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Schneewittchen

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03.08.2003
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Schneewittchen

Hildegard saß am Fenster, wie sie es oft, genaugenommen fast immer tat. Ihr Blick ging durch den Garten und verweilte bei den Apfelbäumen, die jetzt schon viele Blätter verloren hatten. An den Ligusterhecken vorbei spazierte er dann in den Park und die Pappelallee mit den gold-gelb gefärbten Blättern entlang. Sie musste an Andreas denken. Er hätte die Blätter vielleicht als Feuerfunken des verlöschenden Sommers beschrieben. Andreas. Immer hatte er übertrieben. Noch während sie an ihn dachte, wanderte ihr Blick schon weiter und verließ den Park, um über die angrenzenden Felder zu bummeln und im Wald zwischen den hellen, freundlichen Birken zu verschwinden.
Ihr Blick konnte das alles, sie selbst inzwischen nicht mehr. Die Zeiten, in denen sie stundenlang spazieren gehen konnte, waren lange vorbei. Jetzt besaß sie einen Rollstuhl, dafür hatte ihre Schwiegertochter gesorgt. Die war ein patentes Mädchen. Dann und wann kam sie Hildegard besuchen und sie lachten viel. Hildegard war ihr dankbar, dass sie kam und ihre Zeit für sie opferte.
Aber auch, wenn sie nicht mehr gekommen wäre, hätte Hildegard sich nicht allein gefühlt. Gerade eben zeigte sich wieder einer, da unter dem Apfelbaum. Er suchte sich einen übriggebliebenen Apfel, einen schönen großen, roten, und biss hinein. Dass eine Amsel ihn schon angepickt hatte, schien ihm nichts auszumachen. Hildegard lächelte. Immer hatte er Hunger. Sie selbst mochte keine Äpfel. Jetzt spürte er wohl ihren Blick, denn er drehte sich um, sah zu ihr und winkte.
Ein putziges Kerlchen war das. Es hatte ein pausbäckiges Gesichtchen mit einer roten Knollennase. Es war Tom, der Anführer der Zwerge. Seinen richtigen Namen hatte er ihr genannt, aber sie konnte ihn nicht aussprechen. Die kleinen Augen wirkten selbst von hier aus ganz verschmitzt, wie sie so unter den dicken Augenbrauen hervorlugten. Der kleine Mann war nicht viel größer als ein dreijähriger Junge, aber er war kein Junge mehr. Oh nein! Er hatte einen schwarzen Bart, auf den er sehr stolz war. Das hatte er ihr selbst gesagt. Vielleicht kam er heute Abend zu ihr. Sie würde sehen.
Als es klopfte, blickte sie auf ihre Uhr. Das musste Martin sein. Sie hatte schon auf ihn gewartet.
„Herein“, sagte sie.
Er war es wirklich. Martin, der Kapitän. Jedenfalls war er es früher mal gewesen. Ein richtiges Nordlicht, aber unter der Ruhe brodelte ein Vulkan oder doch zumindest ein Geysir und das gefiel ihr. Er war ganz anders als Andreas. In seiner Gegenwart fühlte sie sich so lebendig. Er brachte sie zum Lachen und ließ sie ihre Krücken vergessen. Wäre sie ein paar Jährchen jünger und nicht im Heim, ja dann – wäre sie nicht abgeneigt gewesen, etwas mit ihm anzufangen. Gelegentlich hatte sie sich sogar mit den Gedanken an ihn berührt und sich hinterher eine dumme Gans gescholten.
„Hallo, Hilde. So, da bin ich wieder. Pünktlich wie die Maurer.“ Sein dröhnender Bass füllte den Raum.
„Eher wie ein Schweizer Uhrwerk, Kapitän.“ Er hatte es gern, wenn sie ihn mit Kapitän anredete. Trotzdem sagte er: „Du sollst mich doch Martin nennen, einfach Martin, okay?“
„Aye, Aye, Käpt’n.“
„Na, Lust auf einen kleinen Spaziergang, Hilde?“, fragte er hoffnungsvoll.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Tom war verschwunden. Natürlich würde sie einwilligen, obwohl sie es hier in dem kleinen Zimmer gemütlich warm hatte. Sie war auch schon wieder müde, dabei hatte sie erst vor einer Stunde gefrühstückt. Diese Müdigkeit wurde in letzter Zeit immer schlimmer. Aber sie wusste: Martin wollte sich bewegen. Deswegen half er hier im Heim aus und unternahm mit den Bewohnern Spaziergänge. Außerdem fiel ihm zuhause die Decke auf den Kopf. Sie hatte ihn im Verdacht, noch einen anderen Grund zu haben, so oft, wie er zu ihr kam. Auch ihm fiel das Gehen schwer – er war gerade mal fünf Jahre jünger als sie – und er benutzte einen Gehstock, aber wenn er ihren Rollstuhl schob, konnte er sich daran festhalten.
„Ja, Martin. Gerne.“
Der Kapitän stützte sie beim Aufstehen. Hildegard unterdrückte ein Stöhnen und versuchte, das Stechen in ihrer Hüfte zu ignorieren. Er half ihr in die Jacke und sie setzte sich in den Rollstuhl, nachdem er einen dicken, gepolsterten Sack geöffnet und darauf zurechtgelegt hatte. Dann zog er den Reißverschluss an dem Sack zu – den Mumiensack nannte sie ihn für sich – setzte ihr noch die Kapuze auf und wickelte einen Schal um ihren Hals. Seinen Gehstock und ihre Krücken verstaute er in der Halterung am Rollstuhl.

Auf dem blankgewienerten Flur kam ihnen Marlon entgegen. Marlon war der Pfleger, der schon am längsten hier arbeitete. In Wirklichkeit hieß er Andy, aber für sie war er Marlon, weil er haargenau so aussah wie der berühmte Filmschauspieler.
„Auf zur Polarexpedition, Hildchen?“
Ihr fiel nichts Geistreiches ein, deswegen nickte sie nur. Wieder einmal verwünschte sie sich wegen ihrer fehlenden Schlagfertigkeit.
Marlon wartete einen Moment und als nichts kam, hastete er weiter. „Viel Spaß, Hildchen“, wünschte er noch.
Draußen empfing sie ein schneidend kalter Herbstwind und Hildegard war froh über ihre Mumifizierung und das sagte sie auch Martin.
„Auch wenn du schon gestorben bist, ich werde dich schon wieder zum Leben erwecken. Wart’s nur ab, Hilde.“
Martin schob sie eine stille Straße entlang, an Einfamilienhäusern vorbei, die jetzt, am Vormittag, verwaist waren. Auf dem Eckgrundstück, an dem sie in die Nebenstraße zum Wald hin abbogen, erhob sich ein alter Labrador mit grauer Schnauze und bellte ihnen wie immer seine Begrüßung entgegen.
„Braver Hund“, lobte ihn Hildegard und der Hund legte sich wieder in den Windschatten der Hausmauer und träumte weiter, vielleicht von einem Knochen, vielleicht von der Zeit, in der er noch als Welpe im Garten umhergetollt war. Hildegard seufzte.
„Es ist so still. Wollen wir was singen?“, schlug Martin vor.
„Warum nicht?“ Es waren keine Leute zu sehen. Wenn welche da waren, genierte sich Hildegard, aber heute war ein guter Tag zum Singen.
„Das Brandenburg-Lied?“
„Gut, zwo-drei: Märkische Heide, märkischer Sand …
Ihre Stimmen harmonierten gut miteinander, wie Hildegard fand. Ihre klare Alt-Stimme lieferte den passenden Kontrast zu Martins Bass.
„Tja, keiner klatscht Beifall, Hilde“, meinte Martin. „Wir sind doch aber gut, oder? Denen werd ich‘s zeigen.“
Jetzt kommt es, dachte Hildegard entzückt und tatsächlich, Martin sang aus voller Kehle: „Good bye Jonny , Good bye Jonny …“ Sie hatte den Film geliebt. „Wasser für Canitoga“ mit Hans Albers, eine seiner besten Rollen. Er spielte so, wie er auch im richtigen Leben gewesen war, eine schillernde Persönlichkeit, voller Energie. Zum Schluss hatte er sich geopfert, in diesem Senkkasten …
„… Cheerio, cheerio … Good bye, Jonny, Good bye, Jonny, schön war’s mit uns zwei’n …
Sie waren am Waldrand angelangt und Martin hörte auf zu singen und verbeugte sich vor dem Wald. Er lüftete seine Kapitänsmütze, deutete mit einer theatralischen Geste auf das imaginäre Orchester, das ihn begleitet hatte. Die Bäume spendeten rauschenden Applaus. Hilde konnte gar nicht anders, als mitzuklatschen.
„Martin, heut hast du dich selbst übertroffen“, meinte sie.
„Ich habe in Wirklichkeit nicht für die gesungen, sondern nur für dich“, sagte er und verbeugte sich erneut, diesmal mit der Hand auf dem Herzen. Er befreite sie aus dem Sack und zog sie hoch. „Jetzt aber genug gefaulenzt!“, sagte er und reichte ihr die Krücken.
Während sie auf dem Waldweg nebeneinander her gingen, atmete Hildegard unwillkürlich tiefer. Es duftete nach nassem Laub und Moos und auch Pilze steuerten ihren Anteil zu dem würzigen Aroma bei. Martin erzählte wieder einmal von seinen Fahrten, schilderte einen Sturm, den sie auf seinem Fischtrawler vor Neufundland abgewettert hatten. Dabei redeten seine Arme mit, beschrieben anschaulich eine riesige Welle, die das Schiff fast zum Kentern gebracht hätte. Nur gut, dass er hier Platz genug hat, dachte Hildegard belustigt.

Als sie wieder am Rollstuhl angelangt waren, sagte er: „Ist ja noch Zeit bis zum Mittagessen. Lass uns noch ein bisschen hierbleiben.“
Sie setzten sich auf eine Bank, die hier für müde Wanderer aufgestellt worden war. Martin sah sie an und lächelte. „Na, meine Mumie. Fühlst du dich jetzt wieder lebendiger?“
„Mumie!“ Sie schnaufte entrüstet. „ich darf das sagen, aber du nicht, Kapitän.“
„Martin!“
„Ja, schon gut. Martin.“
Martin ergriff ihre Hand. „Ich … ich mag dich, Hilde“, sagte er. „Sehr sogar.“
„Was soll das jetzt sein? Eine Liebeserklärung?“ Hildegard lachte unsicher.
„Ganz genau, Hilde.“ Der Kapitän blickte sie ernst an.
„Martin. Ich bin fast achtzig! Und du bist auch nicht viel jünger!“
„Bin ich dir zu alt? Sieh her! Ich bin noch ganz schön knackig.“ Martin stand auf, drehte sich um und wackelte vor ihr mit seinem Hintern, bevor er sich wieder setzte. Hildegard musste lachen. „Sei nicht albern“, sagte sie. Dann wurde auch sie ernst.
„Ich mag dich ja auch“, sagte sie, „aber das führt zu nichts. Wir sind beide zu alt.“
„Wer sagt das?“, fragte Martin. „Dafür ist man doch nie zu alt. Pass auf, ich beweise es dir.“
Er näherte sein Gesicht dem ihren. Will er mich jetzt etwa küssen?, dachte sie und gleichzeitig wünschte sie es.
„Mach die Augen zu“, sagte Martin. Hildegard tat es. Sie wartete … und wartete … und wollte die Augen schon wieder öffnen, da spürte sie plötzlich seine Lippen auf ihren. So leicht wie eine schwache Brise war die Berührung gewesen und so schnell auch schon wieder vorbei. Hildegard war enttäuscht.
„Das soll ein Kuss gewesen sein? Hast du mit deinen Jahren nicht gelernt, wie es geht?“
„Das war doch nur der Auftakt.“ Martin lächelte und nahm einen neuen Anlauf. Diesmal wurde es ein richtiger Kuss. Er dauerte und dauerte und Hildegard ließ sich nach einer Weile einfach fallen und genoss ihn.
„Puh!“, sagte sie, nachdem sie sich gelöst hatten. „Du hast ja doch was gelernt.“ Unwillkürlich musste sie an einen Film mit Rock Hudson denken, der Titel fiel ihr nicht ein. Die Kussszene hatte der Regisseur sinnigerweise mit einer Sequenz untermalt, in der zwei Züge zusammenstießen.
„Ich habe noch viel mehr gelernt und bis jetzt auch nicht vergessen“, sagte Martin. „Das kann ich dir gerne beweisen.“
„So, so. Und wie?“
„Ich lade dich ein. Zu mir.“
Hatte er das wirklich gesagt? „Hast du das so gemeint, wie ich denke?“, fragte sie.
Er nickte nur.
„Das geht mir jetzt aber zu schnell.“
„Na ja, sooo viel Zeit haben wir ja nicht mehr, oder?“
„Ich glaube, es ist besser, du fährst mich jetzt wieder zurück.“ Sie hoffte, dass die Ablehnung nicht zu sehr nach Endgültigkeit geklungen hatte.
Auf dem Rückweg war Martin bestens gelaunt, er erzählte Anekdoten aus seinem Seefahrerleben, beschrieb die Verwirrungen, die ein Funker auslöste, weil er sich keine Gesichter merken konnte. Hildegard hörte gar nicht richtig zu, sondern träumte vor sich hin. Ja, das musste ein Traum sein. Wie lange war es her, dass ein Mann sie umworben hatte? Sie rechnete nach und erschrak. Über ihren Gedanken hatte sie erst gar nicht bemerkt, dass Martins Redefluss versiegt war.
„Du sagst ja gar nichts, Hilde“, meinte er.
Ja, es stimmte, sie sagte aber meistens nichts. Martin konnte so interessant erzählen. Aber sie selbst? Was gab es da schon, das zu erzählen sich lohnte? Doch, es gab etwas. Sie wollte vor Martin keine Geheimnisse haben. Nicht nach dem, was gerade geschehen war.
„Wenn du mir versprichst, dass du es niemandem weitererzählst und auch nicht lachst, dann vertraue ich dir etwas an“, sagte sie. „Etwas, das ich bis jetzt noch keinem gesagt habe.“
„Uiii, du machst es aber spannend“, sagte der Kapitän. „Ich verspreche es.“
Hildegard gab sich einen Ruck und holte tief Luft. „Ich habe sie vor ungefähr zwei Wochen das erste Mal gesehen“, begann sie. „Zwerge.“
Sie erzählte hastig weiter aus Angst, er könne sie unterbrechen, beschrieb, wie sieben Zwerge eines Spätnachmittags vor ihrem Fenster herumgewuselt waren. Alle hatten Hacken oder Schaufeln geschultert, bis auf einen, der so etwas wie eine Wünschelrute in den Händen hielt. Sie liefen mal hierhin, mal dorthin, als ob sie etwas suchten.
Plötzlich sah einer von ihnen zu ihr hoch und winkte ihr zu. Am selben Abend noch erschienen sie bei ihr im Zimmer, waren sehr freundlich, unterhielten sich mit ihr und fragten, wie es ihr gehe. Auf ihre Frage, was sie denn suchten, wollten sie aber nicht mit der Sprache herausrücken. Von da an sah sie immer wieder mal einen von ihnen im Garten, am häufigsten Tom, den Anführer. Tom war es auch, der sie fast jeden Abend besuchte.
So, jetzt war es heraus. Sie wartete auf eine Reaktion von Martin, doch die blieb minutenlang aus.
Schließlich kam es von hinten: „Du meinst, wie in „Schneewittchen und die sieben Zwerge?“
„Ja, irgendwie schon.“
„Und du bist Schneewittchen? Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz?“
„Oh, ich sehe, du kennst dich bestens mit dem Märchen aus.“
„Ja, meine Oma hat mir ausgerechnet dieses Märchen früher immer und immer wieder vorgelesen. Komisch, jetzt wo ich drüber nachdenke: Als wollte sie es mir einbläuen. Das ist doch verrückt.“
„Sag so was nicht“, bat Hildegard. „Du hast es versprochen.“
Der Kapitän hielt den Rollstuhl an und kam nach vorne. Er beugte sich über sie. „Hilde“, sagte er und sah ihr direkt in die Augen. „Das musst du doch selbst einsehen. Es ist verrückt.“
„Meinst du nicht, dass ich genau das zuerst auch gedacht hätte? Warum habe ich dir sonst bis jetzt nichts davon erzählt? Ich habe mich erschrocken, als ich sie das erste Mal im Garten gesehen habe, und noch viel mehr, als sie später plötzlich bei mir im Zimmer waren. Aber sie sind so ... real. Und inzwischen ist mir egal, ob ich mir das alles einbilde. Sie tun mir einfach gut. Sie sind immer so freundlich zu mir.“
Martin sah sie an und der Ausdruck auf seinem Gesicht sprach Bände.
„Ich bin nicht verrückt“, versicherte sie.
„Schon gut, Hilde.“ Der Kapitän richtete sich auf und ging wieder hinter den Rollstuhl.
„Martin!“, flehte sie. „Glaub mir doch.“
„Ich glaub dir ja, Hilde“, sagte Martin und setzte den Rollstuhl wieder in Bewegung.
Den Rest des Weges über war er einsilbig und es kam trotz ihres Bemühens kein richtiges Gespräch zustande. Zurück in ihrem Zimmer half er ihr aus dem Rollstuhl.
„Morgen um die gleiche Zeit?“, fragte er in munterem Ton.
Sie nickte. „Komm doch mal nachmittags. Dann kann ich sie dir vielleicht zeigen“, sagte sie.
„Wir reden morgen weiter.“ Der Kapitän machte Anstalten zu gehen.
„Bekomme ich keinen Abschiedskuss?“
„Doch, natürlich.“ Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Wange. „Bis morgen, Hilde.“

Als er gegangen war, blickte sie wie betäubt auf die Tür, die sich hinter ihm geschlossen hatte. Vielleicht für immer. Was war sie doch für eine dumme Kuh gewesen, ihm von den Zwergen zu erzählen.
Das Mittagessen nahm sie wie in Trance ein. In Gedanken durchlebte sie wieder und wieder, wie sich der Kapitän von ihr verabschiedet hatte. Kühl war er gewesen - wie einer dieser Eisberge, von denen er ihr erzählt hatte.
Die Frau, die ihr am Tisch gegenübersaß, hielt mit einer Hand einen großen Teddybären auf dem Schoß fest, während sie ihre Suppe löffelte. Irmgard glaubte sich zu erinnern, dass die Frau Elke hieß.
Plötzlich sagte die Frau: „Sie sind niedlich, nicht wahr?“
Hildegard erstarrte. „Wie bitte?“, fragte sie. Doch die Frau schwieg und streichelte nur unentwegt den großen Teddy. Sie war in ihrer eigenen Welt versunken. Hatte Elke eben auf die Zwerge angespielt? Das konnte doch nur eine Täuschung gewesen sein. War sie im Begriff, ihr letztes bisschen Verstand zu verlieren? Glaubte Martin das und wollte er deshalb nichts mehr von ihr wissen?
In ihrem Zimmer setzte sie sich ans Fenster und hielt nach ihnen Ausschau, doch sie zeigten sich nicht. Nur eine Amsel hüpfte über den Rasen zu den Apfelbäumen. Vielleicht suchte sie den Apfel, den Tom am Vormittag aufgegessen hatte. Der Vogel wirkte so lebendig, ruckte mit dem Kopf hin und her. Der Hausmeister tauchte auf und begann, in einer Ecke des Gartens das Laub zusammenzurechen. Die Amsel flog davon. Weiter hinten auf der Straße am Park sauste ein Radfahrer in einer gelben Jacke vorbei. Eine Frau aus dem Heim saß mit ihrer Familie im Gartenpavillon. Sie gestikulierten und lachten. Nur das Glas des Fensters trennte Hildegard von der Szenerie dort draußen. War es nicht schon immer so gewesen? Sie hatte sich ihr ganzes Leben hindurch so gefühlt – als Beobachterin, die durch ein dünnes Glas von der Wirklichkeit getrennt war, magisch angezogen von allem, was lebhaft und kraftvoll war, Eigenschaften, die sie an sich nur allzu oft vermisste, die sie gebraucht hätte, um das Glas zu zerschlagen.
Sie war müde, unendlich müde. Den Nachmittag verdämmerte sie in ihrem Bett. Eine Pflegerin sah irgendwann herein. „Wollen Sie nicht an dem Spielkreis teilnehmen?“, fragte sie. Hildegard schüttelte nur den Kopf.
Die Pflegerin trat ganz ins Zimmer und kam an ihr Bett. „Warum denn nicht? Es ist nicht gut, sich hier einzugraben. Da hätten Sie Gesellschaft.“
„Heute nicht. Morgen, ja, vielleicht morgen“, wehrte Hildegard ab.
Später raffte sie sich dazu auf, den Fernseher einzuschalten. Ein alter Film mit Heinz Rühmann lief und sie war für eine Weile in einer anderen, schöneren Welt.
Das Abendessen brachte der junge Pfleger Henry ins Zimmer. Später half er ihr im Bad, bevor sie sich wieder ins Bett legte. Henry gab sich wie immer viel Mühe mit ihr. Sie kannte ihn noch als Azubi und er hatte sie für seine praktische Prüfung ausgewählt. Sie glaubte nicht, dass er es hier lange aushalten würde. Er hatte so traurige Augen.

Mitten in der Nacht erwachte sie durch ein Geräusch. Es war Tom. Er saß auf dem Besucherstuhl. Seine sechs Kumpel, alle wie er mit Zipfelmütze, Latzhose, buntem Hemd und Stiefeln bekleidet, hatten sich vor ihrem Bett aufgestellt.
„Du solltest doch niemandem von uns erzählen“, sagte Tom. „Auch nicht Martin.“
Hildegard fühlte sich ertappt. „Woher weißt du das?“, fragte sie.
„Der Wind hat es mir geflüstert." Tom seufzte. „Darf ich?“, fragte er und ohne ihre Zustimmung abzuwarten, griff er schon nach einem der belegten Brote, die vom Abendessen noch übrig waren.
Hildegard sah zu, wie Tom das Brot in sich hineinschlang.
„Du wirst bald sterben“, sagte er zwischen zwei Bissen.
„Das weiß ich doch“, sagte Hildegard.
„Ich meine sehr bald. Wahrscheinlich nächste Woche schon.“
„Was?“ jetzt war Hildegard doch erschrocken. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Tom legte seine halb aufgegessene Schnitte weg und seine kleine Hand auf ihre. „Tut mir leid. Wollte es dir schonend beibringen, aber so was ist nicht meine Stärke.“
Hildegard schwieg, während eine einzelne Träne ihre Wange hinabrann. „Ich habe Angst“, sagte sie nach einer Weile.
Tom sah sie ernst an. „Das musst du nicht“, sagte er, „wir werden auf dich aufpassen.“
„So wie auf Schneewittchen?“
„Ja.“ Der kleine Mann warf sich in die Brust. „Ein Mann, ein Wort.“
Er gab den anderen ein Zeichen. „Wir versprechen es“, sagten nun alle im Chor.
„Ein Mann, ein Wort – und sieben Männer, ein Satz.“ Hildegard lächelte unter Tränen.
„Das war gut, Hildegard!“, lobte Tom. „Witzig.“ Alle nickten.
„Wird dann auch ein Prinz kommen wie in dem Märchen?“, fragte Hildegard.
„Das weiß ich nicht“, sagte Tom.
Nein, alles weiß er auch nicht, dachte Hildegard.

 

Hallo @Sturek, wie toll, auch Du machst bei der Challenge mit.
Ich mochte die Idee Deiner Geschichte, ab der Mitte war ich voll dabei, fieberte mit Deinen Protagonisten und war froh über eine positive Oma-Geschichte. Beim Schluss ging es für mich zu schnell, fühlt sich etwas nach - ich will fertig werden an, auch wenn mir der Ablauf an sich "gefällt". (Ich will hier nicht spoilern)

Ich schaue mal rein, meist kommentiere ich recht kleinteilig, nimm was Dir gefällt.

Schneewittchen
Der Titel hat mich angelockt

Hidegard saß am Fenster, wie sie es oft, genaugenommen fast immer tat.
Gibt der guten Hildegard doch bitte ein "l", gerade hier am Anfang irritieret das doch sehr.

die jetzt schon viele Blätter verloren hatten.
Ich schmeiße jetzt mit kleinen Kieselsteinen aus dem Glashaus - in meinem ersten Romankapitel waren (trotzdem ich versucht habe darauf zu achten) ganz viele Füllwörter. Dennoch würde ich empfehlen, noch einmal danach zu suchen.
Da Du im Präteritum erzählst, gibt es viele hatte-Konstruktionen, eventuell ließe sich da auch ab und an umformulieren.

Über Ligusterhecken hinweg spazierte er dann in den Park
Hier war ich kurz raus - ich hatte Hildegard als Frau eingeordnet, jetzt wandert er? Aber im Sinne Deiner Weitererzählung ...

Er hätte die Blätter vielleicht als Feuerfunken des verlöschenden Sommers beschrieben.
Was für ein romantischer Mann :herz:

wanderte ihr Blick schon weiter und verließ den Park, um über die angrenzenden Felder zu spazieren und im Wald zwischen den hellen, freundlichen Birken zu verschwinden.
Ihr Blick konnte das alles, sie selbst inzwischen nicht mehr.
und der Auflösung finde ich in diesem Falle das "gehen des Blickes" gut gelöst.

wobei Hildegard überwiegend nur so tat als ob. Hildegard war ihr dankbar, dass sie kam und ihre Zeit für sie opferte.
HIer habe ich den Gedankengang nicht verstanden, warum tut sie nur so?

Immer hatte er Hunger.
Mein erster Gedanke war ein Igel. Willst Du den Leser erst im Unklaren lassen? Sonst würde ich hier eine Hinweis (Zipfelmütze, kleine Finger, ...) gut finden.

Jetzt spürte Tom wohl ihren Blick, denn er drehte sich um, sah zu ihr und winkte.
Denn hier kommt es dann ja sehr überraschend (wenn so gewollt, klappt es also)

Die kleinen Augen wirkten selbst von hier aus ganz verschmitzt, wie sie so unter den dicken Augenbrauen hervorlugten.
Die alte Dame hat aber sehr gute Augen. Probiere mal, ob die fetten Wörter wirklich nötig sind, ich finde es ohne sauberer.

Sie blickte auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Nein, sie hatte schon auf ihn gewartet.
„Herein“, sagte sie.
Hier klappt der Übergang für mich nicht gut. Erst rechnet sie mit der Schwester, dann hat sie den Käptn aber erwartet. Dann bräuchte sie den Blick auf die Uhr doch gar nicht ...

Sie war auch schon wieder müde, dabei hatte sie erst vor nicht mal einer Stunde gefrühstückt.
Füllwörter

Der Kapitän half ihr aus dem Sessel hoch. Hildegard unterdrückte ein Stöhnen und versuchte, das Stechen in ihrer Hüfte zu ignorieren.
könnte weg, leuchtet so ein.

Auf dem blankgewienerten Flur
ach, schön das alte Wort mal wieder zu lesen :)

wie ihr Schwester Maria einmal erzählt hatte. Ein bisschen schwärmte sie für ihn.
Ich lese anscheinend anders, denn für mich geht hier der Bezug auf die Schwester Maria. Auch wenn mir durchaus klar ist, das Du Hildegard meinst.

Hildegard war froh über ihre Mumifizierung und das sagte sie auch Martin.
Ich bin unentschlossen. Einerseits ist Mumifizierung natürlich das falsche Wort, aber ich finde, Du löst es gut und als Insidergag zwischen den beiden mag ich es.

am Vormittag, verweist waren.
Waisen -> verwaist

„Das Brandenburg-Lied?“
„Gut, zwo-drei: Märkische Heide, märkischer Sand …
Ihre beiden Stimmen harmonierten gut miteinander, wie Hildegard fand.
Was für ein süßes Bild! Ab hier, hast Du mich gefühlsmäßig am Haken. Ich stelle es mir bildlich (mit Ton) vor und schon habe ich ein Lächeln im Gesicht.

Sie waren am Waldrand angelangt und Martin hörte auf zu singen und verbeugte sich vor dem Wald. Er lüftete seine Kapitänsmütze, deutete mit einer theatralischen Geste auf das imaginäre Orchester, das ihn begleitet hatte. Die Bäume spendeten rauschenden Applaus. Hilde konnte gar nicht anders, als mitzuklatschen.
Auch das ist eine schöne Szene.
Im ersten Satz könnte für mein Sprachgefühl eventuell der letzte Satzteil als Ellipse angehängt werden, also ohne das "und"

„Was soll das jetzt sein? Eine Liebeserklärung?“ Hildegard lachte unsicher.
„Ganz genau, Hilde.“ Der Kapitän blickte sie ernst an.
„Martin. Ich bin fast achtzig! Und du bist auch nicht viel jünger!“
„Bin ich dir zu alt? Sieh her! Ich bin noch ganz schön knackig.“ Martin stand auf, drehte sich um und wackelte vor ihr mit seinem Hintern, bevor er sich wieder setzte. Hildegard musste lachen. „Sei nicht albern“, sagte sie. Dann wurde auch sie ernst.
„Ich mag dich ja auch“, sagte sie, „aber das führt zu nichts. Wir sind beide zu alt.“
Ich mag die beiden, toll, das Martin den Mut aufbringt.

So leicht wie eine schwache Briese
Brise

„Das soll ein Kuss gewesen sein? Hast du mit deinen Jahren nicht gelernt, wie es geht?“
Genau! Keine halben Sachen!

Hildegard hörte gar nicht richtig zu, sondern träumte nur vor sich hin. Ja, das musste ein Traum sein. Wie lange war es her, dass ein Mann sie umworben hatte.
Fettes eventuell weg?

„Wenn du mir versprichst, dass du es niemandem weitererzählst und auch nicht lachst, dann vertraue ich dir etwas an“, sagte sie. „Etwas, dass ich bis jetzt noch keinem gesagt habe.“
eventuell weg

„Ja, meine Oma hat mir ausgerechnet dieses Märchen früher immer und immer wieder vorgelesen. Komisch, jetzt wo ich drüber nachdenke: Als wollte sie es mir einbläuen. Das ist doch verrückt.“
Da reagiert er noch voll offen auf Ihr Geständnis

Aber sie sind so – real. Und inzwischen ist mir egal, ob ich mir das alles einbilde. Sie tun mir einfach gut. Sie sind immer so freundlich zu mir.“
Ich persönlich hätte anstatt des Gedankenstriches die üblichen ... gewählt, für mich ist das hier ein Verzögern, kurzes stocken im Erzählfluss.

Als er gegangen war, blickte sie wie betäubt auf die Tür, die sich hinter ihm geschlossen hatte. Vielleicht für immer. Was war sie doch für eine dumme Kuh gewesen, ihm von den Zwergen zu erzählen.
Hier ist für meinen Geschmack noch Luft nach oben in den Formulierungen. Leider bin ich gerade absolut unkreativ, nimm es nur als Lesegeschmack.

abgespielt hatte, als der Kapitän gegangen war. Abgespielt? Aber es hatte sich ja nichts abgespielt.
Die erste Wiederholung von "Abgespielt" finde ich verständlich, die dritte klingt für mein Sprachgefühl nicht gut, da würde ich ein Synonym wählen.

Nur das Glas des Fensters trennte Hildegard von der Szenerie dort draußen. War es nicht schon immer so gewesen? Sie hatte sich ihr ganzes Leben hindurch so gefühlt – als Beobachterin, die durch ein dünnes Glas von der Wirklichkeit getrennt war, magisch angezogen von allem, was lebhaft und kraftvoll war, Eigenschaften, die sie an sich nur allzu oft vermisste, die sie gebraucht hätte, um das Glas zu zerschlagen.
Ich mag den Gedankengang, würde aber dennoch schauen, ob sich nicht zu viel doppelt.

Henry gab sich wie immer viel Mühe mit ihr. Sie kannte ihn noch als Azubi und er hatte sie für seine praktische Prüfung ausgewählt. Sie glaubte nicht, dass er es hier lange aushalten würde. Er hatte so traurige Augen.
Sie ist eine gute Beobachterin, das macht sie nochmal sympathischer.

Mitten in der Nacht wurde sie durch ein Geräusch wach
Da ist meiner Meinung nach in der Formulierung noch Luft nach oben

Seine sechs Kumpel, alle wie er mit Zipfelmütze, Latzhose, buntem Hemd und Stiefeln bekleidet, waren ebenfalls da und standen vor ihrem Bett.
auch das klingt noch etwas unrund

„Darf ich?“, fragte Tom und ohne ihre Zustimmung abzuwarten, griff er schon nach einem der belegten Brote, die vom Abendessen noch übrig waren. „Lass nur“, Vielleicht habe ich später noch Appetit“, hatte Hildegard zu Henry gesagt. Sie sah zu, wie Tom das Brot in sich hineinschlang.
hier würde ich vorschlagen, etwas umzustellen. Du springst zwischen Tom und Hildegard hin und her.

Tom sah sie ernst an. „Das musst du nicht“, sagte er, „wir werden auf dich aufpassen.“
„So wie auf Schneewittchen?“
„Ja.“ Der kleine Mann warf sich in die Brust. „Ein Mann, ein Wort.“
Süße Idee, aber wie oben erwähnt, dürfte es etwas mehr sein.

„Wird dann auch ein Prinz kommen wie in dem Märchen?“, fragte Hildegard.
„Das weiß ich nicht“, sagte Tom.
Nein, alles weiß er auch nicht, dachte Hildegard.
Das finde ich generell gut, aber dieses "allwissend" (oder halt auch nicht) hattest Du meiner Meinung nach vorher nicht thematisiert. Der einzige mir klare Zusammenhang ist, dass Wissen über ihren baldigen Tot. Somit kann ich ihrem Gedankengang hier nicht recht folgen.

Wie gesagt, mir gefielen Deine Ideen, es sind zwei liebenswerte Charaktere und der Rest ist zur Hälfte Geschmack und zur anderen Hälfte Handwerk.
Viel Spaß noch bei der Challenge
greenwitch

 

Hallo @Sturek,

ein paar ergänzende Gedanken, einiges wurde von @greenwitch bereits erwähnt, das lasse ich außen vor. Zunächst: Mir hat die Geschichte sehr gefallen, die Idee ist schön und du hast sie unterhaltsam umgesetzt.

War das Angebot ernst gemeint? „Hast du das jetzt ernst gemeint?“, fragte sie.
Zweimal ernst gemeint, das würde ich evtl. umformulieren


Schließlich kam es von hinten: „Du meinst, wie in „Schneewittchen und die sieben Zwerge.“
Ist vielleicht Geschmacksache, aber ich würde das es streichen, wirkt für mich flüssiger
Das Mittagessen nahm sie wie im Trance ein,
ich würde "wie in Trance" schreiben
Plötzlich sagte die Frau: „Sie sind niedlich, nicht wahr?“
Sehr schöner Einschub, wirklich gute Idee!
„Lass nur“, Vielleicht habe ich später noch Appetit“, hatte Hildegard zu Henry gesagt
Da sind die zweiten Ausrufezeichen vermutlich zu viel, und dann vielleicht nach dem Komma klein?

Hat Spaß gemacht, sehr unterhaltsam, gut umgesetzt, mir hat auch das Ende genau so sehr gefallen!

Schönen Gruß von

Jaylow

 

Hallo @Sturek!

Geht direkt los:

Jetzt besaß sie einen Rollstuhl, dafür hatte ihre Schwiegertochter gesorgt. Die war ein patentes Mädchen, immer lustig.
Schöner fände ich: Jetzt saß sie im Rollstuhl, ... Der Besitz spielt ja keine Rolle – nur kommt dann der zweite Satzteil recht schräg rüber. 😮 Vielleicht hast du es ja deswegen so geschrieben.
Würde Sie war ein ... schreiben. Da besteht zwar für ein, zwei Sekunden Verwechslungsgefahr, aber das löst sich ja sofort auf, und liest sich einfach schöner.

Aber auch,KOMMA WEG wenn sie nicht mehr gekommen wäre, hätte Hildegard sich nicht allein gefühlt.

Er suchte sich einen übriggebliebenen Apfel, einen schönen großen, roten, und biss hinein.
Stört die Satzmelodie, finde ich.

Es war Tom, der Anführer der Zwerge.
Tom wurde schon zuvor genannt, daher passt das Es war Tom, ... nicht so recht.
Tom war der Anführer der Zwerge.

Der ganze kleine Mann war nicht viel größer als ein dreijähriger Junge, aber er war kein Junge mehr.
Ich glaube zu wissen, dass du dir ungern Füllwörter ausreden lässt. (Hielt mich bisher zurück.)
Vielleicht dies ganze?
... als ein Dreijähriger, aber ...

Ein richtiges Nordlicht, aber unter der Ruhe brodelte ein Vulkan oder doch zumindest ein Geysir und das gefiel ihr.
Demnach steht ein richtiges Nordlicht für ein ruhiges Gemüt? War mir nicht bekannt.

Außerdem fiel ihm zuhause alleine die Decke auf den Kopf.
Lies sich irgendwie unrund.

Er half ihr in die Jacke und sie setzte sich in den Rollstuhl, nachdem er einen dicken, gepolsterten Sack geöffnet und darauf zurechtgelegt hatte. Dann zog er den Reißverschluss an dem Sack zu – den Mumiensack nannte sie ihn für sich – setzte ihr noch die Kapuze auf und wickelte einen Schal um ihren Hals. Seinen Gehstock und ihre Krücken verstaute er in der Halterung am Rollstuhl.

Viele Details, die es nicht wirklich braucht, oder? Obgleich die Bezeichnung Mumiensack schon was hat!

Martin schob sie eine stille Straße entlang, an Einfamilienhäusern vorbei, die jetzt, am Vormittag, verwaist waren.

Auf dem Eckgrundstück, wo sie in die Nebenstraße zum Wald hin abbogen, erhob sich ein alter Labrador mit grauer Schnauze und bellte ihnen wie immer seine Begrüßung entgegen.
Kommt etwas gewollt daher.

Ihre beiden Stimmen harmonierten gut miteinander, wie Hildegard fand.
Ein weiterer Versuch. 🙄

Am selben Abend noch erschienen sie bei ihr im Zimmer, waren sehr freundlich, unterhielten sich mit ihr und fragten sie, wie es ihr gehe.
Noch einer.

Schließlich kam es von hinten: „Du meinst, wie in „Schneewittchen und die sieben Zwerge.“
Kann man schreiben – klingt aber ungewollt komisch, würde es bei einem schlichten: sagte er belassen.

Meinst du nicht, dass ich genau das zuerst auch gedacht hätte?
habe – damit dagt sie ja aus, das sie hat.

Der Kapitän richtete sich auf und ging wieder hinter den Rollstuhl.
Klar, wie es gemeint ist, klingt aber etwas seltsam.

Was war sie doch für eine dumme Kuh gewesen, ihm von den Zwergen zu erzählen.
Wenn sie sich als solche sieht, dann doch immer noch, oder?

Sie hatte sich ihr ganzes Leben hindurch so gefühlt – als Beobachterin, die durch ein dünnes Glas von der Wirklichkeit getrennt war, magisch angezogen von allem, was lebhaft und kraftvoll war, Eigenschaften, die sie an sich nur allzu oft vermisste, die sie gebraucht hätte, um das Glas zu zerschlagen.
Sehr guter Vergleich!

„Darf ich?“, fragte er und ohne ihre Zustimmung abzuwarten, griff er schon nach einem der belegten Brote, die vom Abendessen noch übrig waren.
Ein letzter – vielleicht:p

Hildegard schwieg, während eine einzelne Träne ihre Wange hinabrann.
Ein bisschen zu dick aufgetragen vielleicht ...

Das ist gut, richtig gut! Hat mich stellenweise echt angepackt.
Klar, ich würde noch manches entrümpeln – aber auch so passt es gut zusammen und ist in sich stimmig. Und was wäre das Schreiben langweilig, würden wir alle gleich ticken!

Sehr gern gelesen!

Gruß, Sammis

 

Hallo @greenwitch

Schön, dass du bei mir vorbeigeschaut hast und danke für deine Hinweise. Sie machen für mich alle Sinn, auch wenn nicht alle Vorschläge nach meinem Geschmack sind.

Zum Thema Füllwörter: In Dialogen habe ich nichts gegen sie. So spricht man eben. Manchmal kommen sie mir auch nützlich vor, weil ich den Leser damit mehr in den Kopf von Hildegard ziehen will. Aber einiges habe ich gestrichen.

wobei Hildegard überwiegend nur so tat als ob. Hildegard war ihr dankbar, dass sie kam und ihre Zeit für sie opferte.
HIer habe ich den Gedankengang nicht verstanden, warum tut sie nur so?
Stimmt. Das kann weg, weil für die Geschichte nicht wichtig.
Hier klappt der Übergang für mich nicht gut. Erst rechnet sie mit der Schwester, dann hat sie den Käptn aber erwartet. Dann bräuchte sie den Blick auf die Uhr doch gar nicht ...
Na ja, sie haben sich zu einer bestimmten Uhrzeit verabredet. Aber der Übergang ist tatsächlich nicht schön. Weg mit Schwester Maria an dieser Stelle.
Ich bin unentschlossen. Einerseits ist Mumifizierung natürlich das falsche Wort, aber ich finde, Du löst es gut
Das spielt doch auf den Mumiensack an, in dem sie steckt, warum also nicht „Mumifizierung“?
Im ersten Satz könnte für mein Sprachgefühl eventuell der letzte Satzteil als Ellipse angehängt werden, also ohne das "und"
Ich mag ja dieses doppelte „und“ in einer Satzkonstruktion. Das gibt so einen mystisch-märchenhaften Touch.
Das finde ich generell gut, aber dieses "allwissend" (oder halt auch nicht) hattest Du meiner Meinung nach vorher nicht thematisiert.
Stimmt, ich hatte schon überlegt, ob ich das „allwissend“ noch vorher anbahne. Jetzt war der Impuls da, es auch zu tun.

Ich drücke dir die Daumen, dass du mit deiner Challenge-Story vorankommst. Ob Keks oder Koks – hau rein! In die Tasten natürlich.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Jaylow

Danke für dein Feedback und deine Vorschläge. Schön, dass du dich unterhalten gefühlt hast.
Ich gehe mal im Einzelnen auf deine Vorschläge ein.

Zweimal ernst gemeint, das würde ich evtl. umformulieren
Ich habe gesehen, dass es ohnehin etwas zu viel „ernst“ im Text gab. Habe ich geändert.
Schließlich kam es von hinten: „Du meinst, wie in „Schneewittchen und die sieben Zwerge.“
Ist vielleicht Geschmacksache, aber ich würde das es streichen, wirkt für mich flüssiger
Halte ich auch eher für Geschmackssache. Mich stört es nicht.
ich würde "wie in Trance" schreiben
Hast recht. Ist gekauft.
„Lass nur“, Vielleicht habe ich später noch Appetit“, hatte Hildegard zu Henry gesagt
Da sind die zweiten Ausrufezeichen vermutlich zu viel, und dann vielleicht nach dem Komma klein?
Henry ist an der Stelle jetzt gestrichen wegen der Übersichtlichkeit.


Hallo @Sammis

Danke auch für deine Kritik. Ja es stimmt. Mit dem Streichen von Füllwörtern bin ich vielleicht vorsichtiger als andere. Eine Schwäche? Trotzdem finde ich immer etwas unter deinen Streichvorschlägen, die für mich Sinn machen. Habe ich umgesetzt.

Gerne will ich noch auf einige Vorschläge von dir näher eingehen:

Schöner fände ich: Jetzt saß sie im Rollstuhl, ... Der Besitz spielt ja keine Rolle – nur kommt dann der zweite Satzteil recht schräg rüber. 😮 Vielleicht hast du es ja deswegen so geschrieben.
Ich habe mir es so gedacht, dass sie in einem Sessel sitzt, bevor der Kapitän kommt.

Aber auch,KOMMA WEG wenn sie nicht mehr gekommen wäre, hätte Hildegard sich nicht allein gefühlt.
Ich denke, das Komma ist berechtigt, oder? Wenn man den Satz ein bisschen umstellt, wird es deutlich: Aber Hildegard hätte sich auch nicht alleine gefühlt, wenn sie nicht mehr gekommen wäre.

Tom wurde schon zuvor genannt, daher passt das Es war Tom, ... nicht so recht.
Tom war der Anführer der Zwerge.
Verflixt. Wie konnte ich das nur übersehen.
Viele Details, die es nicht wirklich braucht, oder? Obgleich die Bezeichnung Mumiensack schon was hat!
Die Mumifizierung ist, finde ich, ein wichtiges Detail, deshalb die Erläuterung.
Meinst du nicht, dass ich genau das zuerst auch gedacht hätte?
habe – damit dagt sie ja aus, das sie hat.
Hier rede ich mich mit mündlicher Rede raus. Da macht man eben Fehler. Bin auch nicht sicher, ob es vielleicht doch richtig ist.
Was war sie doch für eine dumme Kuh gewesen, ihm von den Zwergen zu erzählen.
Wenn sie sich als solche sieht, dann doch immer noch, oder?
Jetzt würde sie es ja nicht mehr machen. Sie sieht ihren Fehler.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sturek,

ich habe die vorherigen Kommentare nicht gelesen, um mich nicht beeinflussen zu lassen, daher kann Einiges vielleicht schon Thema gewesen sein.

Ein richtiges Nordlicht, aber unter der Ruhe brodelte ein Vulkan[,] oder doch zumindest ein Geysir[,] und das gefiel ihr.
Hier würde ich zwei Kommas setzen, da es m.E. ein eingeschobener Nebensatz ist – oder Bindestriche?

Auf dem blankgewienerten Flur kam ihnen Marlon entgegen. Marlon war der Pfleger, der schon am längsten hier arbeitete, wie ihr Schwester Maria einmal erzählt hatte. Ein bisschen schwärmte Hildegard für ihn. In Wirklichkeit hieß er Andy, aber für sie war er Marlon, weil er haargenau so aussah wie der berühmte Filmschauspieler.
„Auf zur Polarexpedition, Hildchen?“
Ihr fiel nichts Geistreiches ein, deswegen nickte sie nur. Wieder einmal verwünschte sie sich wegen ihrer fehlenden Schlagfertigkeit.
Marlon wartete einen Moment und als nichts kam, hastete er weiter. „Viel Spaß, Hildchen“, wünschte er noch.
Dieser Absatz hat mich irritiert. Hier wird Andy alias Marlon eingeführt, der aber im Verlauf der Geschichte keine weitere Bedeutung mehr hat. Ist er wichtig? Da Hilde ja eigentlich für den Kapitän schwärmt, finde ich es etwas übertrieben, dass sie auch noch für Marlon schwärmt. M.E. ist dieser Absatz überflüssig, zumal später ja auch noch ein Pfleger Henry ins Spiel kommt. Das sind für mich etwas viele Pfleger ohne Bedeutung für das Weiterkommen der Geschichte.

Das Abendessen brachte der junge Pfleger Henry ins Zimmer. Später half er ihr im Bad, bevor sie sich wieder ins Bett legte. Henry gab sich wie immer viel Mühe mit ihr. Sie kannte ihn noch als Azubi und er hatte sie für seine praktische Prüfung ausgewählt. Sie glaubte nicht, dass er es hier lange aushalten würde. Er hatte so traurige Augen.
Ebenso wie dieser Absatz, auf den du mE. ebenfalls ganz verzichten kannst.

Auf dem Eckgrundstück, wo sie in die Nebenstraße zum Wald hin abbogen, erhob sich ein alter Labrador mit grauer Schnauze und bellte ihnen wie immer seine Begrüßung entgegen.
an dem oder bei dem

„Braver Hund“, lobte ihn Hildegard und der Hund legte sich wieder in den Windschatten der Hausmauer und träumte weiter, vielleicht von einem Knochen, vielleicht von der Zeit, wo er noch als Welpe im Garten umhergetollt war.
vielleicht von der Zeit, in der er noch als Welpe im Garten umhergetollt war.

„Gut, zwo-drei: Märkische Heide, märkischer Sand …
Hier fehlen die Abschluss-Anführungszeichen.

„Wasser für Canitoga“ mit Hans Alvers, eine seiner besten Rollen. ZEILENUMBRUCH
Er spielte so, wie er auch im richtigen Leben gewesen war, eine schillernde Persönlichkeit, voller Energie. Zum Schluss hatte er sich geopfert, in diesem Senkkasten…
Kann dieser Zeilenumbruch nicht raus?
Senkkasten_...

Sie waren am Waldrand angelangt und Martin hörte auf zu singen und verbeugte sich vor dem Wald.
vielleicht: und Martin hörte auf zu singen, bevor er sich vor dem Wald verbeugte. So vermeidest du die Doppelung ´und´.
Als sie wieder am Rollstuhl angelangt waren, sagte er: „Ist ja noch Zeit bis zum Mittagessen. Lass uns noch ein bisschen hierbleiben.“
Sie setzten sich auf eine Bank, die hier für müde Wanderer aufgestellt worden war.
Würde ich kürzen.

Wie lange war es her, dass ein Mann sie umworben hatte[?]. ZEILENUMBRUCH
Sie rechnete nach und erschrak. Über ihren Gedanken hatte sie erst gar nicht bemerkt, dass Martins Redefluss versiegt war.
Hier würde ich ein Fragezeichen setzen und auch hier den Zeilenumbruch rausnehmen.

„Wenn du mir versprichst, dass du es niemandem weitererzählst und auch nicht lachst, dann vertraue ich dir etwas an“, sagte sie. „Etwas, dass ich bis jetzt noch keinem gesagt habe.“
das
Schließlich kam es von hinten: „Du meinst, wie in „Schneewittchen und die sieben Zwerge[?].“
Auch hier würde ich ein Fragezeichen setzen.

War sie im Begriff, ihr letztes bisschen Verstand zu verlieren? Glaubte Martin das und wollte er deshalb nichts mehr von ihr wissen?
Will er das tatsächlich? Das weiß sie doch noch gar nicht. Sie kann es nur vermuten bis zum nächsten Tag, wenn er tatsächlich nicht kommt wie immer; aber auch dann wäre es vorerst nur eine reine Vermutung. Ist für mich hier nicht stimmig. Oder habe ich was überlesen?

Der Hausmeister tauchte auf und begann[,] in einer Ecke des Gartens das Laub zusammenzurechen.
Komma

„Der Wind hat es mir geflüstert."
vielleicht: zugeflüstert
Sie erzählte hastig weiter aus Angst, er könne sie unterbrechen, beschrieb, wie sieben Zwerge eines Spätnachmittags vor ihrem Fenster herumgewuselt waren. Alle hatten Hacken oder Schaufeln geschultert, bis auf einen, der so etwas wie eine Wünschelrute in den Händen hielt. Sie liefen mal hierhin, mal dorthin, als ob sie etwas suchten.
Plötzlich sah einer von ihnen zu ihr hoch und winkte ihr zu. Am selben Abend noch erschienen sie bei ihr im Zimmer, waren sehr freundlich, unterhielten sich mit ihr und fragten, wie es ihr gehe. Auf ihre Frage, was sie denn suchten, wollten sie aber nicht mit der Sprache herausrücken. Von da an sah sie immer wieder mal einen von ihnen im Garten, am häufigsten Tom, den Anführer. Tom war es auch, der sie fast jeden Abend besuchte.
Diese Stelle könntest du zugunsten des roten Fadens auch gut in Dialogform fassen. Dadurch würdest du den Fokus wieder auf die Beziehung lenken und das Vertrauen, das Hildegard Martin entgegenbringt, und nicht so sehr auf die Zwerge.

Diesen Satz würde ich streichen, da er den roten Faden wieder auf die Zwerge lenkt. Man fragt sich, was Tom bei seinen Besuchen macht. Reden sie, erzählt er ihr irgendwas? Was ist der Grund für seine Besuche?

„Ich meine sehr bald. Wahrscheinlich nächste Woche schon.“
„Was?“ jetzt war Hildegard doch erschrocken. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Tom legte seine halb aufgegessene Schnitte weg und seine kleine Hand auf ihre. „Tut mir leid. Wollte es dir schonend beibringen, aber so was ist nicht meine Stärke.“
„Tut mir leid. Wollte es dir schonend beibringen, aber so was ist nicht meine Stärke.“
Diese Dialoge finde ich für einen Zwerg nicht passend. Hier würde ich konsequenterweise –um bei Schneewittchen oder der Mystik der Zwerge überhaupt zu bleiben – märchenhaftere Formulierungen erwarten.

In Gedanken durchlebte sie wieder und wieder, wie sich der Kapitän von ihr verabschiedet hatte. Kühl war er gewesen - wie einer dieser Eisberge, von denen er ihr erzählt hatte.
Wann?
Auf dem Rückweg war Martin bestens gelaunt, er erzählte Anekdoten aus seinem Seefahrerleben, beschrieb die Verwirrungen, die ein Funker auslöste, weil er sich keine Gesichter merken konnte.
Das sind für mich so Beispiele, die mich als Leser irritieren, weil sie für den Inhalt der Geschichte nicht relevant sind und mich nur an andere Schauplätze führen.

Du nennst viele Personen in deiner Geschichte, die keine große Rolle spielen. Da ist Andreas, Andy alias Marlon, Schwester Maria, Henry, der Hausmeister, die Mitbewohnerin Elke (die finde ich gut, mit ihrem Hinweis auf die Zwerge). Ich würde Andy und Henry zugunsten der anderen entrümpeln. Oder Andy in Henry ummünzen, den kennt man ja schon.

Die Geschichte ist für mich noch ein wenig zerfleddert, nicht rund, mir fehlt der rote Faden. Für mein Empfinden zerfällt sie in zwei Themen: auf der einen Seite die zarte aufkeimende Liebe der beiden Senioren und auf der anderen die Zwerge, stellvertretend für den nahenden Tod Hildegards. Da du mit den Zwergen einsteigst, liegt mein Hauptaugenmerk erst mal darauf und was sich dahinter verbirgt. Im Laufe der Geschichte schwenkt für mich das Thema um auf die Beziehung, dann wird der Tod wieder thematisiert (hier auch der Hinweis von Elke, dass sie auch die Zwerge gesehen hat. Gefällt mir an sich gut, rückt aber die Mystik der Zwerge wieder in den Fokus). Es fehlt mir das eindeutige Thema.
Auch das Ende ist für mich ein bisschen zu flach. Hier schwenkt der rote Faden wieder um auf den nahenden Tod, weg von der Beziehung der beiden Senioren. Martin hat ihr doch gerade seine Zuneigung gestanden, da müsste sie doch wenigstens einen Gedanken an ihn verschwenden, wenn nicht sogar Wehmut empfinden bei dem Gedanken, dass sie so schnell sterben wird und ihn zurücklässt, wo sie sich gerade gefunden haben. Was wird er ohne sie anfangen?

Die Idee mit den Zwergen finde ich originell. Auch die Beziehung zwischen den beiden Senioren kommt gut rüber, ist sehr anschaulich geschildert.

Das sind jetzt mal so meine Eindrücke. Aber das ist ja wie immer auch wieder Geschmacksache.

Viele Grüße
Kerzenschein

 

Hallo Sturek,

Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen. Ja, es tauchen einige Figuren auf, die später nicht mehr in Erscheinung treten, aber da sie alle - vom traurigen Henry bis zum Marlon-Brando-Verschnitt - so lebendig gezeichnet sind, empfinde ich das nicht als Mangel.

Du hast die verschiedenen Ebenen geschickt miteinander verwoben: Die Einsamkeit am Fenster, die zarte Liebesgeschichte zweier Menschen im hohen Alter und die Konfrontation mit dem nahenden Tod, alles eingebettet in ein raffiniert umgedeutetes Märchenmotiv: Hier isst der Zwerg den Apfel, der Kuss des "Prinzen" kommt vor dem langen Schlaf, und die sieben Zwerge wachen am Ende über einen anderen Schlummer als im Original. Die Anspielungen sind gut platziert: Von den Apfelbäumen am Anfang über den Kapitän, dem "Schneewittchen" in der Kindheit regelrecht eingebläut wurde, bis hin zum letzten Dialog zwischen Tom und Hildegard - diese Mischung aus Märchenhaftem und Realität, aus Trost und Wahrheit, trifft genau den richtigen Ton. Wobei, Stichwort Elke, das ganze ja offen bleibt.

Sehr gerne gelesen.

Gruß, Morgoth

 

Hallo @Kerzenschein

Vielen Dank für deine Mühe und die nützlichen Hinweise. Es ist immer wieder faszinierend für mich, wie unterschiedlich Leser Geschichten lesen. Ich fange mal mit dem roten Faden an. Die Geschichte hangelt sich sozusagen an den Motiven aus dem Märchen Schneewittchen entlang. Der Apfel, die Zwerge, der Prinz macht die schon gestorbene (mumifizierte) Hildegard wieder lebendig, der nahende Tod, die Zwerge passen auf Schneewittchen auf und wenn man das Märchen kennt, fällt einem vielleicht auch der gläserne Sarg ein, auf den ich mit der Glasscheibe anspielen wollte.
Aber bei all dem steht Hildegard im Mittelpunkt. Sie ist der eigentliche rote Faden, erlebt ihren dritten Frühling, doch es ist schon zu spät. Die Zwerge künden davon, dass der Winter naht. Also sind doch beide wichtig: der Kapitän und die Zwerge. So sehe ich die Story, aber natürlich können andere sie ganz anders lesen. Die Nebenfiguren brauche ich zur Charakterisierung Hildegards. Marlon: Hildegard ist mit sich selbst unzufrieden. Henry: Hildegard ist eine einfühlsame Beobachterin. Die Funktion von Elke siehst du ja selbst. Die anderen von dir genannten Personen tauchen doch nur in wenigen Sätzen auf, einfach damit man sich ein Bild von den Lebensumständen Hildegards machen kann.

Ein guter Punkt von dir ist der Hinweis, dass Hildegard am Ende nicht an den Kapitän denkt.
Ich habe da auch wirklich schon lange überlegt. Hildegard könnte zum Beispiel im Traum nochmal das Lied „Good bye, Jonny“ hören oder so. Aber nach meinem Gefühl spielt er zum Schluss keine Rolle mehr. Der Frühling ist vorbei. Ich will es erstmal so lassen.

Jetzt noch einiges zu deinen Hinweisen im Detail:
Manches habe ich übernommen, zum Beispiel die Zeilenumbrüche, manches ist sicher Geschmackssache.

Da Hilde ja eigentlich für den Kapitän schwärmt, finde ich es etwas übertrieben, dass sie auch noch für Marlon schwärmt.
Habe ich abgeändert.
an dem oder bei dem
Ich nehme "an dem"
vielleicht von der Zeit, in der er noch als Welpe im Garten umhergetollt war.
Ja, ist wohl besser.
vielleicht: und Martin hörte auf zu singen, bevor er sich vor dem Wald verbeugte. So vermeidest du die Doppelung ´und´.
Ich mag die Doppelung sogar.
Will er das tatsächlich? Das weiß sie doch noch gar nicht. Sie kann es nur vermuten bis zum nächsten Tag, wenn er tatsächlich nicht kommt wie immer; aber auch dann wäre es vorerst nur eine reine Vermutung. Ist für mich hier nicht stimmig. Oder habe ich was überlesen?
Ja, du hast das Fragezeichen überlesen. Sie vermutet es nur, wie du schon schreibst.
In Gedanken durchlebte sie wieder und wieder, wie sich der Kapitän von ihr verabschiedet hatte. Kühl war er gewesen - wie einer dieser Eisberge, von denen er ihr erzählt hatte.
Wann?
Er hat sie doch schon öfter besucht. Das steht auch so in der Story. "… so oft, wie er zu ihr kam.“


Hallo @Morgoth

Danke für dein Feedback.

Tja, was soll ich sagen. Besser hätte ich meine Geschichte auch nicht beschreiben können. Es ist für mich beruhigend zu wissen, dass die Geschichte bei Lesern so funktionieren kann, wie ich es beabsichtigt habe.

Außer den Symbolen aus dem Märchen habe ich noch die Amsel hinzugefügt, die ja früher als Bote des Todes galt, aber das muss der Leser, denke ich, nicht unbedingt wissen und der Vogel stört auch nicht.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek,

habe dir gerade auf deinen Kommentar bei mir geantwortet und gesehen, dass du fast gleichzeitig auf meinen geantwortet hast.
Wollte nur nochmal kurz Rückmeldung geben. Ich finde auch, @Morgoth hat das sehr schön zusammengefasst. So hätte ich die Geschichte gar nicht durchschaut. Ich bin halt manchmal zu kopfgesteuert und analytisch ...

Viele Grüße
Kerzenschein

 

Hallo @ Sturek,

ich mag die Stimmung in deiner Geschichte sehr. Die Personen gehen allesamt angenehmst höflich und teils sogar ausgesucht freundlich miteinander um. Und auch, wenn ich es nicht beweisen kann, so denke ich doch, dass sich eine gute Stimmung auf mich Leser überträgt.
Und gute Stimmungen können wir alle immer gebrauchen, gerade in diesen Zeiten.

Teils fand ich, dass du einen etwas umständlichen Stil hast, ich persönlich hätte so an manchen Stellen straffer erzählt, mehr zusammen gezogen, auch mal hie und da was weggelassen, aber das ist nun mal dein Stil und der ist auch ein Stückchen weit Geschmackssache.
Ich habe daher nur ab und zu mal etwas herausgegriffen.
Vorweg noch die Info, dass ich die Vorkritiken nicht gelesen habe.

Sie musste an Andreas denken. Er hätte die Blätter vielleicht als Feuerfunken des verlöschenden Sommers beschrieben. Andreas. Immer hatte er übertrieben.
Hier ist so eine Stelle, die ich straffer geschrieben hätte. So etwa: "Andreas hätte die Blätter als Feuerfunken des verlöschenden Sommers beschrieben. Er übertrieb immer gern", dachte sie. (dachte sie, könntest du auch weglassen, man weiß ja, dass sie das denkt)
zu spazieren
Das Wort taucht in unmittelbarer Nähe schon mal auf. Würde ein anderes Synonym suchen.

Ihr Blick konnte das alles, sie selbst inzwischen nicht mehr. Die Zeiten, in denen sie stundenlang spazieren gehen konnte, waren lange vorbei.
Das passt jetzt, ich weiß zwar, was du meinst, nicht so recht in den Kontext, weil das so klingt als würde sie hellsehen können oder zaubern. Dabei willst du ja ihre Gebrechlichkeit ansprechen auf diese Weise.
Jetzt besaß sie einen Rollstuhl, dafür hatte ihre Schwiegertochter gesorgt. Die war ein patentes Mädchen, immer lustig.
Ich verstehe, du willst auf diese Weise elegant die Schwiegertochter dazunehmen, aber so wie der Satz dort steht, wirkt er komisch, denn man könnte auch glauben, die Schwiegertochter ist Schuld daran, dass sie nun im Rollstuhl sitzt. Wie wäre es so: Ihre Schwiegertochter, ein patentes, lustige Mädchen, hatte dafür gesorgt, dass sie nun einen Rollstuhl besaß. (lustig könntest du auch weglassen, weil sie ja nachher lachen)


Immer hatte er Hunger.
Oh, nun wird es spannend.
Vielleicht kam er heute abend zu ihr. Sie würde sehen.
Abend
Es klopfte. Sie blickte auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Sie hatte schon auf Martin gewartet.
„Herein“, sagte sie.
Das klingt ein wenig hölzern, das mit dem auf die Uhr gucken. Ist doch auch nicht wichtig, dass sie auf ihr Handgelenk gucken muss, reicht, wenn sie auf die Uhr schaut.

Er war ganz anders als Andreas. In seiner Gegenwart fühlte sie sich so lebendig.
Zwei Dinge möchte ich hier ansprechen:
1.) Am Ende deiner Geschichte finde ich, hast du viel zu viele Namen in den Text gepackt, das verwirrt und nimmt deiner Geschichte etwas an Qualität. Andreas ist sicherlich absolut wichtig, auch Martin. Aber bitte bei allen anderen dann noch folgenden Personen würde ich sie, bis auf den Zwerg natürlich, nicht namentlich einführen, sondern nur mit ihrer Funktion, dem Pfleger, die Schwester etc..

2.) In seiner Gegenwart sich lebendig fühlen. Wie erlebt sie das genau? Hier würde ich nicht so mit einer Pauschalbehauptung drübergehen, zumal die beiden ja auch später direkt etwas für ihre Lebendigkeit tun, sondern mit einem oder zwei Sätzen beschreiben, wie genau es ihr dabei geht. Errötet sie, flattert ihr Puls, muss sie immer lächeln, grinsen, lachen, kichern, würde sie am liebsten kleine Tanzschritte machen, tänzeln? Das sind jetzt nur meine dilettantischen Beispiele, um es dir zu verdeutlichen. Wie fühlt man sich, wenn man sich lebendig fühlt?

Außerdem fiel ihm zuhause die Decke auf den Kopf. Sie hatte ihn im Verdacht, noch einen anderen Grund zu haben, so oft, wie er zu ihr kam. Auch ihm fiel das Gehen schwer – er war gerade mal fünf Jahre jünger als sie – und er benutzte einen Gehstock, aber wenn er ihren Rollstuhl schob, konnte er sich daran festhalten.
Hier behauptest du, dass sie etwas definitiv über Martin weiß, nämlich, dass ihm die Decke auf den Kopf fällt. Wie wäre es, wenn du auch hier noch hinzufügst, wie sie drauf gekommen ist. So steht es wie eine Behauptung im Raum. Oder mache eine Vermutung daraus. Denn sie könnte sich ja denken, dass er, so oft wie er erscheint, sich zu Hause langweilt und ihm die Decke auf den Kopf fällt.

nachdem er einen dicken, gepolsterten Sack geöffnet und darauf zurechtgelegt hatte.
Das mit dem Sack habe ich zuerst gar nicht verstanden und wollte dir dringend raten, es gar nicht zu erwähnen, weil diese Beschreibung mich voll aus der lockeren Stimmung zwischen den beiden rausgehauen hat.
Dann zog er den Reißverschluss an dem Sack zu – den Mumiensack nannte sie ihn für sich – setzte ihr noch die Kapuze auf und wickelte einen Schal um ihren Hals. Seinen Gehstock und ihre Krücken verstaute er in der Halterung am Rollstuhl.
Aber scheinbar ist es doch wichtig, dass es beschrieben wird, denn es ist kalt draußen. Vielleicht kannst du es schlichter beschreiben.
Auf dem blankgewienerten Flur kam ihnen Marlon entgegen. Marlon war der Pfleger, der schon am längsten hier arbeitete, wie ihr Schwester Maria einmal erzählt hatte. In Wirklichkeit hieß er Andy, aber für sie war er Marlon, weil er haargenau so aussah wie der berühmte Filmschauspieler.
„Auf zur Polarexpedition, Hildchen?“
Schau hier ist so ein Fall, es würde mir reichen, wenn ich weiß, dass einer der Pfleger zu ihr nett ist und was sagt, dass er Andy heißt, aber Marlon genannt wird und eine Schwester Maria auch noch dazwischenhängt, ist irgendwie gar nicht so wichtig.
Martin konnte so interessant erzählen und sie war eine gute Zuhörerin.
Haha... ich lache, weil du zuvor grad beschrieben hast, dass sie keine ist. Sie hält sich für eine gute Zuhörerin, ist es aber nicht.
Martin sah sie an und der Ausdruck auf seinem Gesicht sprach Bände.
„Ich bin nicht verrückt“, versicherte sie.
Jetzt wird es nochmals spannend, denn es ist ja wirklich schon schräge, was sie da erlebt.
Maria sah irgendwann herein und fragte, ob sie nicht an dem Spielekreis teilnehmen wolle. Sie schüttelte nur den Kopf.
Du könntest es in die wörtlichen Rede nehmen: "Hildegard, wollen Sie heute nicht an dem Spielkreis teilnehmen?", fragte die Schwester (die Pflegerin)

der junge Pfleger Henry ins Zimmer.
Henry ist wieder ein neuer Name.
„Du wirst bald sterben“, sagte er zwischen zwei Bissen.
Wow, was für eine überraschende Wendung.
„Das war gut, Hildegard!“, lobte Tom. „Witzig.“ Alle nickten.
Das habe ich null verstanden. Was war gut und wieso ist es witzig. Wo habe ich etwas überlesen?
Nein, alles weiß er auch nicht, dachte Hildegard.
Sehr feiner letzter Satz.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @Sturek,

eine tolle Geschichte, die das Thema 'Zuneigung im Alter' behutsam und feinfülig beschreibt. Dabei gleitest du weder in Sentimentalität noch in Effekthascherei ab - einfach ganz normaler Alltag, der Bedeutung 'an sich' hat. Die Gedankenwelt der alten Dame, wie Situationen auf sie wirken, ist treffend dargestellt: Eine körperlich eingeschränkte Frau, die hellwach auf ihre Umwelt und verschiedene Mitmenschen reagiert.
Die Analogien zu "Schneewittchen" sind eine schöne inhaltliche und schriftstellerische Zugabe, der Punkt auf dem I, das Salz in der Suppe, die Flügel am Vogel, die ...;)

Zuerst dachte ich, der Kapitän sei eine Einbildung, aber dann wird die Sache doch noch deutlich, ist kein Manko, eher interessant.
Etwas enttäuscht war ich, dass die Zuneigung des Mannes so leicht zu erschüttern ist, sein Verhalten kam mir etwas unmotiviert vor.

Nur um mal zwei Beispiele für gekonnte Passagen zu nennen:

Ihr Blick konnte das alles, sie selbst inzwischen nicht mehr.
Ein eleganter Übergang von der Umgebung zur Person.

Plötzlich sagte die Frau: „Sie sind niedlich, nicht wahr?“
Hildegard erstarrte. „Wie bitte?“, fragte sie.
Eine schöne doppeldeutige Aussage, prima.

+

die Lindenallee mit den rot-gelb gefärbten Blättern entlang.
Jetzt will ich mal richtig in den Krümeln suchen: Sind Linden nicht gerade für ihre auffällig gelbes Herbstlaub berühmt? (Vielleicht gibts eine besondere Art?).

Dann und wann kam sie Hildegard besuchen und sie lachten viel. Hildegard war ihr dankbar, dass sie kam und ihre Zeit für sie opferte.
Aber auch, wenn sie nicht mehr gekommen wäre, hätte Hildegard sich nicht allein gefühlt.
Das "Aber auch wenn ..." relativiert die vorher genannte Dankbarkeit sehr - als ob Hildegard eigentlich denkt 'na, ich komme auch alleine zurecht'.

Wasser für Canitoga“ mit Hans Alvers,
Ich getrau mich kaum es anzumerken, aber hieß der nicht Albers?

LG,

Woltochinon

 

Hallo @Sturek,

jetzt schaue ich noch auf einen kurzen Gegenbesuch vorbei. Ich muss sagen, dass mir deine Geschichte gut gefallen hat. Geradezu überraschend gut, sodass ich einen Moment darüber nachgedacht, warum genau das so ist. Ich glaube, die Antwort ist: Deine Geschichte hat anders als viele andere hier, meine eigenen eingeschlossen, klare Wendepunkte, sodass es wirklich eine Geschichte im klassischen Sinne ist. Ich weiß nicht, ob du das bewusst so kalkuliert hast, aber es funktioniert:

Zunächst die Exposition, dann ein Konflikt (sie mag ihn, aber er sie nicht), dann der Wendepunkt zum Guten: Er mag sie auch. Dann die Katastrophe: Sie vergeigt es sich wieder. Am Ende kommt dann erneut ein Wendepunkt zum Guten.

Kritisch will ich nichts Neues anmerken, sondern mich den bisherigen Kommentaren anschließen, auch wenn ich sie nur überflogen habe: Am Anfang dauert es zu lange, bis die Geschichte in Gang kommt, und es treten deutlich zu viele Figuren auf. Vor allem die ganzen Namen sind verwirrend. Hier würde ich nachbessern, die eine oder andere Figur eliminieren und alle Namen von Nebenfiguren streichen, sodass die Figuren nur noch als Typus mit irgendwelchen charakteristischen Eigenschaften erscheinen.

Mir persönlich ist das Ende übrigens nicht zu abrupt, er kam genau richtig, sodass ich dann auch verstanden habe, dass die Zwerge was mit dem nahenden Tod zu tun haben. Der ganze Märchenbezug ist an mir vorbeigelaufen, das liegt aber an mir. Ich habe keine genauen Erinnerungen mehr an die einzelnen Märchen, das ist in meinem Kopf eine einzige Sauce mit ein paar konkreten Krümeln drin.

Vielleicht hätte ich mir ein klarere Happy End mit dem Kapitän gewünscht, wobei dieser Wunsch vielleicht auch einfach zeigt, dass es der Story gelingt, Emotionen zu wecken und einem die Protagonistin nahe kommt. Dann ist das Ende kein Manko.

Freundliche Grüße


HK

 

Hallo @lakita

Sehr schön, dass du auch bei mir vorbeigeschaut hast. Und so eine ausführliche Kritik. Das freut mich und ich kann fast alles von dem, was du genannt hast, nachvollziehen und vieles auch direkt verwenden. Auf manches gehe ich noch im Detail ein, aber zuvor noch ein paar Bemerkungen zu dem Stil. Ja, der ist manchmal umständlich. Wenn ich zum Beispiel sehr nahe an der inneren Stimme von Hildegard bin, ist das sicher so. Da würde ein geschliffener, straffer Stil nicht recht passen. Ich hatte anfangs sogar die erste Person als Erzählstimme probiert, aber schnell gemerkt, dass das nicht klappt.

Andreas hätte die Blätter als Feuerfunken des verlöschenden Sommers beschrieben. Er übertrieb immer gern", dachte sie.
Bei meiner Version bin ich meiner Meinung nach mehr im Kopf von Hildegard. Insbesondere fehlt mir bei deinem Vorschlag dieses nachsinnende einzelne „Andreas“.
zu spazieren
Das Wort taucht in unmittelbarer Nähe schon mal auf. Würde ein anderes Synonym suchen.
Stimmt. Habe ich geändert.
Das passt jetzt, ich weiß zwar, was du meinst, nicht so recht in den Kontext, weil das so klingt als würde sie hellsehen können oder zaubern. Dabei willst du ja ihre Gebrechlichkeit ansprechen auf diese Weise.
Hmm, ihr Blick wandert draußen umher und sie selbst kann das nicht mehr. Es wird ja nichts aufgezählt, was sie nicht tatsächlich von ihrem Fenster aus sehen kann.
Ich verstehe, du willst auf diese Weise elegant die Schwiegertochter dazunehmen, aber so wie der Satz dort steht, wirkt er komisch, denn man könnte auch glauben, die Schwiegertochter ist Schuld daran, dass sie nun im Rollstuhl sitzt. Wie wäre es so: Ihre Schwiegertochter, ein patentes, lustige Mädchen, hatte dafür gesorgt, dass sie nun einen Rollstuhl besaß. (lustig könntest du auch weglassen, weil sie ja nachher lachen)
Ich denke, man kann aus dem Kontext sehen, wie das gemeint ist. Dein Vorschlag hat sicher was für sich, geschliffener und straffer, aber meiner Meinung nach entferne ich mich dadurch auch ein bisschen mehr von der Gedankenwelt Hildegards. "immer lustig ist gestrichen.
Das klingt ein wenig hölzern, das mit dem auf die Uhr gucken. Ist doch auch nicht wichtig, dass sie auf ihr Handgelenk gucken muss, reicht, wenn sie auf die Uhr schaut.
Ich habe das jetzt etwas geschmeidiger formuliert: Als es klopfte, blickte sie auf ihre Uhr. Das musste Martin sein. Sie hatte schon auf ihn gewartet.
Andreas ist sicherlich absolut wichtig, auch Martin. Aber bitte bei allen anderen dann noch folgenden Personen würde ich sie, bis auf den Zwerg natürlich, nicht namentlich einführen, sondern nur mit ihrer Funktion, dem Pfleger, die Schwester etc..
Och, die paar Namen. Ich will zeigen, dass das Verhältnis von Hildegard zu den Pflegekräften nicht distanziert, sondern persönlich ist. Wenn ich da nur die Funktionen nenne, wirkt das kalt. Und den Namen Marlon brauche ich, um ihr Faible für Filme zu verdeutlichen. Ich habe als Kompromiss Maria gecancelt.
Errötet sie, flattert ihr Puls, muss sie immer lächeln, grinsen, lachen, kichern, würde sie am liebsten kleine Tanzschritte machen, tänzeln? Das sind jetzt nur meine dilettantischen Beispiele, um es dir zu verdeutlichen. Wie fühlt man sich, wenn man sich lebendig fühlt?
Ja, das habe ich noch etwas ausgebaut.
Hier behauptest du, dass sie etwas definitiv über Martin weiß, nämlich, dass ihm die Decke auf den Kopf fällt.
Sie hat ja schon öfter mit Martin gesprochen. Da liegt es doch nahe, dass er etwas über seine Situation sagt.
Aber scheinbar ist es doch wichtig, dass es beschrieben wird, denn es ist kalt draußen. Vielleicht kannst du es schlichter beschreiben.
Ja, der Mumiensack ist mir wichtig. Vielleicht fällt mir noch etwas ein, wie ich das kürzer und gleichzeitig deutlicher beschreibe.
es würde mir reichen, wenn ich weiß, dass einer der Pfleger zu ihr nett ist und was sagt, dass er Andy heißt, aber Marlon genannt wird und eine Schwester Maria auch noch dazwischenhängt, ist irgendwie gar nicht so wichtig.
Hier geht es mir auch um den Filmschauspieler. Hilde hat ein Faible für Filme: Marlon Brando, Hans Alvers, Rock Hudson, Heinz Rühmann … Das Filmmotiv taucht öfter auf. Das passt zu Hildegard. Sie ist eher passive Zuschauerin/Beobachterin als Akteurin. Schwester Maria ist gecancelt.
Haha... ich lache, weil du zuvor grad beschrieben hast, dass sie keine ist. Sie hält sich für eine gute Zuhörerin, ist es aber nicht.
Ich musste zumindest kopfschüttelnd grinsen. Das ist wieder mal ein typischer Fall von Betriebsblindheit. Warum sehe ich so was nicht selbst? Muss ich natürlich ändern. Danke.
Du könntest es in die wörtlichen Rede nehmen: "Hildegard, wollen Sie heute nicht an dem Spielkreis teilnehmen?", fragte die Schwester (die Pflegerin)
Das kann ich so übernehmen. Wörtliche Rede ist nie verkehrt.
Das habe ich null verstanden. Was war gut und wieso ist es witzig. Wo habe ich etwas überlesen?
Tja, wenn man einen Witz erklären muss …
Geht in die gleiche Richtung wie: Ein Mann, ein Wort – eine Frau, ein Wörterbuch.
Ich warte mal ab, ob vielleicht andere den Witz auch nicht verstanden haben.


Hallo @Woltochinon

Super, dass dir meine Geschichte gefällt und danke für das Auffinden der Krümel. Ich wollte eine Geschichte mit einem Touch „Magischer Realismus“ als Challengebeitrag schreiben. Die Motive aus „Schneewittchen“ sind ein Angebot, aber die Story sollte auch so funktionieren.

Etwas enttäuscht war ich, dass die Zuneigung des Mannes so leicht zu erschüttern ist, sein Verhalten kam mir etwas unmotiviert vor.
Ja, das Verhalten des Kapitäns wirkt kühl, sogar herzlos. Vielleicht hat er früher bei einer ihm nahestehenden Person den Verfall durch Demenz inklusive Halluzinationen miterleben müssen. Das noch zu thematisieren, wäre eine andere Geschichte.
Sind Linden nicht gerade für ihre auffällig gelbes Herbstlaub berühmt?
Also ich dachte, das merkt keiner. Wie man sich doch täuschen kann. Ahorn müsste doch gehen, oder?
Das "Aber auch wenn ..." relativiert die vorher genannte Dankbarkeit sehr - als ob Hildegard eigentlich denkt 'na, ich komme auch alleine zurecht'.
Ja, ein gewisser Unterton sollte herauszuhören sein.

Ich getrau mich kaum es anzumerken, aber hieß der nicht Albers?
Wie ist mir nur das „v“ dazwischengeraten? Natürlich.


Hallo H. Kopper

und vielen Dank für dein Feedback und die Kritik. Natürlich freue ich mich, dass dir die Geschichte gefällt, auch ohne dass du das Märchen „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ als Bezug verwenden konntest. Ich habe mir das Märchen vorher nochmal durchgelesen und war überrascht, welche Feinheiten da drin stecken.

Die Wendepunkte haben sich beim Schreiben ergeben. Ich bin nicht der große Planer, justiere lieber nach. Es gibt zum Thema „Wendepunkte“ übrigens einen interessanten Thread. https://www.wortkrieger.de/threads/die-sache-mit-den-wendepunkten.69960/
Vielleicht kennst du ihn noch nicht.

Sehr schön, dass das Ende für dich nicht zu abrupt ist. Es widerstrebt mir auch, da noch dran zu schrauben.

und es treten deutlich zu viele Figuren auf. Vor allem die ganzen Namen sind verwirrend.
Ich habe jetzt zumindest Schwester Maria gecancelt. Marlon brauchte ich als Hinweis für ihren Faible für Filme, der sich ja durch die Geschichte zieht, und dafür, dass sie mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist. Ihr Blick auf Henry soll ihre Einfühlsamkeit zeigen. Ohne die Nennung der Namen wirkt das doch sehr kühl bzw. funktioniert gar nicht.

Grüße
Sturek

 

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