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Verheerung

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09.02.2024
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Verheerung

Welches Lied pfiff Jack the Ripper?

Ich fand den nie besonders komisch, obwohl ich trotzdem gelacht habe. Der Witz ist eben, wie man ausblenden kann, dass man Menschen aufschlitzt. Trotzdem habe ich nie an Melodien gedacht. Das ist Roberts Marotte, mich lenkt es nur ab.
Ich wünschte, er würde das Radio ausschalten. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er in einer Schrottpresse zerquetscht und das Gedudel macht es nicht besser. Meine Zunge spielt mit dem Pfefferminzbonbon, während ich langsam durch die Bauchdecke fahre. Ich sollte mich konzentrieren, aber meine Gedanken wandern zu Mira.
Wie ich ihr Schneewittchen vorlas und den Teil mit der Leber und Lunge aussparte. Sonst hätte sie mich womöglich gefragt, ob ich Frischlinge absteche. Stimmt beinahe, immerhin wühle ich mich gerade durch Darmschlingen.
Schweiß brennt in meinen Augen und ich blinzle wie ein Wahnsinniger. Ich kann spüren, wie die Klinge über Gewebe fährt. Alles ist rot und unscharf. Während meine Ohren dröhnen, unterdrücke ich den Brechreiz. Robert sollte das Messer nehmen, aber dann hätte ich versagt. Krachend zerbeiße ich das Bonbon und stoße zu.

Jemand saugt zischend Luft ein und ich blicke auf. Panische Augen, hektische Bewegungen und immer noch diese nervige Musik „Alles in Ordnung!“, sage ich mit einer Stimme die nach Watte im Mund klingt. Eine blutige Quelle sprudelt mir entgegen und jemand schreit. Meine schneeweißen Handschuhe lassen mich wieder an Schneewittchen denken. Mira, dein Opa ist kein Mörder!

Als ich weiter schneiden will, halten sie mich fest. Ich kann immer noch einschüchternd klingen, wenn es sein muss und brülle sie an. Bei mir werden die Regeln eingehalten. Ich bin nicht nett. Nicht, wenn es funktionieren soll. Also mache ich weiter, bis mir der jüngste von ihnen gegen die Brust schlägt. Ich fasse es nicht! Ausgerechnet dieses dürre Kerlchen. Ich könnte sein Vater sein und er wagt es, so mit mir umzugehen!

„Herr Beermann, sie kommen jetzt mit!“

Ich will ihm an die Gurgel gehen, aber dann sehe ich die anderen. Wie sie mich anstarren. Hat denn keiner mehr Respekt? Ich weiß, dass sie tuscheln. Die meisten wollen mich nicht mehr dabei haben. Trotzdem schneidet niemand so perfekt wie ich!
Erst Roberts Kopfschütteln stimmt mich um. Sein strenger Blick zerdrückt mein Herz und macht mich wieder zum Schüler. Er hat in meinen Abgrund geblickt. Wäre der Griff des neuen nicht so stark, würde ich zusammen brechen.

„Los, kommen sie mit raus!“, sagt er. Seinen Namen weiß ich nicht. Sie kommen und gehen immer so schnell. Als sich die Schleuse ratternd schließt, führt er mich zur Sitzbank für die Angehörigen. Er zwingt mich zum Setzen und zieht den Mundschutz hinunter. Meinen lasse ich auf.

„Herr Beermann ich muss das jetzt fragen“, seufzt er. „Sind sie betrunken?“ Ein Kopfschütteln schaffe ich, aber es ist sinnlos. Alle haben das Zittern meiner Finger gesehen, bevor ich den Dünndarm verletzte. Minimalinvasiv, maximal desaströs.
Es ist wohl so weit. Am Tag des jüngsten Gerichts verliest ein Assistenzarzt meine Sünden.
„Sie wissen, dass ich das melden muss!“ Die junge Stimme klingt weit entfernt.
Natürlich wird er es melden. Er hat noch eine Karriere vor sich. Robert hätte es vielleicht anders geregelt, aber der muss da drin jemanden am Verbluten hindern. Danach wird er sich wohl fragen, wie gut wir uns wirklich kannten. Sollen sie mich ausrangieren, dann hören wenigstens die Bereitschaften auf. Mira freut sich, wenn ich ihr wieder vorlese. „Opa, was riecht hier so komisch?“, hat sie mich gefragt. Sie hat große, braune Augen, die klug blicken können. Darum fiel mir keine passende Antwort ein, als ich die Whiskeyflasche wieder in den Schrank stellte.

 

Hallo @Rainbow Runner!

Ich fand den nie besonders komisch, obwohl ich trotzdem gelacht habe.
Eins von beiden genügt, finde ich.
Ich fand den nie besonders komisch, obwohl ich (oft) gelacht habe.
Ich fand den nie besonders komisch, trotzdem habe ich (oft) gelacht.

Ich fand den nie besonders komisch, obwohl ich trotzdem gelacht habe. Der Witz ist eben, wie man ausblenden kann, dass man Menschen aufschlitzt. Trotzdem habe ich nie an Melodien gedacht.

Ich wünschte, er würde das Radio ausschalten. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er in einer Schrottpresse zerquetschtKOMMA und das Gedudel macht es nicht besser.
Bin nicht sicher.

... Gedanken wandern zu Mira.
Wie ich ihr Schneewittchen vorlas und den ...
Würde hier keinen Zeilenumbruch machen, gehört doch zusammen, oder?

Schweiß brennt in meinen Augen und ich blinzle wie ein Wahnsinniger.
... brennt mir in der Augen ...
Is so n Ding von mir, die auszumerzen, wann immer möglich :lol:

Ich kann spüren, wie die Klinge über Gewebe fährt.
Wieso nicht durch?

Während meine Ohren dröhnen, unterdrücke ich den Brechreiz.
es in meinen Ohren dröhnt, vielleicht? Die Ohren selbst dröhnen ja nicht ...

Eine blutige Quelle sprudelt mir entgegen und jemand schreit.
ähnlich hier: Die Quelle kommt nicht entgegen, oder? Vielleicht ein blutiger Quell ...

Meine schneeweißen Handschuhe lassen mich wieder an Schneewittchen denken.
Tragen die schneeweiße Handschuhe im OP? Hab da eher halbtransparentes Latex vor Augen ...

Bei mir werden die Regeln eingehalten. Ich bin nicht nett. Nicht, wenn es funktionieren soll.
Könnte man allen drei ein Ausrufezeichen spendieren.

Ups, die Zeit! Komme wieder für mehr ...

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Rainbow Runner,

tatsächlich kenne ich einen Oberarzt und Unfallchirurg, der schwerer Alkoholiker ist und bis zur regulären Pensionierung im Krankenhaus gearbeitet hat. Von daher denke ich, dass er trotz allem hochfunktional gewesen sein muss, was mich immer gewundert hat. Wie kann es sein, dass sich jemand phasenweise bis zum Delirium betrinkt und gleichzeitig einen der verantwortungsvollsten Berufe überhaupt ausübt? Und wie kann es sein, dass das nicht auffällt bzw. dass das keine Konsequenzen hat, obwohl es auffällt?

Vor diesem Hintergrund finde ich, dass deine Story ein spannendes und relevantes Thema behandelt. Darüber, wie sie das tut, bin ich aber zwiegespalten. Einerseits sehe ich deine Idee, quasi den Moment der Eskalation aus dem unmittelbaren Erleben heraus festzuhalten. Andererseits heimst du dir damit die altbekannten Probleme solcher Manöver ein:

Du schilderst dem Leser das Erleben der Figur, also Dinge, die man im Moment selbst nicht verbalisieren würde, weil man ja erlebt und nicht reflektiert oder gar erzählt. Das ist das eine Problem. Das andere ist dieser ganze Kontext, der deiner Figur da durch den Kopf geht. Ist das realistisch, in einer Art Schwächeanfall über Jack the Ripper, Schneewitchen, die Enkeltochter, die anwesenden Kollegen, den Patienten und sich selbst nachzusinnen? Vielleicht ja, vielleicht nein – wir wissen es nicht, können es nicht wissen, weil wir das Jetzt-Erleben ja verlassen, sobald wir es reflektieren. Man kann sich nun mal nicht selbst nicht im Moment beobachten, sondern immer nur im Rückblick oder in der eigenen (Nach)Konstruktion (behaupt ich einfach mal ;-)

Meine letzte Anmerkung betrifft den Aufbau: Du enthüllst erst mit den Zeilen das Setting. Ich weiß nicht, ob ich das optimal finde. Ich fand es schwer, mir ein Bild zu machen, zumal du den kurzen Text ziemlich mit Namen und handelnden Figuren vollstellst. Und dann ist es auch schon vorbei. Vielleicht wäre es stärker, das Krankhaussetting direkt aufzumachen, sodass man dem Protagonisten langsamer und persönlich in seine Katastrophe folgen kann. Ich denke nicht, dass das Wirkung nehmen würde – im Gegenteil: Bei dir ist es brutal und blutrünstig, bis enthüllt wird, dass es kalkuliert und steril sein sollte. Anders herum würde man vom Harmlosen in die Katastrophe mit hineinrutschen, es gäbe also eine Steigerung hin zum Extremen. Und bestenfalls würde man die Figur ernsthaft bedauern, weil man gehofft hat, sie kriegt die Kurve.

Sind nur ein paar Gedanken nach einmaligen Lesen. Ich bin gespannt, wie andere die Story lesen und beurteilen.

Freundliche Grüsse

HK

 

Weiter gehts:

Sein strenger Blick zerdrückt mein Herz und macht mich wieder zum Schüler. Er hat in meinen Abgrund geblickt. Wäre der Griff des neuen nicht so stark, würde ich zusammen brechen.
Das finde ich jetzt etwas zu dick aufgetragen, bzw. geht das jetzt recht fix von: Bei mir wird gespurt, hin zum totalen Zusammenbruch.

Er zwingt mich zum Setzen und zieht den Mundschutz hinunter.
Klingt eigenartig. Vielleicht: Er zwingt mich dazu, dass ich mich setzte, und nimmt den Mundschutz ab.

„Herr BeermannKOMMA ich muss das jetzt fragen“, seufzt er.

Robert hätte es vielleicht anders geregelt, aber der muss da drin jemanden am Verbluten hindern.
Eher vor dem Verbluten bewahren. So klingt es nach Absicht.

Danach wird er sich wohl fragen, wie gut wir uns wirklich kannten?
Wieso kannten? Leben doch beide noch und kennen sich daher auch immer noch ...

Viel Kleinkram – vielleicht sagt dir etwas davon zu.

Hatte gut die Hälfte der Geschichte Zweifel, wohin es führen wird. Ein Verbrechen? Ein Gruppenritualmord? Hatten zuletzt ja einige Texte, bei welchen sich die Story umdrehte ...
Als klar wird, dass es um einen alkoholkranken Chirurgen geht, war ich zwiegespalten, ob die anfängliche Ungewissheit dem Text gut tut. Sehe es nach dem zweiten Lesen ähnlich wie @H. Kopper: Klarheit von Beginn an fände ich hierbei besser.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis

Vielen Dank für deine Korrekturen und nützlichen Gedanken zum Text!

Ich werde davon einiges in den nächsten Tagen einarbeiten.

Tragen die schneeweiße Handschuhe im OP? Hab da eher halbtransparentes Latex vor Augen ...

Es gibt die OP Handschuhe tatsächlich in vielen Farben. Am gebräuchlichsten ist natürlich blau und gelb. Aber weiß kommt tatsächlich auch immer wieder mal vor. Je nachdem, was das Krankenhaus für einen Lieferanten hat.

Klarheit von Beginn an fände ich hierbei besser.

Du merkst das bereits als zweiter an. Da werde ich mir wohl noch eine andere Struktur überlegen.

Hallo @H. Kopper

auch dir danke ich herzlich für deine Zeit und die klugen Anmerkungen.

Ich denke nicht, dass das Wirkung nehmen würde – im Gegenteil: Bei dir ist es brutal und blutrünstig, bis enthüllt wird, dass es kalkuliert und steril sein sollte. Anders herum würde man vom Harmlosen in die Katastrophe mit hineinrutschen, es gäbe also eine Steigerung hin zum Extremen. Und bestenfalls würde man die Figur ernsthaft bedauern, weil man gehofft hat, sie kriegt die Kurve.

Damit hast du wohl recht. Ich wollte relativ spät "Die Katze aus dem Sack lassen." Dadurch erhoffte ich mir den größeren Schock Effekt. Da aber auch @Sammis die fehlende Klarheit angemerkt hat, werde ich das wohl noch ändern.

Ich habe immer die Befürchtung, dass meine alltäglichen Schilderungen dann zu alltäglich klingen und der Leser gelangweilt ist. Darum habe ich diesen quasi umgekehrten Aufbau gewählt. Muss ich mir noch überlegen, wie ich das anders UND spannend hin bekomme.

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich habe immer die Befürchtung, dass meine alltäglichen Schilderungen dann zu alltäglich klingen und der Leser gelangweilt ist. Darum habe ich diesen quasi umgekehrten Aufbau gewählt. Muss ich mir noch überlegen, wie ich das anders UND spannend hin bekomme.

Hallo @Rainbow Runner,

ich denke nicht, dass das Alltägliche hier das Problem darstellt. Ein OP ist per se kein alltägliches Setting. Tatsächlich würde die Story profitieren, wenn das ganze Setting detaillierter und "professioneller", also aus Sicht eines Profis geschildert werden würde, denke ich. Im besten Falle denken sich alle Leser, die nicht in einem Krankenhaus arbeiten: spannend, wie es da zugeht und toll beschrieben. Und die, die dort arbeiten: schön auf den Punkt gebracht und toll beschrieben.

Viel wichtiger ist aber, dass deiner Figur die Fallhöhe fehlt. Wenn niemand aufs Trapez steigt, muss man auch nicht den Atem anhalten. In einem Horrorfilm zum Beispiel sorgt ja nicht der blutige Exzess für Spannung. Der ist höchstens ein Schocker. Spannend ist, ob die schon lieb gewonnene Hauptfigur der Gefahr entgeht. Das heisst, hier könnten zwei Dinge optimiert werden: Erstens muss uns die Hauptfigur nahegebracht werden, also der liebevolle Opa. Zweitens muss etwas auf dem Spiel stehen, so dass man emotional involviert ist.

Freundliche Grüsse

HK

 

Hey @Rainbow Runner

Es freut mich sehr, dich hier wieder anzutreffen. Es wäre äusserst schade gewesen, wenn die frustrierte Pause länger gedauert hätte. ;)

Ich habe immer die Befürchtung, dass meine alltäglichen Schilderungen dann zu alltäglich klingen und der Leser gelangweilt ist.
Da musste ich lachen. Denn gestern, als ich den Text gelesen habe, dachte ich mir, dass ich Thema und Idee deines Text sehr gerne klauen würde, weil ich das so spannend finde.
Ich sehe die Sache ähnlich wie die beiden Kommentatoren vor mir. Dazu noch ein paar Worte, wobei ich mir der Gefahr bewusst bin, dass du am Ende sagst, na dann schreib den Text doch selber. :D

Ich sehe hier zwei Arten von Spannung im Spiel. Die eine entsteht aus der Frage: "Was geschieht da eigentlich?" Auf diese Art von Spannung hast du hier gesetzt, entsprechend präsentierst du am Ende eine Auflösung. Die andere Art von Spannung korrespondiert mit der Frage: "Was geschieht weiter?" Für dein Thema fände ich diese Art von Spannung viel interessanter.
Es gibt so Figuren, bei denen man sich fragt: "Wie machen die das?" Ich denke an Hochstapler ("Catch me, if you can") oder an Menschen, die ein Doppelleben führen, zwei Familien in zwei verschiedenen Städten haben. Das sind so Gratwanderungsbiographien, bei denen Spannung einerseits durch die obengenannte Neugier ("Wie kriegen die das hin?"), andererseits natürlich durch die Frage "Kriegen sie es wirklich hin, oder stürzen sie ab?") generiert wird. Die dritte Frage, die sich bei solchen Figuren stellt, ist: "Warum machen sie das?"
Ein Text, der diesen drei Fragen nachgeht, ist äusserst spannend, würde ich mal sagen, und du hast dafür die perfekte Figur. Ich stelle mir vor, wie der Arzt sagt, ich helfe den Menschen, ich kann es immer noch. Ich stelle mir Szenen des Vertuschens und des Beinahe-Ertappt-Werdens vor. Einen monatelangen Tanz am Abgrund. Die Szene, die du hier schilderst, bildet dann den Wende- oder Höhepunkt. Du merkst, ich würde den Text tatsächlich gerne selber schreiben. Dazu fehlt mir aber der Hintergrund.

In deinem Text steht das Erleben des Protagonisten im Zentrum. Diese Innensicht finde ich gut. Ich denke daher nicht an ein Entweder-Oder, sondern eher an ein Mehr. Ich denke auch nicht, dass der Text gleich zu Beginn verraten muss, was Sache ist. Gut möglich, dass ich als Leser die Figur zunächst als "normalen" Chirurgen kennenlerne, dann so langsam merke, da stimmt etwas nicht. Wenn dann die Katze aus dem Sack ist, könnte sich der Text den Fragen: "Wie weiter?" und "Warum macht er überhaupt weiter?" widmen. Was daraus am Ende resultiert, ist bestimmt keine Flash Fiction mehr, dessen bin ich mir bewusst. In meinen Augen würde es sich aber sehr lohnen, daraus etwas Längeres zu machen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

@H. Kopper

Danke für deine Rückmeldung. Deine Anregung bezüglich der Charakterisierung ist sehr hilfreich!

Hallo @Peeperkorn

Ja ich war vor einem halben Jahr schon sehr am hadern, was das Schreiben betrifft.

Aber die Kreativität muss bei mir anscheinend doch irgendwie raus. Momentan taste ich mich langsam heran, mit kleinen Schritten. Ich glaube dass es auch gut tut, einfach Schreibübungen zu absolvieren, ohne gleich Geschichten zu verfassen. Ich habe mir kürzlich zwei gute Bücher dazu geholt. Die werde ich ein wenig durcharbeiten. Wichtig ist, dass mir der Spaß nicht abhanden kommt.

So, Schluss mit Off-Topic:

ich würde den Text tatsächlich gerne selber schreiben. Dazu fehlt mir aber der Hintergrund.

Es ist lustig, denn bei mir tritt der umgekehrte Fall ein: Ich arbeite in diesem Umfeld und gerade deshalb vergesse ich oft, dass Dinge, die ich als alltäglich und langweilig betrachte, für andere spannend bis beängstigend wirken.

Da gibt es natürlich noch viele Möglichkeiten, wie ich das literarisch ausarbeiten könnte.

Aber wie gesagt, ich mache gerade erst wieder kleine Babyschritte…

Generell betrachte ich diese Flash Fiction Sachen als große Herausforderung. Aber wann immer ich mich daran versuche, misslingt es mir. In der längeren Form scheine ich ein bisschen sicherer zu sein.

In den nächsten Tagen werde ich noch eine ausführlichere Geschichte einstellen, die ich im April begonnen, aber erst jetzt beenden konnte. Mal sehen, wie dort die Rückmeldung ausfällt…

Diese Idee hier werde ich wohl wirklich breiter ausarbeiten. Geht halt alles langsam bei mir.

Danke für deine interessanten Gedanken!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Meine Zunge spielt mit dem Pfefferminzbonbon, während ich langsam durch die Bauchdecke fahre. Ich sollte mich konzentrieren, aber meine Gedanken wandern zu Mira.
Moin,

mit was fährt er denn durch die Bauchdecke? Mit einem Opel Astra? Das ist etwas verfänglich formuliert, wie ich finde.

Wie ich ihr Schneewittchen vorlas und den Teil mit der Leber und Lunge aussparte. Sonst hätte sie mich womöglich gefragt, ob ich Frischlinge absteche. Stimmt beinahe, immerhin wühle ich mich gerade durch Darmschlingen.
Warum sollte sie annehmen, dass er, nur weil er ihr ein Märchen vorliest, auch Frischlinge absticht? Kennt sie diesen Begriff überhaupt? Wie kommst sie darauf? Da habe ich ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Die meisten wollen mich nicht mehr dabei haben. Trotzdem schneidet niemand so perfekt wie ich!
Das ist der Kern, finde ich. Er denkt, er habe es noch, aber dabei stimmt das nicht. Das ist wie mit 50 noch in die Disco und sagen: Ich falle da unter den jungen Leuten überhaupt nicht auf! Nee, die Wahrheit ist: DIR fällt das nicht auf, allen anderen schon. Ich glaube, da könntest du mehr mit machen, alleine schon mit und in dieser Szene. Das wirkt sehr rasch, sehr gehuscht, sehr schnell, obwohl hier der Resonanzraum am größten ist.
„Herr Beermann ich muss das jetzt fragen“, seufzt er. „Sind sie betrunken?“ Ein Kopfschütteln schaffe ich, aber es ist sinnlos. Alle haben das Zittern meiner Finger gesehen, bevor ich den Dünndarm verletzte. Minimalinvasiv, maximal desaströs.
Ich glaube, es wäre auch stärker, wenn das rauskommt, es ist doch klar, was passiert und warum es passiert. Da fehlt etwas der Unterbau, ich habe so einen Thomas Bernhard-mässigen Sound dabei im Kopf, wie er im Auto im Parkhaus der Klinik sitzt und sich einen Flachmann reindreht und noch einen Schluck Maggi, damit es keiner riecht, und dabei aber schon mentale Auflösungserscheinungen hat, im Grunde wartet so einer doch nur drauf, dass er erwischt wird, dass etwas passiert, damit es endlich ein Ende hat. Es könnte auch ruhig mehr ausfasern, das hier ist ja alles schon sehr konkrekt, aber vielleicht muss das auch wahnsinniger werden, auch ausufernder, finaler. Sind so meine Gedanken.


Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman

auch dir danke ich sehr für deine Zeit und deine Anmerkungen!

mit was fährt er denn durch die Bauchdecke? Mit einem Opel Astra? Das ist etwas verfänglich formuliert, wie ich finde.
In der Regel operiert man heutzutage nicht mehr mit bloßer Hand sondern mit einer Art Stab und einer Minikamera, mit der man durch die Bauchecke fährt..

Ich sehe schon: Den Text muss ich dringend größer aufmachen. Dann kann ich auch mein medizinisch/pflegerisches Wissen besser einbringen. Ich dacht ja immer, dass wirkt auf den unbedarften Leser zu langweilig...

Warum sollte sie annehmen, dass er, nur weil er ihr ein Märchen vorliest, auch Frischlinge absticht?
Auch hier: Ich hielt das für ein kluges Gleichnis. Weil die Enkelin vielleicht weiß, dass er Chirurg ist...

Aber auch hier hat mir die kurze Form der Flash Fiction mehr Probleme beim erzählen bereitet...

Das ist der Kern, finde ich. Er denkt, er habe es noch, aber dabei stimmt das nicht. Das ist wie mit 50 noch in die Disco und sagen: Ich falle da unter den jungen Leuten überhaupt nicht auf! Nee, die Wahrheit ist: DIR fällt das nicht auf, allen anderen schon. Ich glaube, da könntest du mehr mit machen, alleine schon mit und in dieser Szene. Das wirkt sehr rasch, sehr gehuscht, sehr schnell, obwohl hier der Resonanzraum am größten ist.
Klug von dir beobachtet. Dass er möglicherweise aufgrund seiner Verzweiflung übers älter werden zu trinken begonnen hat...

Ich denke schon, dass ich aus der Geschichte noch was größeres machen werde.

Danke für deine Hinweise!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @Rainbow Runner,

Der Witz ist eben, wie man ausblenden kann, dass man Menschen aufschlitzt.

Ich habe ein paar mal angesetzt und mich jedes Mal an diesem Satz gestoßen. Ich finde die Formulierung so eigenartig - ist damit gemeint, wie man ausblenden kann, dass Jack the Ripper Menschen aufgeschlitzt hat?, habe ich mich gefragt. Vermutlich. Aber so liest sich das ja wie ... wie man ausblenden kann, dass man selbst Menschen aufschlitzt ... Und auch sonst ... Eigenartiger Satz ...
Mittlerweile habe ich weitergelesen und verstehe dann ja, dass er tatsächlich Menschen aufschlitzt, und trotzdem, mir fehlt hier zu Beginn komplett die Orientierung.

Ich sehe die Möglichkeit, gleich nach dem Witz mit meine Zunge spielt mit dem Pfefferminzbonbon, während ich langsam durch die Bauchdecke fahre um die Ecke zu kommen, dann weiß ich direkt was Sache ist und kann da Folgende einordnen. Aber vielleicht ist die Orientierungslosigkeit auch sehr subjektiv und jeder sonst hat da kein Problem.

Ich kann spüren, wie die Klinge über Gewebe fährt.

Da könnte ich mir vorstellen, dass ein präziseres Bild eine gute Wirkung hätte, über ... keine Ahnung, glitschiges, froschhautiges, fischiges (nur noch präziser und überhaupt besser) :schiel:

immer noch diese nervige Musik „Alles in Ordnung!“, sage ich

da fehlt ein Punkt

mit einer Stimme die nach Watte im Mund klingt

da würde Präzision auch nicht schaden, denke ich, weniger Rumgeschwimme, vielleicht einfach "sage ich mit Watte im Mund".

„Herr Beermann, sie kommen jetzt mit!“

Sie groß

„Herr Beermann ich muss das jetzt fragen“, seufzt er. „Sind sie betrunken?“

Komma nach Beermann und Sie groß

Sie hat große, braune Augen, die klug blicken können. Darum fiel mir keine passende Antwort ein, als ich die Whiskeyflasche wieder in den Schrank stellte.

Der letzte Satz ist mir persönlich einen Ticken zu sehr in-your-face. Ich könnte mir da gut was "Verspieltes" vorstellen, etwas - während ich an anderen Stellen zur Präzision geraten habe - sprachlich unpräzises wie Sie hat große, braune Augen, die klug blicken und den Whsikey riechen können oder einfach große, braune Augen, die klug blicken können und ich denke an die Whiskeyflasche neben ihren Cornflakes - keine Ahnung, beides nicht großartig, aber in diese Richtung. So, dass die "Auflösung" nicht noch in einem Extrasatz angeklebt wird, sondern unterschwellig angedeutet wird.

Ganz grundsätzlich finde ich den Text aber sehr spannend und in Ansätzen erkenne ich auch das Potenzial, das das Thema noch birgt. Ich denke, um das voll auszuschöpfen, müsstest du sprachlich an einigen Stellen noch feilen, entweder verknappen, präzisieren, oder/und wie schon erwähnt noch mehr ins Verspielte gehen, wie du das ja teilweise schon machst.

Oder, klar, weg von der Flash Fiction und die Sache ausbreiten, den handelnden Leuten mehr Fleisch geben, die Beziehung zwischen Opa und Mira emotionaler gestalten, den Kollegen mehr Persönlichkeit einhauchen, um die Fallhöhe zu steigern - was tut es aktuell zur Sache, wenn er Opa sein Gesicht verliert? Die Kollegen kenne ich kaum. War er vielleicht eine Vaterfigur für einen von denen? Und er ist ja auch tatsächlich Vater, vielleicht gibt es da eine Szene mit der Tochter/dem Sohn, als sie Mira zur Übernachtung bei ihm abliefern, vielleicht nur ein Blick, so ein kluger Blick wie Miras, der ihm ins Herz sticht, weil er ahnt, wie er gerade aussieht, weil er ja gerade erst verkatert aufgestanden ist ...

Nur Anregungen, ich bin mir sicher, du weißt selbst am besten, wie du der Geschichte noch das nötige i-Tüpfelchen geben kannst. Das vielleicht aber auch gar nicht sooo nötig ist, denn auch jetzt fühlt sich das schon rund an und war wie gesagt spannend zu lesen, daher vielen Dank fürs Teilen :)

Bas

 

Hallo @Rainbow Runner
mir geht es wie einigen der anderen Leser. Die Ausgangslage deiner Geschichte ist spannend und lohnt, erzählt zu werden. Ein Chirurg mit einem Alkoholproblem. Wahnsinn.
Ich finde aber, dass dein Text noch Arbeit und Feinschliff vertragen könnte.
Ich steige mal ein:

Mein Kopf fühlt sich an, als würde er in einer Schrottpresse zerquetscht und das Gedudel macht es nicht besser.
Bin ich mir aus zwei Gründen unsicher. Erstens glaube ich, dass ein Betrunkener nicht unbedingt Kopfschmerzen hat. Er ist ja, so wie ich es verstanden habe, akut betrunken und nicht verkatert, oder? Zweitens finde ich, dass die Formulierung ausgelutscht ist. Selbst wenn er Kopfschmerzen haben sollte, würde ich das anders schreiben. Etwas dezenter.

Meine Zunge spielt mit dem Pfefferminzbonbon, während ich langsam durch die Bauchdecke fahre. Ich sollte mich konzentrieren, aber meine Gedanken wandern zu Mira.
Mir passiert hier zu viel in diesem Satz. Durch die unterschiedlichen Begriffe verschwimmt es insgesamt zu einem Brei. Außerdem, das wurde auch schon angemerkt, stört das fahren. Das ist zu grobmotorisch an dieser Stelle.

Schweiß brennt in meinen Augen und ich blinzle wie ein Wahnsinniger.
Wie genau blinzelt ein Wahnsinniger? Die Formulierung ist ausgelutscht und zudem unscharf.

Ich kann spüren, wie die Klinge über Gewebe fährt.
Wieder das fahren. Das würde ich mehr ausbreiten. Wie spürt er das? Das ist ja total interessant, weil man so was im Alltag nicht kennt. Also nutz diese interessanten Details doch und weite sie aus. Mach sie nachvollziehbarer.

Sein strenger Blick zerdrückt mein Herz und macht mich wieder zum Schüler.
Zerdrückt mein Herz. Ich weiß, was du meinst, aber ich denke, dass es da dezentere Formulierungen gibt. Das liest sich für mich nicht stimmig.

Er hat in meinen Abgrund geblickt.
Das ist zu viel. Das würde ich nicht ausformulieren. Natürlich gibt es da einen Abgrund. Aber den würde ich an deiner Stelle mehr aufzeigen. Worin besteht der denn? Und nicht einfach sagen, dass da wer reinblickt. Da verliert der Text dann viel der eigentlich angebrachten Dramatik.

Er zwingt mich zum Setzen
Wie stelle ich mir das vor? Drückt er ihn körperlich da hin? Wenn ja, spannend! Weil: nachvollziehbarer Konflikt. Würde ich deshalb ausformulieren. Das macht ja dann auch noch mal die Ernsthaftigkeit der Situation klarer!

So wie ich deinen Text wahrnehme, geht es dir darum, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Für den Leser ist recht lange nicht klar, was da eigentlich abgeht. Du lenkst ihn auf falsche Fährten (der Opa ist ein Mörder) und löst erst gegen Ende auf. Ich weiß aber nicht ob das deinem Text grundsätzlich guttut. Denn ich finde die Idee bzw das Szenario an sich schon spannend genug, als dass du dieses verschachtelte und erst am Ende auflösen brächtest. Ich denke sogar, dass das deinem Text sogar schadet, weil es ihn da nur auf diesen AHA-Moment reduziert und die eigentliche Thematik dadurch in den Hintergrund rückt. Zumindest ging das mir so beim Lesen.
Hoffe, du konntest mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.
Beste Grüße
Habentus

 

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