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Tiefseeangeln

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03.10.2020
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Tiefseeangeln

Frühmorgens fuhr Ernest mit dem Jeep auf der Hauptstraße Richtung Stadt, um Dichtschlämme für den Keller zu kaufen. Er summte ein Lied, dessen Melodie ihm sehr vertraut war, aber wenn er darüber nachdachte, erinnerte er sich weder an den Text noch wo er es zum letzten Mal gehört hatte. Altwinter, 5km verkündete ein löchriges Schild.
Taufeuchter Nebel zog in Schwaden durch die Küstenwälder. Wie eine glänzende Schlange wand sich die Straße dem Meer entgegen. Die Feuerwehr hatte die Sturmschäden nicht geräumt, sodass er nur im Zickzack vorankam. Ernest stellte auf Allradantrieb um, weil er an mehreren Stellen in den Graben ausweichen musste.
Die wahren Ausmaße des Unwetters erahnte er erst bei der Bootswerkstatt. Das Gebäude war auf der einen Seite um mindestens Metertiefe abgesackt. Ihm fiel Silvans Kombi auf, der mit versunkenen Reifen im Feld stand. Im letzten Moment lenkte er auf den verschlammten Weg ein. Der Jeep schlingerte mit dreckspritzenden Rädern hin und her. Vor dem Tor der Werkstatt brachte er ihn zum Stillstand.
Ernest stieg aus. Atmete die diesige, von Salz und Tang geschwängerte Luft. Spürte Wassertröpfchen in seinen Nasenhöhlen und im Hals. Der Sturm letzte Nacht hatte Äste gegen das Dach der Werkstatt gefegt und Schindeln des Nachbargebäudes schwammen im Morast. Das gedämpfte Raunen der Wellen verstärkte die Monotonie der Nebelbänke. Das Wellblechtor war aufgeschoben. Ein Korallenmuster aus Rost zog sich über die Front, weil Silvan an bestimmten Stellen Grundierung und Decklack ausgespart hatte. Witterungskunst nannte er das.
Der Matsch unter Ernests Winterstiefeln war glitschig. Breitbeinig stand Silvan am Bug eines weißroten Rennboots und bearbeitete das Fiberglas mit einem Schwingschleifer. Wasser und Schlick waren in die Werkstatt geflossen und hatten den Bootstrailer samt seiner Last quer gestellt. Umgekippte Regale steckten im Dreck, hatten Spuren hinterlassen, da wo sie mitgeschleift wurden. Irgendwo hinter den leeren Stapelwägen dröhnte und saugte eine Schlammpumpe, vermischte sich mit dem Surren der Schleife.
Ernest trat neben Silvan und klopfte mehrmals gegen den Bug. Als Silvan ihn bemerkte, rutschte er beinahe mit dem Schleifblatt ab. Sein Atem ging hektisch in Wolken. Einen Augenblick dachte Ernest, sein Freund würde ihm gleich die erhobene Schleife ins Gesicht drücken.
Silvan stellte die Maschine aus und zog die Sicherheitsbrille von der Nase. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn und die Wangen waren gerötet. „Scheiße, hast mich vielleicht erschreckt!“
Ernest versuchte ein Grinsen. „Schon wieder am ranklotzen?“
Silvan winkte ab, legte die Schleifmaschine in ein Gestell neben dem Boot. Auf der Regalfläche lagen mehrere Akkus, ein Eimer Abbeizmittel, Handschuhe und Atemschutzmasken mit zerkratzten Gläsern. „Bist ganz schön früh unterwegs.“
„Du aber auch“, sagte Ernest. „Wichtiger Kunde?“
Silvan strich mit der Hand über die Schleifstelle. Ein Abbild des Quetzalcoatl zog sich vom Bug bis zum Heck des zweisitzigen Rennboots. „Nein, nein. Ist meins. Dachte, ich kriegs noch flott, bevor ... na, du weißt schon.“
„Ganz der Alte!“ Ernest lachte aufrichtig. „War schon damals so, bei der Flut in der Schule.“
„Was?“
„Als du noch mal reingegangen bist, um das Modellboot zu holen? Ich seh heute noch vor mir, wie der Feuerwehrkommandant durchdreht.“
„Ach so, ja.“ Nun lächelte Silvan müde. Unter seinen wässrigen Augen hingen dicke Tränensäcke. „Was verschafft mir die Ehre?“
„Hab deinen Kombi draußen gesehen.“
„Wie schwer hat’s euch getroffen?“
„Ist schlimm diesmal, oder?“, fragte Ernest.
„Ich bin es mir ja gewohnt, dass die ganze Scheiße hier reinfließt ... Aber das hier? Das ist eine andere Liga.“
„Bei uns steht’s Wasser im Keller trotz Pumpe knöcheltief. Und der Geräteschuppen, der ist hinüber. Paar Ziegel hat’s abgedeckt, aber tropft ja eh ständig in den Dachboden. Muss nach Altwinter in den Baumarkt.“
„Sag mal, wie willst du das denn anstellen?“
„Wie, was anstellen?“
„Na, in die Stadt.“
„Bin doch mit dem Allrad hier.“ Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter.
„Da ist alles Land unter. Führt kein Weg mehr rein seit gestern Abend.“
„Ach was ...“
„Hab‘s im Radio gehört.“ Im Regal stand ein altes Gerät, dessen Lautsprecher eingedellt waren. Ein verblichener roter Kleber mit der Aufschrift -50% befand sich daran. „Irgendein Sender vom Inland.“
„Die wissen mehr als wir, mh?“
Silvan wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Barbara hatte gestern echt Bange, dass es uns das ganze Haus zusammenfaltet“, fuhr Ernest fort. „Ist aber soweit standhaft geblieben. Also beide, Barbara und das Haus.“
„Ist absurd, oder Ernest?“, fragte Silvan. „Wenn man sich das mal überlegt.“
Ernest schüttelte den Kopf.
„Die ganzen Algen, Seepocken, das Schwemmholz ... Der Mangrovenschlick ... All dieser Scheiß staut sich hier an.“ Er legte eine Hand flach an die Schläfe. „Wie Kopfschmerzen, die nicht mehr weggehen.“
„Mmh.“
„Eben. Siehst du’s denn nicht? Jetzt hat’s scheinbar ganz Altwinter erwischt! Und was tun wir? Machen einfach weiter wie bisher!“
Ernest warf ihm einen finsteren Blick zu, als würde er erst jetzt darüber nachdenken. Dann nickte er zögerlich. „Hast ja recht.“
„Entschuldige. Manchmal wächst einem die Sache über den Kopf.“ Silvan tastete über die Brusttasche seines Overalls. Dann hielt er inne und klopfte Ernest auf die Schulter. „Jetzt mach nicht so ein Gesicht.“
„Du aber auch.“
Silvan zog einen Mundwinkel nach oben. „Lass uns rausgehen und eine rauchen.“

Sie standen vor dem meeresseitigen Tor und rauchten. Die Ausläufer der Wellen überspülten die Spitzen ihrer Stiefel. Das Sonnenlicht war trüb, wie durch einen schmutzigen Sedimentfilter betrachtet. Ein verwaschener Fleck im Nebel. Kälte kroch übers Wasser und Ernests Beine hinauf.
„Das Boot da drin“, sagte er und klopfte mit dem Zeigefinger gegen die Zigarette. „Was hast du damit vor? Wozu die Mühe?“
„Ablenkung. Ich halt‘s kaum mehr aus zu Hause.“
Ernest schnippte den Stummel in die Fluten. Das Wasser war fast schwarz. Schwer rollte es heran, unermüdlich und stetig. Sandkörner glitzerten darin. Er dachte an letzte Nacht. „Wie kommst du zurecht?“
„Geht schon.“
„Sonst komm hoch zu uns. Ist echt kein Problem.“
„Ich weiß das zu schätzen, ehrlich“, sagte Silvan. „Aber ich geh nirgendswohin mehr. Hab mir an der letzten trockenen Stelle in der Werkstatt eine Matratze hingelegt.“
„Du schläfst hier?“
Silvan zuckte mit den Schultern und zog an seiner Zigarette.
„Wieso?“, fragte Ernest vorsichtig. Doch Silvan rauchte schweigend weiter, als hätte er ihn nicht gehört. Mehrmals wollte Ernest nachsetzen, unterließ es aber. Musterte seinen Freund. Die schütteren Haarsträhnen unter der Mütze, die Bartschatten auf Wangen und Kinn. Wassertröpfchen hingen darin. Sein Hals hatte dunkle Flecken.
„Wie geht‘s der Barbara und dem Kind?“, fragte Silvan und riss ihn aus seinen Grübeleien. „Kommen die klar?“
„Mmh, ich weiß nicht recht.“
„Wie kannst du das nicht wissen?“
„Komme selten zur Ruhe in letzter Zeit. Barbara meint, ich sei wütend und frustriert, fresse das alles in mich rein. Ich müsse zu mir selbst zurückfinden.“ Er machte eine Pause. „Damit wir wieder eine Familie sein können. Tomi zuliebe.“
„Verstehe.“
„Dabei suche ich doch nach einem Weg.“
„Ja.“
„Sie kann nicht noch ein Kind verlieren.“
„Du auch nicht.“
Ernest fuhr sich durchs kurze Haar, strich mit den Fingern über die kahle Stelle am Hinterkopf. „Ich träume seltsames Zeug. Von einem Boot, gestrandet am Riff. Es ist, als würde ich ertrinken, dann schlage ich wild um mich. Manchmal wache ich am Boden auf und hab keine Ahnung, wo ich bin.“
„Das ist der Stress. Trinkst du wieder?“
„Nein, ich hab doch längst aufgehört.“
Silvan nickte, zündete sich die nächste Zigarette an und lehnte gegen das Tor. Sein Blick war starr in das Grau gerichtet. Auf dem Gesicht ein Ausdruck, als überlege er, was es noch zu sagen gab. „Will sie nicht weg?“
„Wir haben darüber geredet. Ist irgendwie Teil dieses ganzen Widerspruchs. Einerseits hat sie eine Heidenangst hierzubleiben, andererseits will sie ums Verrecken nicht gehen.“
„Wieso?“
„Es ist wegen ihm.“
„Wegen Tomi?“
„Sie will ihn trauern lassen. Er spüre hier eine Verbindung zu seinem Bruder. Faselt ständig was von einer spirituellen Brücke und so einem Quatsch.“ Ernest biss sich auf die Unterlippe. „Ihn in dieser Phase aus seinem Umfeld herauszureißen, das sei nicht gut für die geistige Entwicklung.“
Silvan lachte trocken und mied seinen Blick.
„Jedenfalls bleiben wir vorerst.“
„Das solltest du ihr ausreden. Für mich ist das kein Problem. Ich kann hierbleiben. Aber du hast Verantwortung.“
„Kennst die Barbara doch. Die ist stur wie ein Bock.“
Ernest blickte auf die Kiefer, die den Bootskran um Haaresbreite verfehlt und ein schartiges Loch in die Blechwand gerissen hatte. Geborstene Äste ihrer Krone ragten in die Werkstatt. Im Wasser dümpelte eine zerschmetterte Holzkiste. Langsam holte sich das Meer die Werkzeuge. Ernest riss sich von dem Anblick los. Ließ seinen Blick stattdessen über das Trockendock schweifen. Nieselregen fiel wie Nadeln, begleitet von einem Geräusch, als würde Wasser verdampfen. Das Dock war leer.
„Dein Katamaran ist fort“, sagte er.
Silvan machte eine wegwerfende Handbewegung. „Glaubst du mir nie.“ Er zündete sich den nächsten Glimmstängel an. „Gestern Nachmittag ist einer vorbeigekommen. So ein Schicki-Micki war das. Mit Anzug und Krawatte und allem. Hatte eine Tasche dabei, wie ein Anwalt oder so. Sah ganz durcheinander aus.“
„Mmh.“
„Dreckig war der. Als wäre er durch den Schlamm gerobbt. Hat gezittert wie Espenlaub. Konnte den kaum verstehen, aber eines war klar. Der wollte den Katamaran haben, um jeden Preis. Bot mir fünfundsiebzigtausend.“
„Bringt doch jetzt auch nichts mehr.“
„Hab ich mir auch gedacht. Hing ja sehr an dem Boot. Aber weißt du, fiel mir im Endeffekt unendlich leicht, es wegzugeben. Als hätte ich es all die Jahre gehegt und gepflegt, damit es am Schluss einen einzigen Zweck erfüllt.“
„Welchen Zweck?“
„Zusammen mit dem Typen hab ich sie seeklar gemacht. Dann ist er mit voller Drehzahl dem aufziehenden Sturm entgegengefahren.“
Ernest ließ seinen Blick schweifen. Aber da war nichts als die Wogen des Nebels und das Rauschen der Wellen, einschläfernd und träge. Der schattenhafte Umriss eines Pelikans stürzte ins Wasser und tauchte nicht wieder auf. „Was wollte der da draußen?“
„Keine Ahnung, hab nicht gefragt.“
„Der hat alles kommen sehen.“
„Heute denke ich, vielleicht habe ich es nur geträumt.“

So standen sie da und Ernest fragte sich, auf was sie warteten. Ein langes Schweigen zwischen ihnen. Die Pumpe gurgelte und plätscherte. Es roch nach Diesel und Moder. Das Tageslicht ein Schimmer in ihren Augen und auf dem schmutzigen Wasser. Die leere Zigarettenpackung warf Ernest in die Fluten. Mittlerweile ließ der Nebel keine zwanzig Meter Sicht mehr zu.
Irgendwann zog die Ebbe das Meer zurück, die Pumpe stotterte und verstummte, und die darauffolgende Stille war allumfassend. Nur in Ernests Ohren blieb ein Schwappen, als wäre sein Kopf voller Wasser. Wenn er sich konzentrierte, hörte er noch etwas anderes. Das Blubbern von Schlammlöchern und ein gedämpftes Platschen und Schlagen in der Ferne.
„Hörst du das?“, fragte er.
Silvans Blick war verklärt, so als wäre er gerade eben erwacht. „Was meinst du?“ Er zuckte mit den Schultern. „Da ist nichts.“
„Bin gleich zurück“, erwiderte Ernest und stapfte durch den Schlamm in den Nebel. Je weiter er ging, schwerfällig und mühsam, weil er mit jedem Schritt ein oder zwei Kilo Matsch mit anhob, desto träger wurde sein Atmen. Als würde die Luft dichter, voller, und feine Tropfen liefen seinen Hals hinunter und blieben an den Bläschen in der Lunge hängen. Ernest hustete und spuckte einen Schwall eiskaltes Wasser aus. Bevor er die Werkstatt und seinen Freund nicht mehr sehen konnte, drehte er sich noch einmal um. „Hast du eine Taschenlampe?“, rief er.
„Ja!“
„Hol die mal!“
Er wartete, stapfte auf und ab, um die Taubheit aus den Zehen zu vertreiben. Die Zeit verstrich in Bahnen, die er nicht erfassen konnte. Vielleicht wartete er nur eine Minute oder zwanzig. Der Nebel dämpfte seine Wahrnehmung, bis er sich fühlte, als stehe er am Grund eines Lochs und das kleine Rund über ihm wurde immer kleiner und enger.
Er dachte an Tomi, der so gerne mit Gabriel durch das Dorf gezogen war. Die selbstgebastelten Laternen wippten vor ihren Gesichtern. Wie sie klingelten, um nach Schokolade und Bonbons zu fragen, was sie nun nie wieder würden tun können. In seiner Erinnerung machte ihnen niemand auf.
Er dachte an Barbara, wie er zurück zu ihr unter die Decke geschlüpft war und sich an sie geschmiegt hatte, sie über den Arm streichelte. Bis ihm bewusst wurde, dass sich ihre Haut kalt und glitschig und schwammig anfühlte und er sich entsetzt abwendete, einen fischig-säuerlichen Gestank in der Nase.
Ernest kniff die Augen zusammen. Silvans Maglite leuchtete zittrig zu ihm herüber. „Wo willst du denn eigentlich hin?!“
„Schauen, was die Flut zurückgelassen hat! Ich geh nur soweit, dass ich das Licht noch sehen kann.“
Silvan antwortete nicht. Der Kegel der Taschenlampe zuckte ungeduldig hin und her, wie eine Aufforderung: Na, dann mach halt. So schnell es der Schlamm zuließ, stapfte Ernest weiter, wandte sich von Zeit zu Zeit um, damit er das Licht nicht aus den Augen verlor. Doch bald hatte er den Punkt überschritten, an dem der Strahl der Maglite zu einem Teil des kaum differenzierbaren Graus geworden war.
Mit schmatzenden Schritten drehte er sich einmal um sich selbst und wusste nicht, in welcher Richtung die Werkstatt lag. Was hätte beunruhigend sein sollen, erschien plötzlich seltsam vertraut und eine Gleichgültigkeit erfüllte ihn, die beinahe tröstlich war. Er fühlte sich losgelöst von seinem Körper, ganz leicht, als beobachte er sich selbst, schaue mit fremden Augen auf das Chaos in seinem Kopf.
Das Platschen und Schlagen steigerte sich, und schließlich sah er, wovon es herrührte. In tiefen Schlammlöchern zappelten silbriggraue Fische, die verzweifelt versuchten, sich aus ihren Gefängnissen schwindenden Sauerstoffs zu befreien. An einigen Löchern blieb er stehen und schaute zu, wie der zähe Schlick aus ihren Kiemen floss, rhythmisch, beständig, und er fragte sich, wann ihre Herzen und Arterien davon verstopften. Und wann Barbara und Tomi dasselbe drohte, was bereits Gabriel zugestoßen war.

Der Schlamm steckte voller Muscheln und kleine Krebse wuselten vor Ernests Stiefeln davon, vergruben sich im blubbernden Untergrund. Ernest fiel es schwerer, seine Füße zu heben. Eine Müdigkeit überfiel ihn, als würde er schlafwandeln. Eine konfuse Luzidität, der er ausgeliefert war.
Vor sich erkannte er das Licht der Maglite. Ihr Strahl blieb beständig, als würde er zwar auf die Lampe zugehen, Silvan sich aber gleichzeitig von ihm entfernen. Aus dem Nebel schallte ein schwacher Ruf. Ernest überlegte, aber er konnte die Stimme niemandem zuordnen. Wahrscheinlich war es Silvan, der ihn zurücklotsen wollte. Die dicken Nebelwände verfremdeten jeden Laut. Ernest schleppte sich weiter, bis alle Kraft in seinen Beinen schwand.
Der Lichtkegel der Maglite wirkte jetzt vervielfältigt, als bestünde er aus Dutzenden Quellen. In Ernests Kopf drehten die Lichter auf ein grelles Zentrum zu. Hinter seiner Stirn hämmerte es und die Sicht verschwamm. Als er die Augen wieder öffnete, erhob sich vor ihm das schwarze Riff.
Wellengang brandete dagegen und plätscherte durch Lücken im Gestein, löste versteinerte Polypenskelette, spülte sie mit sich. Das Riff atmete öligen Schlick durch poröse Korallenformationen. Riesenschwämme glänzten feucht und Röhrenwürmer zogen sich zusammen, streckten ihre Rüssel in den Nebel. Schwarze Raucher pusteten Rußpartikel wie die Schornsteine einer Fabrik.
Auf dem Rücken des Riffs hatte sich ein Boot verkantet. Er erkannte es sofort an den Silhouetten der Möwen auf dem hölzernen Bug. Eine verblasste Erinnerung ans Barracuda-Angeln und an die einsamen und alkoholisierten Nächte in der Koje durchzog seinen überforderten Geist. Die Suche nach seinem verlorenen Sohn und die Schuldgefühle, die er am Grund des Ozeans versenken wollte.
Plötzlich realisierte er, wovon die vielen Lichter herrührten. Anglerfische hielten ihre biolumineszierenden Laternen aus Wasserlöchern. Gespenstische Mäuler besetzt mit viel zu langen Fangzähnen öffneten und schlossen sich in den Schatten des Riffs. Stumpfe Teleskop-Augen glotzten ihn an.
„Hallo?“
Das Rufen kam von oben, vom Boot. Ernest hielt die Hand an die Stirn und schaute hoch, wo er eine kleine Gestalt wahrnahm, die über die Reling hing. In der einen Hand hielt sie einen eisblauen Eimer, aus dem Wasser schwappte. „Papa, hier oben!“, rief Tomi, seine Stimme unendlich weit entfernt. „Du musst mir helfen! Das Wasser läuft überall ins Boot!“
Ernest wollte nach vorn stürzen, über das scharfkantige Riff klettern, bis er sich Hände und Knie blutig schürfte, und seinem Sohn zurufen, er solle weitermachen, weitermachen und durchhalten, bis er ihn erreichte und sie gemeinsam einen Weg hinunter fanden. Stattdessen blieb er stehen, schaute zu, wie Tomi den Eimer hektischer entleerte, seine Kraft kaum mehr ausreichte, das Plastik über die Reling zu heben. Wie das Wasser gegen den Rumpf klatschte.
Ernest begann das Schlaflied zu summen, dessen Melodie ihm bereits auf der Fahrt zur Werkstatt auf den Lippen gelegen hatte, und verwundert überlegte er, ob er damit den Jungen oder sich selbst beruhigen wollte. Schließlich ließ Tomi den Eimer fallen und er klapperte zwischen eine Spalte im Riff. „Papa! Ich kann nicht mehr! Es ist alles voller Wasser!“

„Papa, Papa! Hilf mir! Ich glaube, Gabri atmet nicht!“

„Bitte, Papa!“

„Hey! Hallo? Papa!“

„Hey!“

„Hey, was ist los?“
Jemand rüttelte an seiner Schulter und zog am Jackenärmel.
„Ernest, verdammt, alles klar?“
Er wandte seinen Kopf dem Sprecher zu. Silvan stand neben ihm, eine Hand auf seiner Schulter, in der anderen hielt er die Maglite, leuchtete in den Nebel hinein. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte Ernest: „Geht schon wieder.“
„Wirklich? Du siehst bleich aus.“
„Nein, nein, alles gut.“
„Wieso sollte ich die Lampe holen?“
„Ich ... keine Ahnung. Hast du eine Lampe geholt?“
„Du hast mich angebrüllt wie ein Wilder. Scheiße, Ernest, was ist los?“ Silvan knipste die Lampe aus und sah ihn ernst an. Seine Augen waren blutunterlaufen.
„Ich bin übermüdet“, sagte Ernest und strich über den borstigen Kinnbart. „War wohl sowas wie Sekundenschlaf.“
Silvan nahm die Hand von seiner Schulter und steckte die Lampe in eine der Overalltaschen. Eine Weile blickten sie auf die brackigen Pfützen und ihre Gesichter spiegelten sich in Trübnis. Der Nebel floss, verdichtete sich. Ein lebender Organismus, dachte Ernest, der sich wie ein schweres Tuch über mich legt und die Gedanken zu unnachvollziehbaren Strömen aufquellen lässt. Ich darf nicht darauf hereinfallen, muss selbst denken. Nur dann habe ich Kontrolle.
„Es ist okay, Ernest. Darüber nachzudenken, meine ich.“
„Was?“
„Was passiert ist. Aber du kannst es nicht mehr ändern.“
„Ich weiß. Es tut mir leid. Ich war abgelenkt.“
„Ich hatte Angst, du kippst mir aus den Stiefeln.“
Sie schwiegen. Dann sagte Silvan: „Danke, dass du vorbeigekommen bist. Ist ein seltsamer Tag heute.“
Ernest nickte niedergeschlagen. „Ich geh dann mal zurück, wenn ich schon nicht nach Altwinter reinkomme.“
„Ja“, sagte Silvan und knetete seine Nase. Eine klare Rotzträne hing in seinen Schnurrbart. „Musst mir nicht Bescheid geben, solltet ihr weggehen.“
„Doch, das werde ich“, antwortete Ernest, aber es klang nicht überzeugt. Und als Silvan lächelte, fügte er an: „Vor zwei Stunden wollte ich noch den Keller abdichten. Also nimm mich besser nicht beim Wort.“
Silvan streckte ihm die Hand entgegen. In dieser Geste steckte eine Endgültigkeit, die Ernest traf, als hätte ihn sein Freund in die Magengrube getreten. Er nahm die Hand und einen Moment standen die beiden Männer im einsetzenden Regen, bald versunken zwischen Flüstern und Murmeln, die Augen fixiert in denen des andern, und ohne weitere Worte war alles gesagt.

Er hatte Mühe, den Jeep aus dem Schlamm zurück auf die Straße zu manövrieren. Unermüdlich arbeiteten die Scheibenwischer gegen die Regenmassen. Auf halbem Weg kam er an einer Stelle vorbei, an der die Leitplanken geborsten waren und der Leib einer toten Kuh versperrte die rechte Fahrbahn. Ihr massiger Körper wirkte aufgequollen und zerflossen, wie eine riesige Qualle, als wären ihre Eingeweide bis zum Platzen angeschwollen.
Der Regen fiel dünner und die Sicht wurde besser, sobald er die Anhöhe erreichte. Ernest blickte in den Rückspiegel, verfolgte die gewundene Straße, bis sie sich im dichten Küstenwald verlor. Über dem Meer brachen vereinzelte Sonnenstrahlen die Wolken auf, standen wie Säulen aus Licht zwischen Wasser und Himmel. In einer Lücke im Nebel glaubte er zwei weiße Dreiecke zu sehen, die sich aufgrund der Reflexionen deutlich vom nassgrauen Hintergrund abhoben. Die Segel von Silvans Katamaran! Als er wieder hinschaute, nachdem er seine verkrampften Hände ausgeschüttelt und sich eine Zigarette angezündet hatte, waren sie nicht mehr auszumachen, die Lücke im Nebel verschlossen.
Er parkte in der Garage, die er beim Aufbruch in der Früh offengelassen hatte. In den Ecken grassierten schleimiggrüne Algennetze, die den fauligen Geruch eines Moors absonderten. Hinter dem Haus gurgelte die Pumpe im Leerlauf, weil der Keller längst abgesogen war. Ihr Schlauch zuckelte und wand sich wie eine sterbende Schlange. Ernest schaltete den Motor aus und ging ins Haus.
„Barbara, ich hab dir doch gesagt, du sollst die Pumpe ausschalten!“, rief er durch den schattigen Flur. In ein Glas auf der Garderobe tropfte Wasser. „Hallo? Ich bin wieder da! Kein Durchkommen mehr nach Altwinter, da ist alles ...“ Tomi saß am Küchentisch und löffelte Cornflakes aus einer Schüssel. „Wo ist deine Mutter?“
Tomi hörte auf zu essen, wandte seinen Blick nicht von der Schüssel. Mit bemüht lockerem Griff fasste Ernest ihn an der Schulter. „Tomi! Ich bin wieder da. Tomi, sieh mich an. Was ist los?“ Sein Sohn wandte sich ab, den dunklen Wasserflecken auf der Tapete zu. Ernest drückte mit den Fingern in sein Schulterblatt. „Sag mir, was passiert ist.“
„Mama schläft schon den ganzen Tag“, sagte Tomi stockend. „Wieso wacht sie nicht auf? Wo ist mein Teddy? Papa, ich kann ihn nirgends finden.“ Es klang so gequält, dass Ernest rasch seine Hand wegzog, verwundert und schockiert darüber, dass er dem Jungen Schmerzen zufügen konnte.
„Sie schläft nur“, antwortete er und versuchte, ihm durchs Haar zu fahren, aber Tomi duckte den Kopf weg. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin ja da.“
Ein grauer Krebs krabbelte aus den Cornflakes. Fiel über den Schüsselrand und verschwand mit erhobenen Scheren unter das Tischtuch. Seepocken klebten am Kühlschrank. Ernest schwankte und hielt sich an der Lehne von Tomis Stuhl fest.
„Ich geh nach oben und seh nach ihr“, sagte er. „Muss auch was gegen meine Kopfschmerzen tun. Wie geht’s dir?“
Tomi antwortete nicht, starrte weiter die Wand an. Sieh mal, wie stark der Junge ist, sagte sich Ernest, er weint nicht mal. Er ging zur Treppe, die in den ersten Stock führte. Oben war die Tür zum Schlafzimmer angelehnt und das schwache Licht der Nachtlampe drang durch den Spalt. Die Stufen waren rutschig und Ernest musste sich am Geländer festhalten.
„Vielleicht leg ich mich auch etwas hin, Tomi. Bin hundemüde.“
Nach dem Erklimmen der Stufen fühlte er sich erschlagen, obwohl die Treppe nur kurz war. Auf dem Absatz rief er über die Schulter: „Du weißt, nur drinnen spielen, ja? Deinen Teddy suchen wir danach, versprochen.“ Dann stieß er die Tür zum Schlafzimmer auf. Die dunklen Vorhänge waren zugezogen und wogten leicht im Wind, der durch das gekippte Fenster strich. Auf dem Bett lag Barbara, eingewickelt in die Decke, ihr braunes Haar verteilt auf dem Kissen, eine Hand daneben.
„Barbara“, flüsterte er. „Ich bin wieder da. Liebling, schläfst du?“
Sie murmelte etwas Unverständliches, aber das reichte ihm als Bestätigung. Natürlich forderten die Umstände nach dem Sturm auch bei ihr ihren Tribut. Das war ganz normal und Erholung jetzt wichtig. Einen klaren Kopf. Tomi machte sich viel zu viele Gedanken für ein Kind seines Alters.
Ernest ging ins Badezimmer, öffnete das Arzneischränkchen und schluckte zwei Aspirin. An der Innenseite des Spiegels perlte Wasser ab und er konnte sein Gesicht nur als verwaschenen Schemen erkennen. Zurück im Schlafzimmer legte er sich zu Barbara ins Bett. Streichelte über ihre kalte Hand.
Da bemerkte er das Kettchen, dass sie eng um die Finger gewickelt hatte. Es war Gabriels Nickelkettchen, die mit seinem Namen. Behutsam löste er es von ihrer Hand und hielt es sich im Licht der Nachtlampe vors Gesicht. Barbara protestierte stöhnend, zog die Decke enger um sich. Die Buchstaben G-A-B-R-I-E-L pendelten hin und her und Ernests Arme wurden schwer. Er steckte das Kettchen in die Brusttasche, faltete die Hände darüber. Dämmerte in einen Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, die Grenzen so fließend wie die Vorhänge in der Zugluft oder der Schlick vom schwarzen Riff. Während er an die Holzbalken der Decke starrte, überkam ihn das Gefühl, er würde in der Matratze versinken.

Die Maserung der Holzbalken hatte sich verändert. Ernest blickte an ein tiefhängendes Hanfnetz, in dem Konserven hingen. Sein Rücken schmerzte. Unter ihm erfühlte er eine dünne Matratze, die auf einer Pritsche lag. Sachte schwankte der Raum hin und her und Ernest hörte Wellen gegen Holz schwappen, nah bei seinem Ohr. Mit einem Ruck erhob er sich, blinzelte träge, sein Kopf war schwer. Er suchte Halt an der Wand. Dies war die Koje seines Boots. Mit steifen Gliedern stieg er die drei Stufen an Deck. Die reine, eisige Luft raubte ihm den Atem und er hielt sich an der Reling fest, verschnaufte für einen Moment.
Klare Sicht für geschätzt eine Seemeile im Osten und Westen. In dieser Entfernung erhoben sich Nebelwände, die so dicht und unbeweglich waren, dass sie festgefroren wirkten. Die Meeresoberfläche lag spiegelglatt. Der Außenborder schwieg und das Boot trieb still dahin. Ernest starrte stumpf aufs graue Meer.
Ein heller Ruf riss ihn aus seiner Lethargie. Sich an der Reling entlangtastend, ging er Richtung Bug. Vor dem Boot schwamm das Bett. Seine Frau lag darauf und schlief. Das Laken und die Decke waren pitschnass, überzogen mit Algen. Tomi rüttelte an Barbaras Schulter. „Mama! Wach auf! Wach auf!“
„Tomi, Junge!“, rief Ernest außer Atem. „Warte! Ich hole ein Seil!“
Kopflos stolperte er an Deck umher. Anstelle eines Seils fand er einen weißroten Rettungsring. Mit klammen Fingern griff er danach und mühte sich zurück zur Bootsfront. Stolperte beinahe über den eisblauen Eimer und kickte gegen ihn. Klackernd fiel er über Deck und platschte ins Wasser. Den Rettungsring warf er hinterher. „Tomi! Halt dich am Ring fest! Du musst dich festhalten und zu mir paddeln, ich zieh dich hoch! Tomi!“
Sein Sohn reagierte nicht. Stattdessen rüttelte er weiter an Barbaras Schulter. Sie erwachte und schälte sich aus der algenverschleimten Bettdecke. Ernest schrie unverständlich. Ein Brennen verbreitete sich in seinen Lungen. Barbara manövrierte sich in eine sitzende Position und flüsterte Tomi etwas ins Ohr. Dann zog sie unter der Decke zwei Ruder hervor und führte sie ins Wasser. Mit erstaunlich kräftigen Schlägen begannen sich Ernests Frau und sein Sohn von ihm zu entfernen.
„Wartet ...“ Über seine Lippen kam nur ein heiseres Flüstern. Hilflos blickte er dem davontreibenden Bett und den beiden Passagieren nach. Bald waren sie nur noch ein schwarzer Punkt am Horizont. Ernest wandte sich ab, vergrub das Gesicht zwischen seinen Händen und stand zitternd da, unfähig irgendetwas zu unternehmen. Er wollte zum Außenborder, ihn anwerfen und den beiden hinterherfahren, doch es blieb beim Gedanken.
Ein intensives Licht blendete ihn durch seine Finger und er nahm die Hände weg. Weit vor dem Boot wippte eine riesige Laterne auf und ab, berührte beinahe die Meeresoberfläche. Sie hing an einem Stab, der sich in der Weite des wolkenlosen Himmels verlor. In ihrem Licht erkannte Ernest, dass die festgefrorenen Nebelwände ihn getäuscht hatten, stattdessen waren es solide Mauern. Gefertigt aus einem Material, das ihn an Stahl-Emaille erinnerte. Sein Boot und er befanden sich nicht auf See, sondern in der Mitte einer immensen Badewanne, deren Kopf- und Fußende kaum auszumachen waren.
Die Laterne glitt über das Wasser, kam auf ihn zu. Nun sah er, dass der Stab von einer Hand gehalten wurde, deren einzelne Fingerglieder mindestens so lang waren wie sein Boot. Er stellte sich vor, die Hand würde sich zur Faust ballen und auf ihn hinuntersausen. Im diffusen Raum oberhalb der kilometerhohen Badewannenränder zeichnete sich ein gigantischer Schatten ab. Zuerst dachte Ernest, eine Faust würde tatsächlich ihn und sein Boot zerschmettern, aber dann wurde immer deutlicher, dass es sich um das Antlitz des Riesen handelte, der die Laterne hielt. Ernest umklammerte die Reling und konnte nichts weiter tun, als die Fratze anzustarren, die zunehmend an grauenvollen Details gewann, je näher der Kopf dem Badewannenrand kam.
Rechts und links der vier Nasenlöcher, aus denen sich schmutzigbraune Wasserfälle ergossen, thronten zwei kreisrunde Scheiben, die das Licht in Prismen aufbrachen. Dahinter dunkle Riffkrater und in ihnen tausende Stäbchen, die sich wie Anemonen in Strömen milchiger Flüssigkeit bewegten, ihre Sehzellen auf ihn ausrichteten. Die ins Mikroskopische vergrößerten Augen eines Tiefseefischs. Ernests Sohn Gabriel war zurückgekehrt aus der Finsternis der Abyssalzone, verformt und zerquetscht von einem Druck von mehr als sechshundert Bar.
Dazu öffnete und schloss er seinen schiefen Mund mit Überbiss, zeigte meterlange Säbelzähne, zwischen denen sich Seegrasgeflechte verfangen hatten. Tief im finsteren Rachen leuchteten die Kiemenschlitze und warfen einen Schimmer auf den Fischfriedhof in seiner Kehle. Einige der Tiere zappelten und sprangen auf, versuchten sich zurückzukämpfen, weg vom gurgelnden Abgrund seines Schlunds.
Ernest stürzte zum Heck. Am Außenborder drückte er den Choke-Knopf, stellte den Gashebel auf Start. Dann begann er wie wild am Seilzug zu reißen, aber der Motor sprang nicht an. Die Laterne schwankte haarscharf am Heck vorbei und Funken wirbelten durch die Luft. Ernest versuchte es erneut. Diesmal stotterte der Motor und nach einem weiteren hektischen Zug am Seil knatterte und schoss er, lief dann ruhig. Sofort stellte Ernest den Gashebel auf volle Kraft.
Das Boot bewegte sich keinen Meter. Getrieben von Panik schaute Ernest über die Reling, fiel beinahe vornüber, hielt sich mit einer Hand fest. Im trüben Wasser erkannte er den Schemen des schwarzen Riffs. Der Kiel hatte sich hoffnungslos zwischen den Zacken des Riffrückens verkantet. Das Holz knackte gefährlich und Ernest erwartete jeden Moment, dass der Rumpf splitterte und barst.
Die Gabrielkreatur streckte ihren Arm aus, über das Boot hinweg. Kurz darauf hörte Ernest ein Rauschen, noch viel mächtiger als das des Sturzregens von letzter Nacht. Sein einstiger Sohn hatte den Wasserhahn geöffnet. Eine Flutwelle wanderte über den Horizont, baute sich weiter und weiter auf. Der Außenborder kämpfte um Ernests Leben, während er nur starrte. Doch das Riff gab nicht nach. Allein die Flutwelle, mittlerweile schätzte Ernest sie auf gute zwanzig Meter Höhe, würde das Boot befreien können.
Doch dann erkannte er, dass die Welle die kleinere Bedrohung war. Der Tiefseegabriel lehnte über den Wannenrand und öffnete den Schlund weiter als es seine monströse Anatomie ohnehin vermuten ließ. Sein Kopf war nur noch Maul und Zähne. Die Laterne wippte davor, als wolle sie Ernest anlocken. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und er sah der herannahenden Flutwelle entgegen, in Erwartung des unausweichlichen Moments, wenn sie das Boot erreichte und er in den Rachen seines Sohnes gespült würde, von ihm verschluckt, wie Jona vom Wal.

Mit einem Ächzen fuhr er hoch. Das Laken stank nach kaltem Schweiß. Er wühlte sich aus der Decke und rollte vom Bett. Suchte nach seinen Kleidern über dem Stuhl, aber da merkte er, dass er sich gar nicht entkleidet und mitsamt den Schuhen im Bett gelegen hatte. Die Temperatur war gefallen und ihn fröstelte.
Aus dem Badezimmer hörte er den Wasserhahn. Die Angeln des Spiegelschränkchens quietschten. Er hechtete zur Tür und legte ein Ohr daran. Seine Frau summte leise. Die Melodie des Lieds, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. „Barbara“, flüsterte er, aber sie hörte ihn nicht. „Barbara!“ Er drückte die Klinke nach unten. Abgeschlossen.
„Du bist zurück“, drang ihre Stimme gedämpft zu ihm.
„Barbara, was machst du da drin?“ Er rüttelte an der Klinke.
„Was wohl? Ich bin auf der Toilette!“
„Ich hör den Wasserhahn laufen.“
„Darf ich mir etwa nicht die Hände waschen?“
„Es ist die Badewanne!“
„Ich nehm ein Bad, na und? Ich brauch bisschen Entspannung. Und weißt du was, Ernest? Du trägst nicht gerade dazu bei.“ Sie lachte.
„Wo ist Tomi?“, fragte er.
„Liebling, Tomi ist unten und spielt mit seinen Bauklötzen.“
Ernest wandte sich Richtung Treppe und rief: „Tomi?!“
Keine Antwort. Nur das Rauschen des Wasserhahns. Unter dem Türspalt bildete sich eine Pfütze.
„Verflucht, willst du das ganze Haus unter Wasser setzen?!“
Keine Antwort.
„Ich weiß, dass Tomi bei dir da drin ist. Mach auf, verdammt!“
„Nein.“
„Lass mich rein!“ Er hämmerte gegen die Tür. Als sie immer noch nichts erwiderte, fügte er schnaufend an: „Du hast recht. Ich war zu selten da. Bin rückfällig geworden. Hab mich rumgetrieben. Ich hielt es nicht mehr aus, euch in die Augen zu sehen.“
„Dass du wieder trinkst, war mir längst klar.“
„Bei der Feuerwehr gab‘s jede Menge Getuschel seit Gabris Tod. Das verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn die Kollegen dich hinter deinem Rücken fertigmachen?“
„Wie naiv du bist! Ganz Altwinter mied uns doch. Was meinst du, was die Leute dachten, als du auf den Polizeiposten musstest? Mehrmals? Und dann diese schmierigen Reporter vom Altwinter Express, die uns nicht mehr in Ruhe ließen? Die seltsamen Blicke im Supermarkt, das werde ich nie vergessen ...“
„Wieso streiten wir uns? All das spielt längst keine Rolle mehr.“
„Wenn man dabei zusieht, wie jemand ertrinkt, dann ist das Mord.“
„Das Verfahren war falsch! Der leitende Ermittler hat sich höchstpersönlich bei mir entschuldigt! Willst jetzt etwa du mir ein Motiv anhängen?!“
„Ich weiß nicht, Ernest, mach ich das? Wie fühlt es sich denn an?“
„Was den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung angeht ... Ich habe dafür bezahlt. Ich will doch nur, dass wir wieder eine Familie sind.“
„Ernest, du meinst immer, alles sei so einfach. Du bist ein unverbesserlicher Egoist.“
„Bitte, lass es mich wieder gut machen.“
„Das kannst du nicht!“
„Du wirst jetzt die Tür aufmachen, oder ich trete sie ein!“
„Lass mich in Ruhe! Hau ab! Verzieh dich!“
Ernest rammte seine Schulter gegen das Holz. Die Tür blieb standhaft. Nach zwei weiteren Versuchen lehnte er sich schwitzend dagegen, schlug noch einmal mit der Faust zu. „Ich tu dir nichts“, versuchte er es auf anderem Weg, „ich will doch nur mit dir reden.“
„Dann sag, was du zu sagen hast.“
„Öffnest du dann die Tür?“
„Ich hör dich sehr gut.“
Barbara summte das Lied und nun fiel Ernest ein, woher er es kannte: Früher hatte sie Tomi und Gabriel damit in den Schlaf gewiegt. Ernest sackte gegen die Tür und konnte sich kaum aufrecht halten. Mit den Fingern strich er über das Holz, als suche er nach Halt oder als probiere er, so zu seiner Frau durchzudringen. Plötzlich hörte sie zu summen auf. „Also was ist?“
„Es tut mir leid.“
„Dafür ist es zu spät“, antwortete sie. „Du hast dich verändert. Aber ich musste es von deinem Sohn hören, damit ich es endlich begriff. Was war ich eine dumme Kuh! Du hast uns stets das Gefühl gegeben, wir wären an allem Schuld!“
„Nein, du kannst nichts dafür! Tomi kann nichts dafür!“
„Das ist jetzt vorbei. Geh einfach.“
„Wir müssen beide damit leben. Es ist derselbe Schmerz.“
„Bist du fertig?“
„Nein, warte!“
„Ich leg mich jetzt in die Wanne. Mach doch, was du willst.“
Erneut legte Ernest sein Ohr gegen die Tür. Barbara begann wieder zu summen und Ernest stellte sich Tomi vor, auf einem kleinen Schiffchen inmitten der überlaufenden Wanne und wie das Wasser ins Innere floss, wie er mit seinem winzigen eisblauen Eimerchen keine Chance hatte, die Fluten zu bewältigen.
„Hör auf“, flüsterte Ernest. „Barbara, bitte hör auf ...“
Die Antwort bestand nur aus einem Plantschen und Platschen unter dem Rauschen des Wasserhahns, wie das Schlagen der Schwanzflossen.
„Es wird alles gut, wie du es dir gewünscht hast.“ Ihre Stimme klang jetzt sanft, ohne jegliche Aggression oder Unruhe. Verträumt, als würde sie einschlafen oder wäre sonst wie weggetreten. „Bald können wir wieder zusammensein. Was deinen Vater betrifft ...“
„Lass die Finger von Tomi!“, keuchte Ernest. „Tomi, Junior, hörst du mich? Du musst dich wehren! Gott, mein Junge, wehr dich doch!“ Ernest begann zu schreien. Das Hämmern gegen die Tür hallte als dumpfe Schläge in seinem Kopf. „Nimm den Eimer! Tomi, du musst den Eimer nehmen und das Wasser wegschöpfen!“
Und Barbara begann leise zu singen: „Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget, der weiße Nebel wunderbaaaar ...“
Angst und Wut bündelten sich zu purer Verzweiflung und die trieb Ernest die Treppe hinab. Morsche Bretter brachen unter seinen Tritten. Er blieb hängen und knallte unten so wuchtig gegen den Wandschrank, dass dessen Tür splitterte. Blut lief aus einer Wunde über seinem rechten Auge. Sein Hals brannte. Ernest humpelte in die Garage und setzte sich mit zitternden Händen hinters Lenkrad. Erst da merkte er, dass er immer noch schrie, ob laut oder nur innerlich, war für ihn nicht mehr zu unterscheiden.

Die Fahrt zur Werkstatt musste er blindlings bewältigen. Der Jeep rollte durch den zum Schneiden dicht gewordenen Nebel, die Scheinwerfer machtlos. Holperte über Hindernisse, die Ernests Vorstellungskraft überstrapazierten.
Silvan und sein weißrotes Rennboot waren verschwunden. Sein Freund hatte ihm einen Brief hinterlassen. Ein einzelnes Blatt Papier unter das Radio geklemmt, gekrakelt in kaum lesbarer Schrift, fleckig vom Wasser. Ich wusste, dass du zurückkommst. Vergib mir meine Abwesenheit, aber sei nicht traurig. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder. Du findest mich am schwarzen Riff. Ernest las den Brief mehrmals, ließ ihn dann fallen, wo er auf den Wellen davontrieb.
Dann kämpfte er sich durch das Tor und das Meer riss ihn beinahe von den Füßen, weil es ihm die Stange eines löchrigen Schilds gegen die Schienbeine schmetterte: Altwinter, 5km. Mit letzter Kraft hievte er sich auf das Trockendock, kniete auf den feuchten Stein.
Vom Geruch von Moder und Salz schwindelte ihm. Er tastete nach Gabriels Namenskettchen in der Jackentasche. Seine Finger waren steif, eine angenehme Taubheit breitete sich von ihnen aus. Die schwarzen Wasser leckten unaufhörlich am Fundament. Und das Schlaflied summend, legte Ernest sich hin, wartete auf die Flut.

 
Quellenangaben
Der Mond ist aufgegangen (Text von Matthias Claudius, 1778)

Moin @deserted-monkey ,

ich habe noch etwas Zeit bis zum abendlichen Silvesterprogramm und während draußen einige Menschen anscheinend ihr Geld/Seele und Verstand verballern, wollte ich mal kurz Deine Geschichte kommentieren. Okay, 12/13 Seiten sind nicht kurz. Mal sehen, wie weit ich komme, den Rest dann nächstes Jahr :lol:

Tiefseeangeln
Gelockt hat der Titel mich, auch wenn ich im Nachhinein eher bei Tiefseefischen oder irgendwas mit viel Wasser wäre.
Generell muss ich sagen, ist dein Genre nicht meins, sprich, ich habe von Horror keine Ahnung, von Fantasy auch nur rudimentär. Also wird dies ein Leseeindruck und ein paar Fehlerlein.

Am Samstagmorgenfrüh fuhr Ernest mit dem Jeep auf der Hauptstraße Richtung Stadt, um Dichtschlämme für den Keller zu kaufen.
Generell nicht falsch und ich erfinde auch gerne mal Wörter. Aber gleich als drittes Wort eine so lange Kreation würde ich nochmal abwägen - vor allem ist der Inhalt nicht wirklich wichtig: Morgens!

Er summte ein Lied, dessen Melodie ihm so vertraut war, dass er manchmal glaubte, Tonabfolgen daraus in seiner Alltagssprache wiederzuerkennen.
Ich mag die Idee, aber obwohl ich mich eigentlich in deiner Geschichte orientieren sollte, mich hineinziehen lassen will, fange ich an zu denken, was das sei und wie das Klinge - Suboptimal, oder?

Ernest stieg aus. Atmete die diesige, von Salz und Tang geschwängerte Luft. Spürte kalte Wassertröpfchen in seinen Nasenhöhlen und im Hals.
Eine fette Sprache, sehr adjektivhaltig. Mag ich durchaus, hier am Anfang ist es mir oft drüber, zum Ende hin klingt es für mein Sprachempfinden ausgeglichener. Aber warte mal andere Meinungen ab, ist ja oft einfach Geschmack.
Ach so, der gute hat echt empfindliche Nerven - im Hals?

Der Sturm letzte Nacht hatte Äste gegen das Dach der Werkstatt geweht und Schindeln des Nachbargebäudes schwammen im Morast.
Wenn ich es recht verstehe, soll die Nacht davor der schlimmste Sturm ever gewesen sein, schlimmer als sonst? Da sind mir Verben wie wehen und schwammen zu zahm.

Das gedämpfte Raunen der Wellen verstärkte die Monotonie der Nebelsäulen.
Gibt es echt Nebel in Säulen? Bänke, Wände, Schwaden ... aber senkrechte Säulen?

Der Matsch unter Ernests Winterstiefeln glitschte
Glitschen ist etwas aktives! Das könnten Ernest, der Matsch wäre glitschig.

hatten den Bootstrailer samt seiner Last quer gestellt.
Da ist als unheimlich viel Wasser durchgegangen, alles umgeschmissen, durcheinander. Klingt aber außer diesem Satz, als wäre alles wie immer.

Irgendwo hinter den leeren Stapelwägen
Okay, ich hab die Wägen mal gegoogelt - ist was regionales.

Sein Atem ging in hektischen Wolken.
Man sieht die Wolken, aber hektisch ist der Atem.

Dann stellte Silvan die Maschine aus und zog die Sicherheitsbrille von der Nase.
Reine Geschmackssache, ich mag Dann als Satzanfang nicht. Hier wäre es ohne auch direkter, dichter dran für den Leser.

Bin mir ja gewohnt, dass die ganze Scheiße hier reinfließt ... Aber das hier? Das ist eine andere Liga.“
Ich glaube, da stimmt irgendwas nicht, ein Umbaufehler vielleicht.

„Aber sag mal, wie willst du das denn anstellen?“
Redet man echt so, mit dem Aber davor? Mag aber regional sein.

„Bin doch mit dem 4x4 hier.“ Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter.
Hier würde ich vorschlagen, dass 4x4 durch Allrad zu ersetzen, liest sich eindeutig einfacher.

All dieser Scheiß staut sich hier an.“ Er legte eine Hand flach an die Schläfe. „Wie Kopfschmerzen, die nicht mehr weggehen.“
Sorry, ich kriege das nicht als Bild übereinander. Wasser/mitgeschliffener Schlick, Müll = Kopfschmerz?

„Entschuldige. Manchmal wächst einem die Sache ja über den Kopf.“
Könne raus, Füllwort

„Jetzt mach nicht so ein Gesicht.“
„Du aber auch.“
Vielleicht ist der 365ste Tag doch nicht so gut zum kommentieren - was meint er mit dem Du auch?

Mehrmals wollte Ernest nachsetzen, unterließ es aber dann.
Hier würde ich wenigstens das dann weglassen, ohne aber ist es Dir vielleicht zu knapp.

„Sie kann nicht noch ein Kind verlieren.“
„Du auch nicht.“
„Aber ich bin doch da!“
Ernest fuhr sich durchs kurze Haar, strich mit den Fingern über die kahle Stelle am Hinterkopf.
Auch diesen Dialogteil raffe ich nicht, bin gespannt, auf Deine Herangehensweise/Gedanken. Vielleicht stehe ich ja nur auf dem Schlauch.

„Das ist der Stress. Trinkst du wieder?“
Hab doch längst aufgehört.“
Auch eine seltsame Antwort.

Ernest blickte auf die Kiefer, die den Bootskran um Haaresbreite verfehlt und ein schartiges Loch in die Blechwand gerissen hatte. Geborstene Äste ihrer Krone ragten in die Werkstatt. Im Wasser dümpelte eine zerschmetterte Holzkiste.
Hier, gefühlt fünf Seiten Weiter kommt die Beschreibung des Chaos. Würde ich vorverlegen.

Ernest blickte auf die Kiefer, die den Bootskran um Haaresbreite verfehlt und ein schartiges Loch in die Blechwand gerissen hatte. Geborstene Äste ihrer Krone ragten in die Werkstatt. Im Wasser dümpelte eine zerschmetterte Holzkiste. Langsam holte sich das Meer die Werkzeuge. Ernest riss sich von dem Anblick los. Ließ seinen Blick stattdessen über das Trockendock schweifen. Nieselregen fiel wie Nadeln, begleitet von einem Geräusch, als würde Wasser verdampfen. Das Dock war leer.
Das ist ein Absatz, den ich richtig gut finde, ausgewogen in der Sprache. Okay, ein schweifender Blick und was da wie verdampfendes Wasser klingt, kann ich nicht herauslesen, aber das hier mag ich sehr.

Als Ernest ihn nur unbestimmt ansah,
sorry, kein Bild! Wie sieht das aus?

Irgendwann zog die Ebbe das Meer zurück, die Pumpe stotterte und verstummte, und die darauffolgende Stille war allumfassend. Nur in Ernests Ohren blieb ein Schwappen, als wäre sein Kopf voller Wasser. Wenn er sich konzentrierte, hörte er noch etwas anderes. Das Blubbern von Schlammlöchern und ein gedämpftes Platschen und Schlagen in der Ferne.
„Hörst du das?“, fragte er.
Die stehen da echt vier Stunden rum und gucken? Bis der über eine Flüche laufen kann, auf der vorher Wellen schlugen und es anscheinend kein reiner Sand ist, dauert es Stunden.

stapfte durch den Schlamm in den Nebel. Je weiter er ging, schwerfällig und mühsam, weil er mit jedem Schritt ein oder zwei Kilo Matsch mit anhob, desto träger wurde sein Atmen.
Warum wird sein Atem träge? Bist Du hier schon im spekulativen Teil?

Ernest hustete und spuckte einen Schwall eiskaltes Wasser aus.
Anscheinend ja, denn woher sollte das kalte Wasser kommen. Inhaltlich überfordert mich der fantastische Teil, fühlt sich eher nach einem Traum an. Da ich keine Grenzen sehe, hast Du es offensichtlich gut eingepasst. Da bin ich einfach nur die falsche Leserin.

„Hast du eine Taschenlampe?“, rief er.
„Ja!“
„Maglite?“
„Genau die!“
„Hol die mal!“
Hier habe ich den Überblick verloren, wer spricht. Warum ist die Marke wichtig? Lass ihn doch einfach seine Maglite holen.

„Hol die mal!“
Er wartete, stapfte auf und ab, um die Taubheit aus den Zehen zu vertreiben. Die Zeit verstrich in Bahnen, die er nicht erfassen konnte. Vielleicht wartete er nur eine Minute oder zwanzig. Der Nebel dämpfte seine Wahrnehmung, bis er sich fühlte, als stehe er am Grund eines Lochs und das kleine Rund über ihm wurde immer kleiner und enger.
Er dachte an Tomi, der so gerne mit Gabriel durch das Dorf gezogen war. Die selbstgebastelten Laternen wippten vor ihren Gesichtern. Wie sie klingelten, um nach Schokolade und Bonbons zu fragen, was sie nun nie wieder würden tun können. In seiner Erinnerung machte ihnen niemand auf.
Also, wenn das ein Fantasyteil ist, ist für mich alles fein. Mein Kopf sagt nämlich die ganze Zeit, ne, der geht nicht ins Watt raus, wenn er nichts sehen kann? Kein Küstenbewohner wäre so blöd.

Er dachte an Barbara, wie er zurück zu ihr unter die Decke geschlüpft war und sich an sie geschmiegt hatte, sie über den Arm streichelte. Bis ihm bewusst wurde, dass sich ihre Haut kalt und glitschig und schwammig anfühlte und er sich entsetzt abwendete, einen fischig-säuerlichen Gestank in der Nase.
Ernest kniff die Augen zusammen. Silvans Maglite leuchtete zittrig zu ihm herüber. „Wo willst du denn eigentlich hin?!
Wie gesagt, die Verwebung von Realität und Fantasy gelingt meiner Meinung nach gut, aber ich kriege den Sinn nicht zu fassen.

Doch bald hatte er den Punkt überschritten, an dem der Strahl der Maglite zu einem Teil des kaum differenzierbaren Graus geworden war.
Nö! Wie gesagt, das macht kein Küstenbewohner, würde ich anders lösen.

Mit schmatzenden Schritten drehte er sich einmal um sich selbst und wusste nicht, in welcher Richtung die Werkstatt lag. Was hätte beunruhigend sein sollen, erschien plötzlich seltsam vertraut und eine Gleichgültigkeit erfüllte ihn, die beinahe tröstlich war. Er fühlte sich losgelöst von seinem Körper, ganz leicht, als beobachte er sich selbst, schaue mit fremden Augen auf das Chaos in seinem Kopf.
Gefühlt hätte ich diesne schönen Absatz gerne am Anfang der Fantasyszene, damit ich mit ihm zusammen dort hineingleite. Aber da war Dein Ziel wohl etwas anderes.

Eine konfuse Luzidität, der er ausgeliefert war.
okay, man kann googeln, aber woher nimmt der Erzähler mit einem Mal seinen anderen Wortschatz, für mich fällst Du hier aus dem Sound.

Plötzlich realisierte er, wovon die vielen Lichter herrührten. Anglerfische hielten ihre biolumineszierenden Laternen aus Wasserlöchern. Gespenstische Mäuler besetzt mit viel zu langen Fangzähnen öffneten und schlossen sich in den Schatten des Riffs. Stumpfe Teleskop-Augen glotzten ihn an.
Tolles Bild, wenn mir auch unklar bleibt, wie er das Ertrinken seines Sohnes mit Tiefsee verknüpft.

Ernest wollte nach vorn stürzen, über das scharfkantige Riff klettern, bis er sich Hände und Knie blutig schürfte, und seinem Sohn zurufen, er solle weitermachen, weitermachen und durchhalten, bis er ihn erreichte und sie gemeinsam einen Weg hinunter fanden. Stattdessen blieb er stehen, schaute zu, wie Tomi den Eimer hektischer entleerte, seine Kraft kaum mehr ausreichte, das Plastik über die Reling zu heben. Wie das Wasser gegen den Rumpf klatschte.
Okay, Du hast einen allwissenden Erzähler, der in die Zukunft blicken kann bzw Gedanken liest - hat mich dennoch irritiert.
Ich frage mich eh die ganze Zeit, warum Du das nicht in Präsens erzählst, mich dabei sein lässt?

„Hey!“ „Hey, was ist los?“
Jemand rüttelte an seiner Schulter und zog am Jackenärmel.
„Ernest, verdammt, alles klar?“
Er wandte seinen Kopf dem Sprecher zu. Silvan stand neben ihm, eine Hand auf seiner Schulter, in der anderen hielt er die Maglite, leuchtete in den Nebel hinein. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte Ernest: „Geht schon wieder.“
„Du siehst bleich aus. Willst du ein Glas Wasser?“
Okay, und zurück in die Wirklichkeit. Nach dem Lesen würde ich tatsächlich überlegen, ob Du diesen doppelten Abrutscher brauchst, ob nicht ein abdriften in die Fantasy mit dem bittereren Ende besser wäre? Aber das nur zur Überlegung.
Öhm, wo will er denn mitten im Watt das Glas Wasser hernehmen?

Die Nebelsäulen flossen ineinander.
Ne, ich glaube immer noch nicht, dass es Säulen gibt.

Silvan streckte ihm die Hand entgegen. In dieser Geste steckte eine Endgültigkeit, die Ernest traf, als hätte ihn sein Freund in die Magengrube getreten. Er nahm die Hand und einen Moment standen die beiden Männer im einsetzenden Regen, bald versunken zwischen Flüstern und Murmeln, die Augen fixiert in denen des andern, und ohne weitere Worte war alles gesagt.
Das ist für mich ein sehr guter Absatz!

Hinter dem Haus gurgelte die Pumpe im Leerlauf, weil der Keller längst abgesogen war.
das wort abgesogen war lässt mich stutzen, auch wenn ich den Inhalt verstehe.
Eventuell wieder regional

Ein grauer Krebs krabbelte aus den Cornflakes. Fiel über den Schüsselrand und verschwand mit erhobenen Scheren unter das Tischtuch. Seepocken klebten am Kühlschrank. Ernest schwankte und hielt sich an der Lehne von Tomis Stuhl fest.
Das mag ich, hätte ich mir mehr von gewünscht, ein langsames abdriften in diese Seewelt

An der Innenseite des Spiegels perlte Wasser ab und er konnte sein Gesicht nur als verwaschenen Schemen erkennen. Zurück im Schlafzimmer legte er sich zu Barbara ins Bett. Streichelte über ihre kalte Hand.
Auch das ist super! Aber mir nicht konsequent genug. Die Bettdecke müsste Quittschen

Die Meeresoberfläche lag jetzt spiegelglatt
jetzt ist nur Füllwort

Sein Boot und er befanden sich nicht auf See, sondern in der Mitte einer immensen Badewanne, deren Kopf- und Fußende kaum auszumachen waren.
Sehr cool

Zuerst dachte Ernest, eine Faust würde tatsächlich ihn und sein Boot zerschmettern, aber dann wurde immer deutlicher, dass es sich um das Antlitz des Riesen handelte, der die Laterne hielt. Ernest umklammerte die Reling und konnte nichts weiter tun, als die Fratze anzustarren, die zunehmend an grauenvollen Details gewann, je näher der Kopf dem Badewannenrand kam.
Rechts und links der vier Nasenlöcher, aus denen sich schmutzigbraune Wasserfälle ergossen, thronten zwei kreisrunde Scheiben, die das Licht in Prismen aufbrachen. Dahinter dunkle Riffkrater und in ihnen tausende Stäbchen, die sich wie Anemonen in Strömen milchiger Flüssigkeit bewegten, ihre Sehzellen auf ihn ausrichteten. Die ins Mikroskopische vergrößerten Augen eines Tiefseefischs. Ernests Sohn Gabriel war zurückgekehrt aus der Finsternis der Abyssalzone, verformt und zerquetscht von einem Druck von mehr als sechshundert Bar.
Generell mag ich die Idee! Ich frage mich nur, ob ein liebender Vater, der auch noch extrem Gewissensbisse hat, seinen Sohn so in Gedanken/Unterbewusstsein sehen würde. Aber ich bin einfach zu verkopft für sowas.

Doch dann erkannte er, dass die Welle die kleinere Bedrohung war. Der Tiefseegabriel lehnte über den Wannenrand und öffnete den Schlund weiter als es seine monströse Anatomie ohnehin vermuten ließ. Sein Kopf war nur noch Maul und Zähne. Die Laterne wippte davor, als wolle sie Ernest anlocken. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und er sah der herannahenden Flutwelle entgegen, in Erwartung des unausweichlichen Moments, wenn sie das Boot erreichte und er in den Rachen seines Sohnes gespült würde, von ihm verschluckt, wie Jona vom Wal.
Mag ich

Keine Antwort. Nur das Rauschen des Wasserhahns. Durch den Türspalt bildete sich eine Pfütze.
Unter dem Türspalt! Oder durch den Spalt läuft Wasser

„Lass mich rein!“ Er hämmerte gegen die Tür. Als sie immer noch nichts erwiderte, fügte er schnaufend an: „Du hast recht. Ich war zu selten da. Bin rückfällig geworden. Hab mich rumgetrieben. Ich hielt es nicht mehr aus, euch in die Augen zu sehen.“
„Dass du wieder trinkst, war mir längst klar.“
Ja, es eskaliert und ich bin in Gedanken voll bei ihm. Da ich seine Frau und Sohn nicht kennengelernt habe, fühle ich mit dem Prota

„Wie naiv du bist! Ganz Altwinter mied uns doch. Was meinst du, was die Leute dachten, als du auf den Polizeiposten musstest? Mehrmals? Und dann diese schmierigen Reporter vom Altwinter Express, die uns nicht mehr in Ruhe ließen? Die seltsamen Blicke im Supermarkt, das werde ich nie vergessen ...“
Oh oh, da packst Du ihm aber einiges auf die Schulter. Dafür war er mir mit seinem Freund dann sogar zu entspannt.

„Das ist mir egal“, antwortete sie. „Für deine Floskeln ist es zu spät. Seit Gabriels Tod warst du nie mehr derselbe. Aber nicht deswegen verabscheue ich dich. Ich verabscheue dich, weil du unfähig warst, deinen Sohn zu retten, und mir das Gefühl gegeben hast, ich sei schuld daran. Was war ich eine dumme Kuh.“
Das mit den Schuldzuweisungen verstehe ich nicht

„Es wird alles gut, wie du es dir gewünscht hast.“ Ihre Stimme klang jetzt sanft, ohne jegliche Aggression oder Unruhe. Verträumt, als würde sie einschlafen oder wäre sonst wie weggetreten. „Bald können wir wieder zusammensein. Was deinen Vater betrifft ...“
„Lass die Finger von Tomi!“, keuchte Ernest. „Tomi, Junior, hörst du mich? Du musst dich wehren! Gott, mein Junge, wehr dich doch!“ Ernest begann zu schreien. Das Hämmern gegen die Tür hallte als dumpfe Schläge in seinem Kopf. „Nimm den Eimer! Tomi, du musst den Eimer nehmen und das Wasser wegschöpfen!“
Tolle Zuspitzung
Auch in Verbindung mit dem Fantasy-Eimer

die trieb Ernest die Treppe hinab. Morsche Bretter brachen unter seinen Tritten. Er blieb hängen und knallte unten so wuchtig gegen den Wandschrank, dass dessen Tür splitterte.
Hier fragt mein Kopf dann aber schon, warum das einzig haltbare die Badtür war?
Ich hätte jetzt erwartet, dass er Werkzeug holt, die Tür einschlägt.

Ein einzelnes Blatt Papier unter das Radio geklemmt, gekrakelt in kaum lesbarer Schrift, fleckig vom Wasser. Ich wusste, dass du zurückkommst. Vergib mir meine Abwesenheit, aber sei nicht traurig. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder. Du findest mich am schwarzen Riff.
Ja, das passt! Ich glaube dem Schiffsbauer sogar das vorher abschleifen.
Ich verstehe nur nicht, warum Ernest hier her fährt.

Vom Geruch von Moder und Salz schwindelte ihm. Er tastete nach Gabriels Namenskettchen in der Jackentasche. Seine Finger waren steif, eine angenehme Taubheit breitete sich von ihnen aus. Die schwarzen Wasser leckten unaufhörlich am Fundament. Und das Schlaflied summend, legte Ernest sich hin, wartete auf die Flut.
Ja, kaufe ich hier an diesem Platz, nun ist alles zu spät. Wie gesagt, das nicht Türaufbrechen im Haus, ist für mich unglaubwürdig.
Puh, kein netter Jahresabschluss, aber das war ja wohl gewollt. Ich bin gespannt, was Du noch am Text machst und erfahrenere Horrorleser den Text einordnen.
Dir einen schönen Jahreswechsel
greenwitch

 

Hallo @greenwitch

Ein gutes neues Jahr wünsche ich Dir. Danke vielmals fürs Lesen der Geschichte und deine Anmerkungen dazu, habe mich sehr darüber gefreut. Deine Detailkritik finde ich vielenorts berechtigt, hab jetzt auch das ein oder andere geändert und gehe mal Schritt für Schritt durch. Da wo ich nichts zu schreibe, dass habe ich abgeändert. Waren einige gute Sachen dabei, danke Dir. Ich merke nach deinem Feedback, dass Du die Story wohl nicht ganz so wie intendiert verstanden hast, da ist es für mich aber noch nicht ganz einfach, ob das jetzt nur Dir so geht oder ob ich das stellenweise zu wenig deutlich ausformuliert habe, muss ich mal schauen, was andere noch dazu sagen. Jedenfalls hilft mir dein Beitrag aber trotzdem sehr weiter, gerade weil Du hier genrefremd gelesen hast und dennoch bis zum Ende drangeblieben bist. Das freut mich natürlich!

Gelockt hat der Titel mich, auch wenn ich im Nachhinein eher bei Tiefseefischen oder irgendwas mit viel Wasser wäre.
Nun, viel Wasser kommt vor, Tiefseefische auch :-) Meinst Du, da wäre noch mehr gegangen? Ich hatte einfach das Gefühl, plötzlich könnte es übertrieben wirken. Jedenfalls noch kurz was zum Titel: Also erstmal schön, hat der seine Funktion erfüllt. Nun, für was steht er? Ich habe es mir so gedacht, dass das Wasser in der Geschichte den Antagonisten darstellt. Man sagt ja, Wasser sei Leben. Hier in der Story ist es aber der Tod. Das schwarze Wasser beherrscht ja sozusagen die Gedanken der Protas, da ist bspw. der Typ mit dem Anzug, der Silvans Katamaran kaufte und damit dem Sturm entgegenfuhr, oder auch das Silvan in der Werkstatt schläft, möglichst nah am Wasser. Kann aber sein, das ist zu wenig deutlich. Dann könnte sich der Titel auf die Laternen der Tiefseeanglerfische beziehen, die ja ein paar mal in der Story vorkommen, oder, so lese und interpretiere ich es, der Titel bezieht sich auf die Gedanken Ernests (und auch Silvans), er fischt sozusagen gedanklich im Trüben, dunkle Erinnerungen (der Tod seines Kindes verglichen mit der Finsternis der Tiefsee, Abyssalzone) quälen ihn. Ich wollte erst so einen Titel nehmen wie Der Ruf des schwarzen Riffs aber das schien mir dann zu offensichtlich und auch zu ausgelutscht irgendwie. Wenn ich das jetzt so schreibe, dann wird vielleicht auch klarer, wieso das hier passiert:
Mein Kopf sagt nämlich die ganze Zeit, ne, der geht nicht ins Watt raus, wenn er nichts sehen kann? Kein Küstenbewohner wäre so blöd.
Ernest ist gar nicht mehr wirklich Herr über sein Tun, es ist das Meer, der Schlick, das schwarze Riff, dass ihn da in den Nebel ruft (könnte hier auch das Rufen seines Sohnes nehmen oder so, aber auch das war mir irgendwie zu naheliegend und offensichtlich). Ich sehe aber, dass man das wohl nicht recht versteht und es zu Irritation führt. Ich denke, ich werde es so lösen, dass Silvan da vehementer protestiert, ihn davon abhalten will, in den Nebel zu gehen, dann wäre es eventuell glaubwürdiger? Mal schauen, ist jedenfalls ein guter Input von Dir!

Ich mag die Idee, aber obwohl ich mich eigentlich in deiner Geschichte orientieren sollte, mich hineinziehen lassen will, fange ich an zu denken, was das sei und wie das Klinge - Suboptimal, oder?
Ja, das habe ich im Nachhinein eingebaut, weil ich das mit dem Der Mond ist aufgegangen schon relativ früh bringen wollte, aber ich sehe, dass es gleich zu einem kleinen Stolperer führen kann. Vielleicht müsste ich das ein wenig später bringen bzw. organischer einflechten in die Story? Es war so gedacht, dass Ernest zu Beginn nicht weiss, was das überhaupt für ein Lied, eine Melodie ist und (wie der Leser) erst im Laufe der Geschichte erfährt, was es damit genau auf sich hat. Ist jedenfalls notiert und ich schaue es mir an.

Eine fette Sprache, sehr adjektivhaltig. Mag ich durchaus, hier am Anfang ist es mir oft drüber, zum Ende hin klingt es für mein Sprachempfinden ausgeglichener.
Mmh, ja, habe das ein oder andere bei der Einleitung aussortiert. Aber bestimmt geht da noch mehr, ich bleibe dran.

Da ist als unheimlich viel Wasser durchgegangen, alles umgeschmissen, durcheinander. Klingt aber außer diesem Satz, als wäre alles wie immer.
Finde ich super. Genau so sollte es klingen: Es ist trotz diesem Chaos eigentlich wie immer, die Bewohner von Altwinter leiden nicht erst seit gestern unter diesen Unwettern. Deshalb nehmen Ernest und Silvan das auch gar nicht so richtig wahr, für sie ist es beinahe schon Alltag.

Sorry, ich kriege das nicht als Bild übereinander. Wasser/mitgeschliffener Schlick, Müll = Kopfschmerz?
Das soll bedeuten, die ganzen Umstände, das Versinken Altwinters in den Fluten etc., staut sich in seinem Kopf an, macht ihn mürbe, bereitet ihm irgendwo auch Sorgen. Es ist nicht 1:1 so zu lesen, wie es da steht. Aber vielleicht muss ich das anders formulieren.

Vielleicht ist der 365ste Tag doch nicht so gut zum kommentieren - was meint er mit dem Du auch?
Dass auch er nicht so ein Gesicht machen soll.

Auch diesen Dialogteil raffe ich nicht, bin gespannt, auf Deine Herangehensweise/Gedanken. Vielleicht stehe ich ja nur auf dem Schlauch.
Nee, da stehst Du nicht auf dem Schlauch. Das hast Du gut gesehen. Das war noch ein Überbleibsel, weil der Dialog an der Stelle vorher ein wenig anders war. Ich habe die Stelle gekillt.

sorry, kein Bild! Wie sieht das aus?
Gute Frage :D Habe die Stelle eliminiert.

Hier habe ich den Überblick verloren, wer spricht. Warum ist die Marke wichtig? Lass ihn doch einfach seine Maglite holen.
Habe gekürzt. Es sollte nun klarer sein. Und was die Maglite angeht, gebe ich Dir recht.

das wort abgesogen war lässt mich stutzen, auch wenn ich den Inhalt verstehe.
Eventuell wieder regional
abgesaugt war? Wäre das besser, verständlicher? Vielleicht ist das irgendwie vom Schweizerdeutschen reingerutscht! Jedenfalls hat mein Schreibprogramm (Papyrus Author) dies als lupenreines Deutsch erkannt (sonst motzt das jeweils: Schweizerisch!) :D

Auch das ist super! Aber mir nicht konsequent genug. Die Bettdecke müsste Quittschen
Ja, verstehe was Du meinst, aber ich bin mir gerade unsicher, ob es nicht drüber wirken könnte, wenn ich da den Effekt noch weiter verstärke.

Ja, es eskaliert und ich bin in Gedanken voll bei ihm. Da ich seine Frau und Sohn nicht kennengelernt habe, fühle ich mit dem Prota
Also dass Du mit dem Prot mitfühlst, das ist schonmal gut und ein tolles Feedback. Allerdings gebe ich Dir recht, Frau und Sohn bleiben gesichtslos, dass sehe ich schon auch, ist mir auch während des Schreibens so durch den Kopf gegangen, man könnte da beifüttern und dann sind gewisse Szenen (gerade hier gegen Ende) wohl auch heftiger, wenn man sozusagen beide Seiten kennt, aber die Story ist mir eh davongaloppiert, ich wollte die ursprünglich unter 3 Seiten halten :D:lol:

Hier fragt mein Kopf dann aber schon, warum das einzig haltbare die Badtür war?
Ich hätte jetzt erwartet, dass er Werkzeug holt, die Tür einschlägt.
Die Badetür steht auch ein wenig symbolisch dafür, dass Ernest nicht mehr zu Barbara/seiner Familie durchdringen kann, dass er da auf eine Wand/Tür stösst, die er seit Gabriels Tod nicht mehr in der Lage ist zu öffnen. Könnte sein, es ist ein wenig weit hergeholt, ja :-) Klar, ich könnte ihn Werkzeuge holen lassen, eine Axt à la Shining oder so, und er kriegt sie dann trotzdem nicht auf. Die Geschichte ist schon lang genug, und ich wollte wie gesagt nicht alles so direkt ausformulieren, aber wenn es dann unglaubwürdig wirkt, ist das natürlich auch nicht die Lösung! Ich schaue mir die Stelle auf jeden Fall noch einmal an.

Puh, kein netter Jahresabschluss, aber das war ja wohl gewollt.
Klingt falsch, ich weiss, aber das freut mich sehr!!! :baddevil:

Dir einen angenehmen Start ins neue Jahr und noch einmal vielen herzlichen Dank fürs Lesen und deinen Eindruck!

Beste Grüsse,
d-m

 

Nur nochmal ganz kurz! Warte unbedingt noch andere Kommentare ab. Denn im Nachhinein mag ich dieses unzuverlässigen Verknüpfungen wirklich, da fehlen für mich nur ganz kleine Nachjustierungen. Auf alle Fälle eine Geschichte, die mir noch nachgeht.
Gesundes Neues
Greenwitch

 

Hi @deserted-monkey,

ich hab deine Geschichte schon gestern gelesen. Und eine Menge Zitate (vermeintlich) rauskopiert, die heute alle weg waren. Daher sind es deutlich weniger, weil ich den langen Text nur noch 2-mal quergelesen habe und nicht mehr alles gefunden. Außerdem hatte ich den Eindruck, einiges sei verändert, aber vielleicht ist das wegen der Zweitsichtung.

Teilweise sind da sehr sprach- und bildgewaltige Beschreibungen, da ist die Story stark, wiewohl nicht einfach. In den Dialogen hatte ich dann gelegentlich den Eindruck, du triffst den Ton der Erzählung nicht immer einwandfrei, durchbrichst damit die sonst eindrucksvolle Atmosphäre.

Insgesamt: Was ein 'fantastisches Ding'. Klare Schnittstellen von Realität, Traum und Wahn(welt) findet man selten. Silvan erscheint als Verankerung im Realen, aber die surreale Situation verschluckt auch ihn. Diese Wasserwelt erinnert mich an die Weltenbauten eines J.G.Ballard. Vor allem im Dystopiezyklus aus den 60-ern.
Das ist sehr gut gemacht von dir.
Auch diese Ideen, die Welt in die Badewanne zu verlegen und das Geschehen von einem Außen des Inneren zu beeinflussen: stark fantastisch in zweifacher Bedeutung.

Leichte Kost ist natürlich etwas anderes. Das auszudeuten gelingt mir nicht ganz, so verlasse ich mich darauf, das 'psychisch' zu lesen. Innere und äußere Vorgänge durchdringen sich, bedingen sich. Da lohnt es sich schon, das mehrfach zu lesen.

An manchen Stellen hinken die Bilder leicht (da war eine Stelle, die ich nicht mehr fand, wo etwas aussieht wie 'vom Meer ausgekotzt'?; aber das war abwegig, weil es mit Meer gar nichts zu tun hat -- finde ich nicht mehr ...).

„Eben. Siehst du’s denn nicht? Auf uns alle wartet doch ein nasses Grab! Und was tun wir? Machen einfach weiter wie bisher!“
Der ist ja vermeintlich 'außen'. Die Formulierung erscheint mir da zu gestelzt, wie aus einem Spielfilm, den ein zu eifriger Dramaturg betreut hat beim Dreh.
So standen sie da und wussten beide nicht, auf was sie warteten.
Das ist das erste Mal, dass du im Text die Auktorialität so dominant machst, was den Text bricht, weil die sich sonst dezent im Hintergrund hält, sodass man vermeint, innerhalb der Psyche und Wahrnehmung Ernests zu sein. Was es gerade so schwierig macht, außen von innen zu trennen. Das ist Teil des Horrors, hier aber sagst du, es gibt eine objektive Sicht. Das ist unvermittelt und bricht was.
Er dachte an Barbara, wie er zurück zu ihr unter die Decke geschlüpft war und sich an sie geschmiegt hatte, sie über den Arm streichelte. Bis ihm bewusst wurde, dass sich ihre Haut kalt und glitschig und schwammig anfühlte und er sich entsetzt abwendete, einen fischig-säuerlichen Gestank in der Nase.
Ja, gruselig.
In tiefen Schlammlöchern zappelten silbriggraue Fische, die verzweifelt versuchten, sich aus ihren Gefängnissen schwindenden Sauerstoffs zu befreien. An einigen Löchern blieb er stehen und schaute zu, wie der zähe Schlick aus ihren Kiemen floss, rhythmisch, beständig, und er fragte sich, wann ihre Herzen und Arterien davon verstopften.
Der schwindende Sauerstoff ist ja von ihm, davon wissen die Fische nichts. Das ist subjektiv. Starkes Bild.
Auf halbem Weg kam er an einer Stelle vorbei, an der die Leitplanken geborsten waren und der Leib einer toten Kuh versperrte die rechte Fahrbahn. Ihr massiger Körper wirkte aufgequollen und zerflossen, wie eine riesige Qualle, als wären ihre Eingeweide bis zum Platzen angeschwollen. Er erinnerte sich nicht, ob er schon morgens an dem Kadaver vorbeigefahren war.
Da es Silvan gibt, gibt es auch diese Kuh. Denkt man. (Allerdings abwegig ist die Idee, Ernest könnte das gesehen haben und sich dann nicht mehr daran erinnern ...)
Tomi saß am Küchentisch und löffelte Cornflakes aus einer Schüssel. „Hey, Junior. Wo ist deine Mutter?
Hier bricht der Ton ab. Das klingt nach Soap, Alltäglichkeit.
Es klang so gequält, dass Ernest rasch seine Hand wegzog, verwundert und schockiert darüber, dass er dem Jungen Schmerzen zufügen konnte, und er fragte sich, was schlimmer für ihn sein mochte: Der physische Druck oder der psychische.
Glaub ich nicht. Und ist auch sehr theoretisch formuliert.
dass es sich um das Antlitz des Riesen handelte, der die Laterne hielt. Ernest umklammerte die Reling und konnte nichts weiter tun, als die Fratze anzustarren, die zunehmend an grauenvollen Details gewann, je näher der Kopf dem Badewannenrand kam.
Rechts und links der vier Nasenlöcher, aus denen sich schmutzigbraune Wasserfälle ergossen, thronten zwei kreisrunde Scheiben, die das Licht in Prismen aufbrachen. Dahinter dunkle Riffkrater und in ihnen tausende Stäbchen, die sich wie Anemonen in Strömen milchiger Flüssigkeit bewegten, ihre Sehzellen auf ihn ausrichteten. Die ins Mikroskopische vergrößerten Augen eines Tiefseefischs. Ernests Sohn Gabriel war zurückgekehrt aus der Finsternis der Abyssalzone, verformt und zerquetscht von einem Druck von mehr als sechshundert Bar.
Dazu öffnete und schloss er seinen schiefen Mund mit Überbiss, zeigte meterlange Säbelzähne, zwischen denen sich Seegrasgeflechte verfangen hatten. Tief im finsteren Rachen leuchteten die Kiemenschlitze und warfen einen Schimmer auf den Fischfriedhof in seiner Kehle. Einige der Tiere zappelten und sprangen auf, versuchten sich zurückzukämpfen, weg vom gurgelnden Abgrund seines Schlunds.
Starke Stelle. Was Fantasie. Grauslig.
Kurz darauf hörte Ernest ein Rauschen, noch viel mächtiger als das des Sturzregens von letzter Nacht. Sein einstiger Sohn hatte den Wasserhahn geöffnet. Eine Flutwelle wanderte über den Horizont, baute sich weiter und weiter auf. Der Außenborder kämpfte um Ernests Leben, während er nur starrte. Doch das Riff gab nicht nach. Allein die Flutwelle, mittlerweile schätzte Ernest sie auf gute zwanzig Meter Höhe, würde das Boot befreien können.
Gut.
„Barbara, was machst du da drin?“ Er rüttelte an der Klinke.
„Ich mach mich nur etwas frisch.“
„Ich hör den Wasserhahn laufen.“
„Wie gesagt, ich mach mich etwas frisch. Ist das etwa verboten?“
„Es ist die Badewanne.“
„Ich nehm ein Bad, na und? Ich brauch bisschen Entspannung. Und weißt du was, Ernest? Du trägst nicht gerade dazu bei.“ Sie lachte.
Hier passt es wieder nicht, vor allem nicht zu den Emotionen, mit denen sie wenig später spricht. Das haut mich raus. Denn:
„Wieso streiten wir uns? All das spielt längst keine Rolle mehr.“
„Wenn man dabei zusieht, wie jemand ertrinkt, dann ist das Mord.“
„Das Verfahren war falsch! Der leitende Ermittler hat sich höchstpersönlich bei mir entschuldigt! Willst jetzt etwa du mir ein Motiv anhängen?!“
„Ich weiß nicht, Ernest, mach ich das? Wie fühlt es sich denn an?“
„Was den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung angeht ... Ich habe dafür bezahlt. Ich will doch nur, dass wir wieder eine Familie sind.“
„Ernest, du meinst immer, alles sei so einfach. Du bist ein unverbesserlicher Egoist.“
„Bitte, lass es mich wieder gut machen.“
„Das kannst du nicht!“
„Du wirst jetzt die Tür aufmachen, oder ich trete sie ein!“
„Lass mich in Ruhe! Hau ab! Verzieh dich!“
Ich beachte ja immer die Möglichkeit, was falsch zu verstehen. Vor allem bei so einem Text, aber dieser Dialog ist profan, hier scheinen die Figuren ihre eigenen Rollen zu verfehlen.
Lies das mal laut und entscheide, ob die das so sagen könnten!
„Das ist mir egal“, antwortete sie. „Für deine Floskeln ist es zu spät. Seit Gabriels Tod warst du nie mehr derselbe. Aber nicht deswegen verabscheue ich dich. Ich verabscheue dich, weil du unfähig warst, deinen Sohn zu retten, und mir das Gefühl gegeben hast, ich sei schuld daran. Was war ich eine dumme Kuh.“
Same.

--
Den Abgang von Silvan am Ende ... tut mir leid, den habe ich einfach nicht verstanden. Da kann ich nur rational herumraten, da kommt mir kein Gefühl oder Bild in den Sinn. Alles greift in der Geschichte ineinander ein, aber hier ist nicht zu spüren, wie das dazupasst ...

Die angezeigten Dialoge würde ich mir noch mal anschauen, die heben mich als Leser raus aus deiner Horrorwelt.

Gruß
Flic

Nachtrag:

Er summte ein Lied, dessen Melodie ihm so vertraut war, dass er manchmal glaubte, Tonabfolgen daraus in seiner Alltagssprache wiederzuerkennen. Aber wenn er darüber nachdachte, erinnerte er sich weder an den Text noch wo er es zum letzten Mal gehört hatte.
Das ist etwas, was mich anfangs aus dem Text haute. Da Bleibt man hängen, im Versuch, sich das vorzustellen, wie das ist, Tonabfolgen in der Alltagssprache wiederzuerkennen; schwierig-

Die umgekippten Regale wirkten wie vom Meer ausgespuckt.
Hier ist es wieder ... Regale, die vom Meer ausgespuckt werden?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @FlicFlac!

Besten Dank Dir für dein ausführliches Feedback. Habe deinen Kommentar sehr gerne gelesen und gebe Dir eigentlich bei allem Recht, was Du schreibst.

Teilweise sind da sehr sprach- und bildgewaltige Beschreibungen, da ist die Story stark, wiewohl nicht einfach. In den Dialogen hatte ich dann gelegentlich den Eindruck, du triffst den Ton der Erzählung nicht immer einwandfrei, durchbrichst damit die sonst eindrucksvolle Atmosphäre.
Super! Danke für dein Lob. Die Dialoge sind bei mir eine Baustelle, seit ich mit dem Schreiben begonnen habe ... Ich denke schon, dass sich -- gerade auch wegen dem Forum hier -- mein Schreiben seit meinen Anfängen Ende 2020 enorm verbessert hat, aber die Dialoge, da bin ich mir eben immer noch oft unsicher, wie ich das genau machen kann, wie die genau ausstaffiert sein müssen, dass die organisch wirken und die Charaktere, Sprecher dahinter zeigen. Von daher war das auch hier etwas so. Danke für die angemerkten Stellen, ich habe die jetzt alle angepasst. 'Eindrucksvolle Atmosphäre' geht natürlich runter wie Öl!

Insgesamt: Was ein 'fantastisches Ding'. Klare Schnittstellen von Realität, Traum und Wahn(welt) findet man selten. Silvan erscheint als Verankerung im Realen, aber die surreale Situation verschluckt auch ihn. Diese Wasserwelt erinnert mich an die Weltenbauten eines J.G.Ballard. Vor allem im Dystopiezyklus aus den 60-ern.
Das ist sehr gut gemacht von dir.
Auch diese Ideen, die Welt in die Badewanne zu verlegen und das Geschehen von einem Außen des Inneren zu beeinflussen: stark fantastisch in zweifacher Bedeutung.
Leichte Kost ist natürlich etwas anderes. Das auszudeuten gelingt mir nicht ganz, so verlasse ich mich darauf, das 'psychisch' zu lesen. Innere und äußere Vorgänge durchdringen sich, bedingen sich. Da lohnt es sich schon, das mehrfach zu lesen.
Hierzu einfach ein riesiges Dankeschön! Das freut mich enorm, dass der Text so bei Dir angekommen ist. Ich war mir unsicher, ob die fantastischen Elemente nicht zu drüber sind, ob man da überhaupt mitgeht. Schön, dass es funktioniert bzw. funktionieren kann! Das bestärkt mich in meinem weiteren Vorhaben: Die surrealen Komponenten vertiefen und irgendwie so Richtung 'psychedelisches Schreiben' (oder so ... :D) gehen. Da werde ich mich für den Moment aber mal vom Horror verabschieden, will andere Genres ausprobieren, weil ich habe sonst das Gefühl, mit diesen Stories drehe ich mich irgendwann nur noch im Kreis *schwindel* :D Ja, dass es Dich etwas an J.G. Ballard erinnert vom Weltenbau her, ist wohl kein Zufall, ich finde den Autoren absolut top und glaube, auch viel von seinen Kurzgeschichten gelernt zu haben.

Zu deinen Anmerkungen (die mir, dass kann ich schon vorwegnehmen, sehr weitergeholfen haben, danke für dein genaues Auge/das genaue Lesen!):

Der ist ja vermeintlich 'außen'. Die Formulierung erscheint mir da zu gestelzt, wie aus einem Spielfilm, den ein zu eifriger Dramaturg betreut hat beim Dreh.
Ja, gebe Dir zu 100% recht. Das war ganz lange eine Baustelle, weiss nicht mehr, wie oft ich die Stelle bzw. den Satz schon umgeschrieben habe. Deshalb: Ich hab im Dialog jetzt bisschen was verändert/verschoben, die zitierte Stelle ist ersatzlos gekillt. Hoffe, es ist jetzt besser und liest sich nicht mehr nach übereifrigem Dramaturg! :-)

Das ist das erste Mal, dass du im Text die Auktorialität so dominant machst, was den Text bricht, weil die sich sonst dezent im Hintergrund hält, sodass man vermeint, innerhalb der Psyche und Wahrnehmung Ernests zu sein. Was es gerade so schwierig macht, außen von innen zu trennen. Das ist Teil des Horrors, hier aber sagst du, es gibt eine objektive Sicht. Das ist unvermittelt und bricht was.
Sehr gut bemerkt, sehr guter Hinweis. Habe die Stelle verändert und denke, da ist jetzt kein Bruch mehr. Falls dem immer noch so sein sollte, werde ich die Stelle ebenfalls einfach killen. Sollte eigentlich nicht viel verloren gehen dadurch. Diese Anmerkung von Dir, dass sich die Auktorialität (was ein Wort!) im Hintergrund hält, hat mich übrigens wahnsinnig gefreut!

(Allerdings abwegig ist die Idee, Ernest könnte das gesehen haben und sich dann nicht mehr daran erinnern ...)
Auch das! Sofort gekauft und geändert, bzw. die Stelle weggekürzt.

Hier bricht der Ton ab. Das klingt nach Soap, Alltäglichkeit.
Ja, ich wollte da erst schon einen alltäglichen Ton drinhaben, dass Ernest sich da so gibt, als wäre eigentlich alles in Ordnung. Aber dass es nach 'Soap' klingt, dass gefiehl mir dann gar nicht, weshalb die Passage jetzt (leicht) gekürzt ist.

Glaub ich nicht. Und ist auch sehr theoretisch formuliert.
Stelle ist raus. Danke Dir.

Hier passt es wieder nicht, vor allem nicht zu den Emotionen, mit denen sie wenig später spricht.
Ich beachte ja immer die Möglichkeit, was falsch zu verstehen. Vor allem bei so einem Text, aber dieser Dialog ist profan, hier scheinen die Figuren ihre eigenen Rollen zu verfehlen.
Lies das mal laut und entscheide, ob die das so sagen könnten!
Mensch, das sind genau die Stellen, die ich im Nachhinein noch eingefügt habe, weil ich ein wenig beifüttern wollte, aber ich habe da schon gemerkt, dass ich nicht mehr so ganz im Flow der Geschichte bin, weshalb ich mir dann selbst gedacht habe: Mmmh, passt das jetzt? Dass Du nun genau diese Stellen angemerkt hast, bestätigt mich in meinen Zweifeln diesbezüglich. Habe den Dialog ein wenig verändert.

Das ist etwas, was mich anfangs aus dem Text haute. Da Bleibt man hängen, im Versuch, sich das vorzustellen, wie das ist, Tonabfolgen in der Alltagssprache wiederzuerkennen; schwierig-
Stimmt. Auch @greenwitch hat das angemerkt. Habe die Stelle gekürzt, vereinfacht.

Hier ist es wieder ... Regale, die vom Meer ausgespuckt werden?
Auch da gebe ich Dir recht. Was habe ich an dem Satz rumgedoktert ... :D Ist nun verändert und ich finde ihn so jetzt gar nicht schlecht.

Danke Dir sehr für deinen Kommentar und fürs Lesen!

Beste Grüsse,
d-m

EDIT: Mist, glatt was vergessen. Nämlich was Du hierzu geschrieben hast:

Den Abgang von Silvan am Ende ... tut mir leid, den habe ich einfach nicht verstanden. Da kann ich nur rational herumraten, da kommt mir kein Gefühl oder Bild in den Sinn. Alles greift in der Geschichte ineinander ein, aber hier ist nicht zu spüren, wie das dazupasst ...
Okay, verstehe. Ich habe mir das an der Stelle sehr simpel (vielleicht zu simpel) gedacht: Silvan fährt da raus, wie der Anzugtyp mit seinem Katamaran, weil er halt 'gerufen' wird (und zuvor hat er ja auch sein letztes Boot präpariert). Aber vielleicht passt das tatsächlich nicht so gut. Ich könnte mir vorstellen, da seinen Brief an Ernest noch etwas zu erweitern, eine Erklärung dafür zu liefern, wieso er das macht: Es würde sich anbieten, da sowas zu bringen, dass er die Segel seines Katamarans draussen auf dem Meer gesehen hat, wie Ernest beim Zurückfahren mit dem Jeep, und da nachschauen will, ob das Boot den Sturm überlebt hat. Wäre das eventuell was? Ich überlege jedenfalls noch daran herum.

 

Hi @deserted-monkey -- die neue Fassung kann ich erst abends oder morgen lesen;schön, dass dir meine Anmerkungen etwas helfen.
Im Moment nur dazu eine Idee:

Die Dialoge sind bei mir eine Baustelle, seit ich mit dem Schreiben begonnen habe ... Ich denke schon, dass sich -- gerade auch wegen dem Forum hier -- mein Schreiben seit meinen Anfängen Ende 2020 enorm verbessert hat, aber die Dialoge, da bin ich mir eben immer noch oft unsicher, wie ich das genau machen kann, wie die genau ausstaffiert sein müssen, dass die organisch wirken und die Charaktere, Sprecher dahinter zeigen.
Ich empfehle dir Folgendes: Stell dich hin, als wärst du auf einem Filmset. Du liest den Schauspielern deine Dialoge vor, um zu zeigen, wie sie das sprechen sollen. Sehr wahrscheinlich, dass du beim lauten Lesen schnell merkst, was 'falsch' klingt, was anders gesagt werden muss. Weil du es hörst. Und dann variiere das, bis es sich 'richtig' anhört.
Ich 'höre' so was meist schon beim leisen Lesen allein, was von der Zeit auf Lesebühnen kommt; wichtig ist der Klang.

Gruß
Flic

 

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