber von Sex hätte er lieber die Finger lassen sollen.
Und obwohl es 500 Seiten waren, hatte ich nicht das Gefühl eine Figur richtig zu kennen, man bekommt natürlich keine Entwicklung mit, das wird durch diese unlineare Erzählweise sehr erschwert - das habe ich ja auch bei 100 Jahre gemerkt.
Es gibt hier auch keinen magischen Realismus, was ja Marquez Stärke ist. Vielleicht die 50 Jahre anhaltende Liebe.
Das Ende, so die letzten 100 Seiten fand ich dann wirklich sehr gelungen, mochte ich. Da sind wir nah an den Figuren dran, begleiten sie überall hin, das Setting ist klar, man befindet sich auf einer Zeitebene und der hässliche Titel ergibt Sinn und die Cholera ist dann nur ein Symbol.
Vielleicht lese ich das Buch in zwei, drei Jahren wieder und denke etwas anders darüber, aber JETZT hat es mich nicht umgehauen und dabei habe ich mir das sosehr gewünscht.
Ich lese jetzt Tschick von Herrndorf. Hab schon reingelesen, ist komplett anders, mal sehen.
*** ich vergaß, Männer huren nicht rum, sie haben Abenteuer sexueller Art.