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Sinn des Lebens, oder: Survival of The Fittest

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07.02.2013
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Sinn des Lebens, oder: Survival of The Fittest

Die Frau stand alleine an einer Klippe. Weit und breit nur trostlose rostrote Wüste, ab und zu huschte eine Eidechse zwischen den vereinzelten trockenen Sträuchern. Die Klippe fiel steil ab und als die Frau hinab schaute, konnte sie keinen Grund erkennen. Es schien als wäre dieser Ort das Ende ihrer Welt. Sie stand da und wartete. Lange geschah nichts Nennenswertes. Der Himmel war überzogen mit grauen Wolken. Ab und zu ein Windstoß. Niemand war hier um bei der Frau zu sein. Sie war komplett alleine.
Irgendwann akzeptierte sie diese Tatsache. So wollte sie sich auf den staubigen Boden setzen und warten. Keine Gedanken darüber, worauf sie warten wollte. Aber als sie sich hin hockte, erschütterte plötzlich das Bild dieser Wüste, die vertrockneten Sträucher bebten, die dunklen Wolken zogen sich auf einmal zusammen, die Frau hörte ein tonloses Summen. Weiter geschah nichts. Doch die Frau brach in Tränen aus. Warum? Sie wusste nicht wie sie hier her gekommen war, wo sie hin wollte, was sie überhaupt vor hatte. Aber sie war so einsam. Sie hatte kein Ziel mehr, denn sie konnte keinen Weg erkennen. Sie brach zusammen, kraftlos lag sie auf dem Boden und kleine Steine drückten Muster in ihre Wange. Der Staub mischte sich mit ihren Tränen und bildete kleine rostrote Klümpchen, die an ihrem Gesicht klebten. Letzte Gefühle erschütterten sie, sie bebte ein letztes Mal, dann bewegte sie sich nicht mehr. So lag sie da am Rand dieser riesigen Klippe, nirgends Wasser, nirgends Leben. Sie starb, einsam, an diesem Ort.
Der Körper war schon eine Weile dabei, zu verwesen, als ein buntes Chamäleon, das in dieser Wüste umher wanderte, trockene Blätter eines Strauches in der Nähe der Leiche fraß. Ein Rascheln war dabei zu hören. Als das Chamäleon weiter kroch, kam es zu der toten Frau. Es begann an ihrer bleichen, stinkenden Haut zu knabbern. Da erhob sich der Geist der Frau aus dem für sie inzwischen nutzlosen Körper und fragte das Chamäleon:
„Was tust du da? Hast du keine Scham? Ergötzt du dich in dieser Art an meinem Körper!“
Das Chamäleon sagte nichts. Es biss sich nur weiter Stücke der Leiche ab, bis es fast beim Herzen war.
„Du widerst mich an. Wie kannst du anderes Leben so schänden?“
„Du meinst, ich schände dein Leben? Welches Leben?“, erwiderte das Chamäleon, genervt von dem dummen Geist der Frau.
„Du hast dein Leben kampflos aufgegeben, einfach so weggegeben, abgegeben. Also hole ich mir was ich brauche und was ich will, bevor der Lauf der Dinge genauso mit mir verfährt wie mit dir!“
Und bevor der Geist der Frau noch irgendetwas erwidern konnte, kam ein Windstoß und zerstörte diesen Schatten des Menschen, der einst in dem toten Körper gelebt hatte. Ein winziges Pfeifen war zu hören, als das Schicksal, unanfechtbar, seinen Lauf nahm.
Das Chamäleon nahm sich was es brauchte und setzte anschließend seinen Weg fort. Wohin sein Weg führte? Niemand weiß es. Vielleicht bestand sein Weg darin, sich nicht still zu setzen und zu warten. Vielleicht war sein Weg, den Weg anderer zu nutzen. Vielleicht ging das Chamäleon nur, weil es den Weg der toten Frau nutzen konnte. Sie hatte ihn abgegeben.
Vielleicht aber führte sein Weg auch zu einem uns unbekannten Ziel. Doch wie sollte ein Tier ein Ziel haben? Es hinterfragt das Leben doch nicht. Es tut was es tut. Wir sehen keinen Sinn. Doch es geht seinen Weg. Und die Frau war tot.

 

Hallo Nopstu,
die Frage nach dem Sinn des Lebens ist ja unendlich komplex und interessant. Es lohnt sich damit auseinander zu setzen. Du hast einen skurrilen Ansatz gewählt. Ich denke, eine befriedigende Antwort hast Du nicht.
Die Protagonistin ist einsam, verloren, ziellos und stirbt.
Eine Antwort auf die Frage durch das Chamäleon kann ich hier allerdings nicht entdecken. Ich verstehe zwar, dass Du ein Chamäleon wählst, weil wir es mit Verwandlungsfähigkeit verbinden. Dennoch passt es nicht, weil meines Wissens nach Chamäleons keine Aasfresser sind. Sie ernähren sich von Insekten oder kleinen Vögeln, die sie ganz hinunterschlucken.

Ob damit die These "Survival of the Fittest" schon erhärtet wird, wage ich zu bezweifeln. Das Gespräch zwischen der Seele/dem Geist der Frau hilft mir hier nicht.

Ein paar Füllwörter könnten ohne Verlust gestrichen werden.

Lange geschah nichts Nennenswertes.
Lange geschah nichts.

Niemand war hier um bei der Frau zu sein. Sie war komplett alleine.

"Die Frau war alleine." Würde reichen.

Das Bild der Trostlosigkeit am Anfang kann ich gut nachvollziehen.

Liebe Grüße
JoeK

 

Liebe/r Nopstu,
liebe Leser,

ein recht poetischer Text, er gefällt mir. So ganz ist mir die Rolle des Chamäleons zwar auch nicht klar geworden, doch die Geschichte animiert zum Nachdenken darüber. Mimt es einen Aasfresser, nachdem es befand, dass sich so viele Menschen vereinsamt in die Wüste setzen, um zu sterben, viel mehr als Insekten, weshalb seine weiterhin auf Insekten bestehenden Artsgenossen zu Grunde gehen? Warum ist es kein Geier, der sie anknabbert und der mit ihrem Geist spricht? Warum haftet ihr Geist übrigens an ihrem toten Körper, kommt nicht davon los? Ich glaube ja nicht an Geister oder Seelen, das sind alles Konstrukte von menschlichen Gehirnen, die ja gerne mehr verstehen wollen als für sie erfahrbar ist und die Lücken einfach mit Intuitionen füllen, wobei diese das sinnlich Erfahrene wiederum mitprägen. Mir geht es um die Substanz des Textes.

Niemand war hier um bei der Frau zu sein. Sie war komplett alleine.
  • Komma fehlt, denn das Verb sein ist hier erweitert um eine Adverbialbestimmung des Ortes >> Niemand war hier, um bei der Frau zu sein. Das ist nicht das einzige Komma, das durch sein Fehlen das Lesen behindert.
  • Oder noch besser, ganz umformulieren: Die Frau hatte keinen Begleiter, sie war allein. Komplett allein geht nicht, pflichte JoeK bei. Ein bisschen allein ginge ebensowenig, entweder sie ist allein oder nicht.

Sie hatte ihn abgegeben.
Vielleicht aber führte sein Weg auch zu einem uns unbekannten Ziel. Doch wie sollte ein Tier ein Ziel haben? Es hinterfragt das Leben doch nicht. Es tut was es tut. Wir sehen keinen Sinn. Doch es geht seinen Weg. Und die Frau war tot.
  • Dieses Ende wirkt wie bei Liedern aus dem Radio, wo die Sänger noch ewig den Refrain wiederholen, plappern und improvisieren, um sie auf eine radiotaugliche Länge zu bringen. Der Text braucht das nicht, finde ich.

Das gleiche gilt für den Alternativtitel: Braucht es das? Wirklich? Solltest du deine Meinung ändern, dich für eine Variante entschieden haben oder sollte dir eine dritte einfallen, die diese beiden in sich gut vereint und in puncto Originalität obendrein stärker ist als beide zusammen: Wende dich an einen Moderator, er ändert den Titel für dich. Auf mich wirken ODER-Doppeltitel jedenfalls immer etwas zu kurz darüber nachgedacht, unausgegoren.

Viele Grüße
-- floritiv

 

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