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Reh vs. Auto

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29.09.2011
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Reh vs. Auto

Eine breite Allee, die scheinbar bis zum Horizont geradeaus verläuft. Ein Motorgeräusch und eine fast greifbare Anwesenheit von Neubeginn. Die Bäume rauschen in hoher Geschwindigkeit an mir vorbei, doch fokussiere ich den Raum dahinter. Die Felder und Wiesen. Plötzlich bemerke ich eine Bewegung am Waldrand, der gerade in mein Blickfeld rauscht. Ein Reh steht dort in der Morgensonne. Ein leichter Nebel liegt noch auf der Wiese und das Reh scheint mir in die Augen zu schauen. Das bilde ich mir natürlich nur ein, aber der Gedanke hält mich fest und ich schweife ab, versetze mich in das Reh, stelle mir vor was das Reh wohl als nächsten machen wird. Ein Schaudern überkommt mich und ich laufe auf Gras durch den Frühnebel. Ich fühle mich seltsam leicht und renne immer schneller auf der Wiese auf die Strasse zu. Ich schaue an mir herunter und stelle erschrocken fest, dass ich das Reh bin und dass ich nicht stoppen kann. Das erste Erschrecken weicht einer Woge von Euphorie und ich laufe immer schneller in Richtung der Strasse. Der Nebel weicht vor mir zurück. Ich merke langsam, dass die Strasse immer näher kommt. Ich fühle eine unbändige Kraft und laufe noch schneller. Meine Unfähigkeit zu stoppen und die Tatsache, dass die Strasse wenige Meter entfernt ist, macht mich langsam unruhig und doch spüre ich einen Sog genau dorthin. Als ich das Ziel erreiche sehe ich aus dem Augenwinkel etwas Schwarzes auf mich zurasen und merke zu spät, dass es zu spät ist.
Der Moment ist sehr still und er passiert wie eine kleine Ewigkeit.
Ich merke, wie mein Körper einfach weggerissen wird und wie mein Schädel auf etwas aufschlägt und bricht. Das Krachen meiner Knochen ist so laut, dass die anderen Geräusche in den Hintergrund und die damit verbundene Unwichtigkeit wandern. Die Wucht. Die Gewalt. Das Ende.
Erschrocken reiße ich die Augen auf und stelle erleichtert fest, dass ich noch in der Spur fahre und sehe im letzten Augenblick in die Augen des Rehs, das mitten auf der Strasse steht.

 

Hallo Buschinki

Deine kleine Geschichte hat eine verwischte aber vorstellbare Plausibilität. Täter und Opfer werden eins.

Der Titel gefällt mir nicht so sehr. Erst dachte ich die Abkürzung von versus bewirke dies, doch dünkt mich vielmehr er nehme bereits die Handlung vorweg.

Die Bäume rauschen in hoher Geschwindigkeit an mir vorbei,

Hier könnte ich mir eine etwas andere Formulierung vorstellen. Es ist der Fahrtwind, der allenfalls das Rauschen zwischen den Bäumen erzeugt.

Das bilde ich mir natürlich nur ein, aber der Gedanke hält mich fest und ich schweife ab, versetze mich in das Reh, stelle mir vor[KOMMA] was das Reh wohl als nächsten machen wird.

Als ich das Ziel erreiche[KOMMA] sehe ich aus dem Augenwinkel etwas Schwarzes auf mich zurasen und merke zu spät, dass es zu spät ist.

Hier wäre statt einer Wiederholung eine andere Formulierung eleganter.

So auf die Schnelle gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Buschinski und willkommen!

Ich mag kleine Geschichten, wenn sie wirklich gut sind. Wenn ein paar Zeilen eine Welt enthalten. Wenn man den Klang der Sprache fast hört und wenn man sich am liebsten jeden Satz auf der Zunge zergehen lässt. Ok, das ist das Ideal. Aber deine Geschichte ist Lichtjahre davon entfernt. Es ist eine Anekdote, die du erzählst, vermutlich selbst erlebt, die mit einer guten Idee angereichert ist. Das reicht aber in diesem Fall nicht aus. Die Handlung ist auch nicht seltsam, weil sich der Protagonist auch problemlos alles vorstellen oder vorgestellt haben könnte. Ist ein wenig wie bei Träumen: seltsam, seltsam, huch, jetzt bin ich wach! - nur nicht ganz so schlimm. Ich hätts besser gefunden, wenn alles radikaler wäre: Z.B. er rennt weiter in den Wald als Reh. Oder es müsste sprachlich alles stärker sein. In einer 10-Satz-Geschichte sollte sowas wie "und merke zu spät, dass es zu spät ist" echt nicht vorkommen.

Gruß
Kasimir

 

Hallo Buschinki,

das ist ein schöner, intensiver Gedanke, den du da in dieser kurzen Geschichte ausführst. Ein paar Kleinigkeiten zeigen, dass du noch nicht viel Routine beim Schreiben hast.

Ein Fehler:

Das bilde ich mir natürlich nur ein, aber der Gedanke hält mich fest und ich schweife ab, versetze mich in das Reh, stelle mir vor was das Reh wohl als nächsten machen wird.
nächstes

Am Ende stimmt die Zeit der Geschehnisse nicht mehr. Der Aufprall ist in der Vorstellung des Lesers gerade erfolgt und im nächsten Moment zeigst du das Reh, das auf der Fahrbahn steht.

Auch vorher war eine Kleinigkeit für mein Gefühl nicht stimmig: Der Schädel bricht. Danach kann das Reh keine anderen Geräusche mehr hören.

Am Anfang ist eine Wortwiederholung drinnen: Bäume, die vorbeirauschen und etwas, das ins Blickfeld rauscht.

Von diesen Kleinigkeiten abgesehen, mochte ich es.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Buschinki,

herzlich willkommen hier!

Ich meine auch, die Geschichte dürfte seltsamer wirken. Die Grenze zwischen Realität und der Vision (die der Zeit voraus ist) könnte subtiler beschrieben werden. Mitunter würden Streichungen ein erster Ansatz sein.

… das Reh scheint mir in die Augen zu schauen. Das bilde ich mir natürlich nur ein, aber der Gedanke hält mich fest und ich schweife ab, versetze mich in das Reh, stelle mir vor was das Reh wohl als nächsten machen wird. Ein Schaudern überkommt mich und ich laufe auf Gras durch den Frühnebel.

Dieser Übergang, das ist die Stelle, wo ich am meisten dran arbeiten würde. Da wird zu viel erklärt – „Das bilde ich mir natürlich nur ein“ – und zu sehr vom Protagonisten gewollt und gesteuert – „versetze mich in das Reh“ – und warum hält der (eigene) Gedanke ihn fest und nicht die Augen des Rehs? Diese Augen werden ja auch am Ende nochmals erwähnt, scheinen also eine besondere Rolle zu spielen, die aber noch nicht richtig ausgearbeitet ist.
Was übrig bleibt:
Ein leichter Nebel liegt noch auf der Wiese. Das Reh scheint mir in die Augen zu schauen. (den Augenkontakt würd ich hier etwas ausbauen) Ein Schaudern überkommt mich und ich laufe auf Gras durch den Frühnebel.

Noch etwas:
Eine breite Allee, die scheinbar bis zum Horizont geradeaus verläuft.
"Scheinbar" ergibt hier keinen Sinn. Denn wenn eine Straße scheinbar bis zum Horizont reicht, dann ist es auch tatsächlich so, also wäre „anscheinend“ die richtige Wortwahl.

Gruß

Asterix

 

"Scheinbar" ergibt hier keinen Sinn. Denn wenn eine Straße scheinbar bis zum Horizont reicht, dann ist es auch tatsächlich so, also wäre „anscheinend“ die richtige Wortwahl.

Um mal ein bisschen zu Klugscheißern: Es ist umgekehrt. Scheinbar bedeutet, dass sich etwas nur dem Anschein nach auf eine bestimmte Art und Weise verhält. Anscheinend dagegen bedeutet, dass sich etwas höchst wahrscheinlich auch so verhält, wie es den Anschein hat. Wenn die Straße also nur scheinbar bis zum Horizont reicht, tut sie das in Wirklichkeit nicht.

 

Danke

Hallo an alle,

vorab möchte ich allen danken, die meine Geschichte gelesen und kommentiert haben. Ja, es ist wahr, ich schreibe noch nicht sehr lange und bin deshalb dankbar für die Kritik, Anregungen und natürlich auch und besonders Lob.

Ich schreibe nur eine Anmerkung über eine Textzeile, die negativ kommentiert wurde, die ich aber ganz bewusst so geschrieben habe:
...."und merke zu spät, dass es zu spät ist".
Es mag sein, dass es etwas unglücklich wirkt. Ich habe auch bei Lesen darüber nachgedacht. Leider ist mir nicht ganz klar, wie ich eine Betonung klarmache. Kursiv? Fettschrift?
...."und merke zu spät, dass es zu spät ist"
Wenn man es spricht klingt es okay......

Nochmals Danke
Buschinki

 

Wenn die Straße also nur scheinbar bis zum Horizont reicht, tut sie das in Wirklichkeit nicht.

Lieber Hal, lieber Buschinki,

ja … oder ne … ist meine Schuld, ich hätte es etwas ausführlicher erklären sollen.

Der Ausgangssatz „Eine breite Allee, die scheinbar bis zum Horizont geradeaus verläuft“ zeigt folgende Situation:

Er sie eine Straße vor sich, deren Ende mit dem Horizont verschmilzt.
Also reicht die Straße (aus seiner Perspektive) tatsächlich bis zum Horizont (der immer eine subjektive Sichtgrenze ist) und endet nicht irgendwo davor.

Anders wäre es, wenn dort stünde: Eine breite Allee, die scheinbar nur bis zum Horizont reicht. Dann wäre die Aussage mit "scheinbar" richtig.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Buschinski,

beim "zu spät" ändert sich nichts, wenn du was kursiv setzt. Es ist die Wiederholung, die mich beim Lesen gestört hat. Und das auch nur, weil trotz Kürze des Textes, es öfter ungeschliffene Stellen gibt.
Ich geh mal durch, damits "anschaulich" wird:

Eine breite Allee, die scheinbar bis zum Horizont geradeaus verläuft.

Bin auch dafür, 'scheinbar" wegzulassen. Der Satz ist ohne knackiger, direkter und der Sinn bleibt gleich.

Plötzlich bemerke ich eine Bewegung am Waldrand, der gerade in mein Blickfeld rauscht.
"plötzlich" ist ein Wort, das man beim Erzählen besser vermeidet. Gerade, wenn was Neues eingeleitet wird. Das ist Schulaufsatzniveau. "Dann" machts auch.

Der Waldrand rauscht ins Blickfeld - Ich weiß nicht. Das ist umständlich und wenig anschaulich.

Ein leichter Nebel liegt noch auf der Wiese und das Reh scheint mir in die Augen zu schauen.
"scheint" - braucht es nicht. Wird eh gleich erklärt, dass das nur Vorstellung ist: "sieht mir in die Augen"

Das bilde ich mir natürlich nur ein, aber der Gedanke hält mich fest und ich schweife ab, versetze mich in das Reh, stelle mir vor was das Reh wohl als nächsten machen wird.
natürlich - Füllwort
unnötige Wiederholung
nächstes

Ein Schaudern überkommt mich
altbacken

Das erste Erschrecken weicht einer Woge von Euphorie und ich laufe immer schneller in Richtung der Strasse. Der Nebel weicht vor mir zurück. Ich merke langsam, dass die Strasse immer näher kommt.
Wiedeholung
Warum langsam?

Meine Unfähigkeit zu stoppen und die Tatsache, dass die Strasse wenige Meter entfernt ist, macht mich langsam unruhig und doch spüre ich einen Sog genau dorthin.
machen

Als ich das Ziel erreiche sehe ich aus dem Augenwinkel etwas Schwarzes auf mich zurasen und merke zu spät, dass es zu spät ist.
erreiche[KOMMA]

merke, dass es zu spät ist

Der Moment ist sehr still und er passiert wie eine kleine Ewigkeit.
still reicht auch
kleine Ewigkeit - ausgelutscht
der Moment passiert wie eine Ewigkeit - der Moment dehnt sich zu einer Ewigkeit, zum Beispiel

Ich merke, wie mein Körper einfach weggerissen wird und wie mein Schädel auf etwas aufschlägt und bricht.
einfach- überflüssig

Das Ende. Erschrocken reiße ich die Augen auf und stelle erleichtert fest, dass ich noch in der Spur fahre und sehe
im letzten Augenblick
in die Augen des Rehs, das mitten auf der Strasse steht.

Erschrocken reiße ich die Augen auf - Das ist, was stark an ausgelutschte Traumgeschichten erinnert

stelle erleichtert fest - das auch

im letzten Augenblick - wieso im letzten? was passiert danach?

Mein Tipp: Geschichten immer und immer noch mal lesen und alles streichen, was man streichen kann und alles vereinfachen, was geht.

 

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