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Von Eskimos und Kühlschränken

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05.12.2001
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Von Eskimos und Kühlschränken

Ich fand es immer erstaunlich, wie viele kluge Menschen bei einem Selbstmordversuch scheitern. Da gibt es den Physikprofessor, der sich in die Schläfe schießt und noch zwanzig Jahre mit einem irreparablen Hirnschaden weiter lebt. Oder die junge Schriftstellerin, die sich die Pulsadern vertikal statt horizontal durchtrennt, was sie zwar nicht umbringt, ihr aber für immer jede Bewegung der rechten Hand unmöglich machen wird. Von den Schmerzen einer abgetrennten Sehne mal ganz zu schweigen. Ich habe mir im Laufe meines Lebens eine Menge Dinge vorgenommen und das meiste davon nicht gehalten (ich rauche zum Beispiel immer noch wie ein Schlot), aber für mich stand immer fest, dass ich niemals Selbstmord begehen würde, und wenn, dann ganz sicher auf eine professionelle Art und Weise. Selbstmord erinnerte mich immer an den alten Witz über den Handelsvertreter, der einem Eskimo einen Kühlschrank verkaufen möchte. Das Leben ist im Grunde genommen ein langer und ziemlich nutzloser Kampf gegen den Tod. Warum zum Teufel soll ich ihm mein Leben auf einem Silbertablett servieren, wenn er es sich früher oder später sowieso selbst holen kommt?
Sie fragen jetzt natürlich völlig zu Recht, warum ich dann mit einem Revolver und einem Eimer Wasser in meinem Arbeitszimmer sitze. Nun, ich will es Ihnen verraten. Ich habe vor, den Mund voller Wasser zu nehmen, den Revolver zwischen meine Lippen zu stecken und abzudrücken. Todsichere Alternative könnte man sagen und ich würde Ihnen das morbide Wortspiel auch nicht übel nehmen. Der Druck der abgefeuerten Waffe beschleunigt das Wasser, es weitet sich aus, und – am Schluss eines unglaublich komplizierten physikalischen Zusammenhangs, den ich selbst nicht völlig verstehe – explodiert einem der Schädel. Ziemlich professionell, finden Sie nicht?
Die restliche Zeit, die mir bleibt, würde ich gerne nutzen, um Ihnen zu erzählen, warum ich vorhabe, meinen Schädelinhalt an der Stuckwand zu verteilen, die mich vor acht Jahren ein kleines Vermögen gekostet hat. Keine Angst, ich werde Sie nicht lange aufhalten. Man könnte meinen, dass jemand, der Selbstmord begehen will, alle Zeit der Welt hat, aber ich habe nur noch vier Stunden. Dann wird es dunkel.
Zeit genug für eine Geschichte. Danach werde ich einen Kühlschrank an einen Eskimo verkaufen.

Ich glaube, der ganze Schlamassel begann 1991. Damals beschloss ein Mann namens Saddam Hussein in ein kleines Emirat namens Kuweit einzufallen und ein Großteil der westlichen Welt beschloss, dass man ihn da wieder herausbomben würde, wenn er nicht von selbst ginge. Saddam machte natürlich keine Anstalten sich zu verpissen und wir schickten die Bomber. In einem davon saß ich.
In Filmen sieht man immer, wie der Hauptdarsteller schon als kleiner Junge vom Fliegen träumt. Ich war so ein Junge. Ich liebte das Fliegen. Ich liebte das Dröhnen der Turbinen, ich liebte die Geschwindigkeit beim Start, die einen zurück in den Sitz drückt, und ich liebte es, wenn die Maschine airborne ging; es war ein faszinierendes und eigentümliches Gefühl und es sollte zwei Jahrzehnte dauern, bis ich mir bewusst wurde, worum es sich dabei handelte: Um die instinktive Gewissheit etwas Verbotenes zu tun. Wenn ich flog war ich wieder der Junge, der hinter dem Schuppen heimlich eine Zigarette paffte. Es war aufregend und atemberaubend, aber Angst war immer dabei; Angst, dass Mutter Natur herausfinden würde, dass sich da oben etwas befand, was dort ganz und gar nicht hingehörte.
Als Sohn ein Büroangestellten war es selbst in den aufgeklärten siebziger Jahren ein Ding der Unmöglichkeit, in der zivilen Luftfahrt eine Pilotenkarriere zu beginnen, und aus diesem Grund tat ich das einzig mögliche – ich trat in die Airforce ein. Dort ließ man mich wenigstens fliegen.
Als sie unsere Staffel im Dezember 1990 nach Saudi Arabien verlegten, war das Ultimatum an den Irak noch nicht abgelaufen, aber wir wussten alle, dass es zum Krieg kommen würde. Ich bereitete mich so gut es ging darauf vor, aber als es dann tatsächlich begann, überrollte es mich. Es machte mich fertig. Ich war auf einen Krieg gefasst, aber es fühlte sich an, als würde ich in einer Spielhalle sitzen. Sie erinnern sich bestimmt noch an die Bilder aus Bagdad, in denen grüne Blitze über den Himmel zucken – wenn ja, dann haben Sie mehr gesehen als ich. Ich flog achtundvierzig Einsätze und alles, was ich von dem verdammten Krieg sah, waren kleine blinkende Punkte auf dem Display meiner F-14. Der Krieg machte mich nicht fertig, weil er grausam war, sondern weil er es nicht war, nicht für mich. Bis zu jenem Tag.
Drei Tage bevor der Irak schließlich kapitulierte, saß ich auf dem Stützpunkt und trank eine Coke. Die Stimmung unter den Jungs war gut. Unsere Staffel hatte keinen Piloten verloren und da es außer Frage stand, dass wir das Land notfalls zurück in die Steinzeit bomben würden, warteten wir darauf, dass Saddam die weiße Fahne schwenken und um Entschuldigung bitten würde. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, wir spielten Hearts, als unser Flight Officer meinen Namen brüllte.
Wie es aussah, war einer unserer Jungs zu früh runtergekommen und hatte sich dabei das Bein gebrochen. Sein Glück war, dass er keine fünf Meilen neben einem Stützpunkt unserer Pioniere abgeschmiert war. Zehn Meilen weiter südlich und er wäre mitten in eine irakische Kompanie gerasselt und Sie können sich wahrscheinlich vorstellen, was die mit jemandem angestellt hätten, der noch vor zwanzig Minuten ihre Frauen und Kinder bombardiert hatte. Wie dem auch sei, wir hatten zwei Probleme. Erstens den Piloten, der von den Sannis abgeholt werden musste und zweitens die Maschine, die irgendwie auf den Stützpunkt zurückgeflogen werden musste.
„Besteht die Möglichkeit von dort zu starten, Sir?“, fragte ich und mein FO nickte.
„Die Pioniere haben eine provisorische Startbahn ausgehoben“, sagte er. „Könnte ein bisschen holprig werden, aber es sollte klappen.“
Ich dachte an den alten Witz über Pioniere („Soldat, graben Sie mit ihrem Helm ein Loch – wer hat was von absetzen gesagt?“) und nickte ebenfalls.
Ein stiernackiger Corporal fuhr mich schließlich vierzig Meilen in einem Jeep durch die Wüste. Es war heiß und der helle Sand blendete schlimmer als Schnee. Wir hätten stundenlang im Kreis fahren können und ich hätte es nicht bemerkt. Ich glaube, dass wir während der gesamten Fahrt keine fünf Sätze miteinander wechselten, aber ich hatte den Eindruck, dass das für ihn bereits eine ausschweifende Unterhaltung war.
Das Camp der Pioniere bestand im Grunde aus zwei Dutzend Zelten und einer Artillerie-Stellung. Und mein FO hatte recht behalten: Die verrückten Wichser hatten tatsächlich eine provisorische Startbahn ausgehoben. Sie war kurz und uneben, aber eigentlich sollte es funktionieren. Ein junger Seargent begrüßte mich und führte mich zu der F-14.
„Eigentlich sollte der Vogel noch fliegen“, sagte er. „Irgendwer hat anscheinend die Spritmenge falsch berechnet.“
„Dann wird er auch nicht mehr fliegen", sagte ich kopfschüttelnd.
Er grinste. „Wir haben uns die Freiheit genommen, ihn aufzutanken. Der Vogel ist voll wie tausend Russen, könnte man sagen.“
„Wo zum Teufel habt ihr denn Kerosin her?“
Er lächelte und deutete auf das Abzeichen auf seiner Brust.
„Im Buddeln und Besorgen sind wir große Klasse.“
Gegen meinen Willen musste ich lachen. Ich wollte gerade etwas erwidern, als die Hölle losbrach.
Die erste Explosion riss fünfzig Meter entfernt drei Zelte völlig auseinander. Soldaten rannten durcheinander und einige von ihnen hatten das Pech, mitten in die zweite Detonation zu laufen. Sie lösten sich buchstäblich auf. Ich stand einfach nur da und starrte in die grellen Lichtblitze, bis mich der Seargent zu Boden riss und in Richtung Lager zerrte. Dort wo die Bomben einschlugen.
„Sind Sie völlig verrückt geworden?“, brüllte ich durch den Lärm.
Eine dritte Granate schlug genau an der Stelle ein, an der vor einer Sekunde noch das große Kommandozelt gestanden hatte.
Der Sergeant blickte über die Schultern zu der F-14.
„Wo zum Teufel glauben Sie denn, dass die hinschießen, wenn die hier ein Flugzeug herumstehen sehen?“
Wir krochen weiter. Der heiße Sand brannte unter meinen Handflächen. Ich wollte mich übergeben.
Plötzlich herrschte völlige Stille, wie in einem Nachtclub, dem man die Stromzufuhr der Soundanlage abgeschnitten hatte.
Ich hob den Kopf und hörte jemanden rufen:
„Gas!“
An alles, was folgte, kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern. Soldaten, die panisch nach ihrer Schutzausrüstung suchten, abgerissene Körperteile, Blut.
Ich blieb einfach im Sand liegen und schloss die Augen.
Es schmeckte bitter.
Irgendwann, es könnte fünf Minuten oder eine halbe Stunde gedauert haben, hörte ich eine gedämpfte Stimme, die nichts Menschliches mehr an sich hatte, neben meinem Ohr schreien:
„Bringt sofort eine Schutzmaske her!“
Noch später kam der ABC-Trupp mit Spezialfahrzeugen. Wir wurden aufgeladen und ich bekam eine Spritze. Danach weiß ich gar nichts mehr.

Ich quittierte den Dienst ein Jahr später. Vorher sagten mir die Ärzte, ich wäre ein medizinisches Wunder, aber das war mir scheißegal. Nachdem ich fünf Monate damit zugebracht hatte, Blut zu kotzen, Blut zu pissen und Blut zu schnupfen, wollte ich nur noch raus. Man riet mir dringend, das Rauchen aufzugeben, aber obwohl es noch heute an schlimmen Tagen höllisch in der Lunge brennt, hörte ich nicht auf. Bevor ich gehen durfte, musste ich eine Schweigeerklärung unterschreiben. Ich hatte nichts dagegen.
Ein paar Wochen später fand ich einen Job bei einem Flugzeugkonstrukteur. Ich flog Prototypen und für eine Weile schien es, als hätte ich die ganze Scheiße hinter mir gelassen. Ich trieb umher, zum ersten Mal in meinem Leben ohne ein festes Ziel vor Augen, und ich genoss es. Ich trank zu viel und ich kokste ab und an (und meine Nase blutete am nächsten Morgen so stark, dass ich die Löcher mit Watte zustopfen musste). Ich war glücklich, jedenfalls glaube ich das heute. Denn wissen Sie, Glück ist eine Erinnerung, kein Gefühl.

Es begann vor einem halben Jahr. Ich wachte auf und fühlte mich wie gerädert. Ich hatte noch nie Schlafprobleme (glauben Sie mir, das Militär stellt so etwas ab), aber plötzlich konnte ich kaum die Augen offen halten. Es ging die ganze Woche so und am Freitag kam mein Boss zu mir und fragte mich, ob ich krank sei. Ich verneinte. Er schickte mich trotzdem zum Arzt.
„Treiben sie Sport“, riet mir ein junger Doktor, der noch die letzten Spuren einer Jugendakne im Gesicht trug.
Also trieb ich Sport. Ich lief jeden Morgen fünf Kilometer und jeden Abend noch einmal dieselbe Strecke. Es half nichts. Obwohl ich jeden Abend totmüde ins Bett fiel, wachte ich am nächsten Morgen ebenso müde und mit schmerzenden Gliedern auf. Das ging ein paar Wochen so weiter, bis mir mein Boss unter vier Augen erklärte, dass er mich in diesem Zustand unter gar keinen Umständen ein Flugzeug fliegen lassen würde, das mehr gekostet hatte, als der Verteidigungshaushalt eines afrikanischen Staates. Ich war ganz seiner Meinung.
Er gab mir sechs Wochen Zeit, mein Problem zu lösen. Ein Problem, von dessen Existenz ich zwar wusste (es war im Spiegel auch schwer zu übersehen), aber dessen Ursache mir völlig rätselhaft war. Ich versuchte alles. Lange schlafen, kurz schlafen, Alkohol, Drogen, scheiße, sogar Meditationsübungen – nichts half. Im Juli wurde es richtig schlimm und mir fielen zum ersten Mal die kleinen Veränderungen auf. Mal war der Fernseher eingeschaltet, obwohl ich ihn am Vorabend ausgeschaltet hatte, mal fand ich Mayonnaise und Schinken auf dem Küchentisch. Ich fragte mich, ob ich schlafwandelte und dann passierte die Sache mit dem Auto. Ich sollte den Mercedes zur Inspektion bringen und hatte für den nächsten Tag einen Termin vereinbart. Der Mechaniker wollte den Kilometerstand wissen und so schrieb ich ihn auf. Als ich am nächsten Morgen auf dem Weg in die Werkstatt war, bemerkte ich, dass er sich seit dem Vortag um achtzig Meilen erhöht hatte. Kennen Sie einen Schlafwandler, der Auto fährt?
Und dann war da noch die Sache mit dem Anruf:
„Collins hier. Gut, dass ich sie noch erwische.“
„Wer sind Sie?“
„Hank Collins. Der Propeller-Mann. Wissen Sie nicht mehr?“
Ich wollte ihm sagen, dass ich ganz bestimmt keinen Propeller-Mann kannte, aber er plapperte einfach weiter:
„Die Maschine ist jetzt startklar, Mr. Baker. Sollte den Biestern ordentlich Dampf unter dem Arsch machen.“
Baker? Biester?
„Was für eine Maschine?“
„Die VC-134, wegen der Sie gefragt haben. Oder hat sich Ihr Heuschrecken-Problem erledigt? Mein Bruder hatte die Mistviecher mal auf seinen Feldern und die haben ihm sogar die Vogelscheuche kahl gefressen.“
„Die Vogelscheuche?“
„Hm-mh. Man sollte die kleinen Scheißdinger ausrotten, wenn Sie mich fragen, aber meistens fragt mich ja niemand.“ Er kicherte. „Wie auch immer, Sie können jederzeit loslegen, wollte Ihnen nur Bescheid sagen. Tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe. Sie hatten mir ja gesagt, dass ich Sie nur nachts anrufen soll, aber ich dachte mir, ich probiere es trotzdem.“
Ich bedankte mich und legte auf. Ein Bild begann sich in meinem Kopf zu formen. Das Bild eines Wahnsinnigen, der tagsüber vor Müdigkeit kaum aus dem Sessel kommt, aber im Schlaf Auto fährt und Flugzeuge mietet. Ich war verrückt geworden. Ich dachte an das Giftgas.

Das war der heutige Stand. Sie fragen sich jetzt sicher, warum ich mich umbringen möchte. Verrückt zu sein hört sich ja schlimm an, aber besser als tot, nicht wahr? Nun, da ist immer noch der Keller. Ich hasse Keller. Dunkle Löcher, in denen alles mögliche rumkriechen kann, konnte ich nie leiden. Und Insekten – wenn ich vor einer Sache auf dieser Welt wirklich Angst habe, dann sind es Insekten. Deshalb war ich auch seit Monaten nicht mehr im Keller. Heute sprang eine Sicherung aus der Fassung und ich musste hinunter, um sie auszuwechseln.
Ich fand ein Labor. Reagenzgläser, Rotlichtscheinwerfer, seltsame Apparaturen, die man aus Filmen kennt und die sündhaft teuer aussahen. Und Bücher. Da waren Dutzende, über Krankheiten, Viren, Vererbungslehre. Die kleinen Gläser waren alle ordentlich mit meiner Handschrift gekennzeichnet und leer. In der hinteren Ecke stand ein Kühlschrank. Als ich näher heran ging, sah ich, dass er an einigen Stellen tiefe Kratzer hatte. Dunkelgrüne Kratzer. Wie von einem dunkelgrünen Auto. Einem Mercedes.
Ich öffnete die Tür. Noch mehr Gläser. Ebenfalls beschriftet und mit einem hellen Bodensatz. Auf ihnen stand: Bacillus Anthracis. Ich fuhr in die Bibliothek.
Es wird dunkel. Ich darf es nicht riskieren einzuschlafen. Ich weiß nämlich jetzt, was Bacillus Anthracis bedeutet. Lange kann ich mich nicht mehr wach halten. Ich denke es ist Zeit, einem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen. Denn ich habe ein Flugzeug und einen Keller voller Milzbrand-Erreger und ich bin sehr, sehr müde.

 

Ah... hier wird die Sache aufgegriffen, die im Allgemeinen als "Die Amis haben ihre eigenen Männer als Versuchskanninchen mißbraucht" bekannt ist...

Spannend, guter Stil! Man spürt den Horror, die Angst, die der Protagonist hat.

Fazit: Gute Geschichte!

Sodele!

Poncher

 

Jaaa, wirklich nicht schlecht. Wollte es schon rauswerfen, bei dem Titel *g*. Neee aber ich finde auch das es gut geschrieben ist, spannend ist... hmmm aber ein bisschen zu wenig was man erfährt oder?

Ist jedenfalls meine Meinung. GUT GEMACHT!!

bis denn

 

Heyho,

vielen Dank für die lobenden Worte.

Eigentlich sollte es nicht so rüberkommen, als hätten die Amerikaner ihre eigenen Soldaten als Versuchskaninchen benutzt - war also schon eine irakische Giftgasattacke, die es angeblich (Die USA leugnen das ja trotz einiger Beweise recht hartnäckig) wirklich gegeben hat.

Und ja, die Geschichte geht ein wenig schnell - habe ich auch gemerkt und versucht, den Part mit den kleinen Veränderungen in Mr. Namenslos´ Tagesablauf auszubauen. Hat dann allerdings vom gesamten sprachlichen Rhytmus nicht mehr so richtig hingehauen und deshalb habe ich beschlossen, die Geschichte einfach so zu lassen wie sie ist: kurz und hoffentlich ein bischen gemein.
Aber die Kritik ist schon angebracht.

 

So, jetzt habe ich die Story durch. Das positive: Ich habe sie in einem durch gelesen, was bedeutet, dass ich sie interessant fand. Stilistisch ist sie sehr gut, dieser Vergleich mit dem Vertreter, der den Eskimos Kühlschränke verkauft, ist mehr als gelungen!
Auch das Szenario fand ich mal sehr ungewöhnlich. Was die Beschreibungen betrifft, muss ich mich auf dein Wort verlassen! :D
Und man kann sich direkt vorstellen, dass der Protagonist tatsächlich all diese Dinge tut, wenn auch die Motive im Dunkeln bleiben (eine "Seuche", die Menschen verrückt macht, habe ich mehrmals in meinen Storys verwendet, ist quasi eines meiner Lieblingsthemen, weil ziemlich erschreckend).
Wie dir auch die Beschreibung des Mannes selbst hervorragend gelungen ist, trotz der Kürze! Da offenbart sich eine gewisse Routine, die ich dir einfach mal "unterstelle".

Der Text weist aber auch Mängel auf, wie ich meine. Du hast es selber angesprochen und es ist völlig offensichtlich: Du hast ihn nicht in einem durch geschrieben, zu zerhackt wirken einige Stellen. Und leider wird die Story stellenweise unnötig voran gepeitscht. Anfangs beschreibst du den Typen und seine Aufgabe. Dann geht es plötzlich wieder zack-zack, dann lässt du dir wieder Zeit, und der Schluss ist wieder "ach so, ja, das muss ich noch schnell loswerden!".

Zeit genug, für eine Geschichte. Danach werde ich einen Kühlschrank an einen Eskimo verkaufen.

und am Schluss heißt es:

Ich darf es nicht riskieren einzuschlafen. Ich weiß nämlich jetzt, was Bacillus Anthracis bedeutet. Lange kann ich mich nicht mehr wach halten. Ich denke es ist Zeit, einem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen.

Für mich ein Widerspruch: Anfangs hat er angeblich noch Zeit genug für die Geschichte; aber schlussendlich muss er alles noch rastig runterrasseln??? Okay, in der Logik der Geschichte durchaus berechtigt, weil er ja nicht einschlafen darf, aber trotzdem schlägt es sich, wie ich finde.


Resumee: Eine durchaus gelungene Story mit raffinierter Schlusspointe und sicherem Stil - von der Orthographie brauchen wir gar nicht zu reden.
Einziger Kritikpunkt ist, wie gesagt, die Unausgewogenheit der Story, die wohl ursprünglich etwa doppelt so lange geplant war, vermute ich mal. Wenn du den "zweiten Teil" der Story noch ausweiten könntest, würde sie meiner Meinung nach erheblich an Spannung und Atmosphäre gewinnen.

Ach ja: Auch wenn hier die meisten anderer Meinung sind: Ich begrüße es, wenn auch zwischen direkte Reden Leerzeilen gesetzt werden, um dem Auge "Ruhe" zu gönnen! Das ist jetzt natürlich kein Kritikpunkt, sondern pure Anmaßung. :D
Well done, Guy!

 

Heyho,

danke für die konstruktive Kritik Rainer!

Wie ich schon erwähnt habe, bin ich mir des Problems durchaus bewußt - ich finde nur keinen guten Weg, es zu lösen. Das Seltsame ist, dass die Geschichte in meinen Augen dennoch funktioniert - nur halt nicht so gut, wie sie könnte. Das ärgert mich zwar, aber nachdem ich schon zehnmal an ihr rumgedoktort habe, bin ich jetzt der Meinung, dass ich sie einfach so lasse und damit lebe, dass ich nicht perfekt bin...

Meiner Meinung nach hängt es gar nicht mal damit zusammen, dass sich ein Widerspruch zwischen dem ersten und letzten Absatz befindet (auch wenn ich Dir dankbar bin, dass Du darauf hingewiesen hast - ist mir gar nicht aufgefallen). Die Story geht zu schnell, ja, aber nicht weil der Protagonist sie runterrasselt (das finde ich logisch, er steht unter Zeitdruck und das wollte ich rüberbringen), sondern weil die Gewichtung der einzelnen Teile nicht hinhaut.

Mal sehen, vielleicht fällt mir ja eines Tages noch was ein. Bis dahin nochmal danke und auf ein Neues bei der nächsten Story.

Cheers

 

Ich sah da einfach einen Widerspruch, wenn der Typ anfangs alle Zeit der Welt hat und dann plötzlich nicht mehr!

Es freut mich jedenfalls, dass du mit der Kritik was anfangen kannst - ich habe inzwischen schon einige Male aus Kritiken wertvolle Hinweise zur Verbesserung von Geschichten erhalten! Es hilft einfach, eine Story von anderen lesen zu lassen, da einem die eigenen "Fehler" manchmal gar nicht bewusst werden.

Ich halte deine Geschichte im übrigen noch immer für eine der besten der letzten Zeit! :)

 

Heyho Rainer,

jetzt muss ich mich aber doch noch mal verteidigen - alle Zeit der Welt hat unser lieber Protagonist (ich sollte mir angewöhnen, den Kerlen auch einen Namen zu geben, in der Story geht's ja, aber wenn man drüber reden möchte...)auch am Anfang nicht. Nicht umsonst sagt er nämlich: "Man könnte meinen, dass jemand, der Selbstmord begehen will, alle Zeit der Welt hat, aber ich habe nur noch vier Stunden." Das habe ich übrigens noch nicht mal nachträglich eingebaut - obwohl ich eigentlich schon davon ausgegangen war, dass die Geschichte länger werden würde. Aber die Kritik ist dennoch berechtigt, schon alleine wegen der ungleichmäßigen Intensität der beiden Erzählebenen. Ende nächster Woche sollte ich noch eine Geschichte finden (ist auf einem anderen Rechner) - die kannst Du dann wieder gebührend auseinanderpflücken. Das machst Du doch so gerne (ja, ich gestehe, ich auch) und zudem kompetent.

Ach ja: Danke für das Lob!

Cheers

 

Die Geschichte hab ich eigentlich nur wegen Rainers Empfehlung gelesen. Der Titel schreckt irgendwie ab, nicht als ob sich dahinter eine Horrorstory verbirgt. ;)
Dennoch hast du mir das Gegenteil bewiesen!

Lies sich spannend lesen und ein guter Erzählstil.

:thumbsup:

 

Heyho,

danke für Kritik!

Der Titel? Hmm. Hehe. Ähm. Hihi. Tja. Uhm. Da ich nicht auf Sachen wie "Das Grauen kam um Mitternacht" stehe, tue ich mich mit Titeln wirklich unheimlich schwer. Jede meiner Storys ist eigentlich namenlos - hier musste ich mir ja zwangsläufig einen ausdenken und bin auf nix besseres gekommen. Wenn jemand einen guten Vorschlag parat hat - immer her damit. Ewige Glückseligkeit sei ihm oder ihr gewiss!

Cheers

 

Wirklich grandiose Story! Spannend vom Anfang bis zum Ende! Über die kleinen Schwächen konnte ich locker hinwegsehen. Absolut gelungen!

Antonia :)

 

Tolle Geschichte. Wenn nicht von Fight Club, dann aber inspiriert von Robert Louis Stefenson (Dr. Jekyll&Mr.Hyde), oder? Na egal, jedenfalls ist die Selbstmordmethode endlich mal originell, nicht immer dieses platte "ich springe vom Hochhaus". Was auch gut rüberkommt ist der Gedanke, daß es nicht immer die bösen Schurkenstaaten sind, sondern der Feind auch von innen kommen kann.
Was mir auch noch besonders gut gefällt ist der Charakter des Protagonisten. Ihm ist irgendwie alles scheißegal, Befehle nimmt er ohne Widerrede an, ob nun der Befehl zu Schweigen oder die Tips des Arztes, er akzeptiert alles.
Na ja, als Titel vielleicht "Der Feind wohnt in dir".

 

Heja Wendigo,

tja ... was soll ich sagen, ich kann mich meinen Vorgängern nur anschließen. Deine Story ist stilvoll und spannend!

Tolle Idee, Hut ab! :)

Grüße!

 

Hallo Wendigo,

soviel Milzbrand herzustellen, daß man zur Verbreitung ein Sprühflugzeug benutzen kann, halte ich für unmöglich. Zumindest für einen Laien, der es nicht einmal geschafft hat, in der zivilen Luftfahrt unterzukommen.

Ich lese hier oft Geschichten nur an und breche sie ab, wenn sie mir nichts geben. Die Gedanken über Selbstmordarten aber haben mich dazu bewogen, weiterzulesen. Denn sie schienen mir kein Hirngespinst zu sein, sondern tatsächlich recherchiert. (Ich habe mal einen Artikel über Selbstmord geschrieben und davor einiges an Fachliteratur gelesen – ja, das gibt es). Auch bei den Beschreibungen der Zustände im Golfkrieg habe ich das Gefühl, daß hier nicht ins Blaue hineinfabuliert worden ist. Das hat mir gefallen. Lediglich die plötzliche Geschicklichkeit im Umgang mit biologischen Kampfstoffen erscheint mir ein bißchen unrealistisch.

Schöne Grüße von
Eni

 

Hi Wendigo,

kurzes Statement von mir, nach ziemlich langer Zeit, wie mir scheint ;)

Also für mich isses ne moderne Dr. Jekyll - Mr. Hyde Geschichte und das spannende ist, daß er anfänglich selber davon nix weiß. Die Idee ist für mich neu (evtl. weil ich noch nicht so oft im Horror/Grusel-Forum war?) und birgt ein hohes Spannungspotential. Ein intelligenter Mann jagt sich selbst und ist dadurch arg gefordert, da der andere scheinbar immer bescheid weiß oder mindestens so gerissen ist, wie er selber.

Und ich glaube diese Spannung verschenkst Du durch die sehr schnelle Auflösung (auch das wurde schon angemerkt).

Aus meiner Sicht hättest Du weitere Indizien aufzählen können (Geld fehlt auf dem Konto, Installation einer Nachtkamera - die er selber zerstört; nasse Sachen), die daraus sowas wie eine Krimi-Geschichte machen, in der er versucht, etwas rauszubekommen, was er selber begangen hat.
Ich weiß nicht, ob das ewig trägt, denn möglicherweise würde er sich selber schneller auf die Schliche kommen, wenn er sich Mühe gäbe.

Auch bleibt die Frage, wie er an das Labor gekommen ist, ohne tagsüber einzukaufen. Einbruch? Mitwisser, die ihn erpressen wollen? Polizei, die Fragen stellt und ihn nachdenklich macht? Auch das könnte noch geklärt werden.

Und dann eben eine Art Wettlauf mit der Zeit. D.h. er bekommt raus, daß er es selber ist, aber was er vorhat, weiß er nicht und dann weiß er es, aber nicht wann usw. Somit könnte sich ein neuer Spannungsbogen entwickeln. Der darin gipfelt, daß er evtl. einschläft und dann irgendwie sich doch umbringt, weil er eine Sicherungsbombe gelegt hat. Naja, dann müßte aber die Erzählperspektive wechseln, was bei dem Anfang fast unmöglich ist.

Also gut, dann eben das zu erwartende Ende aber mit einer Geschichte, die sich langsam entwickelt, so daß man bei seinen Recherchen dabei ist und wo man am Anfang eben nicht weiß, wen er da verfolgt und wenn es sich langsam andeutet, dann als Spannungsgrundlage den Wettlauf mit der Zeit nehmen.

Interessant ist auch die Entscheidung, ob er nachts weiß, daß er verfolgt wird. Wenn ja, könnte er Gegenmaßnahmen gegen seine eigene Entdeckung treffen. Du hast das hier ja angedeutet:

„Hank Collins. Der mit den Flugzeugen. Sie hatten mir gesagt, dass ich sie nur Nachts erreichen könnte, aber ich dachte mir, ich probiere es trotzdem. Noch mal Glück gehabt, wie? Ich wollte ihnen nur sagen, dass die Maschine startklar ist.“
Und vor allem wäre im Vorteil gegenüber dem ahnungslosen "Tag-Aktiven" Piloten.

Kurze Meinung zum
Was nicht unbedingt sein muß, ist der Bezug zum Irakkrieg. Es kann auch irgendein Krieg sein, wo Giftgas eingesetzt wird.

Somit mußt Du auch nicht unbedingt diese Knöpfe drücken, um auch wirklich alle Argumente der Kriegsgegner zu bedienen (das wirkt auf mich zu klischeehaft):

Ich war auf einen Krieg gefasst, aber es kam mir vor, als würde ich in einer Spielhalle sitzen. Sie haben bestimmt die Bilder aus Bagdad gesehen, in denen grüne Blitze über den Himmel zucken – wenn ja, dann haben Sie mehr gesehen, als ich. Ich flog achtundvierzig Einsätze und alles, was ich von diesem verdammten Krieg sah, waren kleine leuchtende Pünktchen auf dem Display meiner F-14. Der Krieg machte mich nicht fertig, weil er grausam war, sondern weil er es nicht war.

Positiv zu bemerken ist der leicht zynische Unterton in seiner lakonischen Schilderung. Das paßt absolut zu einem desillusionierten Mann.

Bin gespannt, ob Du Dich nach so langer Zeit nochmal ranwagst oder, es so läßt, wie es ist.

Grüsse

mac

 

Hallo Mac,

vielen Dank für die Kritik. Wenn du schon meine "Jugendsünden" wieder ausgräbst, habe ich auch gleich die Gelegenheit genutzt und die polierte Fassung online gestellt.

Die Kritik an der zu schnellen Auflösung ist natürlich berechtigt - sehe ich mit fast dreijährigem Abstand zu der Story genauso. Einen Wettlauf zwischen dem Tag- und Nacht-Ich bzw. Krimi-Elemente möchte ich allerdings nicht einbauen; nicht, weil diese Ideen schlecht wären, sondern weil sie aus dem Plot eine andere Geschichte machen würden. Aber die Sache mit weiteren Indizien ist ein interessanter Gedanke, über den ich ernsthaft nachdenke.

Somit mußt Du auch nicht unbedingt diese Knöpfe drücken, um auch wirklich alle Argumente der Kriegsgegner zu bedienen (das wirkt auf mich zu klischeehaft)

Interessant. Ich wollte eigentlich überhaupt keine Kriegsgegner-Argumente bedienen. Die von dir zitierte Stelle basiert auf einem Buch über den Irak-Konflikt.

Bin gespannt, ob Du Dich nach so langer Zeit nochmal ranwagst oder, es so läßt, wie es ist.

Da ich diese Story wirklich mag, ist der Gedanke, sie komplett zu überarbeiten (die "polierte Fassung" ist auch zwei Jahre alt), durchaus reizvoll.

Nochmal vielen Dank für die Kritik. Eine Leiche weniger im Keller - mal sehen, ob ich sie wiederbeleben kann :)

Cheers

 

hi hallöchen wendigo!

so, eins gleich mal vorweg:

der letzte teil des ersten absatzes (ab: sie fragen jetzt natürlich völlig zurecht) ist wahnsinnig gut geschrieben und beweißt, dass du tatsächlich klasse schreiben kannst. die metapher mit dem eskimos ist spitze.

also: nicht nur der erste absatz beweist dein offensichtliches talent, denn der ganze text ist klasse.
wahnsinnig gut geschrieben und der spannungsbogen ist perfekt platziert.
mit sicherheit eine der besten geschichten, die ich bisher hier gelesen habe.

naja, mein kommentar war jetzt nicht sonderlich hilf-, aufschluss- oder geistreich, wollte einfach nur was zu dieser geschichte sagen.

liebe grüße
Tama

 

Heyho Tamira,

musst du mir unbedingt meine miese Laune verderben? *grins*

Nein, im Ernst: vielen Dank für das Lob! Freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Und keine Sorge: Lob ist immer hilfreich :)

 

Moin Wendigo,

also wenn das so weiter geht, werde ich ein Fan deiner Geschichten.
Hast mich ja schon in "Sie können uns riechen" fasziniert. Diese Geschichte (obwohl um einiges älter) steht der anderen in nichts nach.

Was sagt uns das? Entweder hast du dich seit damals nicht verbessert, oder du warst schon immer gut. :D

Kurz: spannend und sehr gut nachvollziehbar. Sehr schöner, subtiler Horror.

Winziges Manko: Ich hätte an seiner Stelle schon viel früher mal nachts eine Kamera aufgestellt.

Danke für die gute Unterhaltung!

Salem

 

Heyho Salem,

auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Winziges Manko: Ich hätte an seiner Stelle schon viel früher mal nachts eine Kamera aufgestellt.

Das ist in der Tat eine gute Idee für eine Überarbeitung. Danke!

Cheers

 

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