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Vampire

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Seniors
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08.07.2012
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Vampire

Ich spuckte Blut und spülte mir den Mund aus. Während ich mir die Hände abtrocknete, betrachtete ich mein Gesicht im Badezimmerspiegel. Ich stand eine Weile da, drehte meinen Kopf nach links, dann zur anderen Seite. Ich befühlte die Haut der Wangen, strich über meine faltenlose Stirn. In Momenten wie diesem bestand an den Veränderungen kein Zweifel.
Ich löschte das Licht und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Ein Schimmer lag über Julias nacktem Leib.
»Das war crazy.« Julias Stimme klang matt. »Lange nicht mehr so gefickt.«
Ich ging zum Fenster, öffnete es und schaute in die Schwärze des nächtlichen Himmels. Das Schwert des Orion leuchtete in der Finsternis.
»Nik, ich hab die Medikamente im Badezimmerschrank gesehen«, sagte Julia und zog sich das Kopfkissen in den Nacken. »Ist vielleicht blöd zu fragen, aber …«
»Leukämie«, sagte ich.
Ich lauschte den Geräuschen der nächtlichen Stadt.
»Ist es schlimm?«, fragte Julia nach einiger Zeit müde.
Ich sog die kühle Luft ein. »Unheilbar«, sagte ich.
»Scheiße.« Julia seufzte, rollte sich in die Bettdecke und murmelte so etwas wie: »Tut mir sehr leid.« Kurz darauf hörte ich, wie sich ihre Atemzüge vertieften.
Nachdem ich das Fenster geschlossen hatte, trat ich ans Bett. Ich ergriff die Decke und schleuderte sie mit einem Ruck ins Zimmer.
»Fuck!«, stöhnte Julia.
Ich legte mich zur ihr ins Bett, drehte sie auf den Bauch und umfasste ihre Hüften.
»Hast du immer noch nicht genug? Du bist …« Sie ächzte, als ich in sie eindrang. Ich griff in ihr Haar, wickelte es zu einem Zopf und dann zog ich daran, wie an einem Zügel.
»Du bist …« Unsere Körper klatschten aneinander.
»Nik, du bist … ein Schwein.« Bei jedem Stoß presste sie sich härter gegen mich, und dann wurde sie schneller und schneller. Ich sah ihren im Dämmerlicht glänzenden Leib vor mir, hörte ihr Keuchen und fühlte, wie sie von einem Zittern erfasst wurde. Es war ein Beben, beinahe ein Krampf.
Als sie zwischen ihren Schenkeln hindurch griff, reagierte ich sofort. Ich wusste, was sie vorhatte. Sie wollte meine Hoden streicheln und mich dazu bringen, mit ihr zu kommen. Ich packte ihren Arm, zog ihn unter ihrem Körper hervor und drehte ihn auf ihren Rücken.
»Nein«, ächzte ich. »Wir haben noch die ganze Nacht.«


Der Stadtpark lag still im morgendlichen Dunst, und für einen Augenblick tauchte ich ganz in diese Ruhe ein, in diesen Frieden vor dem ersten Hieb. Tarai erwartete gleichmütig meinen Angriff, und Sarah beobachtete uns beide mit einem Ausdruck grimmiger Aufmerksamkeit. Es war unmöglich zu sagen, ob sie das, was sie sah, missbilligte oder nicht.
Das Eichenholz unserer Trainingsschwerter knallte aufeinander, ich hörte, wie die Bokken durch die Luft rauschten und dann erneut das Krachen bei Schlag und Block. Tarai konterte auf der Stelle. Er führte sein Schwert so schnell und leicht, dass es aus meinem Sichtfeld verschwand. Angriff und Gegenangriff, das war jetzt nur noch Intuition.
Nach dem Kampf trat Sarah zu uns. Sie musterte Tarai mit ernstem Blick.
»Du ziehst bei der Abwehr immer noch die Schultern hoch«, sagte sie schließlich, und Tarai nickte.
»Und du, Nikolai«, sie wandte sich mir zu, »du versuchst, das Schwert deines Gegners mit dem Blick zu verfolgen.«
Mit weitaufgerissenen Augen und hektischen Kopfbewegungen ahmte sie meinen Fehler nach. Tarai und ich lachten.
»Schon gut«, sagte ich und winkte ab.
Sarah hatte eine unvergleichliche Art, wenn sie ihre Witze machte. Niemals lächelte sie. Nie verlor sie die Kontrolle oder ließ sich gehen. Es war ebenso komisch wie beängstigend. Ich dachte an das Fiasko, das ich mit ihr im Bett erlebt hatte.
Nach dem Training setzten wir uns auf einem Hügel in den Schatten einer Linde und beobachteten zwei Mädchen, die auf der Wiese ihre Yoga-Matten ausgerollt hatten und nun ihre Asanas übten.
»Die könnte man gut ficken«, sagte Sarah, und nahm einen Schluck aus ihrer Trinkflasche.
Tarai nickte ernst. Wir schauten den Mädchen eine Weile zu. Ich wurde schläfrig.
»Wie läuft es mit Julia?«, fragte Tarai, und ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln.
»Schwierig«, sagte ich schließlich. »Ich überfordere sie.«
Sarah zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.
»Darüber haben wir tausend Mal geredet«, erwiderte Tarai.
»Ja«, sagte ich, um das Thema zu beenden, doch Tarai wiederholte, was wir alle wussten: »Du verschleißt sie, wenn du es nur mit einer tust.«
»Schon klar«, sagte ich.
»Und damit meine ich nicht nur ihre sexuelle Energie«, fuhr Tarai fort. »Auch emotional …«
Ich kannte das alles.
»Ich habe mich schon darum gekümmert«, sagte ich. »Ist eine Freundin von Julia.«
»Hoffentlich eine Verbesserung«, sagte Sarah. »Du suchst die Falschen aus, das ist dein Problem.«
Tarai nickte zustimmend. »Du hast kein gutes Auge. Sie müssen viel robuster sein.«
»Glaub mir, Tammy ist robust«, sagte ich.
»Tammy?«, grunzte Sarah. »Was für'n Scheißname.« Sie stellte ihre Trinkflasche zur Seite, erhob sich und ging langsam die Wiese hinunter, hin zu den beiden Yoga-Mädchen.
Tarai und ich sahen ihr hinterher.
»Wie läuft es bei euch?«, fragte ich.
Tarai schüttelte den Kopf. Eine Weile schwiegen wir.
»Sie ist ein Monster«, sagte er irgendwann.
Ich nickte. Sarah hatte sich zu den Mädchen gesetzt und sprach jetzt mit ihnen.
»Du musst nicht mit ihr schlafen. Es gibt viele andere«, sagte ich.
»Für dich ist das eine Option, Nik. Aber nicht für mich.«
Wir beobachteten, wie Sarah eine ihrer Asanas demonstrierte.
»Jetzt verschlägt‘s ihnen die Sprache«, lachte Tarai.
»Und warum nicht? Warum ist es keine Option für dich?«, fragte ich.
Tarai schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Ihr beide seid mir weit voraus«, sagte er dann. »Ihr habt so viel Energie.«
»Bedeutet?«
»Das bedeutet, ich muss diese Chance wahrnehmen. Sie brennt wie Feuer. Da bleibt eine Menge für mich übrig.«
»Du weißt, dass das schiefgehen kann.«
Unten auf der Wiese probierte eines der Mädchen Sarahs Asana aus. Sarah umfasste die Hüften des Mädchens und korrigierte. Wir hörten den hellen Klang ihrer Stimme, als sie ihre Anweisungen gab.
»Was ist denn bei euch schiefgelaufen?«, sagte Tarai. »Hast du mir nie erzählt.«
Ich winkte ab. »Erzähl ich dir irgendwann mal.«


Tammy schaute mich erwartungsvoll an. Ich zögerte. »Los!«, sagte sie.
Ich schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Tammy wurde zur Seite geschleudert und prallte gegen die Wand meines Schlafzimmers.
»Ausziehen«, sagte ich. Eine Weile stand Tammy mit hochgezogenen Schultern still da, den Blick auf den Boden gerichtet. Haarsträhnen hingen ihr wirr ins Gesicht, und im Schein der Kerzen konnte ich nicht erkennen, ob sie weinte.
Schließlich sah ich, dass sie den Kopf schüttelte, ganz leicht nur, aber offenbar entschlossen, sich meiner Anweisung zu widersetzen. Ich stieß sie aufs Bett und versetzte ihr eine Reihe klatschender Schläge ins Gesicht. Vergeblich versuchte sie, sich mit ihren Armen zu schützen. Ich ergriff ihre Hände, drückte sie weg und schlug noch ein paar Mal kräftig zu.
»Okay«, rief sie schließlich. »Okay, ich zieh mich aus.«
Als sie kurz darauf nackt und zitternd vor mir stand, erfasste mich ein sonderbares Gefühl der Scham.
»Hinhocken«, sagte ich, und wieder schüttelte Tammy den Kopf. Ich packte sie bei den Haaren, stieß sie gegen den Schrank und zerrte sie zu Boden. Ich versetzte ihr ein paar Tritte, sie schrie auf, und wieder sagte sie: »Okay. Okay, ich mache, was du willst.«
»Zeig mir deine Fotze«, sagte ich und beobachtete, wie Tammy sich auf allen Vieren herumdrehte und mir ihren Hintern entgegenstreckte.
»Was soll das?« Meine Stimme klang rau. »Ich kann nichts erkennen. Beine spreizen.«
Tammy öffnete ihre Schenkel, und ich stand da und betrachtete sie. Betrachtete die Konturen ihres Körpers, die Narben der Schnittwunden, die sie sich selbst zugefügt hatte. Ich begann, mich auszukleiden. Von Zeit zu Zeit versuchte Tammy, ihre Haltung zu verändern, wahrscheinlich schmerzten ihre Knie oder ihr tat der Rücken weh.
»Hey!«, rief ich dann. »Halt gefälligst still.«
Irgendwann hockte ich hinter ihr. Tammys Arme zitterten.
»Hör auf zu keuchen«, sagte ich. Zuerst wimmerte Tammy leise, dann wurde es still im Zimmer.
Ich zog sie zu mir heran.
»Beine noch weiter auseinander«, sagte ich und sie gehorchte.
Ich schloss die Augen und meinte zu spüren, wie Tammy auf den großen Knall wartete. Darauf wartete, dass ich über sie herfiel, wie der Schakal, den sie in mir suchte. Sie stieß mit ihrer Vulva gegen mich, ganz leicht nur.


In der Schwimmhalle herrschte kaum Betrieb. Wir hatten eine Bahn für uns allein. Ich wartete, bis die beiden bei mir waren. Tarai atmete schwer und Sarah rieb sich die Schultern. Die getönte Schwimmbrille verbarg ihre Augen, aber ich wusste, dass sie sauer war.
»Dein Kick ist viel zu heftig«, sagte ich zu Tarai. »So kannst du nicht Delphin schwimmen. Einfach nur aus der Hüfte kicken.«
»Ja, aber wenn ich nur aus der Hüfte kicke, komme ich nicht richtig aus dem Wasser«, sagte Tarai.
»Du musst deine Arme stärker einsetzen. Lass die Schwingung durch deinen Körper gehen, der Rest kommt von allein.«
Tarai nickte.
Ich wandte mich Sarah zu: »Du hebst den Kopf viel zu hoch aus dem Wasser.«
»Ja, aber sonst krieg ich nicht genug Luft. Ich denke, ich saufe ab.«
»Ist heute ›Ja, aber‹ - Tag?«, erwiderte ich. »Kinn dicht über dem Wasser halten.«
Wir setzten unser Training fort. Delphinschwimmen brachte jeden an die Grenzen, stopfte auch den Wildesten das Maul. Ich schwamm fünfzig Meter voraus und wartete dann auf die beiden. Sarah machte auch hier eine ziemlich gute Figur, aber ich weidete mich daran zu beobachten, wie viel ihr das Training abverlangte.
Anschließend setzten wir uns in der Nähe des Schwimmbads in ein Café.
Nachdem sie für uns bestellt hatte, sagte Sarah: »Ich hab gute Neuigkeiten.«
Tarai und ich sahen sie an. Sarah blickte ernst drein, wie immer. Ich fragte mich, wie es ihr gelang, all diese Männer und Frauen zu verführen, ohne jemals zu lächeln.
»Ich bin so weit«, sagte sie schlicht, und als der Kellner kam und unsere Getränke brachte, starrten Tarai und ich sie noch immer ungläubig an. Ich wusste, dass es Sarah vor mehr als einem Jahr gelungen war, ihre Menstruation endgültig einzustellen. Etwa solange lag mein letzter Samenerguss zurück. Seit dieser Zeit vermehrte sich unsere Energie. Wir speicherten und verfeinerten, verfeinerten und akkumulierten. Es war abzusehen, dass wir früher oder später das kritische Niveau erreichen würden. Früher oder später.
»Jetzt schon?«, sagte Tarai schließlich. »Ich dachte, es würde noch mindestens ein Jahr dauern.«
Sarah nickte. Sie rührte in ihrem Kaffee und sagte: »Haltet euch ran. Ich kann nicht ewig auf euch warten.«


Tammy lächelte und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf eine Familie Blässhühner, die unweit des Stegs durch das Röhricht paddelte. Ich nickte und widmete mich wieder meinen Überlegungen. Wenn es stimmte, was Sarah sagte, wurde es auch für Tarai und mich Zeit. Sarah hatte recht, sie konnte nicht ewig warten. Es war schwierig, ein so hohes Niveau zu erreichen. Noch schwieriger war es, dieses Niveau zu halten.
Ich hustete, zog mein Taschentuch und wischte mir den Mund ab. Ich musste nicht nachschauen, ich konnte das Blut schmecken.
»Das ist ein wunderbarer Ort«, sagte Tammy leise wie zu sich selbst.
»Hm.«
Im Grunde machte ich mir keine allzu großen Sorgen. Zumindest nicht, was mich selbst betraf. Was allerdings Tarai anbelangte … Er war der Wackelkandidat unserer Gruppe.
»Hab gestern mit Julia gesprochen«, sagte Tammy. Ihr Blick war auf den ruhigen Spiegel des Sees gerichtet. Es schien, als erleuchteten seine Reflexionen ihr blasses Gesicht.
»Und? Ist sie sauer, ich meine, wegen uns beiden?«
Tammy lachte. »Nein, ganz im Gegenteil.«
Irgendetwas an dieser Antwort wurmte mich.
»Achso?«
Tammy sah mich an, strich mir über den Arm und sagte: »Ach komm, du weißt doch, dass es nicht so funktioniert hat, zwischen euch.«
In ihrem Wesen lag eine Sanftheit, die mich sprachlos machte.
Eine Weile lauschten wir dem Plätschern der Wellen.
»Hat sie das gesagt?«
Tammy schaute wieder aufs Wasser. »Yup. Hat sie.«
»Und was genau?«
Tammy schürzte die Lippen, lächelte und schwieg.
»Na, sag schon.«
»Sie meint, dass du ein unersättlicher Ficker bist und im übrigen einen schlechten Charakter hast.«
»Aha.«
»Ja.«
Tammy las einen Kiesel auf, holte aus und ließ ihn über das Wasser springen.
»Und du? Denkst du das auch?«
»Ich weiß, dass du unersättlich bist. Und dein Charakter …«
Ich wartete.
» … da bin ich noch nicht ganz sicher.«
Ich hatte schon vor Tammy Frauen mit masochistischen Neigungen kennengelernt, aber ich spürte, dass hier etwas anderes ablief. Tammy bedeutete der übliche BDSM-Firlefanz gar nichts. Sie hatte kein Interesse an ausgefeilten Rollenspielen, raffinierten Spielzeugen, Uniformen oder Lack- und Lederphantasien. Alles, was sie wollte, war rohe Gewalt. Sie behauptete, dass Sex ohne Gewalt und Schmerzen sinnlos für sie sei.
»Glaubst du, dass ich dich benutze?«, fragte ich.
Sie setzte sich zu mir und schmiegte sich an mich.
»Jeder benutzt irgendjemanden.«


Wir saßen unbekleidet in Tarais Appartement. Sarah hatte an diesem Morgen kaum etwas gesagt, irgendetwas schien sie zu beschäftigen. Mit einem Ausdruck unverhohlener Feindseligkeit beobachtete sie Tarai, der gerade Nauli Kriya demonstrierte. Ich schätzte die Pranayama-Übungen sehr, denn ich fand, dass diese Atemtechniken einen direkteren Bezug zu unserem großen Ziel aufwiesen, als das Kampftraining oder unsere Schwimmstunden.
»Okay, jetzt ihr«, sagte Tarai.
Ich atmete ein paar Mal durch, presste dann die Luft aus meinen Lungen und begann mit den Bauchmuskelkontraktionen. Mit Nauli Kriya bezweckte man eine Reinigung der Eingeweide. Die Technik wirkte aktivierend, und ich hatte nach dem Üben häufig das Gefühl, als lodere ein Feuer in meiner Bauchhöhle. Die Kontraktionen ließen den Körper schwingen, und dieses sanfte Wippen löste die Spannungen in meinem Rücken.
Sarah sog scharf die Luft ein und fauchte mich an: »Was glotzt du mir auf die Titten!« Sie sprang auf und lief im Raum umher.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich Sarahs Brüste betrachtet hatte.
Ich holte Luft. »Sorry. Ich wollte nicht …«
Sarah stand vor dem geöffneten Fenster. Sie hatte die Fäuste in die Seiten gestützt und starrte mich wütend an. Ich sah, wie die Muskeln an ihrem Hals zuckten.
»Wenn du nicht so ein verdammter Schlappschwanz wärst«, sagte sie schließlich. Sie hatte die Stimme nicht erhoben, aber in ihrem Tonfall lag etwas Drohendes. Ich war bestürzt. Ich kannte Sarahs extreme Persönlichkeit, aber dieser Jähzorn passte nicht zu ihr.
»Hey!«, rief Tarai. »Jetzt komm mal wieder runter.«
Sarahs Blick richtete sich auf Tarai. »Und du …«, hob sie an.
Tarai sprang auf und versetzte Sarah einen Schlag, der sie zu Boden warf.
»Komm zu dir!«, brüllte Tarai. Ein Schauer jagte über meinen Rücken. Tarai hatte seine Kriegerstimme benutzt, und die Gewalt dieser Stimme schmerzte wie der Hieb eines Bokken.
Benommen rappelte sich Sarah hoch. Sie sah uns an, Tränen traten in ihre Augen. Es war, als hätte ihr Tarai die Luft raus gelassen.
»Tut mir leid«, stammelte sie. »Ich …«
Mit unsicheren Schritten verließ sie das Zimmer.


Tammy wartete vor dem Krankenhaus auf mich. Ich trat zu ihr, und sie küsste mich zur Begrüßung. Wir gingen ein paar Schritte.
»Und? Was sagt der Doc?«
Ich hörte sie kaum.
»Nik?«
»Hm?«
»Was hat er gesagt?«
Ich schluckte. »Er sagte, ich wäre der fitteste Todgeweihte, den er kennt.«
Tammy schnaubte. »Ich find’s Scheiße, wenn du so redest.«
Ich blieb stehen und sah sie an. »Entschuldige, bin nur ein bisschen geschockt. Die Werte haben sich verschlechtert.«
Tammy nickte, und wir gingen weiter.
»Wie viel Zeit hast du noch?«
»Nicht viel«, erwiderte ich.


Im Absynth hämmerten die Bässe aus den Boxen.
»Ich dachte, das wär ne Bar«, rief ich über den Tisch.
»Ist doch eine«, rief Sarah zurück.
Tarai kippte seinen Wodka hinter, erhob sich und sagte: »Ich hol Nachschub.«
Sarah rückte zu mir heran. »Wir sollten uns unterhalten«, sagte sie.
»Schieß los.«
Sie räusperte sich. »Also ich hab ein bisschen nachgedacht.«
Vorn am Tresen redete Tarai auf den Barkeeper ein.
»Ihr beide müsst etwas aufs Gas treten«, sagte Sarah.
Ich hob mein Glas. »Das hatten wir doch schon.«
Ich trank. Der Wodka brannte sich seinen Weg durch meine Eingeweide.
»Ja, aber jetzt habe ich eine konkrete Idee. Zumindest, was Tarai betrifft.«
»Nämlich?«
Zu meiner Überraschung zog Sarah ein Päckchen blauer Gauloises aus ihrer Jackentasche. Sie schüttelte eine Zigarette heraus, entzündete sie an dem Teelicht, das auf dem Tisch stand und rauchte. Ich hatte Sarah nie zuvor rauchen sehen.
»Wenn wir ficken, versuche ich wirklich alles, um ihm zu helfen«, sagte sie. »Aber er hat Schwierigkeiten, sich zu kontrollieren. Ich will es mit der Yin Mo-Technik probieren.«
Ich sah sie an.
Sarah hob die Hände. »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie. »Bei uns lief es nicht besonders gut, aber das war nicht dein Fehler, es lag an mir.«
»Du hättest mich fast umgebracht«, sagte ich.
Sarah begann, an ihren Fingernägeln zu kauen. Sie inhalierte hektisch, blies Rauch in den Raum und starrte in Tarais Richtung, als fixierte sie einen Feind.
Ein Typ mit tätowierten Unterarmen und Boxerstatur trat an unseren Tisch.
»Rauchen ist hier verboten.«
Sarah sah mich an, und zum ersten Mal begriff ich, was das Training aus uns gemacht hatte. Ein eiskalter Hauch strich über meinen Nacken.
»Du musst es Tarai sagen, Nikolai. Auf dich hört er.«
Der Boxertyp stützte sich auf unseren Tisch.
»Hör zu, Nutte. Ich sagte …«
Mit einem Krachen schlug sein Schädel gegen die Tischkante. Sarah ließ ihn los und schlug noch einmal zu. Sie fletschte tatsächlich die Zähne.
Um uns her wichen die Leute entsetzt zurück.
Mit irrem Blick starrte Sarah mich an. »Du musst es ihm sagen. Krieg ihn auf die Reihe! Krieg ihn auf die Reihe!« Sie fuhr herum und stampfte davon.
Als sich etwas später die Aufregung gelegt hatte, und Tarai schon ziemlich betrunken war, sagte ich zu ihm: »Du wolltest doch wissen, was schiefgelaufen ist, zwischen Sarah und mir.«
»Ja«, sagte er. »Keine Ahnung, weshalb du so ein Geheimnis draus machst.«
Und dann erzählte ich es ihm. Ich erzählte, wie Sarah versucht hatte, mir einen massiven Energieschub zu geben, indem sie die Yin Mo-Technik anwandte.
»Sie brachte mich kurz vor den Höhepunkt«, sagte ich, »und dann presste sie diesen Dammpunkt, der bewirkt, dass der Samen nicht nach außen, sondern nach innen schießt.«
»Hab von der Technik gehört«, sagte Tarai. Schlagartig wirkte er nüchtern. »Würde ich nie machen.«
Ich nickte.
»Und wie war es?«, fragte Tarai.
Ich überlegte. »Es war … intensiv.«
Ich erinnerte mich an das Gefühl, als würde etwas meine Eingeweide zerfetzen. Ich dachte daran, wie ich mich übergeben musste und kaum das konvulsivische Beben in meinen Därmen beherrschen konnte.
»Um ein Haar hätte ich in Sarahs Laken geschissen«, sagte ich. »Wir haben es einfach zu früh versucht. Ich war noch nicht bereit, aber jetzt …«
Tarai sah mich an. »Was jetzt? Worauf willst du hinaus?«
Ich presste die Lippen zusammen.
Tarai stieß mich an. »Willst du etwa, dass ich ihr das erlaube?«
Ich zuckte die Schultern. »Uns gehen langsam die Optionen aus, Tarai.«


Wir saßen auf dem Sofa und schauten fern. Tammy hatte sich an mich geschmiegt und kommentierte hin und wieder mit einem Seufzen oder einem leisen »Tss …« den Film, der vor meinen Augen flimmerte, ohne dass ich so recht begriff, wovon er handelte. Ich konnte nicht aufhören, über dieses Problem nachzudenken. Selbst wenn sich Tarai dazu entschließen würde, Sarah die Yin Mo-Pressur zu erlauben, gab es keine Garantie dafür, dass ihn dies aus seinem energetischen Tief herausholte. Und sollte das wider Erwarten doch gelingen, was wurde dann aus mir? Ich hatte das kritische Niveau ebenfalls noch nicht erreicht, doch zwei Personen genügten nicht, um die Barriere zu öffnen. Es mussten drei sein. Aus diesem Grunde trainierte man in unserer Schule seit Jahrhunderten stets zu dritt.
Tammys sanfte Stimme riss mich aus meinen Grübeleien. »Diese Freunde, von denen du erzählt hast«, sagte sie.
»Hm?«
»Sind sie auch todkrank?« Meine Gedanken überschlugen sich. Was hatte ich ihr von Tarai und Sarah erzählt? Doch nur, dass wir ein gemeinsames Fitnessprogramm absolvierten. Oder hatte ich mich verplappert?
Tammy griff zur Fernbedienung und stoppte den Film. Sie wandte sich mir zu und sah mich an. Aus ihren grünlich schimmernden Augen sprach etwas zu mir, es war, als wandte sich mir - zum ersten Mal in meinem Leben - ein Mensch ganz und gar zu. Ganz und gar offen, ohne jeglichen Vorbehalt. Das war natürlich Unsinn, aber vielleicht hatten mich die letzten Wochen weich gemacht. In diesem Moment hielt ich Tammy für die Verkörperung reiner Güte, und voller Scham dachte ich daran, welche Qualen ich ihr regelmäßig zufügte.
»Stimmt«, sagte ich, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. »Tarai leidet unter einer schweren Autoimmunkrankheit, und Sarah hat einen inoperablen Gehirntumor.« Und dann brach es aus mir heraus. Ich erzählte von unserem Lehrer, der die Welt bereits verlassen hatte, von unseren Erfolgen beim Ansammeln, Speichern und Verfeinern sexueller Energie, von der Möglichkeit dem sicheren Tod zu entgehen. Ich redete und redete. Tammy unterbrach mich nicht. Sie hörte mir aufmerksam zu. Irgendwann verließ mich die Kraft. Ich schwieg, und einer Weile schauten wir stumm auf das Standbild des Films im Fernseher.
»Merkwürdig«, sagte Tammy. »All die Mühe, nur um den Tod aufzuhalten.«
»Was meinst du?«
Sie antwortete nicht. Ich sah, dass sie über etwas nachdachte.
»Es steigert deine Erregung, wenn du mich beim Sex schlägst, nicht wahr?« In ihrer Frage lag kein Vorwurf, und die Antwort lag auf der Hand.
Ich presste die Lippen zusammen.
»Und je mehr Erregung, desto mehr Energie«, sagte sie wie zu sich selbst.
In diesem Augenblick konnte ich ihre Gedanken lesen.
»Nein«, sagte ich mit heiserer Stimme. »Ich will nichts davon hören.«
»Du hast mich gefragt«, sagte Tammy leise, »ob ich glaube, dass du mich benutzt.«
»Ja«, sagte ich. Mein Mund war trocken und ich spürte, dass mir übel wurde.
»Hast du mal darüber nachgedacht, ob es nicht auch umgekehrt sein könnte?«


Sarah und Tarai blickten mich ernst an. Wir saßen in einem Café unweit meiner Wohnung. Hier war noch nicht viel los, die Nachmittagsschicht hatte gerade begonnen.
Sarah sprach zuerst. »Es könnte funktionieren«, sagte sie. »Einen Menschen zu töten, das löst eine Schockwelle aus, die durch dein ganzes System geht.«
In diesem Moment hasste ich sie. Ich öffnete den Mund, doch Tarai kam mir zuvor. »Das ist reine Spekulation«, sagte er. »So eine Schockwelle könnte ihn auch lähmen. Seit wann gehört Mord zu unseren Methoden?«
Sarah rührte in ihrem Kaffee. »Es wäre kein Mord, wenn sie es will.«
»Unsinn«, sagte ich. »Tötung auf Verlangen ist Mord, besonders wenn da eine psychische Störung im Spiel ist.«
Sarah sah mich böse über ihre Tasse hinweg an. »Und diese angebliche psychische Störung hielt dich nicht davon ab, ihr beim Ficken die Fresse zu polieren.«
Ich spürte, wie ich vor Wut zitterte. »Das ist doch wohl ein Unterschied«, presste ich hervor.
»Leute, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren«, sagte Tarai. »Konzentrieren wir uns auf unsere Übungen, dann werden wir …«
Sarah schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ich sah, wie viel Mühe es sie kostete, sich zu beherrschen.
»Reißt euch zusammen«, sagte sie mit bebender Stimme. »Hier gelten die normalen Regeln nicht. Wenn ihr nach den Regeln spielen wollt, dann hättet ihr bei Chemotherapie und Heilfasten bleiben sollen. Wir sind für einander verantwortlich. Eure ethischen Reflexionen kann ich mir nicht leisten.«


Es dauerte ein paar Tage, bis ich Tammy vermisste. Ich hatte ihr meine Entscheidung mitgeteilt, dass ich auf keinen Fall tun konnte, was sie mir vorschlug, und dann war ich mit meinen Trainings, vor allem aber mit meinen Grübeleien beschäftigt. Irgendwann rief ich sie an, und nachdem ich sie mit mehreren Versuchen nicht erreicht hatte, wählte ich die Nummer von Julia.
»Hast du es nicht gehört?«, sagte sie. »Tammy hat versucht, sich umzubringen.«
»Wie?«, fragte ich fassungslos.
»Tabletten.«
Ich parkte vor dem Krankenhaus, als Tammy entlassen wurde. Sie stieg zu mir in den Wagen und sagte mit ruhiger Stimme: »Ich werde nicht warten, bis du stirbst.«


Im Westen der Stadt stand die Sonne glutrot über schwarzen Häuserschluchten. Wir hockten auf dem Flachdach des Wohnblocks, in dem Tarai und Sarah lebten. Schon als Tarai mir an diesem Abend zu Begrüßung die Hand gegeben hatte, war mir eine Veränderung an ihm aufgefallen. Und auch mit Sarah war etwas geschehen.
»Okay«, sagte ich. »Ihr wolltet mich sehen. Hier bin ich.«
»Ja«, sagte Sarah. Sie wirkte eindeutig befangen. »Wir möchten dir etwas zeigen.«
Ich blickte von einem zum anderen. »Was ist los mit euch?«
Tarai hob die Hand. Die Geste hatte etwas Zwingendes. »Schau einfach zu«, sagte er. Seine Stimme klang tiefer als sonst. Aus ihr sprach eine Festigkeit, die ich von Tarai nicht kannte.
Die beiden fassten sich bei den Händen, und augenblicklich spürte ich einen Reißen in der Brust. Es war, als lastete ein Gewicht auf mir.
Ich schloss die Augen und hörte ein Knacken, tief im Inneren meines Körpers. Und dann sah ich den Riss. Es war ein Spalt, eine sich öffnende Kluft. In ihr loderte ein lautloser Brand. Ich spürte seine Hitze, sie schlug mir entgegen, versengte mich, schälte mir die Haut vom Fleisch …
Ich kam zu mir und mein Blick fiel auf Sarah, die über mir kauerte und meine Brust rieb.
»Alles okay, Nik«, sagte sie. »Ich helfe dir hoch.«
Einige Minuten später hatte ich mich erholt.
Sarah und Tarai hockten vor mir und sahen mich an. Sie wirkten sehr ruhig. In ihren Gesichtern lag ein Ausdruck, der mir fremd war.
»Die Barriere«, sagte ich. »Ihr hättet sie beinahe geöffnet.«
Tarai nickte. »Ja. Wir sind bereit. Es liegt jetzt nur noch an dir.«


Tammy küsste mich. Ich schmeckte ihre Lippen, roch den Duft ihres Körpers. Ich wollte etwas sagen, doch ich brachte nichts heraus. Tammy verstand, was in mir vorging.
»Schon gut«, sagte sie und schaute mich an. »Zeit, Abschied zu nehmen.«
»Ja«, sagte ich tonlos.


Als ich in dieser Nacht die Tür meiner Wohnung hinter mir ins Schloss zog, war es vollkommen still. Ich hörte nicht den Klang meiner Schritte im Treppenflur. Nicht das Schlagen der Haustür. Ich trat auf die Straße und sog die kühle Nachtluft ein. Ich ging, ohne mich umzudrehen. Ich wusste, dass ich nicht zurückkehren würde.

 

Dear Folks, ich habe jetzt einen Teil Eurer Hinweise in den Text eingearbeitet und finde, dass es ein besserer Text geworden ist. Vielen Dank dafür. Hier sind die »Patchnotes«:

  • Sophie heißt nun Julia
  • es gibt ein paar »ich sah«, »ich fühlte« usw. weniger
  • ein wenig Überflüssiges gekillt (ich spuckte ein wenig Blut -> ich spuckte Blut/ befühlte die glatte Haut -> befühlte die Haut usw.)
  • Niks Erklärung über die Grenzüberschreitung ist raus, er realisiert, dass er auf Sarahs Brüste gestarrt hat und entschuldigt sich schlicht
  • Rechtschreibfehler eliminiert (hoffentlich alle, hoffentlich keine neuen dazugekommen)
  • »Bitch« ist raus, der Boxertyp sagt jetzt zunächst nur »Rauchen ist hier verboten.«
  • in der »Auf dem Dach«-Szene am Ende wird klar, dass es Sarah und Tarai gelingt, die Barriere beinahe zu öffnen, die beiden machen Nik klar, dass sie jetzt nur noch auf ihn warten (das impliziert, dass Tarai sein Energieproblem gelöst hat, wie er das geschafft hat, wird nicht gesagt)
  • zwischen der Abschiedsszene von Nik und Tammy und Niks Verlassen der Wohnung steht ein Absatz, es wird klar, dass zwischen diesen Momenten Zeit verstrichen ist oder zumindest verstrichen sein könnte
Ich denke immer noch über ein paar Dinge nach, nämlich, ob die Barriere früher im Text auftauchen sollte, genauer erklärt werden sollte, ob die extremen Reaktionen von Sarah abgemildert werden sollten (im Moment ist sie die Furie, die ich gern haben wollte), ob Tammy Nik beim Abschied eine Waffe geben sollte, um so klarzumachen, dass Nik Tammy (vielleicht) töten wird.

Ich habe auch darüber nachgedacht, ob ich Tammy mehr Raum geben sollte, denn sie ist sicherlich eine sympathische Figur. Doch ich meine, das würde mich von der Geschichte wegführen, die ich erzählen will.

Vielen Dank an alle Kommentatoren. Die individuellen Antworten auf Eure Kommentare setze ich natürlich fort.

Gruß Achillus

 

Hi @Achillus,

aus Zeitmangel ignoriere ich alle anderen Kommentare, wenn sich etwas wiederholt, weiß ich also nichts davon. :)

Deine letzte Challenge-Geschichte war in meinen Top Drei, die mochte ich wirklich sehr mit ihrer geheimnisvollen Stimmung und ihren mythologischen Anklängen.

Dieses Mal ist der Funke bei mir leider überhaupt nicht übergesprungen. Schade, aber Bedauern nützt dir nichts, also versuche ich lieber mal zu analysieren, woran es liegt, in der Hoffnung, dass ein paar Punkte für dich von Interesse sind, auch wenn vieles mit persönlichen Vorlieben und Abneigungen zu tun hat.

Zum Beispiel: Explizite Sexszenen tun’s einfach nicht für mich. Ich hab nichts gegen die, also ich will nichts zensiert haben, aber: ich langweile mich in der Regel dabei.

Bei jedem Stoß presste sie sich härter gegen mich, und dann wurde sie schneller und schneller. Ich sah ihren im Dämmerlicht glänzenden Leib vor mir, hörte ihr Keuchen und fühlte, wie sie von einem Zittern erfasst wurde. Es war ein Beben, beinahe ein Krampf.

Wirkt auf mich ähnlich wie Sportberichterstattung, ehrlich gesagt. Und die interessiert mich auch nicht.

Eine Geschichte, wo solche Szenen eine nicht unwichtige Rolle spielen, hat also von vornherein einen schwereren Stand bei mir. Aber in „Frost“ gab es die ja auch, das ist also nicht wirklich ausschlaggebend für meine mangelnde Begeisterung für diesen Text.

Schwerer wiegt die Tammy. So Frauenfiguren ohne erkennbares Selbstwertgefühl, die sich für andere opfern … die kann ich nicht ab.

Da Online-Kommunikation so anfällig ist für Missverständnisse, möchte ich deutlich machen: Ich will damit nicht sagen: Solche Menschen gibt es in Wirklichkeit nicht, und schon gar nicht: Als Autor darf man so was nicht schreiben. Sondern einfach nur: mich persönlich nerven die. Denn in solchen Figuren schwingt für mich immer etwas Unschönes mit – nicht, weil der Autor das zwangsläufig beabsichtigt, sondern weil sie in einer Tradition stehen, die schon mit der antiken Legende von Lucretia los geht. Gute Frauen opfern sich selbst. Bääääh. :sick:

Tammy wird zwar nicht als Vorbild dargestellt, und es wird darüber gesprochen, dass sie psychisch krank ist … gleichzeitig ist sie aber so ziemlich die einzige Figur, über die der Ich-Erzähler etwas Positives zu sagen hat.

In ihrem Wesen lag eine Sanftheit, die mich sprachlos machte.

Also ne richtige Dekonstruktion dieser Figur des engelhaften, selbstlosen, aufopferungsvollen weiblichen Wesens, die ich ungefähr so mag wie das Geräusch von Fingernägeln auf einer Tafel, ist das nicht.

Aber das ist auch nicht wirklich der Grund für meine Unzufriedenheit mit der Geschichte. Ich denke, darüber hätte ich hinweggesehen, wenn ich irgendeine von den anderen Figuren gemocht hätte.

Nur … irgendwie gibt es da nichts zu mögen. Und damit meine ich nicht, dass der Charakter der Hauptfiguren so abgrundtief furchtbar ist, sondern dass ich überhaupt nicht wirklich viel Charakter bemerkt habe, um ehrlich zu sein. Und ich glaube, da liegt der Hund begraben.

Die Geschichte dreht sich ja darum, wie die ihr Kampfsport-Meditations-Okkulte Sexpraktiken-Dingsbums betreiben, um Unsterblichkeit zu erlangen. Und ich frage mich die ganze Zeit: Wofür?

Ja klar, die Diagnose einer tödlichen Krankheit in jungen Jahren, das ist Mist. Aber damit eine Geschichte mich emotional mitnimmt, reicht das Gefühl „Puh, Leukämie, nicht schön, das wünscht man keinem“ nicht aus. Dafür braucht es so was wie: „Oh nein, der Nik hat Leukämie! Aber das ist doch der Protagonist, an dem ich hänge!“.

Und ich hänge halt nicht an dem, weil ich den nicht kenne und im Verlauf der Geschichte auch nicht wirklich kennen lerne.

Der denkt eigentlich die ganze Zeit nur darüber nach, wie er sein Kampfsport-Meditations-Sex-Chakra weiter öffnen kann, um nicht sterben zu müssen. Aber nie, warum er eigentlich weiterleben möchte.

Also, in meinem Leben gibt es Menschen, die mich vermissen würden, wenn ich nicht mehr da wäre. Dinge, die ich liebe und in Zukunft weiterhin tun möchte. Gesellschaftliche Veränderungen, die ich wichtig finde und zu denen ich beitragen möchte.

Hat der Nik irgendwas in der Art? Wenn ja, merkt man als Leser nichts davon. Das gilt auch für Tarai und Sarah.

Sympathien habe ich also nicht entwickelt. Eine Alternative wäre ein Protagonist, der Ablehnung hervorruft. Hauptsache ein Gefühl!

Aber dafür reicht es auch nicht wirklich – weil du dieses moralische Dilemma, das sich anbahnt – er kann das notwendige Level an spirituellem Samenstau nur rechtzeitig erreichen, wenn er jemanden tötet – so überaus bequem aus der Welt schaffst. Die Tammy will ja sterben, das wäre doch geradezu Verschwendung, wenn er sie nicht so benutzt, wie sie das möchte.

Mal angenommen, Tammy wäre halt masochistisch drauf, aber durchaus daran interessiert, am Leben zu bleiben, und dann bringt er sie um, um seine Trainingspartner einzuholen – dann hätte ich natürlich auch keine Sympathien für ihn, aber ich glaube, dann hätte ich die Geschichte trotzdem als wesentlich stärker empfunden.

So wie die Geschichte jetzt ist, lässt sie mich leider kalt.

Was mich letztendlich dazu bewegt hat, sie bis zum Ende zu lesen, war vor allem, dass ich wissen wollte, was es mit den Eskapaden des Trios denn nun eigentlich auf sich hat. Das ist auch wirklich geschickt gemacht, wie die Information Stück für Stück enthüllt wird. Aber am Ende fühlte ich mich ein bisschen so, als hätte ich einen Wikipedia-Artikel über einen merkwürdigen Kult gelesen, statt einer Geschichte über drei todkranke Menschen, die verbissen darum kämpfen, ihr Leben zu retten.

Ich komme mir grade ganz furchtbar mäkelig und unfreundlich vor, denn natürlich ist die Geschichte sehr gut geschrieben, sehr gekonnt aufgebaut und originell. Aber ich trotz alledem hab ich mich wirklich so ein bisschen durchgequält. Vielleicht war die einfach nicht für mich.

Grüße von Perdita

 

Hallo @Achillus,
ich habe Deine Geschichte vor einiger Zeit gelesen und war erstaunt. Das Kryptische, das ich in den früheren Texten spannend fand, gibt es hier nicht, oder zumindest nicht vordergründig. Da herrscht harter Realismus, der direkte Blick auf die Sache. Und das hat mich erst mal abgestoßen, vor allem die unterwürfig gezeichnete Frau, obwohl sie in manchen Anspielungen dann auch machtvoll erscheint in der emotional-morbiden Sicherheit, die sie ausstrahlt. Sie hat ja keine Angst vor dem Tod. Ob das die erniedrigende Darstellung wett machen kann, weiß ich nicht. Das hängt wohl von der Lesart ab. Interessant fände ich die Vorstellung, den Topos der Erniedrigten umzudrehen gegen die gängige Vorstellung. Zumindest aber haben alle Figuren durch die mehrschichtige Zeichnung mehrere Ebenen. Das ist vielschichtig ausgedacht und sprachlich immer auf dem Punkt und genau in einer Balance zwischen Innenleben und Außendarstellung, was ich in Deinen Texten als besonders empfinde: Die Ausgewogenheit zwischen Darstellung und origineller Deutung.
Also: Ich war erstaunt. Dann ist mir der Text aber nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Irgendetwas war da für mich, das über die asiatische Kampfkunst-Energie-Lebensverlängerung-Sache hinausging. Das alte Motiv Eros und Thanatos, die Lebens- und Todesenergie. Im Text gehen diese beiden Ströme ineinander über, Thanatos legt sich über den Eros bei Tamara, während die schöpferische, gestaltende und erhaltende Energie sich im Dreierbund über den Tod legt und ihr Leben verlängern soll. Wenn ich diese Verstrickung für mich entwirre, ist das schon wieder mal eine raffinierte Sache, die fasziniert. Nicht nur ein Hauch von Kühle weht durch das Ganze natürlich, aber das ist ja der angestrebte Stil, dass es angesichts der Todesdrohung keine rührseligen Abschiedsszenen und Lebensresümees gibt wie im kleinen Fernsehspiel. Das hat was Erratisches, Eisiges. Lediglich der Schluss gönnt sich einen Anflug von Wehmut, der aber auch dadurch in Frage gestellt ist, wenn Tamara zu Tode kam.
Aber ja. Wenn man von einem üblichen Weg sprechen kann, den Leute in der Todesnähe gehen, dann ist der wahrscheinlich emotional, wehmütig, vielleicht auch demütig. Hier hingegen bäumt sich der Lebenstrieb gewaltig, gewalttätig auf in einer besonders spezifischen Variante. Das macht den Text, wie gesagt, in der mannigfaltigen Verstrickung faszinierend, aber auch hart in der Erscheinung, nachhaltig aber auf jeden Fall und bemerkenswert.
Herzliche Grüße
rieger

 

Hallo @Achillus,

du wirst von mir sicher nicht erwarten, dass ich bei diesem Text auf die Details eingehe. Zu weit weg ist das Ganze von meiner Realitiät, obgleich ich es höchst spannend finde, wie du die Elemente Gewalt und Sex in vielen Kulturen aufspürst und für deine Texte verwendest. Im Verständnis möchte ich mich gerne der Deutung @riegers anschließen, vor allem die Gegenpole Eros und Thanatos, die ja wohl im Freud'schen Alterswerk eine größere Rolle gespielt haben. Von der Handlung her habe ich nicht alles verstanden, vor allem den Schluss nicht.
Neulich bin ich wieder auf Laclos und seinen Briefroman "Gefährliche Liebschaften" gestoßen. Ich finde da eine ähnliche Kälte, fast klinische Sezierung, wenngleich die amoralische Haltung der Protagonisten die damalige Gesellschaft empört hat. Das Amoralische (was etwas Anderes ist als das Unmoralische) verbindet deine Protagonisten durchaus. Vor allem in der Zielsetzung: nämlich Lustgewinn durch Ausbeutung von anderen Menschen, wobei in deinem Text das eigentliche Ziel (ewiges Leben?) noch rabiater verfolgt wird. Das ist auf jeden Fall Vampirismus. Du wirst den Film "Interview mit einem Vampir" (1994, mit Brad Pitt) sicher kennen, wobei dort gerade das Gewissen über den Tod hinaus gewahrt bleibt.

Wenn man von einem üblichen Weg sprechen kann, den Leute in der Todesnähe gehen, dann ist der wahrscheinlich emotional, wehmütig, vielleicht auch demütig. Hier hingegen bäumt sich der Lebenstrieb gewaltig, gewalttätig auf in einer besonders spezifischen Variante. Das macht den Text, wie gesagt, in der mannigfaltigen Verstrickung faszinierend, aber auch hart in der Erscheinung, nachhaltig aber auf jeden Fall und bemerkenswert.

Ich mache es mir etwas einfacher und schließe mich @rieger an. Sprachlich bist du jedenfalls bei den Besten, aber kaum Mainstream.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Meuvind, vielen Dank für Deinen Kommentar.

Ich mag zwar nicht, was du schreibst, aber WIE du schreibst. Jedes Wort hier hat, wenn man den Kontext der Vampire kennt, unglaublich viel Bedeutung. An keiner Stelle steht zu viel, aber ich habe auch nicht das Gefühl, dass du etwas Wichtiges ausgelassen hast.

Freut mich sehr, dass Du den Stil zu schätzen weißt.

Ich kann die Szenen förmlich vor meinem Auge sehen, kann das stumpfe Knacken von Holz hören, mir die Stimmen deiner Vampire vorstellen. Ich bin fast neidisch auf deine Art und Weise, wie du der Geschichte Leben einhauchst. Denn sie fühlt sich echt an, teilweise sogar zu beängstigend real.

Das ist natürlich ein tolles Lob, vielen Dank dafür.

bevor ich schreibe, will ich dir nur sagen, dass ich deine Geschichte leider nicht zuende gelesen habe. Der Grund dafür ist einfach, dass mir das Thema nicht zusagt. Vampire, näh, ist nicht mein Ding.

Hm, okay. Allerdings ist der Titel ja nur in einem übertragenen Sinn gemeint.

Außschlaggebend war aber, dass ich mit Erotik so gar nichts am Hut habe. Ich weiß, dass es schwer ist, solche Szenen zu entwerfen und fachgerecht zu schreiben, und ziehe meinen Hut vor dieser Kunst. Aber ich habe einfach kein Spaß daran, Erotik zu lesen.

Das ist für mich so, wie Blut im Wasser für einen Hai: Das schau ich mir mal näher an. Also. Ganz grundsätzlich darf ein Kommentator ja mögen, was auch immer er will und nicht-mögen eben so. Für mich gibt es auch Themen/Szenarios, die mich völlig kalt lassen. Zirkus zum Beispiel. Finde ich schrecklich und mag darüber nichts lesen. Andererseits wenn es gut gemacht ist, lese ich auch mal eine Zirkusgeschichte. Aber gibt es einen Unterschied zwischen Sex und Zirkus? Ja, den gibt es. Das eine Thema ist absolut essentiell für uns Menschen und das andere ist ein Randschauplatz.

Ich kann es eigentlich nicht akzeptieren, dass jemand eine Geschichte nicht liest, weil da Sex/ Erotik drin vorkommt. Klar muss ich es hinnehmen, aber dafür gibt’s von mir einen Daumen runter. Warum? Zum einen, weil Sex wegen des Tabus, das lange Zeit darüber lag, häufig total verzerrt dargestellt wird. Man denke nur an den berühmten Hollywood-Kuss und dass dann nicht gezeigt werden durfte, was danach geschieht.

Oder dass Sex lange Zeit in der Kriminal-Literatur gar nicht vorkam oder nur angedeutet wurde, obwohl Sexualität gerade im Zusammenhang mit Verbrechen eine große Rolle spielt. Ähnliches gilt für Gesellschaftsromane, die häufig in einer nahezu sexfreien Welt zu spielen schienen.

Andererseits gibt es dann diesen Überschwung ins Pornografische hinein, wo Filme und Literatur überhaupt keine Geschichte mehr erzählen, sondern die Lust des Zuschauers oder Lesers im rein Voyeuristischen liegt.

Wenn ein Autor aber versucht, eine angemessene Darstellung von Sexualität zu finden und das heißt meist eine der vielen Spielarten von Sexualität, weil es die eine Sexualität eben nicht gibt, dann sollte es für den ernsthaften Leser kein Grund sein, eine Geschichte wegzulegen.

Natürlich klingt das legitim, wenn ein Leser sagt, ich will darüber nichts lesen. Aber das hat eben mit dem Tabu zu tun. Stell Dir vor ein Leser würde sagen, er will nichts über Behinderte lesen oder nichts, wo Schwarze oder Chinesen drin vorkommen. Wie würden wir dann reagieren? Würden wir kaum so akzeptieren.

Natürlich berührt das einen Bereich, der zunächst mal sehr privat ist. Aber wollen wir nicht genau das in Literatur und Film? Habe noch nie gehört, dass jemand eine Figur als zu detailliert oder zu intim gezeichnet kritisiert hat. Wir wollen lebensechte Charaktere, aber ficken dürfen sie nicht, haha.

Vielen Dank, Michel, dass Du trotz Deiner Vorbehalte geschrieben hast.

Gruß Achillus

 

Moin, moin @Achillus,

nun traue ich mich doch mal, wenigstens eine Leseeindruck möchte ich zu dieser tollen Geschichte da lassen. Seit dem Einstellen hast Du ja einige Schrauben gedreht, insofern ist mein erster Notizzettel hinfällig. Dein Sprachumgang war für mich eine schöne Lernstunde - Dankeschön!
Ja, auch ich habe beim ersten Lesen immer mal wieder auf die Tags geschult, aber eigentlich finde ich Spannung wirklich richtig, der "Rest" ist dann doch Beiwerk, wenn auch heftig.
Ich hab beim dritten Lesen mal ein paar Notizen gemacht:

Ich packte ihren Arm, zog ihn unter ihrem Körper hervor und drehte ihn auf ihren Rücken.
»Nein«, ächzte ich. »Wir haben noch die ganze Nacht.«
Interessante Version der Charakterisierung im Bett - ich war neugierig, sicherlich ein bisschen Voyeur und erschreckt. Da geht im Leser viel los, nicht unbedingt angenehm, aber wenn das eine Geschichte auslösen kann ...

»Wo ist das Vögelchen?«, sagte Sarah, ruckte mit dem Kopf hin und her und rollte mit den Augen.
Hier bleibe ich jedesmal hängen, vielleicht habe ich zuviel blöde Fotografen in meinem Umfeld, aber der Satz passt für mich einfach nicht zu Sarah, die Lacht nie, sagt aber sowas albernes und dann rollt sie echt mit den Augen. Da stimmt mein Bild im Kopf einfach nicht, aber natürlich sehr subjektiv.

»Hoffentlich eine Verbesserung«, sagte Sarah. »Du suchst die Falschen aus, das ist dein Problem.«
Tarai nickte zustimmend. »Du hast kein gutes Auge. Sie müssen viel robuster sein.«
»Glaub mir, Tammy ist robust«, sagte ich.
Ich hab die erste Version wohl schon entsorgt, hier hast Du denke ich nachjustiert, denn jetzt komme ich mit der Einführung von Tammy prima klar.


Ich schloss die Augen und meinte zu spüren, wie Tammy auf den großen Knall wartete. Darauf wartete, dass ich über sie herfiel, wie der Schakal, den sie in mir suchte. Sie stieß mit ihrer Vulva gegen mich, ganz leicht nur, aber es war eindeutig eine Aufforderung.
Haben denke ich schon mehrere Komm. angemerkt, man wird auf Tammy echt neugierig, was bewegt diese junge Frau, warum ist sie so gegensätzlich

Wir setzten unser Training fort. Delphinschwimmen brachte jeden an die Grenzen, stopfte auch den Wildesten das Maul.
Die Härte des Trainings irritiert mich , wirkt das Sammeln der sexuellen Energien so stark, das sie als Totkranke sowas leisten können? Dazu dann noch die äußeren Veränderungen, Verjüngungen und gleichzeitig noch Ansammeln von Energie, ach ja und saufenund rauchen nicht zu vergessen. Das ist jetzt eher eine generelle Frage bei Fantasie - schluckt der Leser das auf Dauer? Muss ich da nicht mehr erklären? Will und kann man aber oft nicht, ich habs gerade im ganz kleinen an einer eigenen Geschichte gemerkt, schwierig. Gib es da noch einen dritten Weg?

Ich fragte mich, wie es ihr gelang, all diese Männer und Frauen zu verführen, ohne jemals zu lächeln.
Ja, Deine Prots gefallen mir sehr. Die sind sowas von gegensätzlich und doch auf eine Linie. Sehr spannend ...

»Jeder benutzt irgendjemanden.«
Hier auch, ich möchte viel mehr über Tammy wissen, die Schere geht bei den Prots soweit auseinander, und trotzdem empfinde ich sie als glaubhaft.

Ich kannte Sarahs extreme Persönlichkeit, aber dieser Jähzorn passte nicht zu ihr.
»Komm zu dir!«, brüllte Tarai. Ein Schauer jagte über meinen Rücken. Tarai hatte seine Kriegerstimme benutzt, und die Gewalt dieser Stimme schmerzte wie der Hieb eines Bokken.
Hier hatte ich endlich auf Deinen "doppelten Boden", auf irgendetwas paranormales, geistiges gehofft, aber das wäre dann wohl eine andere Geschichte.

Ich finde es ausgesprochen spannend, wie Du dem Plot immer wieder eine andere Richtung gibst, in meiner Unerfahrenheit dann meist auch eine völlig unerwartete, hoffentlich kann ich mir irgendetwas davonmerken ...

Tja, das Ende! Wie gesagt, völlig unerwartete Wendungen. Ich sehe in Deinem Prot keinen potentiellen Mörder. Ja, er steigt die Erregung und damit die Energie mit Gewalt. Aber Tot als Erregung ist eine ganz andere Qualität, er nimmt immer das Einverständnis der Partnerin wahr, er hat Mitgefühl, er reagiert - ne, eine Mord nehme ich ihm einfach nicht ab.
Aber so wie das Ende jetzt da steht, darf ich es ja auch als offen lesen, oder? Und das gefällt mir richtig gut: Was dann?

Nochmals Danke für die lehrreiche Geschichte, irgendwann hat man hoffentlich so viele gute Geschichten gelesen, das auch ein wenig im Kopf hängenbleibt
Beste Wünsche
witch

 

Hallo Isegrims, vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Hinweise zum Text.

der Text hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits das ganze Sexenergie-plus-eine-Menge-asiatische-Kampftechniken-Brimborium. Andererseits die Beziehung zwischen dem Erzähler und Tammy, auch den beiden anderen, die mit ihm symbiotisch verbunden sind. Erstgenanntes empfinde ich weitgehend als Schmuckwerk, um Aufmerksamkeit zu generieren. Die Schicht darunter berührt mich, da wollte ich mehr von erfahren, das ist existentiell.

Ich denke, dieses Schicksal erleidet eben manchmal ein Text, der versucht kulturfremde Denk- und Verhaltensweisen darzustellen. Ich bemerke diese skeptisch-abwertende Haltung auch bei Friedrichard, wenn er sich fragt, weshalb erwachsene Menschen mit Holzschwertern kämpfen oder bei Perdita oder bei einigen anderen Posts. Wahrscheinlich liegt das Problem hier nicht in mangelnder Offenheit bei Euch, sondern dass das Kulturfremde hier ja nur angerissen wird und deshalb vielleicht als exotischer Zierrat erscheint.

Ich kenne einige Leute, bei denen dieses Brimborium, wie Du es nennst, den Lebensmittelpunkt, den Lebenssinn darstellen. Dass in dieser Geschichte nur ein kleiner Teil aufscheint, hat mit dem roten Faden der Erzählung zu tun. In einer größeren Erzählung könnte man darauf genauer eingehen, aber hier mussten Andeutungen genügen.

Dennoch ist es eben nicht bloßes Schmuckwerk, denn das hätte man weglassen können. In der Geschichte gibt es das Angebot übermenschlicher Fähigkeiten, in diesem Fall, die Fähigkeit, eine tödliche Krankheit zu überwinden. Und dieses Angebot übermenschlicher Fähigkeiten machen in der Realität auch wirklich bestimmte Praktiken, viele dieser Praktiken kennen wir im Zusammenhang mit yogischen Techniken. Aber auch die Fähigkeiten eines Schwertmeisters wirken u.U. übermenschlich. Die Geschichte fragt unter anderem, was man dafür zu opfern bereit ist.

Großartig fände ich, wenn die Waage deutlich mehr die Gefühle der Protagonisten beschreiben würde …

Ist eine typische Frauensichtweise, finde ich. Von männlichen Freunden höre ich oft den umgekehrten Kommentar. Ich denke, in dieser Geschichte werden schon eine Menge Gefühle sichtbar. Ich glaube, da gibt es in Spannungsgeschichten eine Grenze. Dieses überbordende Bedürfnis an Gefühlswelten wird in romantischen Geschichten eher befriedigt, das ist nicht mein Genre.

das klingt, allein betrachtet, unfreiwillig komisch … auch das wirkt auf mich eher lustig.

Ich vermute, an diesen Stellen ist Dir die Aussage des Textes nicht ganz klar. Die erste Stelle soll zeigen, dass Sophie/ Julia zwar Mitgefühl bzw. Anteilnahme demonstrieren will, aber in Wirklichkeit ist sie viel zu müde und erschöpft, um sich großartig Gedanken über Niks Zustand zu machen. Wo liegt da die unfreiwillige Komik?

Und die andere Stelle: Dass Nik schläfrig wird, deutet an, dass diese Art der Konversation nichts Neues oder Aufregendes zwischen den Dreien darstellt. Über diese Dinge wurde viele Male gesprochen. Dass Nik so entspannt dabei ist, zeugt eben auch von einer gewissen Routine.

Ich denke, da lässt sich noch mehr draus machen, vielleicht änderst du ja noch was.

Ja, ein paar Sachen habe ich schon verändert. Vielen Dank für Deine Hinweise.

Gruß Achillus

Hallo Nördler, vielen Dank für Deinen Kommentar.

Einige Punkte wurden schon von anderen Leserinnen und Lesern angesprochen: Das Betrachten von Sarahs Brüsten schon eine Grenzüberschreitung, die beiden S-Namen Sarah und Sophie, die Bitch von dem Schlägertypen in der Bar. Da bin auch ich beim Lesen drüber gestolpert.

Gestolpert bin ich auch über die Bezeichnung "Wackelkandidat" bezüglich Tarai. Das klingt für mich nach rausgewählt werden, nach Politkasper-Gehabe. Sollte aber ja eher sowas wie "das schwächste Glied in der Kette" aussagen.


Da habe ich bereits viel dran geändert, vielen Dank für Deinen Input. Auch beim Wackelkandidaten kannst Du recht haben, muss ich drüber nachdenken.

Das sich Sarah eine Zigarette an einem Teelicht anzündet, fand ich auch irgendwie unpassend. Machen Raucher ja eher ungerne und gilt - kenne ich zumindest so - als verpönt. Oder ist das nur in Norddeutschland so? Kann ja auch sein, daß du genau das damit zum Ausdruck bringen wolltest: Sarah sind derlei Konventionen völlig egal. Dann würde ich das irgendwie kenntlicher machen.

Du hast recht, sich die Zigarette an einer Kerze/ einem Teelicht anzustecken, ist ein Unding. Soll zeigen, dass Sarah keine Raucherin ist, sondern unter Stress steht.

Das Ende hab ich nicht verstanden. Hat er sie jetzt umgebracht? Hat er sie vergiftet und geht dann, muß er also gar nicht bei ihrem Tod dabei sein, um die Energie zu erhalten? Ergibt doch wenig Sinn, oder?

Das Ende ist offen. Es gibt dem Leser die Gelegenheit, Nik so zu sehen, wie es seinem persönlichen Eindruck entspricht. Entweder als Mörder oder eben auch nicht.

Umgemünzt auf deine Geschichte könnte das bedeuten, ruhig noch ein bißchen mehr über Sarah und Tarai zu erfahren, deren Charaktere (auch den von Nik) in etwas längeren Szenen anschaulich werden zu lassen.

Das finde ich als Idee sympathisch, aber lange Geschichten verlangen dem Leser mehr ab. Stell Dir vor, jeder hier in der Challenge würde zwanzig Seiten schreiben. Das kann keiner alles lesen.

Vielen Dank für Deine Hinweise!

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Weltenläufer, vielen Dank für Deinen Kommentar zum Text.

… wieder einmal sehr starker Tobak, deine Geschichte. Du schaffst es wie kein zweiter so dermaßen verschiedene Stränge zu einem atmosphärisch dichten Gewebe zu verbinden. Du machst es ja gerne rätselhaft und hier gehst du in meinen Augen an die Grenze des Zumutbaren.

Ich denke auch, dass diese Geschichte einen Grenzgang darstellt, nicht nur in einer Hinsicht. Anfangs war da nur die zentrale Idee mit dem Aufsparen und Verfeinern sexueller Energie was das bedeuten könnte, wie es einen Menschen verändert, wenn das gelingt. Die verschiedenen anderen Stränge (tödliche Krankheit, Masochismus, das Öffnen einer energetische Barriere als Team usw.) kamen dann erst nach und nach dazu.

Das soll ein Kompliment sein. Nur, wer so verdammt gut schreiben kann, kann es sich erlauben, den Leser so lange im Ungewissen zu lassen. Das machst du wirklich meisterlich. In jeder Szene wirfst du ein neues Licht, bringst weitere Andeutungen, die die Neugierde ansteigen lässt.

Hm, ich muss gestehen, dass ich selbst gar nicht so recht einschätzen kann, was der Leser wann durchschaut. Für mich ist der Plot ja von Anfang an klar. Ich gebe dann Hinweise, und irgendwann denke ich mir, dass das Ganze jetzt eigentlich klar ist, auch wenn die speziellen Hintergründe (wie das genau mit dem Anreichern der Energie funktioniert) nur Lesern verständlich ist, die die taoistische Theorie aus anderen Quellen kennen. Aber es ging mir ja nicht darum, ein Handbuch zu schreiben, deshalb habe ich das sehr lose behandelt. Freut mich, dass es für Dich funktioniert hat.

Das Ende dann ... ich weiß nicht. Es gibt mir nicht die Befriedigung, die ich mir gewünscht habe. Bei so viel Sex hätt ich mir da einen Orgasmus gewünscht. In der jetzigen Form läuft mir das zu sehr aus. Ich muss gestehen, mir war unklar, was das Ende jetzt bedeutet und war froh, als du deine Erklärung gegeben hast. Mit der Erklärung passt das, aber dass er sie letztlich umbringen wird, nein, das habe ich so nicht rausgelesen. Das würde ich mir deutlicher wünschen.

Ich spiele immer noch mit dem Gedanken, etwas am letzten Dialog zwischen Tammy und Nik zu ändern, aber das Problem ist, dass ich mich dann festlegen müsste. Im Moment kann die Geschichte mehrdeutig gelesen werden: Nik tötet Tammy und kehrt nicht mehr zurück, weil er mit seinen Gefährten die Barriere öffnet oder Nik tötet Tammy nicht, sondern wendet sich von dem ganzen »Projekt« ab, weil er nicht in der Lage ist, seinen ethischen Konflikt zu lösen. Vielleicht verlässt er die Stadt und sucht Ruhe für seine letzten Tage.

Es gibt nicht viele Geschichten hier, die Sex so zentral behandeln, ohne dabei im Selbstzweck stecken zu bleiben. Ich finde, das ist ein hervorragender Text, um sichtbar zu machen, wie Sex als wichtiges Element funktionieren kann. Aber man kann den Text auch heranziehen, um viele andere Dinge daran aufzuzeigen: Vor allem Verdichtung, die Kunst des Weglassens.

Danke für das Lob. Wenn man versucht, eine mehrschichtige Erzählung zu entwickeln, ist man manchmal gezwungen, an bestimmten Stellen mehrdeutig zu schreiben. Eine Geschichte, die ihre eigene Bedeutung gleich mittransportiert wäre das eine Extrem, eine Geschichte die nach Belieben interpretierbar ist und gar nichts mehr aussagt, wäre das andere.

Ich danke Dir für Deine Zeilen, Weltenläufer!

Gruß Achillus

Hallo Kanji, vielen Dank für Deinen Kommentar zum Text.

diese Geschichte kannst du so schreiben. Sie ist spannend, nicht herkömmlich, auch nicht vorhersehbar, originell und sehr sauber.

Das nehme ich mal als Lob. Vielen Dank dafür.

Es gibt nichts in dieser Handlung, was es anzweifeln gibt. Genau so könnte es sein. Du sagst, was Sache ist. Und gerade deswegen nehme ich dir die einzelnen Charaktere so schwer ab. Ich gehe nicht wie du die gesamte Zeit davon aus, dass es ihnen um eine Idee der Energie geht, um die jeweiligen Erkrankungen zu besiegen.

Hm, ich habe Schwierigkeiten, das nachzuvollziehen. Es gibt nichts anzuzweifeln, deshalb glaubst Du es nicht? Eigenwillige Argumentation.

Die sind Kämpfer und Sportler und glauben daran. So wie andere an anderes. Sich gegenseitig dabei nutzen zu können, muss ich glauben. Ein bisschen wie im Märchen. Und ich ertappe mich dabei, wie ich immerzu „aber" denke. Denn ich will sie in erster Linie als gewöhnliche Menschen sehen, auch damit mich ihr Schicksal berührt, ihre Zusammenkunft, das was sie vereint, was sie zusammengebracht hat.

Den Aspekt der Geschichte, wo Sarah, Nik und Tarai »überzeugt« werden mussten, überspringt die Geschichte. Es wird ja kurz ein Lehrer erwähnt und auch dass es eine Gruppe mit einer Schultradition ist. Natürlich muss das den Leser noch lange nicht überzeugen, es gibt einen Haufen Verrückte in der Welt, die alles mögliche glauben. Aber als Leser begegnen einem die drei Vampire in der letzten Phase ihres Trainings. Ich sehe keine Andeutungen im Text, dass sie an der praktischen Seite zweifeln. Zweifel gibt es nur bei den Methoden hinsichtlich ihrer ethischen Tragweite.

Ich weiß um Energie und auch um die Kraft darum und wie, bzw. womit man sie beeinflussen kann. Ich weiß auch darum im Hinblick auf Krankheit. Vielleicht behagt mir auch deshalb nicht die Herangehensweise, weil sie negativ durch Gewalt und Aggression behaftet ist. Das tut nich Not, wie man hier oben im Norden der Republik sagt. Deine Entscheidung.

Das ist Deine Sicht der Dinge. Aber es gibt durchaus andere Positionen. Ein Vampir, der Blut saugt, hat einen realen Nutzen, mehr noch, er muss saugen, um zu überleben. Aus seiner Sicht tut es Not. Und die drei Vampire hier in der Erzählung wissen, dass sie durch bestimmte Praktiken an Energien herankommen, die so nicht einfach auf der Straße liegen. Sie nehmen in Kauf, dass sie andere Personen dabei schwächen oder gar schädigen. In diesem Fall heißt es: Wir oder die anderen! Und das scheint mir ein sehr realer Konflikt zu sein.

Und so überlege ich eben am Ende, ob es einen besonderen Grund gibt für die drei Vampire zu überleben, als des bloßen Lebens wegen. Nicht weil es mehr sein müsste, sondern weil die eben alle drei so ungewöhnlich sind und eher negativ behaftet.

Das ist ein sehr merkwürdiger und in meinen Augen naiver Gedanke. Ich verstehe zwar, dass man thematisieren kann, ob das überhaupt eine rundum glückliche Existenz sein kann, wenn man auf Kosten anderer lebt. Aber seit wann lassen sich Menschen oder überhaupt Lebewesen vom Kampf ums Überleben abhalten, weil sie vielleicht keine hundertprozentige Antwort auf die Sinnfrage haben?

Wir wissen, dass Menschen mit Zähnen und Nägeln unter den denkbar schlimmsten Bedingungen kämpfen. Selbst wenn die Zukunft düster aussieht. Überleben ist ein mächtiger Impuls. Da müssten die Drei schon zeitgleich in eine Art Depression rutschen, um sich von ihrem Vorhaben durch Fatalismus abbringen zu lassen.

Ich denke dabei an die Szene in der Bar, wenn deine Protagonistin, den Mann, der sie (auf ungehobelte Art) darauf aufmerksam macht, dass nicht geraucht werden darf, eiskalt attackiert. Das ist mir zu gewollt und reißerisch und erinnert mich (wiederholt in deinen Texten) an amerikanisches Kino. Und somit geht mir die Empathie aus und die Glaubwürdigkeit. Das Thema ist so interessant, dass sich für mich dadurch Distanz aufbaut und ich die Geschichte quasi loslasse und konsumiere. Das ist schade. Für sie und vor allem für mich.

Ich verstehe, dass solche aggressiven Reaktionen verstören. Dir erscheint das vielleicht reißerisch, weil das nicht in Deinem Lösungsraum liegt. Aber die Einordnung ist ungenau, finde ich. Reißerisch ist für mich ein anderes Wort für Effekthascherei. Reißerisch sind – weil Du amerikanisches Kino angesprochen hast – beispielsweise Filme, in denen die Story nur als Hintergrund dient für das Vergnügen an extremen Effekten (Überraschungen, Visuelles, Audio usw.) Das bedeutet, der Effekt (Gewalt, Sex, Explosionen usw.) hat einen Selbstzweck.

Es gibt auch Filme/ Erzählungen, in denen die Story ohne Drastik nicht auskommt gar nicht erzählbar wäre. Die meisten Kriegsgeschichten gehören dazu. Und Drastik ist sicher auch ein Element dieser Geschichte bzw. überhaupt der Geschichten, die ich bislang erzählt habe. Aber das hängt mit den Geschichten zusammen und ist keine oberflächliche Darstellungsfrage.

Du hast auf alles geachtet. Die Charaktere sind mehrdimensional, immer geschickt gezeigt und intelligent ausgewählt in ihren Eigenschaften. Und es überrascht dich vielleicht nicht, dass ich Tammy am gelungensten empfinde.

Übrigens ein gutes Argument gegen den Vorwurf des Reißerischen. Ginge es um bloßes Vergnügen an extremen Effekten, wäre die Mühe um mehrschichtige Charaktere sinnlos.

Das Ende fällt für mich ebenfalls in die Kategorie „überzogen und reißerisch“. Mir hätte, damit es eine greifbare Geschichte mit lebensnahen Charakteren wäre, völlig ausreicht,

Aber das sind doch keine objektiven Kriterien. Man kann doch nicht hingehen und eine Geschichte aus dem Bereich Phantastik oder Horror dafür tadeln, dass sie phantastische Elemente oder Horrorelemente enthält. Klar hätte man auch ein ganz andere Geschichte aus dieser Grundlage heraus entwickeln können. Aber das ist kein Maßstab finde ich. Ein Maßstab ist, ob die Geschichte innerhalb des von ihr selbst beanspruchten Rahmens gelungen ist.

Nehmen wir »Das Schweigen der Lämmer« als Beispiel. Auf jeden Fall wäre es möglich, aus der Grundidee ein spannendes, anspruchsvolles, unblutiges Psychodrama zu entwickeln. Und sicher hätte das einer Menge Leuten gut gefallen. Das ist aber kein Argument gegen den Psychothriller mit Horrorelementen, die wir jetzt als »Das Schweigen der Lämmer« kennen.

Dennoch ist sie toll geworden. Wie sie Gefühle ins Spiel gebracht hat und Nik fühlen ließ. Das kann und will ich dir nicht absprechen, wie deine Schreibfertigkeit eben auch überhaupt nicht.

Vielen Dank für das Lob, Kanji!

Gruß Achillus

 
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Hallo @Achillus,

tolle Geschichte. Auch irgendwie anders als das, was du sonst schreibst; schon erkennbar, dass das Achillus ist, da schwingen deine Themen und Werte in der Tiefe mit, aber das Übernatürliche und dieses "Alltägliche" kannte ich jedenfalls in der Form noch nicht von dir.

Ich finde die Dialoge extrem stark, auch die Figurenzeichnung und die einzelnen Szenen. Ich hatte jede Figur sehr gut vor Augen und insgesamt kommen mir alle Menschen, die du auftauchen lässt, sehr organisch und lebendig vor.

Den Anfang fand ich extrem stark. Das BDSM, die Leukämie. Das hooked schon sehr und bringt sofort so einen Zug, bei dem man gut Bock bekommt, das Teil weiterzulesen. Jedenfalls ging es mir als Leser so.

Eine Sache habe ich auszusetzen. Und das ist etwas, bei dem ich glaube, dass es deinen Text durchaus noch aufwerten könnte. Und zwar machst du dieses "Weglassen" bzw. "Info-Weglassen" größtenteils sehr gut; sei es in einzelnen Dialogen oder Szenen, wo mir die Infos über Figuren, Gedanken, etc. sehr wohldosiert vorkommen.
Allerdings befürchte ich, dass du beim Info-Weglassen über das Übernatürliche, dieses sexuelle Energien-Teil, die Gruppe der Drei, etc., dieses ganze Themenfeld, dass du da einfach an falscher Stelle Info weggelassen hast. Da baust du natürlich eine Spannung den Text über auf, und dann erfahre ich als Leser ungefähr 30% der Infos, die mich dann schlussendlich über dieses "Übernatürliche" interessieren. Ich finde wie bereits gesagt, da lässt du an falscher Stelle weg. Ich weiß jetzt nach dem Lesen schlicht nicht genau, um was es sich z.B. bei dieser aufgerissenen "Kluft" handelt usw. Trau dich und telle da einfach an deine Leser an geeigneter Stelle ein wenig mehr, um was es sich hier genau handelt. So ist mir da an falscher Stelle leider auf eine Art Info weggelassen, dass es mich nach dem Lesen doch etwas unbefriedigt zurücklässt. Ich habe das Gefühl, da wurde etwas nicht auserzählt und es kommt mir bei Weitem nicht so eindeutig vor, dass ich es mir selbst zusammenreimen könnte. Hau an dieser Stelle noch mal rein, und das Teil wird besser.

Ansonsten hab ich nichts auszusetzen. Im Gegenteil, ich habe es wirklich sehr gerne gelesen, Achillus.

Besten Gruß
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Annami, vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Hinweise zum Text.

Solche Sätze, in denen das Wort indem vorkommt, finde ich zum Zehennagelaufrollen. Bäh. Bitte mach das weg, das ist so furchtbar tellig und sieht einfach grausig aus. Warum nicht „Ich erzählte, wie Sahra versucht hatte, mir mit der Yin Mo-Technik einen massiven Energieschub zu geben.“?

Finde ich gut, werde ich übernehmen.

Deine Intention war, dass er sie tatsächlich umbringt, nicht? Und erst danach die Wohnung verlässt? Wieso machst du dann nicht einen Absatz hinter tonlos?

Gute Idee, habe ich gemacht.

Auch wenn man da immer noch schön die Lösung reininterpretieren kann, die man reininterpretieren möchte.

Ja, das stimmt. So hatte ich das auch beabsichtigt.

Vielen Dank, Anna, dass Du geschrieben hast.

Gruß Achillus

Hallo Bernhard, schön, dass Du reingeschaut hast, danke für Deine Hinweise zu meiner Geschichte.

Eine außerordentliche Geschichte hast du da geschrieben, die sehr stimmig ist. Auch wenn ich am Anfang über ein paar Details meckere, finde ich, das der anfängliche Haken da ist, der den Leser in de Bann zieht.

Danke für das Lob.

Bezüglich Spannungsbogen finde ich aber, dass er zwar schnell hoch kommt, dann aber flach wird. Eine Prise Konflikt würde der Geschichte gut tun und zwar nicht nur angedeutet, sonder auch ausgelebt.

Ich hatte anfangs an eine weitere Eskalation gedacht, aber das plausibel einzubetten hätte den Umfang der Geschichte erhöht. Deshalb wollte ich es dann lieber bei der etwas knapperen Variante belassen.

Aber was muss Nick tun, um die Kurve zu kriegen?

Der Text lässt mehrere Möglichkeiten offen. Am Ende ist ja nur sicher, dass er die Stadt verlässt. Ob er sein Ziel erreicht und falls ja, mit welchen Mittel bleibt ungesagt.

Ich spuckte ein wenig Blut und spülte mir den Mund aus. Während ich mir die Hände abtrocknete, betrachtete ich mein Gesicht im Badezimmerspiegel. Ich stand eine Weile da, drehte meinen Kopf nach links, dann zur anderen Seite. Ich befühlte Etwas zu viel davon...

Leib - crazy hier mischst du ein altes Wort mit einem neuen - weiß nicht, ob du das so willst. Stimmiger fände ich statt Leib: Körper


Ja, die vielen Ich am Anfang stören mich auch und ich hatte mich gefragt, woher das kommt. Ich schreibe nicht so oft in Ich-Form. Bei einem Erzähler von außen ist es möglich zwischen er/ sie und dem Namen zu wechseln, ein Ich-Erzähler kann immer nur »ich« schreiben, wenn er über sich redet, das macht es etwas träge. Mal sehen, ob mir dazu noch was einfällt.

Und der Wechsel zwischen Leib und Körper ist nur gewählt, weil ich die Wortwiederholungen im Zaum halten möchte.

Bernhard, vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text.

Gruß Achillus

Hallo Perdita, danke, dass Du was zum Text geschrieben hast.

Zum Beispiel: Explizite Sexszenen tun’s einfach nicht für mich. Ich hab nichts gegen die, also ich will nichts zensiert haben, aber: ich langweile mich in der Regel dabei.

Ich hatte dazu in meiner Antwort zu Meuvind schon etwas geschrieben. Solche Aussagen sind mir suspekt. Sexualität ist essentiell (nicht nur für uns Menschen) und Darstellungen von Sexualität regen jeden Menschen an, der nicht schon halbtot ist. (Natürlich nicht zu jeder Zeit und in jeder Situation, aber grundsätzlich schon. Das läuft einfach auf einer unbewussten Ebene ab.) Man kann das kritisieren, für nicht literaturgemäß halten, aus religiösen oder sonstigen Gründen nicht vorgeführt bekommen wollen – aber langweilen? Nee, das glaub ich nicht.

Wirkt auf mich ähnlich wie Sportberichterstattung, ehrlich gesagt. Und die interessiert mich auch nicht.

Ist psychologisch überhaupt nicht schlüssig. Die Darstellung von Sportveranstaltungen berührt keine urwüchsigen menschlichen Impulse, jedenfalls nicht in dem evolutionären Sinn wie das bei Sexualität der Fall ist: Nicht jeder Mensch spielt Fußball, aber jeder Mensch hat Sex (in welcher Form auch immer).

Eine Geschichte, wo solche Szenen eine nicht unwichtige Rolle spielen, hat also von vornherein einen schwereren Stand bei mir. Aber in „Frost“ gab es die ja auch, das ist also nicht wirklich ausschlaggebend für meine mangelnde Begeisterung für diesen Text.

Gut, dann lag es also doch nicht daran.

Schwerer wiegt die Tammy. So Frauenfiguren ohne erkennbares Selbstwertgefühl, die sich für andere opfern … die kann ich nicht ab.

Ich finde, Du nimmst die Figur nicht ernst. Eine masochistisch veranlagte Frau ist nicht zwangsläufig ein Mensch ohne Selbstwertgefühl. Und dass sie sich opfert, sehe ich überhaupt nicht. Ich finde, sie verfolgt ihre eigenen Interessen. Wie man diese nun bewertet, steht auf einem anderen Blatt.

Da Online-Kommunikation so anfällig ist für Missverständnisse, möchte ich deutlich machen: Ich will damit nicht sagen: Solche Menschen gibt es in Wirklichkeit nicht, und schon gar nicht: Als Autor darf man so was nicht schreiben. Sondern einfach nur: mich persönlich nerven die.

Verstehe ich schon, aber das sind eben reine Unterstellungen. Tammy ist weder ohne Selbstwertgefühl noch ist sie ein Opfer.

Tammy wird zwar nicht als Vorbild dargestellt, und es wird darüber gesprochen, dass sie psychisch krank ist … gleichzeitig ist sie aber so ziemlich die einzige Figur, über die der Ich-Erzähler etwas Positives zu sagen hat.

Nik führt dieses Argument der psychischen Krankheit an, um Sarah zu widerlegen. Doch sie entlarvt das Argument als Heuchelei. Wenn Nik wirklich glauben würde, dass Tammy krank ist, dann hätte er sich auch auf die gewählten Sexpraktiken nicht einlassen dürfen.

Aber das ist auch nicht wirklich der Grund für meine Unzufriedenheit mit der Geschichte. Ich denke, darüber hätte ich hinweggesehen, wenn ich irgendeine von den anderen Figuren gemocht hätte.

Okay, daran lags also auch nicht.

Nur … irgendwie gibt es da nichts zu mögen. Und damit meine ich nicht, dass der Charakter der Hauptfiguren so abgrundtief furchtbar ist, sondern dass ich überhaupt nicht wirklich viel Charakter bemerkt habe, um ehrlich zu sein. Und ich glaube, da liegt der Hund begraben.

Du suchst in Texten nach Dingen, die für mich als Leser nicht so wichtig sind. Ich suche zwar nach Identifikationspotential, aber das gilt primär für die Konflikte, in denen die Figuren stecken. Ich muss die Figuren nicht mögen und auch das nicht, was sie tun, um den Text zu wertschätzen.

Dass Nik Charakter hat (ob gut oder schlecht ist eine Frage der Sichtweise), sieht man an den verschieden Entscheidungen, die er trifft und den Gedanken, die er sich macht. Er ist schon eine sehr spezielle Persönlichkeit.

Die Geschichte dreht sich ja darum, wie die ihr Kampfsport-Meditations-Okkulte Sexpraktiken-Dingsbums betreiben, um Unsterblichkeit zu erlangen. Und ich frage mich die ganze Zeit: Wofür?

Der denkt eigentlich die ganze Zeit nur darüber nach, wie er sein Kampfsport-Meditations-Sex-Chakra weiter öffnen kann, um nicht sterben zu müssen. Aber nie, warum er eigentlich weiterleben möchte.


Ich hatte das schon an Kanji geschrieben. Ich halte das für eine naive Frage. Seit wann ist der Kampf um das Überleben kein Motiv? Gibt es ein elementareres Motiv?

Ja klar, die Diagnose einer tödlichen Krankheit in jungen Jahren, das ist Mist. Aber damit eine Geschichte mich emotional mitnimmt, reicht das Gefühl „Puh, Leukämie, nicht schön, das wünscht man keinem“ nicht aus. Dafür braucht es so was wie: „Oh nein, der Nik hat Leukämie! Aber das ist doch der Protagonist, an dem ich hänge!“.

Das verstehe ich. Du hast kein Mitleid, mit einem todkranken Menschen, den Du nicht kennst. Zumal Dir die Figur auch nicht sympathisch ist. Das kann man als Schwäche des Textes deuten, wenn man will. Aber die beabsichtige Stoßrichtung des Textes ist vollkommen anders: Ich hatte nicht eine Sekunde lang vor, eine Geschichte zu schreiben, in der sich der Leser um Niks Zukunft sorgt. Das ist keine Geschichte von bemitleidenswerten Patienten, das ist eine Geschichte von drei vielleicht skrupellosen, in jedem Fall aber außergewöhnlichen Kriegern. Die brauchen unser Mitleid nicht.

Ich komme mir grade ganz furchtbar mäkelig und unfreundlich vor, denn natürlich ist die Geschichte sehr gut geschrieben, sehr gekonnt aufgebaut und originell. Aber ich trotz alledem hab ich mich wirklich so ein bisschen durchgequält. Vielleicht war die einfach nicht für mich.

Danke, dass Du Dir trotzdem die Zeit genommen hast.

Gruß Achillus

 

Hallo Rieger, vielen Dank für Deine Gedanken und Hinweise zum Text. Habe mich sehr darüber gefreut.

Da herrscht harter Realismus, der direkte Blick auf die Sache. Und das hat mich erst mal abgestoßen, vor allem die unterwürfig gezeichnete Frau, obwohl sie in manchen Anspielungen dann auch machtvoll erscheint in der emotional-morbiden Sicherheit, die sie ausstrahlt. Sie hat ja keine Angst vor dem Tod. Ob das die erniedrigende Darstellung wett machen kann, weiß ich nicht. Das hängt wohl von der Lesart ab. Interessant fände ich die Vorstellung, den Topos der Erniedrigten umzudrehen gegen die gängige Vorstellung. Zumindest aber haben alle Figuren durch die mehrschichtige Zeichnung mehrere Ebenen.

Ich denke, ein Problem der Lesart, Masochismus verstehen zu wollen als etwas Krankhaftes, Perverses oder Erniedrigendes hängt mit durchaus positiven Entwicklungen der westlichen Gesellschaften zusammen, durch die wir die Gewalt von Menschen gegen Menschen grundsätzlich kritisch betrachten oder schlichtweg ablehnen. Insbesondere die Gewalt gegen Frauen, die eine jahrtausendelange Tradition besitzt, wird in unseren modernen westlichen Gesellschaften abgelehnt und bekämpft. Mit großem Erfolg übrigens, wie auch grundsätzlich unsere westliche Kultur eine Dimension der Empathie und Gewaltlosigkeit erreicht hat, die im Vergleich zu 99 Prozent der Menschheitsgeschichte beinahe als Paradies bezeichnet werden könnte. Zumindest leben wir hier im Westen in der friedlichsten und gewaltlosesten Zeit, die die Menschheit jemals erlebt hat.

Und da schneidet eine gewalttätige Spielart des Sex natürlich schlecht ab in der öffentlichen Wahrnehmung, insbesondere bei Menschen, die sich mit den Hintergründen nicht beschäftigt haben. Aus meinem Blickwinkel haben sado-masochistische Sexpraktiken nicht zwangsläufig etwas mit der Art Gewalt zu tun, die die Psyche eines Menschen beschädigt oder zumindest gefährdet. Als Literatur sei hier A Defence of Masochism von Anita Phillips erwähnt.

Was viele Menschen so aus dem Stand nicht begreifen können, ist die schlichte Tatsache, dass die Erfahrung von Gewalt und Unterwerfung unter bestimmten Umständen genussvoll sein kann. Da springt dann eine sehr schlichte bürgerlich politische Korrektheit an, die uns sagt, dass das doch nicht richtig sein kann, denn wozu haben wir schließlich jahrtausendelang gegen Sklaverei und Unterdrückung gekämpft, wenn wir uns jetzt im Schlafzimmer anketten lassen sollen?

Tatsächlich kann eine masochistische Erfahrung uns mit Ur-Erfahrungen des Menschseins in Kontakt bringen, mit Härte und Schmerz beispielsweise, aber auch mit Lust oder sogar Ekstase. Bewusste Schmerzerfahrungen können sehr wichtige Katalysatoren für psychisches Wachstum sein, jeder Sportler und jeder Künstler weiß beispielsweise, dass solche Erfahrungen häufig notwendiger Bestandteil von physischen, geistigen und energetischen Durchbruchsprozessen ist.

In meinem Training gehören Schmerzen zu einer völlig normalen Erfahrung, ich nehme das so aufmerksam und gelassen wie möglich zu Kenntnis. Ich dämonisiere es nicht. Und diese Schmerzen werden mir unter anderem durch andere Trainierende zugefügt, die ich weder verfluche noch hasse. Ich kann mein ur-wüchsiges kleines Ego in diesen Momenten loslassen, und das ist eine sehr beglückende Erfahrung.

So geht es auch manchen Männern und Frauen beim Sex. Natürlich wird das in der breiteren Öffentlichkeit nicht verstanden, weil man dort eben primär auf die Fassade schaut. Aber da ist mehr, als das Auge sieht, und ich hatte gehofft, dass Tammy in ihrem sonstigen Wesen zeigt, dass sie eine eigenständig denkende Persönlichkeit ist und so den Leser vielleicht dazu bringt, von eingefleischten Vorurteilen loszulassen. Nicht jeder, der sich weigert, ein Mainstream-Leben zu führen, braucht unser Mitleid oder unsere Hilfe.

Das ist vielschichtig ausgedacht und sprachlich immer auf dem Punkt und genau in einer Balance zwischen Innenleben und Außendarstellung, was ich in Deinen Texten als besonders empfinde: Die Ausgewogenheit zwischen Darstellung und origineller Deutung.

Vielen Dank, das freut mich sehr.

Also: Ich war erstaunt. Dann ist mir der Text aber nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Irgendetwas war da für mich, das über die asiatische Kampfkunst-Energie-Lebensverlängerung-Sache hinausging. Das alte Motiv Eros und Thanatos, die Lebens- und Todesenergie. Im Text gehen diese beiden Ströme ineinander über, Thanatos legt sich über den Eros bei Tamara, während die schöpferische, gestaltende und erhaltende Energie sich im Dreierbund über den Tod legt und ihr Leben verlängern soll.

Ja, das kommt den Gedanken sehr nahe, die ich eben formulieren wollte.

Wenn ich diese Verstrickung für mich entwirre, ist das schon wieder mal eine raffinierte Sache, die fasziniert. Nicht nur ein Hauch von Kühle weht durch das Ganze natürlich, aber das ist ja der angestrebte Stil, dass es angesichts der Todesdrohung keine rührseligen Abschiedsszenen und Lebensresümees gibt wie im kleinen Fernsehspiel. Das hat was Erratisches, Eisiges.

Hm, ich denke, das trifft es sehr genau. Es gibt in unserer Kultur einen Hang zur Rührseligkeit, von dem ich vermute, dass er seinen Ursprung zum Teil im Verlust echter spiritueller Bindung und Erfahrung hat. Deshalb gibt es dieses überbordende Angebot an Pseudogefühlen und Kitsch. In meiner Geschichte versuche ich das zu umgehen, aber natürlich bin ich selbst auch nicht frei davon.

Das macht den Text, wie gesagt, in der mannigfaltigen Verstrickung faszinierend, aber auch hart in der Erscheinung, nachhaltig aber auf jeden Fall und bemerkenswert.

Vielen Dank, Rieger. Das ist ein tolles Kompliment.

Gruß Achillus

 

Hallo @Achillus,
eine runde Geschichte, dir mich sofort eingesogen hat, ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Dass ich mich mit den Kampftechniken nicht auskenne, hat mich dabei nicht gestört, obwohl mir die Szene mit dem Rausschmeißer ein wenig zu Kill Bill-mäßig war. Dadurch, dass Sarah das so nebenbei zu erledigen scheint, hatte es fast etwas slapstickartiges, was ich grundsätzlich gut finde, aber hier hat es mich kurz rausgekickt, weil es für mich nicht zum restlichen Stil gepasst hat. War jetzt nicht sooo störend, hat mich bloß stutzig gemacht.
Mit der Tammy hatte ich ein paar Probleme. Die ist mir ein bisschen zu lieb und aufopfernd, ich hätte es spannender gefunden, wenn sie mehrschichtiger gewesen wäre.
Kenne mich jetzt nicht so wahnsinnig mit SM aus, aber mir hat mal jemand erzählt, dass sich das Machtverhältnis im Alltag oft umdreht. Der M bringt den S dermaßen mit kleinen und großen Fiesheiten zur Weißglut, dass der seinen Frust auf ihn beim Sex an ihm austobt. Das klang plausibel für mich, nach einer Verbindung, die irgendwo einen Ursprung hat und nicht einfach nur stumpf drauflosgeprügelt wird. Auch die Schnittwunden haben für mich nicht zu ihrem Charakter gepasst. Bin jetzt nur Hobbypsychologin, aber ich kenne dieses Verhalten eigentlich nur von Borderlinern, die neben einer verständnisvoll sanften Seite eben auch etwas sehr Aggressives haben. Das hat mir bei Tammy gefehlt.
Gut fand ich den Moment, als sie Nikolei fragt, ob es nicht vielleicht auch umgkehrt sein könnte, das hat mich echt gegruselt. Aber das war nur ein kurzes Aufflackern, und ich hatte sie nach wie vor mit sanftem Gesichtsausdruck vor Augen.
Der Satz:
"Es steigert deine Erregung, wenn du mich beim Sex schlägst, nicht wahr?", kam mir deplaziert vor. Warum fragt sie ihn das erst jetzt? Sie weiß es doch längst und scheint ihren eigenen Genuss daraus zu ziehen.
Also insgesamt war Tammy mir zu eindimensional.

- einen Reißen in der Brust -
Hier würde ich sagen: Ein Reißen.

- ... sagte Sarah, und nahm einen Schluck aus ihrer Trinkflasche -
Ich denke, da kommt kein Komma.

- auszukleiden -
Hat für mich stilistisch nicht gepasst. "Auszuziehen" fände ich hier besser.

Das war's schon von mir. Insgesamt auf jeden Fall gerne gelesen.

Viele Grüße,
Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Wieselmaus, vielen Dank für Deinen Kommentar.

Zu weit weg ist das Ganze von meiner Realitiät, obgleich ich es höchst spannend finde, wie du die Elemente Gewalt und Sex in vielen Kulturen aufspürst und für deine Texte verwendest. Im Verständnis möchte ich mich gerne der Deutung @riegers anschließen, vor allem die Gegenpole Eros und Thanatos, die ja wohl im Freud'schen Alterswerk eine größere Rolle gespielt haben. Von der Handlung her habe ich nicht alles verstanden, vor allem den Schluss nicht.

Ja, das ist schon ziemlich kulturfremd. Aber es zeigt eben auch, dass man, wenn man wie Du offen an die Sache herangeht, trotzdem eine spannende Geschichte darin finden kann. Mich haben solche fremden und fremdartigen Praktiken schon immer fasziniert, weil sie zeigen, wie groß die Spannbreite menschlicher Erfahrung sein kann. Tatsächlich ist das, was man in unserer Kultur als normal betrachtet ja nur ein winziger Ausschnitt.

Das Problem ist aber, dass es schwerfällt, die Dinge die in fremden Kulturen passieren, in unser ethisches Bezugssystem einzuordnen. Ich war beispielsweise sehr überrascht, als ich zum ersten Mal hörte, dass es in Japan Reiseunternehmen für Kuscheltiere gibt. Diese Unternehmen fahren dann mit den Kuscheltieren (Hasen, Bären, Puppen) ihrer Klienten zu den großen Sehenswürdigkeiten Japans, fotografieren sie und schicken die Bilder per Mail »nach Hause«, wo sich dann die Klienten sehr darüber freuen, was ihre Kuscheltiere so Tolles erleben. Ich fand das sehr bizarr, an Wahnsinn grenzend, bis ich mich dann ein bisschen mehr mit dem shintoistischen Hintergrund befasst habe, der in Japan sehr verbreitet ist. Im Shintoismus gibt es keine Trennung zwischen belebter/ beseelter Natur und unbelebter/ unbeseelter Materie. Alles besitzt eine Seele, ein Bewusstsein. Wenn man diese Sichtweise versteht, kann man auch Reiseunternehmen für Kuscheltiere ein wenig mehr nachvollziehen … (Mittlerweile gibt es das übrigens auch in Berlin :rolleyes:)

Neulich bin ich wieder auf Laclos und seinen Briefroman "Gefährliche Liebschaften" gestoßen. Ich finde da eine ähnliche Kälte, fast klinische Sezierung, wenngleich die amoralische Haltung der Protagonisten die damalige Gesellschaft empört hat.

Danke für den Tipp, da schaue ich gern mal rein.

Das Amoralische (was etwas Anderes ist als das Unmoralische) verbindet deine Protagonisten durchaus. Vor allem in der Zielsetzung: nämlich Lustgewinn durch Ausbeutung von anderen Menschen, wobei in deinem Text das eigentliche Ziel (ewiges Leben?) noch rabiater verfolgt wird. Das ist auf jeden Fall Vampirismus.

So sehe ich das auch. Ich habe ein bisschen gegrübelt, weil einige Kommentatoren den Titel nicht »korrekt« fanden.

Du wirst den Film "Interview mit einem Vampir" (1994, mit Brad Pitt) sicher kennen, wobei dort gerade das Gewissen über den Tod hinaus gewahrt bleibt.

Kenne ich nur vom Titel her, werde ich mal reinschauen.

Ich mache es mir etwas einfacher und schließe mich @rieger an. Sprachlich bist du jedenfalls bei den Besten, aber kaum Mainstream.

Vielen Dank für das Lob, Wieselmaus!

Gruß Achillus


Hey Greenwitch, danke, dass Du geschrieben hast.

nun traue ich mich doch mal, wenigstens eine Leseeindruck möchte ich zu dieser tollen Geschichte da lassen. Seit dem Einstellen hast Du ja einige Schrauben gedreht, insofern ist mein erster Notizzettel hinfällig. Dein Sprachumgang war für mich eine schöne Lernstunde - Dankeschön!

Ja, auch ich habe beim ersten Lesen immer mal wieder auf die Tags geschult, aber eigentlich finde ich Spannung wirklich richtig, der "Rest" ist dann doch Beiwerk, wenn auch heftig.


Freut mich sehr, vielen Dank für das Lob.

Interessante Version der Charakterisierung im Bett - ich war neugierig, sicherlich ein bisschen Voyeur und erschreckt. Da geht im Leser viel los, nicht unbedingt angenehm, aber wenn das eine Geschichte auslösen kann ...

Ich denke, dass Sexualität auch unabhängig von unserem Interesse an Erotik ein spannendes Thema ist, weil es eben eine Menge über das Verständnis und Selbstverständnis des Menschen zeigt. Leider ist es auch im Freundeskreis sehr schwierig, darüber offen zu reden, weil das natürlich ein Thema mit vielen Tabus ist.

Hier bleibe ich jedesmal hängen, vielleicht habe ich zuviel blöde Fotografen in meinem Umfeld, aber der Satz passt für mich einfach nicht zu Sarah, die Lacht nie, sagt aber sowas albernes und dann rollt sie echt mit den Augen. Da stimmt mein Bild im Kopf einfach nicht, aber natürlich sehr subjektiv.

Ja, stimmt, das habe ich rausgenommen.

Die Härte des Trainings irritiert mich , wirkt das Sammeln der sexuellen Energien so stark, das sie als Totkranke sowas leisten können? Dazu dann noch die äußeren Veränderungen, Verjüngungen und gleichzeitig noch Ansammeln von Energie, ach ja und saufenund rauchen nicht zu vergessen. Das ist jetzt eher eine generelle Frage bei Fantasie - schluckt der Leser das auf Dauer? Muss ich da nicht mehr erklären? Will und kann man aber oft nicht, ich habs gerade im ganz kleinen an einer eigenen Geschichte gemerkt, schwierig. Gib es da noch einen dritten Weg?

Hm, die Härte des Trainings sollte ein Hinweis sein, wie ernst es diesen Leuten ist. Das ist keine Eso-Selbsthilfegruppe, das sind Krieger. Ich verstehe aber, dass das erst einmal irritierend ist.

Ich finde es ausgesprochen spannend, wie Du dem Plot immer wieder eine andere Richtung gibst, in meiner Unerfahrenheit dann meist auch eine völlig unerwartete, hoffentlich kann ich mir irgendetwas davonmerken ...

Danke für das Lob.

Tja, das Ende! Wie gesagt, völlig unerwartete Wendungen. Ich sehe in Deinem Prot keinen potentiellen Mörder. Ja, er steigt die Erregung und damit die Energie mit Gewalt. Aber Tot als Erregung ist eine ganz andere Qualität, er nimmt immer das Einverständnis der Partnerin wahr, er hat Mitgefühl, er reagiert - ne, eine Mord nehme ich ihm einfach nicht ab.

Aber so wie das Ende jetzt da steht, darf ich es ja auch als offen lesen, oder? Und das gefällt mir richtig gut: Was dann?


Ich habe das Ende so gestaltet, dass man es – wie Du – offen lesen kann. Ich glaube, dass dann die persönlichen Sichtweisen des Lesers in Spiel kommen können.

Nochmals Danke für die lehrreiche Geschichte, irgendwann hat man hoffentlich so viele gute Geschichten gelesen, das auch ein wenig im Kopf hängenbleibt

Vielen Dank für das Kompliment, Greenwitch!

Gruß Achillus

Hey Zigga, schön, dass Du geschrieben hast. Vielen Dank dafür!

tolle Geschichte. Auch irgendwie anders als das, was du sonst schreibst; schon erkennbar, dass das Achillus ist, da schwingen deine Themen und Werte in der Tiefe mit, aber das Übernatürliche und dieses "Alltägliche" kannte ich jedenfalls in der Form noch nicht von dir.

Das stimmt, ist ein eher unübliches Setting für mich. Auch die Ich-Form mache ich nicht so oft. Mir hat das Schreiben aber eine Menge Spaß gemacht, vielleicht versuche da noch ein bisschen mehr in dieser Richtung.

Ich finde die Dialoge extrem stark, auch die Figurenzeichnung und die einzelnen Szenen. Ich hatte jede Figur sehr gut vor Augen und insgesamt kommen mir alle Menschen, die du auftauchen lässt, sehr organisch und lebendig vor.

Danke, das höre ich gern.

Den Anfang fand ich extrem stark. Das BDSM, die Leukämie. Das hooked schon sehr und bringt sofort so einen Zug, bei dem man gut Bock bekommt, das Teil weiterzulesen. Jedenfalls ging es mir als Leser so.

Schön, wenn das klappt.

Allerdings befürchte ich, dass du beim Info-Weglassen über das Übernatürliche, dieses sexuelle Energien-Teil, die Gruppe der Drei, etc., dieses ganze Themenfeld, dass du da einfach an falscher Stelle Info weggelassen hast.

Ja, da stimmt wahrscheinlich. Ist mir erst durch die Kommentare bewusst geworden.

Da baust du natürlich eine Spannung den Text über auf, und dann erfahre ich als Leser ungefähr 30% der Infos, die mich dann schlussendlich über dieses "Übernatürliche" interessieren.

Was wohl ein bisschen zu wenig ist …

Ich finde wie bereits gesagt, da lässt du an falscher Stelle weg. Ich weiß jetzt nach dem Lesen schlicht nicht genau, um was es sich z.B. bei dieser aufgerissenen "Kluft" handelt usw. Trau dich und telle da einfach an deine Leser an geeigneter Stelle ein wenig mehr, um was es sich hier genau handelt.

Ja, das werde ich machen. Danke für den Hinweis.

So ist mir da an falscher Stelle leider auf eine Art Info weggelassen, dass es mich nach dem Lesen doch etwas unbefriedigt zurücklässt. Ich habe das Gefühl, da wurde etwas nicht auserzählt und es kommt mir bei Weitem nicht so eindeutig vor, dass ich es mir selbst zusammenreimen könnte. Hau an dieser Stelle noch mal rein, und das Teil wird besser.

Na, mal sehen. Ich setze mich da jedenfalls noch mal ran.

Ansonsten hab ich nichts auszusetzen. Im Gegenteil, ich habe es wirklich sehr gerne gelesen, Achillus.

Vielen Dank, Zigga, freut mich sehr.

Gruß Achillus


Hallo Chai, vielen Dank, dass Du mir geschrieben hast!

eine runde Geschichte, dir mich sofort eingesogen hat, ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Dass ich mich mit den Kampftechniken nicht auskenne, hat mich dabei nicht gestört, obwohl mir die Szene mit dem Rausschmeißer ein wenig zu Kill Bill-mäßig war.

Ja, diese Szene fand einige Leute zu hart oder zu actionmäßig.

Dadurch, dass Sarah das so nebenbei zu erledigen scheint, hatte es fast etwas slapstickartiges, was ich grundsätzlich gut finde, aber hier hat es mich kurz rausgekickt, weil es für mich nicht zum restlichen Stil gepasst hat. War jetzt nicht sooo störend, hat mich bloß stutzig gemacht.

Das ist ein interessanter Punkt. Vielleicht liegt es tatsächlicher weniger daran, dass das passiert ist, sondern wie es beschrieben wird. Mal sehen, ich schau da noch mal rauf. Vielen Dank für den Hinweis.

Mit der Tammy hatte ich ein paar Probleme. Die ist mir ein bisschen zu lieb und aufopfernd, ich hätte es spannender gefunden, wenn sie mehrschichtiger gewesen wäre.

Naja, sie ist eine Nebenfigur in einer Kurzgeschichte. Vielleicht ist sie ein wenig zu interessant geraten, irgendwie wollen eine Menge Leute mehr von ihr wissen. Das war so nicht beabsichtigt

Kenne mich jetzt nicht so wahnsinnig mit SM aus, aber mir hat mal jemand erzählt, dass sich das Machtverhältnis im Alltag oft umdreht. Der M bringt den S dermaßen mit kleinen und großen Fiesheiten zur Weißglut, dass der seinen Frust auf ihn beim Sex an ihm austobt. Das klang plausibel für mich, nach einer Verbindung, die irgendwo einen Ursprung hat und nicht einfach nur stumpf drauflosgeprügelt wird.

Naja, ich kenne mich da ein bisschen aus und würde sagen, es gibt nichts, was es nicht gibt …

Auch die Schnittwunden haben für mich nicht zu ihrem Charakter gepasst. Bin jetzt nur Hobbypsychologin, aber ich kenne dieses Verhalten eigentlich nur von Borderlinern, die neben einer verständnisvoll sanften Seite eben auch etwas sehr Aggressives haben. Das hat mir bei Tammy gefehlt.

Also ich habe diese Verbindung durchaus schon erlebt. Nicht jedes Mädchen, das sich schneidet, ist gleich eine Borderlinerin. Allerdings hat auch nicht jede Todessehnsüchte …

Der Satz:

"Es steigert deine Erregung, wenn du mich beim Sex schlägst, nicht wahr?", kam mir deplaziert vor. Warum fragt sie ihn das erst jetzt? Sie weiß es doch längst und scheint ihren eigenen Genuss daraus zu ziehen.


Hm, darüber werde ich nachdenken und schau mir das noch mal an.

Das war's schon von mir. Insgesamt auf jeden Fall gerne gelesen.

Danke, Chai, auch für die Hinweise zur sprachlichen Gestaltung.

Gruß Achillus

 

Hey Achillus,

ist schon paar Tage her, dass ich deine Geschichte gelesen hab. Da war dann auch erst mal so völliges Chaos in mir, nicht wegen der Storyline, sondern mich selbst zu dem Text zu positionieren, und das klappt mit bisschen Abstand ja meist recht gut. In diesem Fall aber nicht wirklich. Ich versuch trotzdem mal, einen Eindruck in Sätze zu fassen, wird wohl eher ein Leserfeedback als konstruktives Material, aber das nimmt ja auch gern mit, behaupte ich jetzt mal frech.

Drei Dinge, die aber sofort klar waren:
1. sprachlich sauberes Handwerk, überhaupt keine Frage
2. die Idee, aus sexuelle Energie gegen den Tod auszuspielen - super!
3. mich hat keine der Figuren wirklich berührt, insofern war ich mehr Zuschauer als Teilhaber des Ganzen, wobei ich jetzt aber gar nicht sagen kann, dass ich das als negativ empfunden hab, ist eher eine neutrale Feststellung und wahrscheinlich dem Setting geschuldet ist, ich mein, das Identifikationspotential ist schon mega gering hier.

Die Idee war ein bisschen so: Was wäre, wenn ich mich von der Energie anderer nähren könnte und würde ich das auch machen, wenn das vielleicht den Tod eines anderen Menschen nach sich zieht.

Das war tatsächlich für mich der springende Punkt der ganzen Geschichte. Also, die Idee als solche (die da auch sehr spannend ist, weil gar nicht abwegig, denn aus der sexuellen Energie heraus erwächst ja schließlich das Leben - mal so ganz platt runtergebrochen, weil , na ja, also mit Abstrichen natürlich. Da gehört schon auch mehr dazu.).
Und dann eben die moralische Frage, die das aufwirft. Wenn ich mein Leben dadurch "retten" kann, und der andere sowieso sterben will, wieviel Schuld lade ich mir da auf? Sterbehilfe = Lebensrettung? Wäre am Ende irgendwie eine Form der (freiwilligen) Organspende. Ich liebe Dich, ich sterbe für Dich. Allein darüber könnte man stundenlang nachklüngeln - also im fiktiven Bereich - in Natura ist Mord ein Mord bleibt ein Mord. Was bisschen Schatten drauf wirft und die Aktion als fragwürdig aufweißt, man weiß ja nicht, was nach dem "Übertritt" passiert, ich weiß nicht mal, ob deine Figuren das wissen oder ob sie das eher glauben/hoffen. Im Angesicht des Todes machen viele Menschen viele Dinge in der Hoffnung auf ... Damit wird viel Geld gemacht in dieser Welt und von den Religionen wollen wir mal gar nicht erst anfangen.

Achillus schrieb:
Sarah war von Beginn an als die skrupelloseste, aber auch am meisten freie Figur gedacht. Sie ist extremer als die beiden anderen Vampire, wird nicht durch Konventionen oder persönliche Vorlieben beschränkt.

Da kann ich Dir guten Gewissens und ohne Kopfchaos sagen, die habe ich genau so empfunden.

Achillus schrieb:
Für das Ende fand ich bislang nur wichtig, dass die drei “Vampire” den bevorstehenden Tod überwinden/ überwinden wollen. Dazu benötigen sie Energie und die nutzen sie, um eine Barriere zu öffnen, einen Riss in der Realität, im normalen physikalischen Raum. Du möchtest erfahren, was sie dann machen, ob sie durch den Spalt in eine andere Dimension schlüpfen, in eine Art paradiesisches Jenseits oder in eine Parallelwelt oder einen Zeittunnel usw.

Das klang ja eben schon bei mir an. Ich weiß nicht, ob ich das wirklich genau wissen möchte, was danach, ich hätte mir aber schon gewünscht, da zumindest eine Ahnung zu haben, damit die drei mir in ihrer Motivation näher kommen. Und irgendwie hätte es mir vielleicht auch gereicht, wenn die sexuelle Energie gegen die Krebszellen direkt wirkt, ihr Wachstum hemmt, sie (je mehr, je besser) vielleicht sogar töten kann (dann eben muss auch der Mord her). Man hat ja auch rausgefunden, dass junges Blut (die roten Blutkörperchen? weiß nicht mehr) durchaus verjüngende Wirkungen hat, wenn man es alten Menschen zuführt, also bei Demenz lassen sich wohl positive Ergebnisse nachweisen. So ganz banal hergeleitet, hätte ich das sogar noch eher geschluckt als diese nebelöse Zukunft.

Wie Du siehst, der Text hat bei mir einiges aufgeworfen, der treibt mich auch um, das ist auf jeden Fall für mich die stärkste Seite des Textes und dafür gibt es einen :thumbsup:.

Beste Grüße, Fliege

 

Salve @Achillus,

ich tue mich generell schwer mich expliziter Darstellung von Gewalt und Sexualität, oder der Mischung aus beidem, und das hält mich bei deinem Text von Beginn an auf Distanz. Ich kann weder mit SM-Fantasien, noch mit Körperstählung durch Askese oder irgendwelche Mental-Techniken irgendetwas anfangen. Energie sagt mir etwas, ich mach Tai Chi, nur stört mich in deiner Geschichte der Verwendungszweck. Das nur als persönliche Sichtweise.
Mich stört ebenfalls, wie deine Protagonisten andere Menschen benutzen, sie für ihre Zwecke instrumentalisieren und manipulieren. Ich lese das und es nimmt mich nicht mit, weil ich persönlich keine Erkenntnis und somit keinen Mehrwert daraus ziehen kann. Das mag naiv klingen für dich, doch das Predator/Beute-Schema weckt bei mir eher Aversion als Faszination.

Dem Tod entrinnen, die Barriere durchbrechen durch das Aufstauen sexueller Energie, puh, die Idee ist schon reichlich abgedreht und mir letztlich zu kryptisch, weil ich zu wenig darüber erfahre, was genau passieren soll. Klar, ich weiß das Trio ist unheilbar krank, ihnen läuft die Zeit davon und sie greifen nach dem einzigen Strohhalm, dem Menschenopfer, von dem sie glauben, es könne sie auf die nächste Ebene katapultieren. Aber was dann wie laufen soll, erfahre ich nicht und an dem Punkt quält mich ein gewisser Mangel an Fantasie (das Problem habe ich sonst nicht). ;)

Du merkst, der Tobak ist für mich einfach zu hart, ich habe schlicht gesagt ein Problem mit dem Thema und gehöre hiererorts nicht zu deinem Zielpublikum.
Versteh mich nicht falsch, deine Geschichte hat erzählerisch sicher hohe Qualität, ich spüre die Sinneseindrücke, die du sehr plastisch schilderst, doch ich komme über die thematischen Hürden nicht drüber. Somit bleibt mir nur das Warten auf deine nächste Story.
Dennoch wünsche ich dir viel Erfolg für die Challenge, denn nicht jeder liest es so wie ich.

Peace, linktofink

 

Hi @Achillus ,

ich bin gerade im Rahmen der Challenge auf deine Geschichte "Vampire" gestoßen. Nachdem ich mich ein wenig durch die Kommentare gearbeitet habe, konnte ich feststellen, dass bereits viele meiner eigenen Leseeindrücke zur Sprache gekommen sind. Deshalb möchte ich auch gar nicht so viel schreiben - vielleicht freust du dich ja trotzdem über einen weiteren, kleinen Kommentar.

Mir geht es dabei wie einigen anderen: Erotic Fantasy ist irgendwie so gar nicht meins. Und trotzdem gefällt mir deine Geschichte, du hast einen wunderbaren Schreibstil, der mich bis zum Ende halten konnte. Auch wenn die Charaktere und ihre Beweggründe auf mich etwas befremdlich wirken, so sind sie dennoch fein gezeichnet und geben gerade genug von sich preis, so dass es geheimnisvoll und spannend bleibt. Ich kenne mich in dem Genre ja nicht aus, aber deine ganze Idee scheint erfrischend zu sein und so etwas finde ich immer ganz toll.

Ich habe deine Geschichte gern gelesen.

Beste Grüße
Cohen

 

Hallo Fliege, schön, dass Du reingeschaut hast, vielen Dank für Deine Worte zum Text. Ich habe mir ein bisschen Gedanken gemacht zu Deiner Bemerkung, dass die Figuren Dich nicht wirklich berührt haben. Auf der einen Seite ist klar, dass es vorteilhaft für einen Text ist, wenn man sich in eine Figur einfühlen kann, wenn sie einem nicht völlig fremd bleibt. Andererseits kommt dieser Wunsch, eine Figur sollte uns berühren eher von weiblichen als von männlichen Lesern, und das deutet auf grundsätzlich andere Bedürfnisse hin.

Ich habe mir die letzten Romane und Filme genommen, die ich gelesen/ gesehen habe und mich gefragt, ob mich da Figuren emotional berührt haben und zwar über das Maß eines gewissen Interesses bzw. einer normalen Anteilnahme hinaus. Und das ist nicht der Fall. Die letzten Sachen die ich gelesen, gesehen habe waren L.A. Confidential, Stadt der Teufel von James Ellroy, Die böse Stunde von Marquez, dann die Filme Wolfsnächte und How it ends. Ich fand all diesen Stoff bereichernd, spannend, zum Teil auch bewegend, aber nicht weil mir die Figuren sonderlich nahe gegangen wären, sondern die Geschichten, in der sie ihre Rolle spielen, waren bemerkenswert.

mich hat keine der Figuren wirklich berührt, insofern war ich mehr Zuschauer als Teilhaber des Ganzen, wobei ich jetzt aber gar nicht sagen kann, dass ich das als negativ empfunden hab, ist eher eine neutrale Feststellung und wahrscheinlich dem Setting geschuldet ist, ich mein, das Identifikationspotential ist schon mega gering hier.

Du stellst das in Deinem Kommentar ja ganz neutral fest, und das finde ich gut. Figuren können uns bewegen, und das kann gut sein, das kann ein Indiz für Qualität sein. Figuren können uns aber auch bewegen, weil der Autor unsere Gefühle manipuliert. Amerikanisches Kino ist sehr gut darin, Figuren zu kreieren, die sofort unseren Beschützerinstinkt, unsere Anteilnahme, unser Mitleid erregen. Und gerade das weibliche Publikum scheint süchtig nach diesen Emotionen zu sein. Dafür gibt es verständliche Gründe, aber nicht selten ist es auch einfach Kitsch, der die Leute zum Heulen bringt.

Nehmen wir Kafka als Beispiel. Ich kann nicht sagen, dass mich Kafkas Figuren, insbesondere in seinen Kurzgeschichten sonderlich berühren. Auch das scheint ein Beispiel zu sein, wo die Geschichte wichtiger ist, als eine Charakterzeichnung die starke Anteilnahme erzeugt.

In dieser Geschichte hier geht es um Menschen, die sich sehr weit von der Lebenssituation anderer Menschen entfernt haben. Leser, die in diesen Figuren ihre eigene, private Geschichte suchen, werden da irritiert sein. Das ist so ein Fazit, das ich nicht allein aus Deinem Kommentar ziehe, sondern ganz grundsätzlich aus einigen Reaktionen hier ableite. Ich glaube, es kommt darauf an, ob wir in einer Geschichte einen Spiegel unserer eigenen Schwierigkeiten im Leben finden wollen oder ob wir uns auch auf etwas völlig anderes einlassen können.

Ich weiß nicht, ob ich das wirklich genau wissen möchte, was danach, ich hätte mir aber schon gewünscht, da zumindest eine Ahnung zu haben, damit die drei mir in ihrer Motivation näher kommen.

Ja, das ist so ein weiterer Punkt, mit dem ich kämpfe. Die Feedbacks dazu gingen nicht alle in die gleiche Richtung, aber viele Leser wünschen sich mehr Aufklärung. Ich verstehe natürlich, dass man solche Rätsel gern gelöst bekommt, und habe mich auch entschlossen, dazu ein bisschen mehr Hinweise zu geben. Aber grundsätzlich halte ich das für eine Forderung, gegen die man als Autor Widerstand leisten sollte.

Ein Autor soll dem Leser natürlich Vergnügen bereiten, aber man darf sich auch nicht zum Erfüllungsgehilfen aller Wünsche machen. Denn ein Teil dieser Wünsche ist naturgemäß ungerechtfertigt. Kafka lässt seine Leser über weite Strecken im Dunkeln, was die Hintergründe seiner Geschichten betrifft. Lynch tut das in seinen Filmen in noch größerem Umfang. Houellebecq erzeugt mit seinen Figuren kaum Sympathien beim Leser. Trotzdem sind alle drei Beispiele für herausragendes Handwerk und große Kunst.

Wie Du siehst, der Text hat bei mir einiges aufgeworfen, der treibt mich auch um, das ist auf jeden Fall für mich die stärkste Seite des Textes

Vielen Dank für das Lob und Deine Gedanken zum Text überhaupt. Habe mich sehr darüber gefreut.

Gruß Achillus

 
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Hallo Bea, vielen Dank für Deine Worte zum Text. Die Dialogführung in der Parkszene habe ich etwas verändert. Ich denke, man versteht jetzt ein wenig mehr.

Fazit 2. Sexszene mit Tammy: Tammy ist unterwürfig, er dominiert und mag harten Sex. Und darüber hinaus? Was ich bis jetzt und bis zum Schluss nicht verstanden habe, warum macht Tammy das (wohlgemerkt geht es mir nicht ums wie, denn von mir aus können sie sich auch im Kopfstand Energie zuführen oder absaugen), sondern um die Frage, warum sie es mit ihm tut, wenn sie weiß, dass sie selbst krank werden und sterben kann?

Warum macht Tammy das? Warum neigen Menschen dem Masochismus zu? Tatsächlich ist das eine recht weit verbreitete Spielart menschlicher Sexualität. Es gibt viel mehr Masochisten als Sadisten. Im Gegensatz zum Sadismus muss Masochismus nicht erlernt werden. Untersuchungen belegen, dass die meisten Sadisten anfangs überhaupt kein Interesse an Dominanz und Unterwerfung ihres Partners haben, sondern auf Wunsch ihres masochistischen Partners damit überhaupt erst beginnen. Dann allerdings »erlernen« sie die Fähigkeit, durch sadistische Praktiken Genuss zu empfinden.

Bei Tammy kommt eine nicht näher erläuterte Todessehnsucht hinzu. Sie ist das Spiegelbild zu Nik, der alles versucht, um am Leben zu bleiben. Das Vampirische hier ist auch nicht, dass Nik seine Partnerinnen direkt krank macht. Sie pressen ihre Partner eher energetisch und emotional aus, erschöpfen sie. Das wiederum kann gesundheitlich negative Effekte haben, aber das ist sozusagen nur eine mögliche Spätfolge. Es gibt auch andere Varianten. Julia z.B. aus der ersten Szene trennt sich einfach von Nik. Und damit ist die Sache für sie erledigt.

Wieso weidet er sich daran? Freut es ihn zu sehen, wie sie weniger Energie besitzt? Das macht ihn nicht gerade symphatisch.

Es war nicht meine Absicht. Nik oder die anderen Vampire sympathisch darzustellen. Die drei folgen einer ganzen anderen inneren Richtschnur, als die Menschen, die ein bürgerliches Leben führen. Darin liegt etwas Monströses, Unbarmherziges. Auf der anderen Seite fasziniert es mich aber auch.

Zwischen den dreien herrscht ein gewisser Konflikt. Sie sind ein Team, aber nicht unbedingt Freunde. Sie kooperieren, aber nicht unbedingt auf der Grundlage von Sympathie.

Ich finde es spannend, dass viele Kommentare ethische Wertungen behandeln. Spannend, weil das angesichts der Fähigkeiten der drei nicht so leicht sein sollte. Die Geschichte zweifelt ja nicht daran, dass die drei die physikalische Welt in unerhörter Weise manipulieren können. Daran Anstoß zu nehmen, dass diese drei Personen nicht nett sind, naja, darum ging es mir beim Schreiben gar nicht.

Aha, das ist interessant. Was ist ihr gemeinsames großes Ziel? Und woher der Erkenntnisumschwung, dass das Kampftrainung und die Schwimmstunden doch nicht dahin führen? Es müsste vorher irgendwie deutlich geworden sein, dass die körperliche Arbeit (Konzentration, Ausdauertraining etc) nicht viel gebracht hat. (Wendepunkt)

Ich werde die Zielsetzung (das Öffnen der Barriere, die den Übergang in eine andere Welt/ Dimension/ Bewusstseinsebene abriegelt) noch ein wenig früher erwähnen, dann wird das vielleicht deutlicher.

Achillus schrieb: »Sarah sah mich an, und zum ersten Mal begriff ich, was das Training aus uns gemacht hatte.« Das würde ich auch gerne wissen und begreifen wollen.

Unter dem Strich ist es die Problematik eines Mephisto-Deals. Die Vampire werden leben, aber dafür entfernen sie sich vom Menschlichen. Ist es das wert? Grundsätzlich oder in diesen speziellen Fällen?

Mein Leseeindruck hat nichts mit persönlichen Lesevorlieben oder sonstigem Geschmack zu tun. Ich kann das gut abstrahieren und lese gerne Texte, die entweder von ihrer Idee, ihrem Thema, ihrer Machart oder Sprache einzigartig sind und Neues wagen. Von daher ein großes Plus für die Idee. Ich habe mich gerne mit ihr auseinandergesetzt und hoffe, es ist vllt. etwas dabei, aus dem du etwas machen kannst.

Ich weiß Deine Hinweise sehr zu schätzen. Und ich denke, die helfen auch bei zukünftigen Projekten. Vielen Dank dafür.

Gruß Achillus


Hallo linktofink, vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text.

ich tue mich generell schwer mich expliziter Darstellung von Gewalt und Sexualität, oder der Mischung aus beidem, und das hält mich bei deinem Text von Beginn an auf Distanz. Ich kann weder mit SM-Fantasien, noch mit Körperstählung durch Askese oder irgendwelche Mental-Techniken irgendetwas anfangen. Energie sagt mir etwas, ich mach Tai Chi, nur stört mich in deiner Geschichte der Verwendungszweck. Das nur als persönliche Sichtweise.

Ich entnehme daraus, dass Du bei dieser Geschichte ein wenig Mehraufwand betreiben musst, um mit professionellem Blick darauf zu schauen. Grundsätzlich sollten bei der Beurteilung eines Textes persönliche Vorlieben oder Abneigungen keine Rolle spielen. Das tun sie aber eben immer trotzdem ein wenig, deshalb bin ich Dir dankbar, dass Du es erwähnst.

Mich stört ebenfalls, wie deine Protagonisten andere Menschen benutzen, sie für ihre Zwecke instrumentalisieren und manipulieren. Ich lese das und es nimmt mich nicht mit, weil ich persönlich keine Erkenntnis und somit keinen Mehrwert daraus ziehen kann. Das mag naiv klingen für dich, doch das Predator/Beute-Schema weckt bei mir eher Aversion als Faszination.

Das ist ein moralistischer Standpunkt, der wahrscheinlich wenig geeignet ist, sich sinnvoll mit dem Text zu befassen. Die Figuren dieses Textes sind keine Protagonisten eines Kinderbuches, die bei den Lesern Freunde suchen. Sie konfrontieren uns mit einer bestimmten Sicht auf die Dinge, und wenn man das so einfach abtut, kann man nicht erkennen, was dahinter steckt. Jedenfalls ist das meine Überzeugung. Tatsächlich habe ich beim Betrachten menschlicher Verhaltensweisen ebenso viel von Personen gelernt, deren Handlungsweisen ich ablehne, wie von solchen, die ich als Vorbild betrachte.

Du merkst, der Tobak ist für mich einfach zu hart, ich habe schlicht gesagt ein Problem mit dem Thema und gehöre hiererorts nicht zu deinem Zielpublikum.

Das ist okay für mich. Ich profitiere trotzdem von Deinem Feedback.

Gruß Achillus


Hallo Cohen, danke für Deinen Kommentar und Dein Lob zum Text.

Mir geht es dabei wie einigen anderen: Erotic Fantasy ist irgendwie so gar nicht meins. Und trotzdem gefällt mir deine Geschichte, du hast einen wunderbaren Schreibstil, der mich bis zum Ende halten konnte. Auch wenn die Charaktere und ihre Beweggründe auf mich etwas befremdlich wirken, so sind sie dennoch fein gezeichnet und geben gerade genug von sich preis, so dass es geheimnisvoll und spannend bleibt. Ich kenne mich in dem Genre ja nicht aus, aber deine ganze Idee scheint erfrischend zu sein und so etwas finde ich immer ganz toll.

Ja, ich habe wirklich lange darüber nachgedacht. Ich wollte eine wirklich ungewöhnliche Geschichte schreiben, etwas, das die meisten Leser mit Sicherheit noch niemals zuvor gehört haben. Der Preis dafür ist, in eine Welt zu tauchen, die schwer vermittelbar bleibt, auch wenn man per Ich-Perspektive sehr dicht an die Charaktere rangeht.

Man muss sich klarmachen, dass die drei Vampire ja wissen, worum es geht. Die werden nicht dem Leser zuliebe eine Einführung in die theoretischen Grundlagen ihrer Tantrapraktiken geben. Und auch der Erzähler muss so dargestellt sein, dass man ihm abnimmt, wie sehr er diese fremde Sichtweise integriert hat. Es wäre merkwürdig, wenn er ständig den Übersetzer spielen würde.

Es freut mich, dass Du die Geschichte trotz ihrer Rätselhaftigkeit gern gelesen hast.

Gruß Achillus

 

Hallo AWM, vielen Dank für Deinen Kommentar. Von den sprachlichen Verbesserungen habe ich einige übernommen, vielen Dank für diese Hinweise.

Ein paar Details:

klatschende Schläge finde ich komisch, weil Schläge auf den Kopf immer klatschen. Ohrfeigen? Schläge mit der flachen Hand?

Das stimmt so nicht. Schläge ins Gesicht/ zum Kopf klatschen nicht immer. Faustschläge klatschen nicht, Handkantenschläge auch nicht, Backfists und Hammerfaustschläge auch nicht. Schläge mit offener Innenhand oder flacher Rückhand klatschen. Das war hier gemeint.

Alles, was sie wollte, war rohe Gewalt. Sie behauptete, dass Sex ohne Gewalt und Schmerzen sinnlos für sie sei … Das finde ich irgendwie zu plakativ. In der Sexszene mit ihr kam mir das nicht so vor. Hab es viel ambivalenter gelesen. Sie hat diese Neigung, die durchschimmert, aber da ist auch Scham. Für mich passt es also nicht, dass sie sowas behauptet.

Ich finde das weder plakativ noch widersprüchlich. Die Sexszene ist ein konkretes Ereignis, das Statement über Tammys Neigungen ist eine rückschauende Zusammenfassung.

»Was glotzt du mir auf die Titten!« Sie sprang auf und lief im Raum umher.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich Sarahs Brüste betrachtet hatte.
Ich holte Luft. »Sorry. Ich wollte nicht …«

Fand ich komisch, wo sie doch sonst so krass offen sind und ja auch schon zusammen "geübt" haben.


Zunächst einmal ist das Anstarren und insbesondere das auf die Brüste starren so oder so unhöflich, auch wenn man mit der Frau mal Sex hatte. Aber darum geht es hier nicht. Sarah sucht nur einen Vorwand.

Auch das finde ich komisch. Zuerst sagt er, sie hätte ihn fast umgebracht mit dieser Technik und dann ist das hier die Auflösung, dass er fast ins Laken geschissen hat. Das finde ich unfreiwillig komisch. Hatte was schlimmeres erwartet.

Wenn jemand Blut spuckt, Harn oder Kot verliert, besteht das Problem nicht allein in schmutziger Wäsche. In diesem Fall war die Pressur ein Energieschock/ Kreislaufschock, der Nikolai fast getötet hätte.

Wie gesagt waren da jetzt auch viele Kleinigkeiten dabei. Hoffe du kannst trotzdem etwas damit anfangen.

Ja, klar, ich habe mehrere Sachen ausgetauscht, die mich bei Deinen Hinweisen überzeugt haben.

Ansonsten hat mir deine Geschichte gefallen, wie ich anfangs schon gesagt habe. Ich habe aber trotzdem auch am Aufbau etwas zu kritisieren. Ich habe den Text lange gelesen, nur um zu erfahren, was da eigentlich abgeht. Und da finde ich, dass du zugunsten dieser Neugierde, die du weckst, Potential verschenkst. Weil es ja so viel Konfliktpotential gibt, das du aber nicht nutzen kannst, weil der Leser eben erst so spät eingeweiht wird.

Das ist ein spannender Gedanke, der mir so noch gar nicht gekommen ist. Vielleicht hast Du recht. Vielleicht verschenkt die Geschichte einiges an Konflikt, weil erst nach und nach klar wird, worum es geht. Hm, darüber muss ich nachdenken. Trotzdem geht es mir insgesamt so, dass ich jetzt durch bin mit dem Text. Ab einem gewissen Punkt, will ich normalerweise nichts mehr umstellen. Insbesondere, wenn schon so viel Arbeit darin steckt. Es wird sonst zu einem ewigen Hin und Her. Trotzdem helfen mir Deine Gedanken für zukünftige Projekte. Vielen Dank dafür.

Gruß Achillus

 

Hi @Achillus,

nachdem ich in den letzten Monaten furchtbar wenig Zeit für das Forum aufbringen konnte, und jetzt auch nur dazu komme, weil ich eine Erkältung auskurieren muss, bin ich gar nicht so sicher, ob es sinnvoll ist, einen Text, den ich ich schon kommentiert habe, wieder auszubuddeln, obwohl eigentlich schon metaphorisches Gras drüber gewachsen ist.

Aber 1. finde es ich es zu anstrengend, mich mit einem neuen, noch ungelesenen Text auseinanderzusetzen, während meine Nebenhöhlen sich anfühlen wie ausgestopft, und

2. wirken mein erster Kommentar an dich und deine Antwort darauf auf mich wie zwei Leute, die aneinander vorbei reden, und vielleicht gelingt die Kommunikation im zweiten Anlauf ja besser.

Solche Aussagen sind mir suspekt. Sexualität ist essentiell (nicht nur für uns Menschen) und Darstellungen von Sexualität regen jeden Menschen an, der nicht schon halbtot ist.

Mit Pauschalaussagen über "jeden Menschen" wäre ich grundsätzlich vorsichtig. Und asexuelle Menschen sind nicht mal besonders selten und ganz bestimmt nicht alle halbtot.

Abgesehen davon habe ich ja auch nicht von "Darstellungen von Sexualität" im allgemeinen gesprochen, sondern von einer bestimmten Art der Darstellung, die sich ... ich sag mal, sehr auf physische Vorgänge fokussiert.

Es muss auch jeder (in dem Fall wirklich: jeder) Mensch essen und die allermeisten Menschen finden Essen auch toll, aber das heißt doch nicht, dass jeder eine detaillierte Beschreibung davon lesen mag, wie jemand anderes sein Mittagessen zerkaut und einspeichelt und runterschluckt.

Du hast das möglicherweise nicht so gemeint, aber was von deiner Antwort bei mir angekommen ist, war so in etwa: "Wenn ich über Sex schreibe, dann muss das beim Leser automatisch was auslösen, einfach weil es um Sex geht."

Das ist nicht nicht so.

Ich denke, es ist sehr schwer, "gut" über Sex zu schreiben. Und ich denke, es ist unmöglich, so über Sex zu schreiben, dass jede*r Leser*in etwas damit anfangen kann.

Ich kann mit deinen Beschreibungen halt nichts anfangen. Das muss dich nicht stören.
Aber zu sagen: "Wer damit nichts anfangen kann, muss ja quasi schon halbtot sein" - das finde ich ziemlich fragwürdig. Das klingt ehrlich gesagt nach Selbstüberschätzung.

Ist psychologisch überhaupt nicht schlüssig. Die Darstellung von Sportveranstaltungen berührt keine urwüchsigen menschlichen Impulse, jedenfalls nicht in dem evolutionären Sinn wie das bei Sexualität der Fall ist: Nicht jeder Mensch spielt Fußball, aber jeder Mensch hat Sex (in welcher Form auch immer).

Mit dem Vergleich mit Sportberichterstattung meine ich, dass die Darstellung reduziert ist auf ein quasi mechanistisches Beschreiben körperlicher Aktivitäten, mit einem Fokus auf die "Leistung" (schnell, hart, etc.).

Ich verstehe zwar den Zweck, den das in der Geschichte erfüllen soll. Das ändert aber nichts daran, dass es für mich persönlich nicht sonderlich ansprechend ist.

Vielleicht wird es so besser verständlich:

Gewaltdarstellungen rühren ja auch an ganz tief sitzende, evolutionär bedingte Impulse im Menschen. Trotzdem ist es dir bestimmt auch schon passiert, dass eine Darstellung von Gewalt dich überhaupt nicht berührt hat, vielleicht sogar lächerlich gewirkt hat. Das kann an den Fähigkeiten des Autors liegen oder daran, wie du bestimmte Aspekte dieser Darstellung - die Wortwahl, den Stil, die Figuren etc. wahrnimmst.

Aber in jedem Fall denke ich, in dem Szenario:

Du liest eine Geschichte, in der ein Mord vorkommt. Die überzeugt dich nicht.

Du schreibst dem Autor: Die Szene mit dem Mord löst bei mir gar nichts aus.

Der Autor schreibt dir: Jeder Mensch hat einen Überlebensinstinkt, das heißt, wenn es in einer Geschichte um Mord geht, muss auch jeder etwas dabei empfinden. Q.E.D.!

... würde dich die Antwort des Autors auch nicht sonderlich überzeugen, oder?

Du suchst in Texten nach Dingen, die für mich als Leser nicht so wichtig sind. Ich suche zwar nach Identifikationspotential, aber das gilt primär für die Konflikte, in denen die Figuren stecken. Ich muss die Figuren nicht mögen und auch das nicht, was sie tun, um den Text zu wertschätzen.

Ich muss Figuren auch nicht mögen. Das habe ich doch auch in meinem ersten Kommentar eindeutig geschrieben. Ich habe sogar dafür plädiert, dass du deine Hauptfigur eindeutig böse sein lassen sollst, indem er nicht eine Frau tötet, die das selber möchte, sondern eine, die leben will.

Wenn mich emotional nichts mit einer Figur verbindet, können die die spannendsten Dinge tun, und es wird für mich trotzdem nicht spannend sein.

Bei dieser Verbindung geht es aber nicht um Sympathie, sondern um Empathie. Darum zu wissen, wie die Figur tickt, was die antreibt.

Deine Figuren sind Black Boxes für mich.

Anders als du möchte ich mich nicht dazu versteigen zu sagen "jeder Leser hat ein Problem damit, wenn Figuren Black Boxes bleiben" - aber mir geht es so und angesichts einiger anderer Kommentare denke ich, dass ich nicht die einzige bin.

Ich hatte das schon an Kanji geschrieben. Ich halte das für eine naive Frage. Seit wann ist der Kampf um das Überleben kein Motiv? Gibt es ein elementareres Motiv?

Ich habe doch nicht angezweifelt, dass Menschen im Allgemeinen nicht sterben wollen und bereit sind, sehr viel dafür zu tun, das zu verhindern.

Natürlich ist das ein Motiv. Aber es ist abstrakt. Ein Allgemeinplatz.

Für eine packende Geschichte reichen Allgemeinplätze in der Regel nicht aus.

Wenn ich in den Nachrichten höre, dass irgendeine Person der Zeitgeschichte, über die ich nichts weiß, an Krebs erkrankt ist, dann denke ich: Oha, nicht schön, und geh zur Tagesordnung über.

Wenn ich mehr über die Person weiß - sagen wir, es ist ein Schriftsteller, von dem ich schon etwas gelesen habe - dann wird meine Reaktion intensiver sein und die Neuigkeit wird mich stärker beschäftigen.

Ich weiß natürlich, dass in beiden Fällen die betroffene Person ums Überleben kämpft. Das ändert aber nichts daran, dass unsere Fähigkeit, mit jemandem zu empfinden, davon abhängig ist, wie "nah" uns der- oder diejenige gefühlt ist.

Und diese Nähe (noch mal: nicht unbedingt Sympathie. Und auch nicht: Mitleid) sollte man mMn in einer Geschichte herstellen, weil man sonst eben auch nur die Wirkung erzielt wie auf eine Nachrichtenmeldung über jemanden, den wir nicht kennen.

Das ist keine Geschichte von bemitleidenswerten Patienten, das ist eine Geschichte von drei vielleicht skrupellosen, in jedem Fall aber außergewöhnlichen Kriegern. Die brauchen unser Mitleid nicht.

Mir geht es auch nicht um Mitleid, sondern, wie gesagt: um Empathie.

Ich brauch es wirklich nicht, dass deine Figuren sagen: Ich hatte doch schon so eine schwere Kindheit, oder: ich muss überleben, weil sonst die drei verwaisten Kätzchen, um die ich mich kümmere, niemanden mehr haben.

Aber es würde helfen, wenn irgendwann mal anklänge, was die drei wollen, außer zu überleben. Überlebenwollen ist noch keine Charaktereigenschaft.

Wenn deine Hauptfigur beispielsweise der Meinung wäre, er muss überleben, um sich an einem alten Rivalen zu rächen, hätte ich weder Sympathie noch Mitleid für ihn - aber ich hätte stärker das Gefühl, dass ich weiß, was für eine Art Mensch er ist, und die Geschichte würde wahrscheinlich stärker auf mich wirken.

Grüße von Perdita

 

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