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Wenn die Zeit stillsteht

Wortkrieger-Team
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31.01.2016
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Wenn die Zeit stillsteht

Wir essen die Nudeln immer zuerst aus der Suppe. Bis auf unser Schlürfen höre ich nur Möwengeschrei. Schrille, laute Töne. Ich sehe die Vögel waghalsige Manöver fliegen, höre sie sich ihre Warnsignale zurufen, als segelten sie über stürmischer See. Wundern würde es mich nicht, wenn sie nach mir greifen, mich fortbringen würden, so ungestüm wie sie auf geöffnete Fenster zusteuern. Doch kurz vorher fliegen sie eine akrobatische Kehrtwende und gleiten über die Häuser hinweg. Von meinem Stuhl aus blicke ich über die Dächer der Stadt und der wolkenlose Himmel scheint so viel näher zu sein als der staubige Boden. Stünden dort keine Häuser, könnten wir auf das Meer sehen; so bleibt uns nur die Gewissheit, dass es hinter der letzten Reihe liegt. Und wenn man darüber fliegen würde und immer weiter und weiter, käme man irgendwann zu einem anderen Kontinent. Hin und wieder rauscht das Laub des Kirschbaumes vor meinem Fenster, sobald sich der Wind darin verirrt oder ein Vogel. Die Früchte sind bereits rot und die Zweige mit dunkelgrünem Laub geschmückt. Eine besonders übermütige Möwe versucht zu landen. Wild schlägt sie mit kräftigen Flügeln und das Laub fliegt nur so umher. Immer wieder steuert sie mit den Füßen auf einen Ast zu. Sie will nicht wahrhaben, dass sie nicht in der Lage ist, sich daran festzuhalten. Ich weiß, sie wird es weiter versuchen, solange, bis sich ihre Krallen um den Zweig krümmen, sie darauf sitzen und von den Kirschen essen kann.

Die Suppe koche ich jeden Tag. Es ist Kais Leibspeise. Wenn ich kein gutes Bauchfleisch bekomme, nehme ich Tofu. Ansonsten gehören unbedingt Sternanis und eine Zimtstange in die Brühe, Shiitakepilze und eine grüne Chilischote. Sonntags möchte Kai ein Ei dazu. Das lege ich am Abend zuvor in Sojasauce ein. Als wir neu in die Stadt zogen, habe ich fertige Nudeln verwendet. Kai war darüber enttäuscht, und so machte ich mir fortan die Mühe, sie wieder selbst zu rollen, wie vorher, als wir auf dem Land bei unseren Familien lebten und die Küchenarbeit aufgeteilt wurde. Kais Großmutter saß den lieben langen Tag an der offenen Tür zum Garten, pulte die Bohnen aus den Hülsen oder hobelte Ingwer in hauchdünne Scheiben.

Den Kopf über die Suppentasse gebeugt, blicke ich durch Haarsträhnen zu Kai hinüber. Er beeilt sich, als müsse er noch einmal fort. Zu einer Verabredung, zur Arbeit oder einfach weg von hier. Ich halte mitten in der Bewegung inne. Wie erstarrt bleibt mein Arm in der Luft, der Löffel vor dem geöffneten Mund, der Rücken fest und starr, als wäre ich mit der Sitzfläche verbunden. Mit einem Scheppern fällt der Löffel zuerst auf den Rand der Suppenschale, dann zu Boden. Meine Finger gleichen den gespreizten Flügelspitzen eines Vogels. Es war mir unmöglich, das Besteck noch eine Sekunde länger festzuhalten. Mit dunklen Rändern unter den Augen blickt Kai auf und ich versuche, etwas wie ein Erkennen auszumachen, irgendeine Regung, die mir bedeutet, dass ich zu ihm gehöre.
„Kai, verlass mich nicht“, und ich bin nicht einmal sicher, ob ich das denke oder wirklich sage. Er schaut erneut auf seinen Teller und isst bedächtig die Nudeln. Beim Aufstehen erreichen meine Füße den Boden nicht und ich muss einen kleinen Sprung wagen. Den Weg zur Spüle schlurfe ich über das Parkett; irgendetwas ist mit meinen Knien. Mit einem Tuch wische ich die Flüssigkeit vom Tisch, lese die Nudeln auf, bringe die Schale, den Löffel und das Tuch zurück zur Küchenablage. Ich gewöhne mich schnell an die neuen Finger. Eine Möwe landet auf dem Dach. Ich höre ihre Füße auf dem Metall schaben. Sie bleibt nicht stehen, läuft hin und her, hin und her, hin und her. Es braucht eine Weile, bis ich zurück am Tisch bin und wieder Platz nehme. Kai hat seine Mahlzeit beendet, nimmt die Tasse, schlürft den heißen Tee. Dabei beugt er den Rücken und ich denke an einen alten Mann.
„Wir könnten einen Spaziergang machen“, schlage ich vor.
Er trägt das Geschirr zur Spüle und beginnt es abzuwaschen. Zum Möwengeschrei, es klingt nun wie Gelächter, kommt das Rauschen des Wassers hinzu, das Klappern des Porzellans am Keramikbecken. Geräuschlos stehe ich auf und stelle mich an Kais Seite, nehme das Handtuch vom Haken und trockne die Schalen. Bevor ich die nächste nasse Schale greife, berühre ich seinen Unterarm; er hat die Hemdsärmel hochgekrempelt. Die Haut ist glatt und fest, gebräunt und wenig behaart. Wie in Zeitlupe streiche ich sacht vom Handgelenk zum Ellenbogen. Die feinen Muskeln und Sehnen haben sich durch das jahrelange Üben am Cello ausgebildet. Dann küsse ich ohne Mühe seinen Hals an der Stelle über dem Hemdkragen. Wir sind gleich groß. Es gab eine Zeit, damals in der Schule, da war ich größer als Kai. Zu dieser Zeit küssten wir uns nicht.
Als die Tür ins Schloss fällt, trockne ich gerade die letzte Schale.

Ich erinnere mich nicht genau, wie viel Zeit vergangen ist, seit wir hierher gezogen sind. Es erschien vernünftig, dass wir gemeinsam unser Dorf verließen, damit Kai im Großen Konzerthaus spielen konnte und nicht länger zu verschiedenen Veranstaltungen oder auf Tourneen. Er müsste nicht viel reisen, wenn er fest angestellt wäre, sagte er. Ich würde überall eine Anstellung finden. Oder zu Hause arbeiten. Viel Zeit nimmt die Übersetzungsarbeit nicht in Anspruch, und ich bin immer schnell fertig. Vielleicht bekommen wir ja doch noch ein Kind, um das ich mich kümmern könnte. Den Rest des Tages halte ich die zwei Zimmer sauber, die wir bezogen haben, erledige Einkäufe und bummle durch die Stadt, gehe zum Strand oder nur im Park spazieren. Heute setze ich mich mit einem Buch auf die Bank, auf der bereits eine alte Frau sitzt. Es gehen eine Menge Frauen umher. So stelle ich mir Witwen vor. Wie von etwas beraubt schleichen sie mit hängenden Köpfen über den staubigen Weg und wissen nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen, als sie verstreichen zu lassen. Ich empfinde Mitleid, deswegen bin ich besonders freundlich zu ihnen.
„Sie lesen ein interessantes Buch“, bemerkt sie auch gleich und beugt den Kopf hinunter, um den Umschlag besser sehen zu können. Ich halte ihn vor ihr Gesicht, damit sie sich nicht mühen muss.
„Ja. Stimmt. Kennen Sie es?“
„Nein, ich habe nie davon gehört. Ist das von einem Ausländer?“
"Er ist schon lange tot.“
„Ich lese nicht viel. Die meisten Geschichten sind verrückt. Ich verstehe sie nicht. Wovon handelt denn diese?“
„Von einem Mann, der nicht bleibt, wer er ist, der sich verwandelt und am Ende erkennt man ihn gar nicht wieder, so scheußlich sieht er aus.“
„Ach, nein. Wie fürchterlich!“, ruft sie, dreht sich von mir weg und zieht eine Grimasse. „Sehen Sie. Das meine ich. Da können Dinge passieren, die mich in Angst und Schrecken versetzen.“ Sie schüttelt sich.
„Aber auch im wahren Leben passieren solche Dinge, oder etwa nicht?.“
„Na, nun muss ich aber los“, beeilt sie sich zu sagen und steht mühsam auf. „Mein Mann wartet sicher schon ungeduldig. Er möchte sein Abendessen pünktlich auf dem Tisch haben. Schönen Abend noch und gute Besserung“, sagt sie freundlich und deutet mit einem Kopfnicken auf meine Beine. Ich stecke mir kleine Hörer in die Ohren und lausche Kais Cellospiel, halte das Buch in meinen Händen auf dem Schoß. Meine Lieblingsstücke hat der Enkel meiner Nachbarin Mina auf einen kleinen Apparat überspielt. Wenn ich Bach lausche, verkleinert sich an manchen Tagen mein Gesichtsfeld für eine Weile, und ich sehe den Weg vor mir wie durch ein winziges Fernrohr. Es ist ganz einfach, damit die Richtung zu halten. Als ich mich von der Bank erhebe und auf den Weg nach Hause mache, kann ich nur winzige Schritte gehen, als wären meine Fußgelenke miteinander verbunden. Kleine Trippelschritte, und ich benötige eine Ewigkeit, bis ich vor meiner Haustür stehe.

„Wo bist du denn nur so lange gewesen. Wir sind doch verabredet“, mault mich die Nachbarin an. „Du weißt doch, dass ich keinen Fernseher habe und heute ist …?“
„Mittwoch.“
„Richtig. Freitag. Und das Finale!“ Ich sehe sehr wohl, dass sie die Augen verdreht, diese verrückte Alte. Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet, aber sie liebt es, bei mir fernzusehen. Und solange Kai nicht zurück ist, kann ich ihre Gesellschaft durchaus genießen.
„Warum du immer auf diesem unbequemen alten Stuhl sitzen musst. Komm doch rüber zu mir aufs Sofa“, quengelt sie und richtet sich mit ihrem Kräutertee ein, den sie in einer Thermoskanne mitgebracht hat, bevor sie den Fernseher einschaltet. Ich antworte nicht und sehe zum Fenster hinaus in den Himmel, auf die letzte Häuserreihe, hinauf zu den Möwen. Mich interessiert das Finale nicht.Der Schnabel hindert mich daran, an meiner Teetasse zu nippen. Ich habe gar nicht mitbekommen, wann er mir gewachsen ist. Es dauert eine Weile, bis es mir gelingt, damit den Tee zu trinken. Doch schließlich geht es recht leicht. Als ich Appetit bekomme, ich war ja lange im Park unterwegs, watschle ich an die Küchenzeile.
„Möchtest du auch ein paar Körner“, frage ich meine Nachbarin.
„Körner?“
„Ich habe nichts anderes. Nur ein paar Körner.“
„Nein, danke. Also deine Essgewohnheiten lassen immer mehr zu wünschen übrig“, nörgelt sie. Man kann es ihr einfach nicht recht machen.
„Wie lange wird denn dieses Finale dauern?“, frage ich und nehme wieder am Fenster platz. Nicht weil ich ungeduldig bin, sondern weil ich möchte, dass sie nicht mehr hier ist, wenn Kai nach Hause kommt. Die Alte zischt und winkt mit einer abfälligen Handbewegung. Ich rutsche auf meinem Stuhl herum und beschließe, mich hinzustellen, weil mir das Sitzen mit der Zeit doch recht unangenehm ist. Etwas drückt im Rücken und als ich über meine Schulter sehe und einen Blick zwischen die Schulterblätter wage, entdecke ich zwei prächtig-weiße Flügel. Ich bin erleichtert, dass es einen guten Grund für mein Unbehagen gibt. Aus purer Freude flattere ich ein bisschen mit ihnen herum.
„Meine Güte, mach doch bloß mal das Fenster zu. Wenn du die Biester weiterhin fütterst, werden sie eines Tages noch hereinspazieren und selbst die Schranktür öffnen, um sich zu bedienen. Sieh! Da sitzt schon wieder eins auf dem Fensterbrett.“ Ksch – Ksch – Ksch, macht die Alte unwirsch und fuchtelt mit ihren dürren Ärmchen herum, wobei ihre Augen keine Sekunde vom Bildschirm ablassen und die Asche ihrer Zigarette auf den Boden fällt. Dass ich mich über ihr Verhalten ärgere, sage ich nicht, wohl aber bitte ich sie zu gehen, weil ich vermute, jeden Moment käme Kai zur Tür herein. Der würde es gar nicht gutheißen, wenn jemand in seiner Wohnung rauchte. Kaum habe ich den Satz beendet, schaut die Alte mich entgeistert an. Mit aufgerissenen Augen und ausgestreckten Armen kommt sie langsam auf mich zu – wie ein Gespenst – und ich gehe rückwärts, wobei meine Krallen auf dem Holzboden kratzige Geräusche machen. In ihrem faltigen Gesicht bemerke ich einen Ausdruck von Mitleid und Fassungslosigkeit.
„Bleib stehen!“, fordere ich sie auf. „Komm nicht näher, du … dumme, alte Frau.“ Ich stoße dabei mit dem Flügel einen Schachtel von der Konsole und Briefe fallen wie trockenes Laub auf den Boden. Es ist zartes und transparentes Papier aus Übersee. Hellblau und ohne Kuvert.
„Wie kommst du denn um Himmelswillen drauf, dass Kai zur Tür reinkommt?“
Die Alte nimmt einen Brief nach dem anderen auf, wirft einen flüchtigen Blick darauf und lässt mich nicht aus den Augen.
„Bitte, lass sie liegen“, rufe ich und meine Stimme klingt laut und schrill. Wie eine Warnung.
Die Alte bleibt regungslos stehen. Ich reiße meinen Schnabel weit auf, weil ich ihr sagen möchte, dass sie endlich gehen soll, aber es kommt nur Geschrei heraus. Es fällt mir schwer, die Balance zu finden, denn ich bin nicht an das Flügelschlagen gewöhnt. Ich drohe vornüberzufallen und als ich mich überhaupt nicht mehr aufrechthalten kann, macht die Alte einen Satz auf mich zu und wir fallen uns in die Arme und gemeinsam zu Boden. Sie umklammert mich und drückt meine Flügel nieder, dabei sagt sie immer dasselbe. Es hört sich an wie: „Es ist alles gut, mein altes Mädchen, alles gut. Ich bin ja da. Sch – sch – sch.“ Sie wiegt mich in ihren Armen und ich weine wie ein kleines Kind und weine und weine und kann nicht aufhören.

Bach erfüllt den Raum, kaum hörbar, mehr wie ein musikalisches Lüftchen. Ich erkenne Kais Cellospiel im Schlaf. Die Fenster sind geschlossen. Im Zwielicht kann ich nicht ausmachen, ob es Tag oder Nacht wird. Mina sitzt an meiner Seite, das Kinn neigt sich zur Brust und ihre Hände liegen auf dem Schoß. Sie atmet gleichmäßig.
„Da bist du ja wieder“, ruft sie unvermittelt, als wäre ich auf einer langen Reise gewesen und sie freue sich, mich endlich wiederzusehen.
„Wenn du nicht langsam mal zu dir gekommen wärst, hätte ich den Alten gerufen. Da kannst du aber drauf wetten“, sagt sie und klingt sehr vergnügt, „und ehrlich gesagt, hab ich ihn bereits angerufen. Er wollte auch sofort kommen, aber als ich ihm von den Möwen erzählte, die hier bei dir geradezu wie Freunde ein- und ausgehen und mächtig herumkrakeelen, da meinte er, es wäre noch viel Zeit. Ich soll dich in Ruhe lassen und du sollst die Vergangenheit ausatmen, die Gegenwart ein und dann … na, noch irgendwas von Zukunft. Du weißt ja, wie der immer so redet. Ich bin jedenfalls froh, dass es mit dir noch nicht zu Ende gegangen ist.“
„Hab ich denn geschlafen?“ Meine Stimme ist so leise, dass ich mich selbst kaum hören kann.
Sie reicht mir ein Glas Tee, das ich gierig austrinke.
„Hat der Alte für dich angemischt – meinen Enkel hab ich dafür hin- und hergescheucht. Das Finale war am Freitag und ich weiß nicht mal … Aber Schlaf würde ich das nicht nennen. Ich habe dich sogar einmal suchen müssen.“ Sie schaut zum Fenster.
„Sitzt du seitdem hier?“ Ich richte mich auf und strecke erst den Rücken, dann vorsichtig die Arme und schließlich winkle ich die Beine an. Mina richtet ein Kissen und drückt mich hinein, setzt sich auf die Bettkante. Wir sehen uns eine Zeitlang nur an, so als sähen wir uns zum ersten Mal.
„Ich wusste ja nicht, wie einsam du bist“, und während sie flüstert, nimmt sie meine Hände in ihre. Vier Hände, die nun ineinander liegen; schwer zu sagen, welche Hand zu wem gehört. Sie sind allesamt knochig und die Haut dünn und übersät von Flecken. Mina rinnen Tränen übers Gesicht, die sie mit einem unserer Handrücken trocknet, weil sie mich nicht loslässt. Darüber muss ich lachen und sie blickt erschrocken zu mir auf.
„Du wirst mir doch wohl nicht verrückt werden?“, poltert sie mit geweiteten Augen. Eine Möwe fliegt lautlos am Fenster vorbei und ich zupfe mir ein paar Federn von den Fingern.

 

Hej, liebe @Chai ,

eine Geschichte ohne einen Kommentar von dir, wäre ... nicht so schön. :herz: Auch wenn ich mich jetzt lächerlich mache, aber als du mir davon geschrieben hast, wie du die Vogelfrau siehst, du so eindrücklich erzähltest, was du empfindest, mit dem Vaterunser und deiner Wut gegen solche Frauen, aber weniger für die Vogelfrau ... ja, da fluteten mir kurz die Augen. Es ist schön, den Text verstanden zu wissen. :kuss:

Erst beim zweiten Lesedurchgang sind mir die vielen kleinen Details aufgefallen, mit denen du das Lebensgefühl der Möwenfrau auf den Punkt gebracht hast. Der Text ist doppelbödig, und das gefällt mir sehr.

Das tut so gut. ;)

Deine Protagonistin scheint mir so gefangen in sich selbst, so fixiert auf diesen Kai, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes verschwindet. Gleichzeitig ist ihr Wunsch nach Freiheit so stark, dass sie sich einbildet, zur Möwe zu mutieren. In Wahrheit hat sie wohl einen Nervenzusammenbruch, der sich durch Lähmungserscheinungen ankündigt. Die Lähmung und Hemmung in ihr, das nicht ausbrechen können aus den festgefahrenen Strukturen, schlägt sich schleichend körperlich nieder, bis zur sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm. Sie denkt, ihr wachsen Flügel, dann bricht sie endgültig zusammen.

Du bist wie geschaffen für die Geschichte, obwohl ... @erdbeerschorsch hat, dessen ist er sich vielleicht gar nicht bewusst, mich ermutigt, sie so enden zu lassen, wie ich es am Anfang vorhatte, dann hat mich aber der Mut verlassen und ich ließ es wie eine ... Wahrnehmungsstörung aussehen und nicht wie eine surreale Verwandlung. Nun habe ich die Geschichte umgeschrieben, anders verortet und entspiritualisiert, aber den Gedanken an eine tatsächliche Verwandelbarkeit stehenlassen. Also so gaaaanz büschen. :D

Das ist wirklich toll gemacht, finde ich. Diese eingeschränkte Zukunftsperspektive durch den überbordenden Kai, der etwas aus seinem Leben gemacht hat, etwas, in dem sie keinen Platz hat.

Seine Präsenz scheint sie zu erdrücken, einzuengen. Er ist irgendwie immer da, obwohl er kein einziges Wort sagt in der Geschichte.


Komm her – es gibt Kuchen für dich :herz:

Schön auch die Begegnung mit der alten Frau auf der Bank, die nicht wahr haben will, dass Leben Veränderung bedeutet, nicht mal in Büchern. Genauso wenig wie die Prota.
Anfangs dachte ich noch, wieso tut ihr die alte Frau leid, sie ist doch selbst so. Aber bei sich selbst will man sowas natürlich immer nicht sehen.
Ja, ich könnte hier noch ewig weiterschwadronieren, liebe Kanji, die Geschichte ist dir wirklich gelungen.

Danke dir so sehr. Bitte schwadroniere ruhig weiter. :lol:

Eine wirklich schöne Geschichte, liebe Kanji, in der ich immer mehr entdecke, je öfter ich sie lese.

Oh Mann, Chai - mehr kann ich echt nicht erwarten. Ich schicke dir gute Energien in die Ferne, Kanji

Hej @erdbeerschorsch ,

wir laufen uns aber oft übern Weg in letzter Zeit (deine Gummizelle hab ich auch schon gelesen - bist ja auch nicht untätig ;)).

Hoffentlich hast du auch mal zwischendurch ne Schwächephase. :baddevil:

Niemals :p

Die Geschichte fand ich jedenfalls toll. Viele sehr hübsche Stellen. Und so schön selbstverständlich surreal. Nur für eins muss ich dich schimpfen, nämlich dass du das alles am Ende einen Traum sein lässt! Ist ja vielleicht nicht unbedingt zwingend, aber es geht schon deutlich in die Richtung. So deutlich immerhin, dass du damit die ganze schön aufgebaute Atmosphäre wieder zusammenschmeißt. Macht aber nichts, kannst du ja ändern. :)

Das find ich jedenfalls auch schon mal toll.
Und selbstverständlich surreal gefällt mir auch gut.
Und Geschimpfe gefällt mir ... bedingt, weil du mich genau da packst, wo ich schwächle. Natürlich war sie Komplett abstrakt geplant, aber je näher sie zu den Wortkriegern kroch, desto abgeschwächter wurde sie, ich feiger Feigling, ich. (Hab sie ein Fitzelchen verändert und stelle sie später gleich mal vor)

Hier find ich das "Und" nicht passend, lieber ein neuer Satz. "Außer" gefällt mir da auch nicht so, aber ich verstehe schon, warum es da steht.

Danke, ist verändert, auch weil weltenläufer das bemerkte.

Auch nicht ganz überzeugt bin ich vom
"Ende meiner Sicht"
Das klingt irgendwie merkwürdig, ein bisschen gestelzt. "Dort" täte es vielleicht auch.
Und die Erläuterung:
"so bleibt uns nur die Gewissheit, dass es sich hinter der letzten Reihe befindet."
ist mir auch zu umständlich. Ist ja eigentlich klar, dass sich das Meer hinter der letzten Reihe befindet, wenn man es ihn e die Hochhäuser sehen würde.

Klar, warum auch einfach wenns kompliziert geht :shy:

Die Möwe:
"Sie will nicht wahrhaben, dass sie nicht geeignet ist, an etwas festzuhalten."
Geeignet - wie ein Werkzeug? "Dass ihre Füße nicht dafür geeignet sind", das fänd ich richtiger. Oder wenn es die Möwe sein soll: "dass sie nicht das Geschick hat" o.ä. (Wobei du aber wiederum aufpassen müsstest, denn sie setzt sich ja nachher, also hat sie ja letztlich doch das (unbeholfene) Geschick.)

Du bist echt auch lustig. Hab jetzt nicht in der Lage verwendet.

Etwas zu dick aufgetragen finde ich:
"gehören unbedingt"
"kommen" reicht eigentlich, würd ich sagen. So hab ich so eine Küchenchefin vor mir, die mir das Rezept einschärfen will, und das ist ja nicht die Situation.

Achso. Für mich unterstrich es Kais Auftrag, was in diese Suppe zu gehören hat und sie gibt es genau so wieder. Ich lass das mal so.

Dann finde ich hier:
"Kai war darüber sehr enttäuscht"
das "Sehr" zu viel.

Weg damit.

Hübsch finde ich dann ja - da bahnt sich das Surreale an - dass "Kai" nicht gerade japanisch klingt, die Großmutter und überhaupt die Familien aber offensichtlich in einem japanischen Dorf wohnen, dass ganz unbekümmert an der Ostsee zu liegen kommt.

Hach ja, nun habe ich sie, um des Schamanen willens, an die Ostsee verfrachtet. Und es gibt Schnüsch und Kräuter und Hinrichs. Und ich hoffe, das tut der Geschichte keinen großen Abbruch.

Hier:
"Wie erstarrt bleibt der Arm in der Luft, die Gabel vor meinem geöffneten Mund" würd ich vielleicht Pronomen und Artikel tauschen: "mein Arm" "vor dem geöffneten Mund"

Was das so ausmachen kann :hmm:

"Es war mir damit unmöglich"
"Damit" kann aus meiner Sicht gerne weg. Es heißt ja nicht: "Es war mir damit unmöglich, die Schüssel zu halten, also habe ich die Füße/die Grillzange/... genommen."

:lol: Die Grillzange ... ist tabu. Das ist Kais Sache.

Sehr hübsch finde ich dann, wie es sich zuspitzt. Wie die Situation bedrohlicher wird, ohne sich irgendwo zu klären. Und das eben alles so selbstverständlich, wie oben das japanische Landleben. Eins würd ich eventuell noch rausnehmen, nämlich:
"irgendetwas ist mit meinen Knien." Dass irgendwas ist - na, denkt man sich wohl schon. Mit der Erklärung wird aus dem Schlurfen was Ungewöhnliches, und das ist ja das Besondere an diesem Text, dass die normalerweise ungewöhnlichen Dinge einfach so hingenommen werden.

Also es ist jetzt friesisches Landleben und das mit den Knie lass ich mir mal im Hirn zergehen, denn ich fand so ein bisschen Reflexion schon hier und das angebracht - wie später mit dem unangenehmen Gefühl im Rücken.

Hier könnte man womöglich eine Verkürzung wagen:
"Zum Möwengeschrei, jetzt klingt es wie Gelächter" - könnte auch heißen: "zum Möwenlachen/Lachen der Möwen/" Würd ich ruhig einfach so hinstellen.

Meinst? Ich denk drüber nach.

Auch das könnte man - ich würde sogar sagen: noch sicherer - verkürzen:
"Es erschien vernünftig, dass wir gemeinsam unser Dorf verließen, damit Kai seinen Beruf ausüben konnte. Hier spielt er im Großen Konzerthaus ..."
Warum nicht: "dass wir gemeinsam unser Dorf verließen, damit Kai im Großen Konzerthaus spielen konnte" usw.

True - mok wi.

"Ich würde überall eine Anstellung finden. Oder, wie gerade, zu Hause arbeiten." Wenn's eh nicht drauf ankommt, würde ich das nicht unbedingt ausschreiben. Dass sie ihre Übersetzertätigkeit nicht an den Nagel hängen muss, weil sie in die Stadt ziehen, ist ja eigentlich selbstverständlich. Es ist ja hübsch, dass du sie nicht nur einfach dem Mann folgen lässt, aber das ginge doch eher in die andere Richtung: "Auch ich würde mit meiner Übersetzertätigkeit in der Stadt kürzere Weg haben" - sinngemäß.

Setz ich mich ran.

Dann die Witwen, die sie bemitleidet, obwohl sie ja offenbar selbst eine ist. Sehr schön, wie sie sich da rausnimmt. Und die Alte, die vor dem Buch Angst hat. Ein ganz liebenswertes Gespenst

Och du, ja.

"herrscht mich die Nachbarin missmutig an. Du weißt doch, dass ich keinen Fernseher habe und heute ist …?“ " - Ich fänd's ja besser, wenn die Nachbarin grummeln oder nuscheln würde, irgendwas weniger Aggressives jedenfalls. Und die Erklärung: "Du weißt ...", find ich etwas zu hart aufs Auge gedrückt. Das sagt die ja eher nicht, wenn es die andere eh weiß ... "Du weißt doch, heute ist ..." oder so - das fänd ich glatter. Nachher sagst du ja:
"sie liebt es, bei mir fernzusehen." Und wenn sie einen Fernseher hätte - würde sie es dann weniger lieben? Ich sehe keinen Grund, warum das so sein sollte.

Gut, aber brubbelig bleibtse.
Ich wollte darauf hinweisen, dass die Vogelfrau eben wohl schon länger seltsam ist und Mina latent genervt davon - sie kann ja nicht ahnen, dass die mal so austickt. Und die Vogelfrau nimmt ja ihrerseits Mina auch anders wahr und denkt, die spinnt. Ihre Wahrnehmung ist ... kaputt. Ich glaub das musso.

Die Nachbarin ist wieder ganz gelungen unheimlich, ohne dass sie etwas furchteinflößendes zu tun braucht. Und die Verwandung schreitet geräuschlos fort.

Das hört sich gut an. Kuchen?

Einen Satz find ich etwas zweifelhaft, nämlich:
"Also deine Essgewohnheiten lassen immer mehr zu wünschen übrig“ " - Womöglich reicht auch "Nein danke"? Also: "'Nein danke'. Man kann es ihr einfach nicht recht machen."?!

Damit wollte ich deutlich machen ... na ja ..., dass ihr eben schon länger aufgefallen, wie weird die gute Vogelfrau ist, aber es sie eben nicht juckt, jeder nach seiner Fasson, denktse. Iss doch was du willst.

Etwas zu umständlich ist mir das:
"Kaum, dass ich meinen Satz zu Ende gebracht habe" - Das ist ja womöglich ein ganz kurzer Satz. "zu Ende gebracht" - da stelle ich mir etwas längeres vor. Schnörkelloser fänd ich hier besser.

Ich gucks mir an.

„Wie kommst du denn um Himmelswillen drauf, dass Kai zur Tür reinkommt?“ - Wer sagt das? (Warum?)

Na Mina, weil die Vogelfrau sie doch zuvor indiskret deswegen rauskompromittiert

Und dann der Schluss, der für sich genommen hübsch ist, aber so ganz anders. Wie gesagt, aus meiner Sicht nimmst du der Geschichte damit in dieser Form viel. Das ist nicht nur die Auflösung, sondern auch der Bruch, der mit ihr einhergeht. Ich hab jetzt keinen Vorschlag, wie du das einerseits genauso liebevoll und andrerseits aber doch in einem Zug mit dem bisherigen Text lösen könntest. Aber ich würde mir trotzdem wünschen, dass dir das gelänge.

Ich hab jetzt todesmutig ein paar Federn dagelassen (stell sie später ein)

Hab Dank für deinen Besuch und die guten Worte, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Die erste Überarbeitung ist vollbracht. Ich danke euch für eure Eindrücke (bin ja in Eile - Urlaub und so Sachen). Der Schamane ist raus :shy: Vielleicht mag der eine oder andere mal prüfen, ob die Wirkung sich dolle verändert hat, die Atmosphäre.

 

Liebe @Kanji,

Kanji schrieb:
Auch wenn ich mich jetzt lächerlich mache, aber als du mir davon geschrieben hast, wie du die Vogelfrau siehst ... ja, da fluteten mir kurz die Augen.
Wieso solltest du dich damit lächerlich machen? Das ist doch ein tolles Kompliment, sowohl für dich, als auch für mich. Wer das lächerlich findet, soll zur Lachmöwe mutieren. (Ok, der war nicht so gut, aber egal ...)

Schöne Woche dir.

 

Aber, aber liebe Kanji:

Hach ja, nun habe ich sie, um des Schamanen willens, an die Ostsee verfrachtet. Und es gibt Schnüsch und Kräuter und Hinrichs. Und ich hoffe, das tut der Geschichte keinen großen Abbruch.
Warum denn nur? Lass doch das japanische Dorf einfach an der Ostsee stehen. Ich fand das gut. Der Dorsch will mir im Vergleich lange nicht so gut schmecken. Aber ich hab auch gestern erst eine ganze Menge rohen Fisch gegessen, vielleicht liegt's nur daran.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hi @Kanji,

ich vermisse die asiatische Suppe und Oma auch!

Lass doch den Schamanen, und nimm nur anstelle der Kriegerin das mit dem ein- und ausatmen. Ich finde, das macht schon vieles klarer.

Liebe Grüße,
NGK

 

:lol: Ich mag auch keine Milchsuppe - blödes Timing von mir (und Ungeduld) - aber ich sitze grad daran und da fiel mir auf, ich lass nur den Schamanen verschwinden - so rein als Begriff - es könnte alles so einfach sein. Du bist ein schnuffliges @Nichtgeburtstagskind :kuss: und sollst deine Suppe wiederhaben und dem @erdbeerschorsch geben wir auch was ab

 

Hej @Friedrichard ,

da biste ja wieder. ;)

so steht die Zeit zwar still wie der Raum (ohne den sie ja nix wäre, entsprechend der Seele ohne Leib (ist halt auch Pfuisik, wenn auch Meta-), aber sein Inhalt wandelt sich, ob Raum oder Leib.

Komm mir mal nich mit Physik - hier wird gelitten und gesehnt, nach Liebe und Freiheit n stuff. Und froh bin, wegen stürmischer See:kuss:

aber hier drängt sich die bereits überwunden geglaubte Schulgrammatik mit der Herrschaft von Hilfsverb und Partizip durch (die übrigens durch Kais Großmutter durchbrochen wird – sollten Großeltern Rebellen sein?)

shame on me - schon weg :shy: und Kais bohnenpulende Großmutter als Rebellin tät mir gut passen, nur hätte sie vermutlich der armem Vogelfrau was mit aufn Weg gegeben.

Es ist wie das alte Gesellschaftsbild, dass hier gepflegt wird mit klaren Rollenbildern - Hausarbeit als parallele Welt zur Fabrik/Verwaltung, wenn am Ende seiner Arbeitszeit - am "Feierabend"* sie daheim Kinder und Wohnung versorgt hat und dem Hausherrn – kurz, der Haushalt als Reproduktionsort des Produktionsfaktors Arbeit.

Erwartet wird aber zusätzlich eine Tätigkeit, die zusätzlich Geld einfährt.

eben keinen Elektrolytemangel an – sondern das Erstarren aufgrund eines feines Knisterns in der Beziehung, das eingeleitet durch und im was dann auch noch in der Fiktion des Kind-habens (die vorhergehende Geschichte stichelt ein wenig) und wir wissen es auch nicht … aber das Gelächter der Möwe(n) erzeugt beim Spülen eine seltsame Orchesterie, ungeprobt und näher bei Cage, Kagel und Stockhausen denn Bach, Beethoven oder auch Beatles (Horch mal in das bei Arte gespeicherte Jubiläumskonzert im Olympe zum Sgt. Pepper an, lohnt sich! Cello ist auch dabei …)

Schön, dass dus bemerkst, du bist ein aufmerksamer Verfolger von Kanji-Geschichten. Ich freue mich darüber. CageKagelStockhausen :hmm: isch guck ma nach. Und wenn ich wieder zurück bin aus dem Land der Wikinger, dann höre ich das arte-Konzert. Danke für den Verweis.

Und Norwegian Wood hat sich erst in mir festgesetzt, seit ich Murakamis Naokos Lächeln kenne.

Lieber Gruß, flieg nicht zu hoch, Kanji

Hej @linktofink ,

schön, dass du wieder dabei bist - du guckst so ... anders und hilfst auf etwas zu verweisen, was mir durchrutscht und gar nicht auffällt.

Gehst erst mal Wandern und schaust heute Abend … Pustekuchen, schwupps haben schon zehn Mitglieder Komms zu deiner KG hinterlassen. Na dann werde ich mal ein paar Brotkrumen aufheben:

Zum Glück sind wir ja nicht Fehlersuche und so kann ich mit deinem Blick, die Geschichte zu lesen durchaus etwas anfangen, egal, wie wenige Fehler du noch findest.

Pass ma auf:

Müsste es nicht heißen: (Möwen) fliegen zu einem anderen Kontinent?

Ich habs jetzt nicht nachgelesen und werde es auch hier einfach mal unterlassen, weil die Vogelfrau ja weder das eine noch das andre ist und sie stellt sich vor, darauf zu landen. In Gedanken fliegt sie bereits.

Sie will nicht wahrhaben, dass sie nicht geeignet ist, an etwas festzuhalten heisst jetzt
Sie will nicht wahrhaben, dass sie nicht in der Lage ist, daran festzuhalten.

Klingt eher philosophisch als naturnah.

sagst du und das freut mich, denn so ist. Sie überträgt es.

Sind es nicht eher die Zehen, die sich festkrallen?

Da hab ich auf deinen Hinweis jetzt das draus gemacht :
Ich weiß, sie wird es weiter versuchen, solange, bis sich ihre Krallen um den Zweig krümmen, sie darauf sitzen und von den Kirschen essen kann.

Du beschreibst die Suppe als Art Traditionsgericht, das vom Land mitgebracht wurde. Mit der Beschreibung kommt sie mir eher als ein modernes Cross-Over daher.

Kommt drauf an, wohin man sie verortet, nicht wahr? In Asien essen die so aufm Land. ;)

Ich würde das wertende und vermenschlichende "Entsetzt" tauschen gegen "Gellend", oder so was.

Wenn ich es rein aus der Fauna-Sicht schreiben würde, tät ichs sicher auch. Aber hier verschwimmt ja schon alles, die Verwandlung hat längst begonnen.

Das klingt so, als wäre die Keramik nur ein Bestandteil des Beckens und nicht, als würde das Becken aus selbiger bestehen.

Stimmt. Es heißt jetzt : Zum Möwengeschrei, es klingt nun wie Gelächter, kommt das Rauschen des Wassers hinzu, das Klappern des Porzellans am Keramikbecken.

Wie von etwas beraubt schleichen sie mit hängenden Köpfen über den staubigen Weg und wissen nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen, als sie verstreichen zu lassen.

Puh, hoher Stolperfaktor, würde der besseren Lesbarkeit wegen zwei Sätze daraus machen.

Finde ich gar nicht mal. Man kann sich doch gut führen lassen. In meinen Ohren klingt es sanft und zumutbar.

Du schreibst schon früh im Text:
- Meine Finger gleichen den gespreizten Flügelspitzen eines Vogels. und
- … irgendetwas ist mit meinen Knien.
Doch dann verliert sich das wieder vollständig und sie läuft alleine durch die Stadt, ohne dass sie angegafft wird oder so. Dort kommt sie ins Gespräch mit einer alten Frau neben ihr auf der Bank, die "Schönen Abend noch und gute Besserung“ sagt und mit einem Kopfnicken auf die Beine deutet.
Später bemerkt sie ihren Schnabel -"Der Schnabel hindert mich daran, an meiner Teetasse zu nippen" - und ist kein bisschen überrascht? Diese Metamorphose kommt mir etwas zu lapidar, zu beiläufig daher. Der Schamane und die Kriegerin machen es nicht besser, sondern verwirren zusätzlich.

Es verliert sich nicht, aber es ist so selbstverständlich für sie und es deutet sich von Anfang mit dem Flug der Möwen vor ihrem Fenster an, sie hat es erwartet, erhofft, sich gewünscht. Ob die anderen Frauen das ignorieren oder anders wahrnehmen - who knows. Mir in diesem Fall egal. Ich bleibe bei der Vogelfrau. Es spielt keine Rolle, ob sie es sehen. Für ist es gerade diese Beiläufigkeit, die es ausmacht, es musste so kommen, sie ist nicht überrascht, hier und da erweist es sich als unpraktisch, but so.
Der Schamane war wirklich zu viel. Der ist weg.
Aber dass du dich dennoch einlassen konntest, schreibst du ja dann doch und darüber freue ich mich.

ps. schönen Urlaub

Ich danke dir herzlich für deine Eindrücke und wünsche dir auch noch schöne Sommertage, Kanji

Liebe @wieselmaus ,

schön, dass du hier bist und probiere unbedingt diese Rundumdieuhr-Suppe, mir ist die Thai-Küche nicht so sehr gelesen - oft zu und zu scharf - aber die Zutaten sind es unbedingt.

Da wusste ich, dass deine Geschichte unmöglich im Land zwischen den Meeren spielen konnte. Und sofort kriegte ich einen ganz anderen Blick auf deine Prota. Fernöstlich, sozusagen. Was sie von ihrer Familie erzählt, von ihrem Musikerehemann, selbst die unangenehm-hilfreiche Nachbarin bekommt diesen Touch. (Erinnerung an Mai). Eine solche Nachbarin kann ich mir in Deutschland nicht so richtig vorstellen.

Ich kann diese speziellen Figuren in ihren Empfindungen einfach nicht woanders denken. Ich will gar nicht forschen, warum nicht, denn solange es funktioniert, mach ich das so.

Also, ich hatte keine Mühe, in den Text hineinzukommen mit der wunderbaren Geschichte über die Verwandlung einer einsamen Frau zu einer Möwe. Alle Sehnsüchte werden in subtilen Bildern offengelegt, Schritt für Schritt, bei mir immer mit einem um Sekunden verzögerten Aha-Erlebnis. Aber du hast ja mit "seltsam" getaggt, und da nehme ich es mir (und schon gar nicht dir) nicht übel, dass ich immer mal wieder stutzen muss.

Herz, was willst du mehr? :kuss:

Jeden Monat eine neue Geschichte. Das ist ein ehrgeiziges Programm. Da muss man jede Anregung festhalten, vielleicht auch aus dem Forum, wo ja in jüngster Zeit felixreiner, Vogelinseln, die Verwandlung von Menschen in Vögel thematisiert hat. Und der Traum vom Fliegen feiert gerade in Ulm (Der Schneider von Ulm) eine Renaissance.

Man nennt mich auch den zweibeinigen Sponge :D - und wenn ich mich an einem Thema festbeiße, dann finde ich überall was darüber, es fliegt mir ja zu.

Möwen gehören zu meinen Lieblingsvögeln. Wer lange auf dem Meer verirrt war, weiß, dass Möwen Landmassen anzeigen, andererseits lenken sie den Blick aufs Wasser, wo die Wellen immer wieder neue und doch alte Muster in den Sand malen.

Sie sind Räuber und kennen keine Furcht, sie krakelen, früh und spät, sind geschwätzig und ... wunderbar.

Dein Thema: die Zeit. In deinem Text scheint sie mir gar nicht stillzustehen, sondern es gibt sie gar nicht. Du kreierst Seelenzustände, in denen Zeit keine Rolle spielt. Gegenwart oder Vergangenheit, was soll's? Deine Prota wird sich immer wieder verwandeln. Ich für mich hätte bei der Nachbarin am (Kranken?)Bett den Zweifel in deren Augen ein wenig verstärkt.

Wie du das siehst. Könnte wirklich so sein: Zeit die es gar nicht gibt. Ich denke auch, sie wird immer eine Vogelfrau bleiben und deinen Rat zum Ende werde ich angehen. Dankeschön.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Prota ganz gern loslassen würde. Es ist so schön. eine Möwe zu sein.

Es ist jedenfalls höchste Zeit für sie.

Danke für deine Worte und Verständnis. Genieße den Sommer, so gut es geht, Kanji

 

Servus @Kanji, ich weiß jetzt, warum ich gar nicht auf die Idee kam, die Story könnte in Asien verortet sein: es sind der Kirschbaum und Kai! Die Süßkirsche/ Vogelkirsche ist in Europa und dem Kaukasus heimisch und Kai ist auch nicht besonders asiatisch. Deshalb die Irritation mit der Suppe. Wenn du die KG in Asien ansiedeln willst, solltest du mMn das Setting dementsprechend modifizieren, damit ich als Leser nicht die Stirn runzele. Aber mach was du willst. :hmm:
LG, Peace, linktofink

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @linktofink ,

mit so einem belesenen und kritischen Leser hab ich nicht gerechnet ;) und gehofft, na, selbst wenn das keine Kirschen sind wie hierzulande die leckeren Knupperchen, kleine Früchtchen für die Vögel und anderes Getier wird’s schon haben ... aber nee. :shy: Weisste was, ich mach da jetzt einfach n Obstbaum draus.
Kai ist zwar tatsächlich ein japanischer Männername und na ja, ich wollte wohl zu offen halten und jedem überlassen, wo diese seltsame Szene spielen könnte. Im Grunde bei einer surrealen Verwandlung auch nicht sooo essentiell. :klug:
Ich gehe in mich und eruiere. Danke für deinen erneuten Hinweis und eine schöne Sommerwoche, Kanji

 

Hallo Kanji!,
ist nicht die japanische Kirschblüte weltberühmt als Seelentröster? Und wo Blüten, da auch Früchte und wenn‘s Tollkirschen sind?

Gruß und ts:thumbsup:
wieselmaus

 

Liebe @Kanji,

dann wollen wir mal ... :)

Wir essen die Nudeln immer zuerst aus der Suppe.
Die Suppe, die wir essen, koche ich jeden Tag.
Wolltest du hier mal andere Satztanfänge machen als üblich? So richtig gefallen sie mir nicht.

Wir essen ... könnten wir auf das Meer sehen
Hin und wieder rauscht das Laub des Kirschbaumes vor meinem Fenster,
Du erwähnst "wir" / "uns", so ganz ohne Auflösung, wer damit gemeint ist
Als wir neu in die Stadt zogen, habe ich fertige Nudeln verwendet.
"in die Stadt zogen" passt für mich nicht, klingt eher schräg, so, als ob er/sie während des oder für den Umzug Nudeln verwendet hätte.

Beim Aufstehen erreichen meine Füße den Boden nicht; ich muss einen kleinen Sprung wagen. Den Weg zur Spüle schlurfe ich über den Boden; irgendetwas ist mit meinen Knien. Mit einem Tuch wische ich die Flüssigkeit vom Tisch, lese die Nudeln auf, bringe die Schale, den Löffel und das Tuch zurück zur Küchenablage. Ich gewöhne mich schnell an die neuen Finger.
Hier erkenne ich "Die Verwandlung" .
Schönen Abend noch und gute Besserung“, sagt sie freundlich und deutet mit einem Kopfnicken auf meine Beine
Was passiert denn da? :-)
Meine Lieblingsstücke hat der Enkel meiner Nachbarin Mina auf einen kleinen Apparat überspielt.
Habe kürzlich in einem Ratgeber (James Wood) gelesen, dass man solche einmal auftretenden Figuren einfach nur mit ihrer Funktion erwähnen sollte/könnte. Also:
"Meine Lieblingsstücke hat der Enkel meiner Nachbarin Mina auf einen kleinen Apparat überspielt."
Ah, ich sehe später: da kommt noch eine Nachbarin ("mault mich die Nachbarin missmutig an.") Ist dann wohl eine andere, nicht Mina?
Wenn ich Bach lausche, verkleinert sich an manchen Tagen mein Gesichtsfeld für eine Weile, und ich sehe den Weg vor mir wie durch ein winziges Fernrohr.
Nur, wenn sie Bach hört? Hm ...
„Wo bist du denn nur so lange gewesen. Wir sind doch verabredet“, mault mich die Nachbarin missmutig an. Du weißt doch, dass ich keinen Fernseher habe und heute ist …?“
Da fehlen Gänsefüßchen.
„Es ist alles gut, mein altes Mädchen, alles gut. Ich bin ja da. Sch – sch – sch.“
"Sch, sch, sch" klingt, als hätte die Nachbarin den Vogel in ihr oder die Vogelgestalt erkannt. Spannend.
Mina sitzt an meiner Seite,
Gibt es denn jetzt zwei Nachbarinnen? Einmal die namenlose sch-sch-sch-Nachbarin und einmal Mina?
Siehe da: "Das Finale am Freitag ist jedenfalls zwei Tage her und ich weiß nicht mal …“
Also doch nur eine. Hat mich persönich ein wenig irritiert. Vielleicht solltest du "die Nachbarin" direkt Mina nennen, als sie TV gucken kommen möchte.
Wir sehen uns eine zeitlang nur an
Juchu, habe einen RS-Fehler entdeckt, wo du ja eine Perfekt-Schreiberin bist. :lol:
"eine Zeitlang"
Eine Möwe fliegt lautlos am Fenster vorbei und ich zupfe mir ein paar Federn von der Händen.
Schönes Ende. Die Vogelgestalt hat ihren Körper verlassen.

Hat mir gut gefallen.

Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kanji,

ich steige gleich in den Text ein.

Wir essen die Nudeln immer zuerst aus der Suppe.

Für mich ein falscher Satzbau. Und das im ersten Satz. ;)
Das hört sich für mich so an: Wir essen die Nudeln erst aus der Suppe, und dann aus dem Topf (so als Beispiel). Dabei willst du doch sagen, dass erst die Nudeln aus der Brühe gefischt werden, bevor diese dann geschlürft/getrunken/gelöffelt wird.

Also sollte der Satz in etwa so lauten:

Zuerst essen wir die Nudeln aus der Suppe. (Das immer kannst du dir sparen).
Oder es ist so wichtig, dass du damit anfängst:

Wie immer essen wir zuerst die Nudeln aus der Suppe. (Und ich würde Brühe schreiben, denn die Suppe ist das Gesamte aus Brühe und Nudeln).

Schrille und laute Töne.
Mir gefiele Schrille, laute Töne besser.

Ich sehe die Vögel waghalsige Manöver fliegen, höre sie sich ihre Warnsignale zurufen, als segelten sie über stürmischer See. Wundern würde es mich nicht, wenn sie nach mir greifen, mich fortbringen würden, so ungestüm wie sie auf das geöffnete Fenster zusteuern. Doch kurz vorher fliegen sie eine akrobatische Kehrtwende und gleiten über die Häuser hinweg
.
Mir ist das zuviel Möwerei.
Von meinem Stuhl aus blicke ich über die Dächer der Stadt und der wolkenlose Himmel scheint so viel näher zu sein, als der staubige Boden.
Komma weg
Immer wieder steuert sie mit den Füßen auf einen Ast zu. Sie will nicht wahrhaben, dass sie nicht in der Lage ist, daran festzuhalten. Ich weiß, sie wird es weiter versuchen, solange, bis sich ihre Krallen um den Zweig krümmen, sie darauf sitzen und von den Früchten essen kann.
Möwen haben Schwimmhäute zwischen den Zehen, von daher spricht man, soweit ich das laienhaft beurteile, nicht von Krallen.
Ich habe noch nie eine Möwe auf einem Baum sitzen sehen, genauso wenig wie Enten oder sonstige Vögel, die im Wasser schwimme.


Er schaut erneut auf seinen Teller und isst bedächtig die Nudeln. Beim Aufstehen erreichen meine Füße den Boden nicht; ich muss einen kleinen Sprung wagen. Den Weg zur Spüle schlurfe ich über den Boden; irgendetwas ist mit meinen Knien.
Ich liebe Semikolons und freue mich, wenn sie eingesetzt werden, aber hier passt es für mein Gefühl nicht, da sollten Kommas hin.

Mit einem Tuch wische ich die Flüssigkeit vom Tisch, lese die Nudeln auf, bringe die Schale, den Löffel und das Tuch zurück zur Küchenablage.
Die Nudeln auflesen ... hmm.
Lesen kommt von Ernte. So aus dem Gefühl heraus hat man da was Handfestes, was Definiertes.
Gekochte Nudeln sind schlabbrig und wenn die dann auf einer Fläche liegen, ist es richtig Arbeit, die dann da weg zu bekommen. Von daher finde ich lesen bildhaft ungünstig. Eher zusammenkratzen/zusammenwischen.

Entsetzt schreit eine Möwe auf und landet auf dem Dach. Ich höre ihre Füße auf dem Metall schaben.
Boah, schwierig. Ist das jetzt Programm, dass die Möwe eigentlich nicht schaben kann und es in dem Text doch kann oder ist das nun schlecht recherchiert? Ich finde das im Moment mühsam, weil mich der Text noch nicht soweit geleitet hat, dass ich das einordnen kann.


Bevor ich das nächste nasse Geschirr greife, berühre ich seinen Unterarm; er hat die Hemdsärmel hochgekrempelt.
Hier passt das Semikolon.
Vielleicht bekommen wir ja doch noch ein Kind, um das ich mich kümmern könnte.
Oweia.
Wie von etwas beraubt KOMMA schleichen sie mit hängenden Köpfen über den staubigen Weg und wissen nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen, als sie verstreichen zu lassen.

Meine Lieblingsstücke hat der Enkel meiner Nachbarin Mina auf einen kleinen Apparat überspielt.
Das liest sich so, als wäre die Erzählerin 100 und wüsste nicht, wovon sie redet.
Der Schnabel hindert mich daran, an meiner Teetasse zu nippen. Ich habe gar nicht mitbekommen, wann er mir gewachsen ist.
na, jetzt wird es eindeutig.
Dass ich mich über ihr Verhalten ärgere, sage ich nicht, wohl aber bitte ich sie KOMMA zu gehen, weil ich vermute, jeden Moment käme Kai zur Tür herein.

Ja, da wird eine ver-rückt und mutiert zur Möwe. Oder fühlt sich jedenfalls den Tieren höchst nahe.
Aus was für Gründen auch immer. Für 08/15-Denkende schwierig, für andere nicht leicht.

Ich habe nun meine Eindrücke des ersten Lesens gleich runtergeschrieben, hätte ich den Kommentar beim zweiten Lesen getippt, hätte das anders ausgesehen. Aber was soll es, ich lasse es jetzt so, dann hast du auch mal einen ersten Eindruck des Textes, wenn man grade so am Lesen ist.

Wenn ich jetzt aus wenig Abstand heraus die Geschichte betrachte, hat sie zu wenig Raum. Ich sehe nur die Protagonistin, und die auch nur schemenhaft. Ich möchte nicht einfach nur im Regen stehen bleiben, weil sie jetzt denkt, sie sei eine Möwe. Der Mann ist auch kaum gezeichnet, zeichnet aber sicher sehr intensiv die Protagonistin in ihrem Wesen.

Oder anders gesagt: Ich möchte mehr Drumrum wissen. Mir ist das einfach zu wenig, das lässt mich trotz des Aha-Effektes (aha, sie denkt, sie sei eine Möwe!) unbefriedigt zurück.

So als Zusammenfassung: Mir war das ganze zu konfus in dem Sinne, dass ich als Leser nicht wusste, wo ich hingeführt werden sollte. Allein die Tatsache, dass die Prota einen Knall hat, ist es doch nicht gewesen, oder?

Liebe Grüße
bernadette

edit: nun habe ich teilweise die Kommentare durchgelesen, aber da reden die von Sachen, von denen ich nichts weiß. Von daher ist doch so ein frischer Eindruck ganz gut ;) jedenfalls war mir anfangs klar, dass es nicht in D spielt, später war das nicht mehr prägend und meine Idee, wo das stattfindet, ist ins Deutsche gerutscht (was ja für die Geschichte, wie sie präsent wird, erstmal nicht spricht) ;)

 

Hi Kanji,

Ich hab jetzt todesmutig ein paar Federn dagelassen

sehr schön, find ich viel besser. Noch schöner fänd ich zwar, wenn auch der Hinweis auf den Schlaf verschwände, aber ich will dich damit mal nicht nerven.

Dagegen will ich dich doch ein bisschen damit nerven, dass mir das japanische Dorf an der Ostsee halt immer noch besser gefällt, als das japanische Dorf in Japan. Mit Kai und Mina ist das immer noch so oder so möglich, aber der alte Haru ... ist der neu oder ist der mir nur erst nicht aufgefallen?

Schwer zu sagen, warum ich das japanische Dorf an der Ostsee gut finde, aber ich versuch's mal: Ein Aspekt: Das leitet in die surreale Welt ein. (Stimmt die Erinnerung so? Hat sich im Kopf was verschoben?)
Ein anderer: Man kann es eigentlich ohne weiteres realistisch lesen. Kais Großmutter ist Japanerin und lebt an der Ostsee.
Noch ein anderer: Es ist nicht besonders zentral, dass die Protagonistin übersetzt. Trotzdem tut sie das nun mal. Beim Übersetzen muss sie in manchen Fällen darauf achten, dass exotisch erscheinende Gepflogenheiten, die für die Welt der Ausgangssprache aber völlig gewöhnlich sind, nicht als allzu exotisch herausstechen. Und etwas ähnliches ist in der Geschichte passiert: Für die womöglich japanischen Figuren ist ihr Dorf so, wie für dich (sag ich einfach mal so) ein Dorf an der Ostsee
(Natürlich gibt es da Grenzen, sonst landest du wieder bei der Dorschsuppe).
Besonders der letzte Aspekt ist für mich allerdings erst in Kombination mit dem ersten reizvoll - alleine für sich fänd ich ihn fad. Und überhaupt gehört zu meinem Erklärungsversuch dazu, sogar besonders darauf zu pochen, dass mir das Ineinanderspielen dieser drei Aspekte gefallen hat. (Woraus dann Überlegungen enstehen können wie z.B.: Die Erinnerung ist verschoben, aber nicht einfach beliebig gestört, sondern (her)über(ge)setzt in eine Region, in der die Vogelfrau im Zusammenspiel von getreuer Erinnerung und gegenwärtiger Verarbeitung ihre (zweifelhafte) Zuflucht sucht.)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hi @Kanji,

ich mach erstmal ein bisschen Kleinkram:

Die Suppe, die wir essen, koche ich jeden Tag.

Diesen Zusatz könntest du dir sparen, finde ich. Welche Suppe sollte sonst gemeint sein?

Den Kopf über die Suppentasse gebeugt, blicke ich durch Haarsträhnen zu Kai hinüber.

Diesen Zusatz finde ich ebenfalls überflüssig. Warum sollte es interessant sein, dass ihre Haare ihr vor den Augen rumhängen? Außerdem klingt der Satz dadurch so unrund.

Beim Aufstehen erreichen meine Füße den Boden nicht; ich muss einen kleinen Sprung wagen. Den Weg zur Spüle schlurfe ich über den Boden; irgendetwas ist mit meinen Knien.

Unschöne Wiederholung

Oder, wie gerade, zu Hause arbeiten.

Würd ich auch streichen.

Den Rest des Tages halte ich die zwei Zimmer sauber, die wir bezogen haben, erledige Einkäufe und bummle durch die Stadt, gehe zum Strand oder nur im Park spazieren.

Wieso "nur"? Könnte auch weg.

„Aber auch im wahren Leben passieren solche Dinge, oder etwa nicht?“, bemerke ich noch.

Kann auch weg.

„Wo bist du denn nur so lange gewesen. Wir sind doch verabredet“, mault mich die Nachbarin missmutig an. Du weißt doch, dass ich keinen Fernseher habe und heute ist …?“

Das "missmutig" steckt doch schon in dem Maulen drin, oder? Würd ich daher streichen. Da fehlen außerdem Anführungszeichen.

Ich antworte nicht und sehe vom Stuhl aus zum Fenster hinaus in den Himmel,

Dass sie auf dem Stuhl sitzt, ergibt sich doch vorher schon aus der wörtlichen Rede von Mina. Kann hier also weg.

Als ich etwas Appetit bekomme, ich war ja lange im Park unterwegs, watschle ich an die Küchenzeile.
„Möchtest du auch ein paar Körner“, frage ich meine Nachbarin.
„Körner?“
„Ich habe nichts anderes. Nur ein paar Körner."
„Nein, danke. Also deine Essgewohnheiten lassen immer mehr zu wünschen übrig“, nörgelt sie wieder. Man kann es ihr einfach nicht recht machen.
„Wie lange wird denn dieses Finale dauern?“, frage ich. Nicht weil ich ungeduldig bin, sondern weil ich möchte, dass sie nicht mehr hier ist, wenn Kai nach Hause kommt. Die Alte zischt und winkt mit einer abfälligen Handbewegung. Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her und beschließe, mich hinzustellen, weil mir das Sitzen mit der Zeit doch recht unangenehm ist.

Hier komm ich nicht ganz mit. Zuerst watchelt sie zur Küchenzeile, so weit so gut. Aber dann rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her und das wirkt, als hätte sie ihn nie verlassen. Irgendwo in diesem Abschnitt fehlt mir ein Satz, der klar macht, dass sie sich wieder hinsetzt.

Die Alte nimmt einen Brief nach dem anderen vom Boden auf, wirft einen flüchtigen Blick darauf und lässt mich nicht aus den Augen.

Kurz vorher steht schon, dass die Briefe auf den Boden gefallen sind. Muss hier nicht nochmal erwähnt werden.

Bach erfüllt den Raum, kaum hörbar, mehr wie ein musikalisches Lüftchen.

Das erscheint mir in sich widersprüchlich. Wenn die Musik den Raum "erfüllt", stelle ich sie mir automatisch laut und kraftvoll vor. Bei kaum hörbarer Lautstärke würde ich nicht davon sprechen, dass die Musik den Raum erfüllt.

„Den hat Haru für dich angemischt.

Moment, war Haru jetzt da oder nicht? Ich bin etwas verwirrt, denn was Mina vorher erzählt, klingt, als wäre er noch nicht da gewesen. Und es macht auf mich auch den Eindruck, dass Mina die ganze Zeit über bei der Erzählerin geblieben ist. Also wo kommt der Tee her?

„Du wirst mir doch wohl nicht verrückt werden?“, poltert sie mit geweiteten Augen heraus.

Das letzte Wort kann weg.

So, ich hab deine Geschichte ja schon am Sonntagmorgen gelesen, kurz nachdem du sie hochgeladen hattest. Da sind jetzt innerhalb ziemlich kurzer Zeit ziemlich viele Kommentare eingegangen, keine Ahnung also, wie viel neues ich noch beitragen kann.

Jedenfalls scheint mir die aktuelle Version deutlich runder zu sein als die ursprüngliche. Ich weiß noch, wie ich am Sonntag an eingen Stellen rausgerissen wurde (wie so einige auf der ersten Seite hatte ich z.B. so meine Probleme mit dem Schamanen). Jetzt gefällt mir der Text richtig gut, er versetzt mich irgendwie in so eine angenehm melancholische Stimmung.

Die Verwandlung in eine Möwe: Toll! Ich finde, du kriegst es genau richtig hin. Das geht ganz subtil. Zuerst die Finger, dann der Schnabel, später Flügel und Klauen. Und nie kriegt die Erzählerin mit, wie ihr diese Sachen wachsen, sie sind einfach da und die Erzählerin wundert sich darüber nichtmal allzusehr. Das Ende war dann angenehm konsequent und fatalistisch. Obwohl sie jemanden bei sich hat, der sich um sie kümmert, der ihr Gesellschaft leistet, für sie da ist, sieht sie sich immer noch als Möwe. Der angebotene Trost reicht nicht, um über Kai hinwegzukommen. Klasse! Die Sache mit Kai war sowieso geschickt. Dass er nie ein Wort spricht, fiel auf, sprang mir aber nicht gleich ins Gesicht. Zwischendurch dachte ich an The Sixth Sense.

Und so ist dir eine meiner Meinung nach tolle Geschichte gelungen, voller Einsamkeit und Sehnsucht. Das waren jetzt nur mal ein paar Leseeindrücke, das kann ja auch interessant sein. Die kleinen Macken, die ich gefunden hab, hab ich dir ja oben aufgelistet. Nimm davon, was du gebrauchen kannst.

Liebe Grüße
Mix

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej, liebe @wieselmaus ,

ist nicht die japanische Kirschblüte weltberühmt als Seelentröster? Und wo Blüten, da auch Früchte und wenn‘s Tollkirschen sind?

Da hast du auch wieder recht. Ich sollte mir mehr vertrauen, selbst wenn ich unterbewusst Früchte wähle. ;)

Lieber Gruß und schönen Sonntag, Kanji

Hej @GoMusic ,

danke, dass du hier bist.

Wolltest du hier mal andere Satztanfänge machen als üblich? So richtig gefallen sie mir nicht.

Nö, an einen extra anders formulierten Satz habe ich nicht gedacht. Ich finde den auch gar nicht so speziell. Ich könnte uns das immer ersparen … aber Wir essen die Nudeln zuerst aus der Suppe … und dann das Gemüse und Fleisch und trinken dann die Brühe. Man könnte so denken, dacht ich. Ein ganz normaler Satz in meinem Kopf. :shy:

Du erwähnst "wir" / "uns", so ganz ohne Auflösung, wer damit gemeint ist

Das stimmt wohl. Die Vogelfrau denkt und spricht nicht von sich allein. Die Auflösung bleibt bis zum Ende in der Luft. Das soll so. Sieht sie sich als Mensch und Möwe? Spricht von Kai und sich als untrennbares Paar? Man könnte es so lesen. Oder eben anders. Oder denken: so what. Ich hab das nicht im Griff, fürchte ich.

"in die Stadt zogen" passt für mich nicht, klingt eher schräg, so, als ob er/sie während des oder für den Umzug Nudeln verwendet hätte.

Als wir neu oder gerade die erste Zeit in der Stadt lebten … könnte ich abwandeln. Ich denke darüber nach, jetzt wo du's betonst ...

Was passiert denn da? :-)

Na, nix oder alles. :D Entweder sie hat menschenuntypische Füße oder sie geht nur seltsam auffällig, was auf eine Erkrankung deuten könnte. So halt.

Habe kürzlich in einem Ratgeber (James Wood) gelesen, dass man solche einmal auftretenden Figuren einfach nur mit ihrer Funktion erwähnen sollte/könnte. Also:
"Meine Lieblingsstücke hat der Enkel meiner Nachbarin Mina auf einen kleinen Apparat überspielt."
Ah, ich sehe später: da kommt noch eine Nachbarin ("mault mich die Nachbarin missmutig an.") Ist dann wohl eine andere, nicht Mina?

Das ist interessant und leicht zu merken. Aber hier handelt es sich tatsächlich um ein und dieselbe Nachbarin, die nur in verschiedenen Stadien, unterschiedlich wahrgenommen wird. Einmal ist sie die Nachbarin/die Alte und später dann Mina.

Nur, wenn sie Bach hört? Hm ...

Die ist seltsam, nicht wahr?

Da fehlen Gänsefüßchen.

Verflixt. Hießen die Möwenfüßchen wäre es mir sicher selbst aufgefallen. ;)

"Sch, sch, sch" klingt, als hätte die Nachbarin den Vogel in ihr oder die Vogelgestalt erkannt. Spannend.

Wow, spannend ist toll. Danke.

Vielleicht solltest du "die Nachbarin" direkt Mina nennen, als sie TV gucken kommen möchte.

Das habe ich ja eben erwähnt, nicht wahr. Während der, ich nenne es mal akute Verwandlungsphase, spricht sie von ihr genervt und abwertend, später milde und beim Namen. Ich finde in einer surrealen, seltsamen Geschichte, geht das durch.

Juchu, habe einen RS-Fehler entdeckt, wo du ja eine Perfekt-Schreiberin bist. :lol:
"eine Zeitlang"

Du freust dich, wenn ich Fehler mache? :( Tststs, lieber GoMusic. Danke, dass du ihn entdeckt hast. ;)

Hat mir gut gefallen.
Schönes Ende. Die Vogelgestalt hat ihren Körper verlassen.

Unter uns: es ist eine sporadische Verwandlung - ich fürchte, die Vogelfrau braucht ihre menschliche Gestalt weniger - sie wird den Verlust eher so kompensieren.

Hab vielen Dank für deine Hilfe und Eindrücke, Schönen Sonntag, Kanji

Liebe @bernadette ,

gerade weil ich um deinen Einsatz weiß, schätze ich deinen Kommentar enorm hoch. Gefallen will er mir nicht. Du findest die Geschichte nur so medium ... Wir sind dann wohl quitt. ;)

Für mich ein falscher Satzbau. Und das im ersten Satz. ;)
Das hört sich für mich so an: Wir essen die Nudeln erst aus der Suppe, und dann aus dem Topf (so als Beispiel). Dabei willst du doch sagen, dass erst die Nudeln aus der Brühe gefischt werden, bevor diese dann geschlürft/getrunken/gelöffelt wird.

Also bei aller Liebe, ein falscher Satzbau sieht anders aus. ;) Dieser „Vorwurf“ gleich beim ersten Ansatz … Ich weiß ja nicht. :shy:
Und es könnte aber auch bedeuten: wir essen erst die Nudeln und dann die anderen Einlagen. It`s up to the Leser. Es ist eine eindeutige Aussage, dass sie beide jedes Mal gleich vorgehen beim Suppeessen. Das immer spare ich mir dennoch.

Wie immer essen wir zuerst die Nudeln aus der Suppe. (Und ich würde Brühe schreiben, denn die Suppe ist das Gesamte aus Brühe und Nudeln).

Brühe vs. Suppe - für mich spricht nichts dagegen eine Suppe, mit all ihren Ingredenzien, eine Suppe zu nennen, deren Bestandteile man nacheinander herausnehmen kann, wenn sie zubereitet ist, wie sie die Vogelfrau sie eben zubereitet. Der nächste Leser käme wohl und bemängelte, was es denn nun wäre, eine Suppe oder eine Brühe, in der Nudeln und anderes schwimmt. Ich machs lieber einfach. Die Suppe ist eine Suppe, ist eine Suppe. ;)

Mir gefiele Schrille, laute Töne besser.

Mir auch. Ich lass das Bindewort weg.

Mir ist das zuviel Möwerei.

Ich denke, ich benötige diese fünf Zeilen zum Eingewöhnen. Anfangs überlegte ich, sie sich in einen Stuhl verwandeln zu lassen, weil Kai auf ihm geübt hat. Aber das wäre für den Aufbau mächtig unattraktiv gewesen, das kannste mir glauben. Ich denke, ich brauche eine intensive Auseinandersetzung mit der Möwe, damit die Verwandlung nicht aus dem Nichts kommt.

Komma weg

Komma geht weg.

Möwen haben Schwimmhäute zwischen den Zehen, von daher spricht man, soweit ich das laienhaft beurteile, nicht von Krallen.
Ich habe noch nie eine Möwe auf einem Baum sitzen sehen, genauso wenig wie Enten oder sonstige Vögel, die im Wasser schwimme.

Die Schwimmvögel verfügen über drei Zehen, die am Ende eine Krümmung mit verstärkter Verhornung vorweisen, zwischen denen sich die Schwimmhäute befinden. Beim Gehen auf Metall kann man das Kratzen der Zehen(nägel) hören. Ich weiß, dass Schwimmvögel nicht auf Bäumen sitzen können, die Vogelfrau auch, die Möwe will sich damit nicht abfinden. In einer surreal anmutenden Geschichte empfinde ich dieses Bild nicht sonderlich befremdlich. Ich kann nicht dagegen argumentieren. Genauso gut könntest du bemängeln, dass sich Frauen nicht in Möwen verwandeln können. Ich bin etwas ratlos. :confused:

Ich liebe Semikolons und freue mich, wenn sie eingesetzt werden, aber hier passt es für mein Gefühl nicht, da sollten Kommas hin.

Lustige Aussage, Semikolons zu lieben. :herz:
Selbst bei den Semikolons steht dein Gefühl gegen meines. Ich werde nochmal nachspüren, weil es sie sicher nicht braucht und ersetzt werden können.

Lesen kommt von Ernte. So aus dem Gefühl heraus hat man da was Handfestes, was Definiertes.
Gekochte Nudeln sind schlabbrig und wenn die dann auf einer Fläche liegen, ist es richtig Arbeit, die dann da weg zu bekommen. Von daher finde ich lesen bildhaft ungünstig. Eher zusammenkratzen/zusammenwischen.

Es soll jetzt keine Absicht werden, dir in immerzu zu widersprechen, aber auch bei meiner Wahl, die Nudeln nicht eben mal fix wegzuwischen, sondern jede einzelne aufzulesen, soll mehreres implizieren. Zum einen, wieviel Zeit sie sich nimmt, fast meditativ, weil Zeit für die Vogelfrau keine Option ist, zum anderen sehe ich sie wie ein Kind mit dem Pinzettengriff, jede einzelne Nudel eben tatsächlich auflesen. Was soll ich sagen?

Ist das jetzt Programm, dass die Möwe eigentlich nicht schaben kann und es in dem Text doch kann oder ist das nun schlecht recherchiert? Ich finde das im Moment mühsam, weil mich der Text noch nicht soweit geleitet hat, dass ich das einordnen kann.

Auch beim Hören der Füße über ihr auf dem Dach, möchtest du ihrem Empfinden nicht folgen. Ich kann nichts dagegen tun. Sie hört etwas auf dem Metall schaben, die Möwe schlurft mit ihren Zehen auf Metall. Nicht mehr und nicht weniger. Es könnte sich wie ein Schaben anhören. Nicht?

Das liest sich so, als wäre die Erzählerin 100 und wüsste nicht, wovon sie redet.

Sie ist näher an 100 als an 50 und weiß tatsächlich von nichts. Komisch, dass du das so liest, aber nicht wahrhaben möchtest. Dir liegt diese Geschichte scheinbar nicht so, fürchte ich.

Ja, da wird eine ver-rückt und mutiert zur Möwe. Oder fühlt sich jedenfalls den Tieren höchst nahe.
Aus was für Gründen auch immer. Für 08/15-Denkende schwierig, für andere nicht leicht.

Sicher, es ist eine seltsame Geschichte und kein gängiges Bild, was da vor sich geht. Aber so ist sie nun mal. :confused:

Wenn ich jetzt aus wenig Abstand heraus die Geschichte betrachte, hat sie zu wenig Raum. Ich sehe nur die Protagonistin, und die auch nur schemenhaft. Ich möchte nicht einfach nur im Regen stehen bleiben, weil sie jetzt denkt, sie sei eine Möwe. Der Mann ist auch kaum gezeichnet, zeichnet aber sicher sehr intensiv die Protagonistin in ihrem Wesen.

Ich finde es nett von dir, mir deine Vorgehensweise darzulegen und ich denke, wenn du sie möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt gelesen hättest, am Abend im Bett, ohne Wunsch, zu kommentieren und zu helfen, vielleicht hättest du einen besseren Zugang gefunden. (Aber vielleicht war es ja so und du findest sie eben einfach zu ... wenig.
Schade, dass du es bloß empfindest, als würde sie denken, eine Möwe zu sein. Ich hatte gehofft, es mir nicht ganz so leicht gemacht zu haben. Dass ich dieser Verwandlung mehr Raum hätte geben können, glaube ich auch. Überhaupt tu ich mich immer und nach wie vor schwer damit, in diesem Format herauszuarbeiten, wann zu viel und wann genug oder zu wenig ist. Vermutlich eine bleibende Herausforderung.

So als Zusammenfassung: Mir war das ganze zu konfus in dem Sinne, dass ich als Leser nicht wusste, wo ich hingeführt werden sollte. Allein die Tatsache, dass die Prota einen Knall hat, ist es doch nicht gewesen, oder?

Wir haben hier äußerst unterschiedliche Auffassungen, denn schon bei der Betrachtung der Protagonistin haben wir völlig andere Wahrnehmungen, denn während du meinst, sie hätte einen Knall, sehe ich sie als einsame, verstörte Frau, die nicht länger erdulden konnte.

Es ist in der Tat auch recht verwirrend für mich. Ich bin dann doppelt dankbar, denn eine Geschichte, die begeistert, lässt sich leichter kommentieren.

Einen schönen Sonntag, gerade für dich, Kanji

Hej @erdbeerschorsch ,

deine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte ist ein großer Gewinn und dein Hinweis auf den Verzicht des Schlafes, eine echte Option. Ich werde es versuchen müssen, um zu sehen, ob ich das könnte.

sehr schön, find ich viel besser. Noch schöner fänd ich zwar, wenn auch der Hinweis auf den Schlaf verschwände, aber ich will dich damit mal nicht nerven.

Das nervt gar nicht, eher das Gegenteil davon (wie immer sich das nennt).

Schwer zu sagen, warum ich das japanische Dorf an der Ostsee gut finde, aber ich versuch's mal: Ein Aspekt: Das leitet in die surreale Welt ein. (Stimmt die Erinnerung so? Hat sich im Kopf was verschoben?)

Ein anderer: Man kann es eigentlich ohne weiteres realistisch lesen. Kais Großmutter ist Japanerin und lebt an der Ostsee.

Noch ein anderer: Es ist nicht besonders zentral, dass die Protagonistin übersetzt. Trotzdem tut sie das nun mal. Beim Übersetzen muss sie in manchen Fällen darauf achten, dass exotisch erscheinende Gepflogenheiten, die für die Welt der Ausgangssprache aber völlig gewöhnlich sind, nicht als allzu exotisch herausstechen. Und etwas ähnliches ist in der Geschichte passiert: Für die womöglich japanischen Figuren ist ihr Dorf so, wie für dich (sag ich einfach mal so) ein Dorf an der Ostsee

Besonders der letzte Aspekt ist für mich allerdings erst in Kombination mit dem ersten reizvoll

Diese Verrutschung der Verortung war mir gar nicht so bewusst, aber sie gefällt mir zunehmend, konnte ich doch bloß die Charaktere nicht mit ihren Aktionen und Gedanken deutsch sehen. Wenn es tatsächlich an Haru liegt, werde ich versuchen, seine Figur nebulöser lassen. Der surreale Gedanke verdichtet sich, das verstehe ich. Am allerschönsten finde ich, dass du ihre Tätigkeit einbringen kannst. Gerade wenn man Geschichten von japanisch ins Deutsche übersetzt, ist es enorm schwer, mit den bildhaften Worten, Bilder in die Sprache zu übersetzen. Gibt es doch Worte wie z.B. tsundoku, was etwa bedeutet, du kaufst ein Buch, das ungelesen bleibt und im Regal steht oder komorebi, ein Wort für das Licht, das durch Laubbäume fällt. Ich gebe dir also recht, dass sie sich ohnehin mit ihren Gedanken immer versucht, etwas hinzunehmen und -anzunehmen, dann zu übertragen. @Mix nennt es fatalistisch.
Ich bin dankbar und äußerst beeindruckt, wie sehr du dich eingelassen hast. Arigatō.

Ich werde hinsichtlich dieser Aspekte von dir, den text durchforsten und unterstreichen (versuchen).

Lieber Gruß, Kanji


Hej @Mix ,

wirklich cool, dass du kommentierst.

ich mach erstmal ein bisschen Kleinkram:

Diesen Zusatz könntest du dir sparen, finde ich. Welche Suppe sollte sonst gemeint sein?

Kleinkram först:
Ich habe einen Übergang zu schaffen versucht: die Möwe isst die Kirschen, die Vogelfrau die Nudeln. Mal sehen, ob ich es herausnehme, gut zu wissen, dass es das nicht braucht.

Diesen Zusatz finde ich ebenfalls überflüssig. Warum sollte es interessant sein, dass ihre Haare ihr vor den Augen rumhängen? Außerdem klingt der Satz dadurch so unrund.

Mit den Haarsträhnen wollte ich den verstohlenen Blick verdeutlichen. Bin auch hier nicht sicher, ob ich darauf verzichten möchte; werde aber sicher testen. Vielleicht reicht auch eine rundere Formulierung ;)

Unschöne Wiederholung

Bäh, zweimal Boden. Ich kümmere mich.

Würd ich auch streichen.

Du meinst den Zusatz gerade eben . Stimmt.

Wieso "nur"? Könnte auch weg.

Na, nur im Park spazierengehen ist die letzte Option, weil sie am wenigsten Aufwand und Energie benötigt. So halt.

Das "missmutig" steckt doch schon in dem Maulen drin, oder? Würd ich daher streichen. Da fehlen außerdem Anführungszeichen.

Japp, missmutig weg, Anführungszeichen hin.

Irgendwo in diesem Abschnitt fehlt mir ein Satz, der klar macht, dass sie sich wieder hinsetzt.

Oha, da wollte ich wohl auf Nummer sicher gehen (ich habe in der ersten Version die Verwandlung in einen Stuhl angedacht und ihn deshalb wohl unnötig betont.) Ich werde die Rückkehr zum Stuhl erwähnen.

Das erscheint mir in sich widersprüchlich. Wenn die Musik den Raum "erfüllt", stelle ich sie mir automatisch laut und kraftvoll vor. Bei kaum hörbarer Lautstärke würde ich nicht davon sprechen, dass die Musik den Raum erfüllt.

Was die raumerfüllende Musik betrifft, denke ich wieder an eine surreale Wahrnehmung, die nicht auf Lautstärke bezogen ist, sondern eher so klingt, als wäre sie nicht existent und dennoch da, ähnlich dem Geräusch von Wind, also keinem Sturm, sondern Windgeräusche, die man erst dann wahrnimmt, wenn man denkt, es wäre eigentlich total still. Ähm. So in etwa.

Also wo kommt der Tee her?

Du hast recht, wie der Tee jetzt zu Mina kommt ist unklar, ich denke, ich werde den Enkel erneut auf die Bühne bitten.

Jetzt gefällt mir der Text richtig gut, er versetzt mich irgendwie in so eine angenehm melancholische Stimmung.

Toll! Ich finde, du kriegst es genau richtig hin. Das geht ganz subtil.

Das Ende war dann angenehm konsequent und fatalistisch

Die Sache mit Kai war sowieso geschickt. Dass er nie ein Wort spricht, fiel auf, sprang mir aber nicht gleich ins Gesicht.

Ist es nicht so, dass jeder Kommentar etwas anderes meint, solange es nicht um Kommas geht natürlich? Ich versuche herauszulesen, wie der Text ankam und da versuche ich verstehen, warum was klappt oder eben nicht. Auch nicht immer einfach.
Der Schamane war sowohl zu eindeutig, als auch unnötig. Ursprünglich wollte ich damit die Symbolik der Möwe anzeigen. Aber das habe ich eingesehen, wie überflüssig das hier ist und eher das Gegenteil bewirkt, nämlich zu feste Bilder verursacht, was ich ja vermeiden wollte.
Dass du die Verwandlung und ihre Notwendigkeit, den Bezug zu Kai und Mina erkennst, ist ein gutes Zeichen für mich. Danke für diesen Hinweis. Das NGK erinnerte sich auch an diesen Film, aber ich kenne ihn nicht. Meine Inspiration war „Sous le sable“ , einem Film mit Charlotte Rampling. Nach dem Verschwinden ihres Mannes, lebt sie ganz selbstverständlich mit ihm in ihrer Fantasie weiter, selbst im Gespräch mit Freunden kriegt sie es so hin, dass man nie genau behaupten kann, sie wäre verrückt geworden. Man könnte denken, sie redet von der Vergangenheit. Auch weiß man dort nicht, wo er geblieben ist, warum er weg ist, eine zu und zu reizvolle Herangehensweise.
Besonders freut mich, dass du Kai weder übersiehst, noch anfangs zu deutlich darauf hingewiesen wirst, dass er nicht existent ist. Du weißt ja sicher selbst, wenn man etwas schreibt und beschreibt, weiß man irgendwann einfach nicht, was man liest, wenn man es eben nicht weiß. Und deswegen ist dein Hinweis so wertvoll und ja, auch interessant ;)
Und wenn ich so darüber nachdenke, auch dass @bernadette mehr Raum gebraucht hätte, könnte ich mir durchaus vorstellen, den zu geben und etwas Längeres auszubauen. Ich denke mal nach.

Herzlichen Dank für deine Zeit und Motivation, lieber Gruß, Kanji

 

Viel Zeit nimmt die Übersetzungsarbeit nicht in Anspruch, und ich bin immer schnell fertig.

Ich noch mal, wenn ich darf,

liebe Kanji,

denn die Substantivierung des Verbs „übersetzen“ bezieht sich ja nicht nur aufs übertragen von einer in die andere Sprache oder das Übersetzen, etwas abstrakter wäre es, von einem zum andern Kontinent überzusetzen

Und wenn man darüber fliegen würde und immer weiter und weiter, käme man irgendwann auf einen anderen Kontinent,
was im Kleinen das Eintauchen des Schläfers in Traumwelten – schon allein, ums Tagewerk abzuarbeiten – wie die Leistung des Fergen vom linksrheinischen Heimbach zum rechtsrheinischen Loch und auch Charons vom einen zum anderen Ufer im vermeintlich harmloseren Fall über die Lethe – dem Verfall der gegenseitigen Aufmerksamkeit/Anteilnahme in Lethargie oder den Ufern des Kokytos (Wehklage) führt.

Selbst ein harmlos wirkender Satz wie

Stünden da hinten keine Häuser, könnten wir auf das Meer sehen; so bleibt uns nur die Gewissheit, dass es sich hinter der letzten Reihe befindet
(ich weiß ja, wer den angeregt hat) gewinnt in Endzeitstimmung seine Berechtigung und wäre es auch nur für die geamtmenschheitliche Beschränktheit und Blödigkeit, dass eine nicht allzu ferne Zukunft infolge schmelzender Polkappen uns das Meer näher bringt und zugleich näherbringt, dass der Konjunktiv „stünden“ (prima Entscheidung, statt einer würde- oder gar „stände“-Konstruktion, denn ein stehendes Gewässer wird es nicht) mit der Stunde zusammenfällt, wobei es nicht egal ist, ob man in Bangladesh oder den Niederlanden wohnt, in Japan an einen Berg geklatscht oder um Pellworm auf einer Hallig lebt.

Auf beide M, Meer und Möwe, komm ich gleich zurück.

Das zwote, was mir erst jetzt aufgegangen ist, ist "Kai", als Anlegestelle im sicheren Hafen (Sicherheit) und Vorname ♀ und ♂ und wahrscheinlicher noch des dritten Geschlechtes. Im altfriesischen Handwörterbuch* find ich unter „kai“ den Erdwall, Damm, aber auch den Schlüssel - dem Verb „schützen“ entspricht dort „kaia“ …

Kurz, um zum Schluss zu kommen: Es ist gut, dass die Geschichte alle andere als eindeutig ist, aber auch wieder einige Trivialisäten und bissken Fliegenschiss enthält, wie bereits hier- (Infinitiv unter Kommazwang!)

Mit dunklen Rändern unter den Augen blickt Kai auf und ich versuche[,] etwas wie ein Erkennen auszumachen, irgendeine Regung, die mir bedeutet, dass ich zu ihm gehöre.
Er geht mit dem geleerten Geschirr zur Spüle und beginnt[,] es abzuwaschen.

Hier obsiegt wohl Es übers Ich, wenn die Tür wohl ins „Schloss“ fallen darf, aber doch besser das Glück in den Schoß … Sach ich ma‘ so ohn song of Joyce
Als die Tür ins Schloß fällt, ….trockne ich gerade die letzte Schale.

Nun, hier
Ich drohe nach vorn überzufallen und als …
bin ich erst auf dem falschen Dampfer und will einen Fliegenchiss von Komma verteilen - bis mir die Karl Valentin würdige Verschlüsselung zu erkennen (dabei hab ich doch erst vor einem Vierteljahr seine Biografie gelesen) - denn da wird doch niemand „überfallen“, sondern droht doch eher jemand „vornüber zu fallen“, ohne jeses „nach“.

---, die hier bei dir geradezu wie Freunde ein- und ausgehen und mächtig herumkrake[e]len, da meinte er, …
Wir sehen uns eine [Z]eitlang nur an, so als sähen wir uns zum ersten Mal.
Vier Hände, die nun ineinander liegen; schwer zu sagen, welche zu wem gehören.
Besser singular: Welche wem „gehört“

Eine Möwe fliegt lautlos am Fenster vorbei und ich zupfe mir ein paar Federn von der Händen.
Ich komme zu den zwo M – Möwe und Meer – zurück, wobei wir einerseits nicht alle, andererseits auch einige von den auszuschließenden Spielarten (im Sinne, dass Anpassung an vorgegebene Verhältnisse oft ein Glücksspiel ist) der Möwe fürs Meer ungeeignet sind.

Aber:

Als Bild meistert die Möwe an norddeutschen Küsten den rhythmischen Gezeitenwechsel so gut wie mehr oder weniger unberechenbare stürmische Zeiten nicht aber Flussmöwen – je weiter weg sie vom Meer leben müssen.

Genug geplaudert vom

Friedel,

der noch einen schönen Abend wünscht!

* Warum wähl ich das Handbuch? Weil das Netz zur Namensherkunft des Kai' den (altfriesischen Krieger, Kämpfer) vermutet (immerhin nix sicheres verkündet) - aber da sind die alten Franken (= Freien) den Friesen (= Freien) in nachbarschaftlicher Nähe verbunden, als man glauben mag.

 

Hej @Friedrichard ,

natürlich darfst du mich aufmerksam machen, ist doch super, wenn du nochmal reinguckst und dir wieder was Neues auffällt. Zum Beispiel, dass du die Übersetzerin überträgst. @erdbeerschorsch hat’s auch gemacht. So was kann mich nur freuen, wenn es nicht unbemerkt bleibt. Ich hinke allerdings mit der Überarbeitung hinterher. Wie immer man das übertragen mag. :shy:

Selbst ein harmlos wirkender Satz wie (ich weiß ja, wer den angeregt hat) gewinnt in Endzeitstimmung seine Berechtigung ...

Das sind mir die liebsten Sätze. Die, die im ersten Moment so dauergeschlendert kommen und man kurz überlegt, muss ich das wissen und dann vielleicht bei dem einen oder anderen genau angenommen werden ... i like very very :herz:

Genau wie du Kai, der nicht anwesend ist, seinen zugewiesenen Raum anerkennst, bloß des Namens wegen ... wunderbar. :kuss: Wenn doch alles so einfach wäre.

Hier obsiegt wohl Es übers Ich, wenn die Tür wohl ins „Schloss“ fallen darf ...

Für diese Stelle fehlt mir ein Peace-Zeichen-emoji, so bleibt mir nur das schüchterne übrig. :shy:

sondern droht doch eher jemand „vornüber zu fallen“, ohne jeses „nach“.

Wie gut, dass du den gelesen hast!

herumkrake[e]len
[Z]eitlang
Vier Hände, die nun ineinander liegen; schwer zu sagen, welche zu wem gehören
. - und um den Singular kümmere ich mich umgehend. Was die Kommas angeht ... also ich bleib dabei: Die führen ein Eigenleben. :sealed:

Als Bild meistert die Möwe an norddeutschen Küsten den rhythmischen Gezeitenwechsel so gut wie mehr oder weniger unberechenbare stürmische Zeiten

Da sagst du was. Alles vereint und miteinander abgestimmt in der Natur.

Ich bedanke erneut vielmals für deine Zeit, deine guten Worte und wunderbare Hilfe, aber eigentlich am meisten, dass du dich mit dem Text wieder und wieder befasst.

Lieber Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Wortkrieger-sei-Dank habe ich am Text gewerkelt und ... na ja, ausgemistet, umgestellt und immer dicht dran an eurem Rat und Verständnis, wobei es jetzt recht leicht war, weil ihr praktische Hilfe und Anweisungen geleistet habt. Insbesondere leuchteten mir, bzw. passten mir die Veränderungen von @weltenläufer ,@Mix , @erdbeerschorsch und @Friedrichard am ehesten :shy: und falls ihr und wer auch immer noch mal Lust habt, mit der Möwenfrau vor der Realität zu fliehen, würde mir eine Freude machen, wenn die Geschichte noch einmal angesehen werden würde.

Lieber Gruß, Kanji

 

„Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und
auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer
wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis
man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis
man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und
kaum das Land vor sich als glattgemähte Heide sah,
schon ohne Pferdehals und Pferdekopf.“
Franz Kafka „Wunsch, Indianer zu werden“​

Schon der erste Absatz,

Wir essen immer die Nudeln zuerst aus der Suppe. Bis auf unser Schlürfen höre ich nur Möwengeschrei. Schrille, laute Töne. Ich sehe die Vögel waghalsige Manöver fliegen, höre sie[,]* sich ihre Warnsignale zurufen, als segelten sie über stürmischer See. Wundern würde es mich nicht, wenn sie nach mir greifen, mich fortbringen würden, so ungestüm wie sie auf geöffnete Fenster zusteuern. Doch kurz vorher fliegen sie eine akrobatische Kehrtwende und gleiten über die Häuser hinweg. Von meinem Stuhl aus blicke ich über die Dächer der Stadt und der wolkenlose Himmel scheint so viel näher zu sein als der staubige Boden. Stünden da hinten keine Häuser, könnten wir auf das Meer sehen; so bleibt uns nur die Gewissheit, dass es sich hinter der letzten Reihe befindet. Und wenn man darüber fliegen würde und immer weiter und weiter, käme man irgendwann auf einen anderen Kontinent,

liebe Kanji,

wandelt auf den Spuren Kafkas und nicht erst, wenn Kai - warum auch immer - noch mal weg muss und die Verwandlung der Hausfrau zum Raben der Gewässer beginnt - denn wenn der letzte Konjunktiv weitergesponnen wird und damit die Gewissheit zerfiele, dass hinter den Häusern – die ja nur die Sicht versperren und somit eigentlich Weit- und Vorausssicht verhindern, einen anderen Kosmos (eigentlich „Ordnung, Schmuck“) zu entdecken – die See, die in der Sprache der Fahrensleute auch den bedrohlichen Seegang meint – in der Rückschau das Gegenbild der Sicherheit und Idylle des Landlebens mit dem vermeindlichen festen Boden unter den Füßen

Als wir neu in die Stadt zogen, habe ich fertige Nudeln verwendet. Kai war darüber enttäuscht, und so machte ich mir fortan die Mühe, sie wieder selbst zu rollen, wie vorher, als wir auf dem Land bei unseren Familien lebten und die Küchenarbeit aufgeteilt wurde. Kais Großmutter saß den lieben langen Tag an der offenen Tür zum Garten, pulte die Bohnen aus den Hülsen oder hobelte Ingwer in hauchdünne Scheiben.

(ich hoffe, mich nicht zu wiederholen - aber einmal muss es sein.)

Trivialeres

Sie will nicht wahrhaben, dass sie nicht in der Lage ist, [sich] daran festzuhalten.
… und ich versuche[,] etwas wie ein Erkennen auszumachen, irgendeine Regung, die mir bedeutet, dass ich zu ihm gehöre.

Hier
..., weil ich vermute, jeden Moment käme Kai zur Tür herein. Der würde es gar nicht gutheißen, wenn in seiner Wohnung geraucht würde.
würd‘ ich das letzte „würde“ durch den Indikativ ersetzen - als "sichere" Bank ...

Hier nun

Mit aufgerissenen Augen und ausgestreckten Armen kommt sie langsam auf mich zu, wie ein Gespenst und ich gehe ...
kannstu auf das Komma verzichten (nicht nur, weil „wie“ nur einen Vergleich und keinen vollständigen Satz einleitet, sondern weil es auch gefahrlos an anderer Stelle frei vom Komma auftauchen kann, etwa „… kommt sie wie ein Gespenst auf mich zu und ich ...“) Aber vielleicht willstu diesen Vergleich besonders hervorheben – da wäre ein Gedankenstrich das bessere Mittel, behaupt' ich mal

Ich drohe vorn überzufallen …
Nicht überfallen wird da, sondern schlicht „vornüber“, also auch im Infinitiv „vornüberfallen“ ein Wort, wie „aufrechthalten“ gleich
und als ich mich überhaupt nicht mehr aufrecht halten kann, …

Sie reicht mir ein Glas Tee, das ich gierig trinke.
Sagt man das so und nur so‘n Pingel wie ich behauptet, dass da der Tee getrunken wird (den ich trinke) und das Glas nur aus-/leergetrunken wird
„Ich wusste ja nicht, wie einsam du bist“, und während sie flüstert, nimmt sie meine Hände in ihre. Vier Hände, die nun ineinander liegen; schwer zu sagen, welche [Hand] zu wem gehört.

Wie immer:

Gern gelesen vom Ikaross -
der noch ein schönes Wochenende wünscht

* (Komma nicht vergessen!, im Zitat kann's leicht verlorengehn)

 

Ach, du unermüdlicher @Friedrichard , wo wär ich noch ohne dich :kuss:. Du bringst mir die Sprache näher und selbst Grammatik, die den Text so wie ... ergänzt, wo Worte und Sätze aneinandergereiht sind und verleihst ihm dadurch Ausdruck und Tiefe. Aber langsam lerne ich, so wie sich das Eichhörnchen ernährt.
Ich gebe auch zu, es macht mich ziemlich glücklich, wenn ich von dir erfahre, dass du den Text so liest, wie ich ihn erdacht habe, die Verbindungen und Windungen, Gegengewichte zusammenknüpfst, die eben sowohl im Konjunktiv als auch in Namen und Tieren, in Bildern und Metaphern wie im All herumschweben und eingefangen werden wollen, damit alles irgendwie Sinn ergeben kann. Nenn es Eitelkeit, wenn du willst. Is mir egal ... heute. ;)
Die Kommas vergesse nicht ich, sondern sie mich. Danke, dass du auch die einfängst, mich auf Reflexive aufmerksam machst.

Nicht überfallen wird da, sondern schlicht „vornüber“, also auch im Infinitiv „vornüberfallen“ ein Wort, wie „aufrechthalten“ gleich

jetzt hab Ich’s endlich auch kapiert. :shy:

Sagt man das so und nur so‘n Pingel wie ich behauptet, dass da der Tee getrunken wird (den ich trinke) und das Glas nur aus-/leergetrunken wird

Hmhnja ... nee, du hast natürlich völlig recht, denn das Glas trinkt ja auch hier niemand, sondern tatsächlich nur aus. Und es ist ja auch keine große Sache, es sie einfach austrinken zu lassen.

Die Hand habe ich sicherheitshalber auch deutlich geschrieben.

Ich danke dir recht herzlich, mal wieder, für deine Zeit und die gründliche Auseinandersetzung mit diesem Text. Bringt mich weit nach vorn - auch ohne Pferd.

Mach dir bitte ein schönes Wochenende und ein lieber Gruß achtern von Kanji

 

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