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Paradiesische Protokolle

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19.05.2015
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Paradiesische Protokolle

Im Paradies riecht es nach Öl, Dreck, Lavendel und Rosenhauch, der von den Bergen herüberweht. Ich betrete das kastenförmige Gebäude. Der Sachverständige sitzt bereits hinter seinem Schreibtisch, als ich eintrete. Der Saal ist viel zu groß, LEDs tauchen ihn in blendende Helligkeit. Ich höre von weitem rhythmisches Tastaturgehämmer. Es ist Mägerlein. Keine schlechte Wahl für heute. Bei ihm geht es schnell und sachlich zu. Er begrüßt mich mit verhuschtem Blick.
„Wie viele kommen heute?“, frage ich ihn.
„Drei. Einer kommt durch, wie immer.“
Ich setze mich neben ihn und klappe den Laptop auf.
Um mich abzulenken, mich einzuspinnen in den Kokon, der mich fernhält, von dem, was kommt, was ich hören werde, denke ich an Peters Hände, die mich in der Nacht gepackt haben, daran, wie ich ihm die Zunge in den Mund steckte und ich das erste Mal starb, als er in mich eindrang, mich ausfüllte bis zu meinem Herzen. Anders kann ich nicht mehr. Es muss schnell gehen, unvermittelt, ohne Zärtlichkeit. Ich verscheuche den Gedanken, weil ich mir die Geschichten der Schatten anhören muss, die am Tor zum Paradies anklopfen.
„Ich will, dass sie wortgetreu übersetzen, nichts hinzufügen oder weglassen, Frau Abassi!“
„Ich gebe mein Bestes, Herr Mägerlein.“
Als wolle er mir einen Kübel Eiswasser über den Kopf schütten. Ich weiß, wie‘ s läuft, bekomme einen Hunderter die Stunde und hänge an einem Spinnfaden des Paradieses. Mägerlein erschafft Glück und Unglück, ist Wächter, Verteidiger, eine Art Gott. Dabei ist er eine Missgeburt. Sein Körper produziert keine Wärme und ich wundere mich, dass es ihn nicht fröstelt. Klar, selbst wenn er wollte: Mitleid darf ihn nicht beeinflussen. Der Platz ist begrenzt. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich selbst um den Einzug ins Paradies gekämpft, wollte unbedingt hier leben. Also erzählte ich von den verlorenen Eltern, den vermissten Geschwistern und den Sprachen, die ich beherrsche, setzte das hübscheste Hundegesicht auf und spitzte die Lippen zum Kuss.

Der Protokollführer tritt ein, setzt sich an die Stirnseite und legt Notizblock und Aufnahmegerät bereit. Seine Glatze glänzt. Er zieht den Stuhl nahe an den Tisch, versteckt den Bauch darunter und begrüßt mich scheu. Er will mir sagen, dass er mich anbeten würde, wenn er nur jünger und schöner wäre, lässt es dann aber. Ich atme Pfirsichduft ein, der aus irgendeiner Düse, die ich nie entdeckt habe, in den Saal strömt. Die Fenster bleiben natürlich geschlossen. Zwei alte Leute, ein Pärchen, schlurfen auf uns zu, eskortiert von Sicherheitsleuten in schwarzer Montur, den Schlagstock an der Hüfte baumelnd.

Die Runzeln auf ihrem Gesicht, die Augen der kleinen Frau, schauen mich genau an, wollen mich dazu zwingen, mich an das Tau, den Duft der Erde am frühen Morgen, das Blöken der Schafe und an den Zypressenbaum vor unserem Haus zu erinnern, an den Geschmack warmer Milch und an die Großmutter, die mich aus blinden Pupillen anlächelt, an all das Verschwundene, Ausradierte, das bleibt, obwohl die Bruchstücke, die Bilder in meinem Kopf, verblassen. Meine Seele ist eine blutige Masse, seit die Männer in den tarnfarbenen Uniformen kamen. Die beiden Alten am Eingang zum Paradies riechen wie meine Großmutter, nach Erde und Zeder. Sie setzen sich und wirken noch viel kleiner, als die schwarzen Männer sich hinter sie stellen. Das Procedere beginnt. Namen, Herkunft, Adresse, Reiseweg. Mägerlein kommt in Fahrt. Ich übersetze und der Glatzkopf, der Neuner heißt, schreibt mit. Wir kommen voran. Anfangs antworten beide, später übernimmt die Großmutter.
Frage: Führen Sie kurz ihre Gründe an, weshalb sie um Asyl im Paradies bitten.
Antwort: Wir allein sind übrig. Nicht weit vom Zentrum hatten wir einen Laden. Gemüse und Obst. Fünfzig Jahre lang. Die Leute haben gern bei uns gekauft. Gute Ware. Mein Mann hat ein Händchen dafür. Er hat mir drei Kinder geschenkt. Die Jungs wurden zu Männern und jetzt sind sie weg, einfach verschwunden. Einer seit letztem Jahr, der andere seit diesem.
Auch mein Mädchen ist nicht mehr übrig, Sie war mittendrin, als es krachte. Ich hab‘ s gesehen und hinterher nichts mehr von ihr gefunden, gar nichts, nicht einmal die goldene Kette mit dem Kreuz.
Frage: Machen Sie weiter!
Antwort: Jeden Tag wurde es schlimmer. Häuser stürzten ein. Die Luft war dick und Pfiffe jagten durch die Straßen. Wir verbrachten Tage und Nächte in den Kellern. Dennoch ging mein Mann los, hat den Karren beladen, sich abgemüht. Als das mit unserer Tochter war, ging‘ s nicht mehr. Er konnte nicht zum Großmarkt gehen, er schaffte es nicht. Sie war unser Augenstern. Es war ein Regentag, wissen Sie. Vor einem halben Jahr. Seither ist unser Herz zerrissen und leer. Irgendwann haben mein Mann und ich beschlossen, unser Geld zu nehmen, um ins Paradies zu kommen. Hier wollen wir sterben. Wir sind krank, aber wir können uns selbst versorgen von unserem Gesparten.
Frage: Ist das alles, was Sie vorbringen möchten?
Antwort: Das Wichtigste.
Frage: Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie zu den Pforten des Paradieses gekommen?
Antwort: Mit dem Flugzeug. Die Route über Land und Meer ist zu beschwerlich für uns.
Frage: Können Sie das Ticket vorweisen?
Antwort: Sicher.
Frage: Wie hoch ist Ihr Vermögen?
Der alte Mann mit der gegerbten braunen Haut übernimmt das Gespräch. Er fixiert Mägerlein und nennt die Summe. Ein Jahr, vielleicht etwas länger, wird es reichen.
Frage: Können Sie einen Nachweis über das Geld erbringen?
Die Antragsteller strahlen Zuversicht aus. Mägerlein grinst. Ich schwöre mir, dass ich heute in meinen Habseligkeiten nach dem goldenen Armreif suchen werde, den ich als Kind getragen habe – das Patengeschenk einer Tante, deren Bild ich neu erschaffen muss, weil ich es in mir versteckt habe.
Frage: Haben Sie einen Rechtsbeistand?
Sie schütteln den Kopf, verstehen nicht richtig, wofür sie einen Anwalt brauchen. Obwohl ich ihren Fehler erkenne, stehe ich auf und umarme sie, spüre meine Großmutter, als die alte Frau mich an sich drückt, mich in die Vergangenheit katapultiert wie ein Geschoss. Mägerlein und Neuner bleiben sitzen.
Neuner steht auf: „Einen Cappuccino, Frau Abbasi?“
Er wackelt los und wird versuchen, aus dem Milchschaum ein Herz zu formen. Neuner bringt den Cappuccino. Ich stelle mir das Meer vor, schnaufe durch, setze mich wieder und schlürfe den Cappuccino. Doch kein Herz. Nichts als Schaum und ein hässlicher brauner Fleck in der Mitte. Der Erdgeruch der alten Leute dampft zart durch den Raum. Ich atme durch.
Quietschende Gummisohlen nähern sich. Die Uniformierten bringen einen jungen Mann herein, eine schmale Strichgestalt mit großer Nase und braungrauer Haut. Er geht sehr aufrecht, trägt eine Jogginghose. Sehnige Knöchel blicken mir entgegen. Die Aufschrift auf dem T-Shirt lautet ’Horizons‘. Nachdem er sich gesetzt hat, verschränkt er sofort die Arme. Mich beachtet er nicht und konzentriert sich auf Mägerlein und Neuner. Er lächelt sogar, als begänne eine freundliche Unterhaltung bei Tee und Gebäck. Das Smartphone versenkt er in der Hosentasche. Er kommt aus einem Dorf in den Bergen, das höre ich am Zischen und den hartgesprochenen Konsonanten. Er ist 17 Jahre alt. Keiner darf älter sein. Und selbst wenn: Gute Legenden beginnen mit einer Lüge.
Frage: Führen Sie kurz ihre Gründe an, weshalb sie um Asyl im Paradies bitten.
Antwort: Ich war 16 Jahre, als ich zum Paradies aufgebrochen bin. Ich stamme aus einem Gebirgsdorf nahe der Grenze. Als ich klein war, lebten wir von Ziegen, der Jagd und den Feldern, die wir gewässert und gepflegt haben. Eines Tages tauchten Männer auf und zwangen meine Eltern, Mohn anzubauen, versprachen ein behaglicheres Leben. Wir waren sechs Geschwister. Vier Jungs und zwei Mädchen. Nach dem ersten Jahr haben sie einen Bruder mitgenommen, vor dem Winter musste eine Schwester einen der Männer heiraten. Im Frühjahr haben sie einen weiteren Bruder geholt. Damit wir sie nicht betrügen, sagten sie. Zur Ernte im Herbst sahen wir die verlorenen Brüder wieder, als die Männer die Säcke voller Mohnkapseln abholten. Sie trugen Maschinengewehre und wollten uns nicht erkennen, uns, ihr Fleisch und Blut. Sie schubsten den Vater und schrien die Mutter an.
Frage: Haben Sie Drogen genommen?
Antwort: Nein, ich brauche keine Drogen. Ich will leben. Sie haben den nächsten Bruder mitgenommen, ihn aus dem Bett gezerrt, wo er mit Fieber lag, ihn auf den Verschlag des Lastwagens gesetzt und sind losgefahren, obwohl meine Mutter sich mit aller Kraft an ihn hängte. Sie zogen die Knüppel und schlugen sie, drohten das Haus anzuzünden und dem Bruder den Knüppel in den Hintern zu stecken. Danach träumte ich schlecht, schrie in der Nacht und wünschte mir, dass die Felder verdorren. Der Vater zog los, fragte Verwandte um Rat, sammelte Geld, diskutierte mit der Mutter. Sie trafen eine Entscheidung. Meine Schwester zog zu Verwandten in die Berge. Ich sollte das Paradies suchen, mein Glück zu machen und irgendwann alle nachzuholen. Nur ein Bruder blieb bei den Eltern. Er hinkt, außerdem hat er einen schwerfälligen Verstand. In meinen Rucksack steckte ich Blätter eines Baums, den ich selbst als Kind gepflanzt hatte, Vorräte, das Smartphone und eine Haarsträhne meiner Mutter. Wir weinten alle und ich heulte weiter, als unser Tal längst außer Sicht war. Neun Monate habe ich gebraucht. Wir überquerten Berge, liefen durch Täler und Wälder, tranken aus Bächen, erreichten die Stadt, verließen sie, zogen als Anhalter durch die staubige Ebene bis zur nächsten Stadt, bis zum Meer, über das Meer, bis wir wieder Wälder durchquerten und Berge bestiegen und ich hier ankam.
Frage: Welche Papiere können Sie vorweisen?
Antwort: Mein Pass ging auf dem Schiff verloren.
Frage: Wie wollen Sie Ihren Lebensunterhalt im Paradies bestreiten?
Antwort: Ich werde lernen und hart arbeiten. Ich will frei sein, leben und meine Familie unterstützen.
Frage: Haben Sie einen Rechtsbeistand?
Er weiß es noch nicht. Er, der aus den Bergen kommt, wo die Vögel die Luft mit Gesang bevölkern, wo es nach Kräutern und Gras riecht, wo Stille und Sternenhimmel das Herz erfüllen. Er, der mich an friedliche, verlorene Tage erinnert, an die Unverrückbarkeit der Berge. Deshalb mache ich mir um den jungen Mann keine Sorgen. Außerdem ist seine Haltung gerade und die Knöchel schimmern golden.
Er bemerkt mich zum ersten Mal. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, als würden wir uns aus irgendeiner Vergangenheit kennen.
„Neunzig Minuten Pause“, verkündet Mägerlein, reibt sich erst die Hände, verschränkt sie dann ineinander, bis es knackt, dehnt und streckt den Oberkörper.
„Kommen Sie mit in die Kantine, Frau Abbasi? Es gibt Gulasch.“ Er klingt begeistert.
„Nein, ich muss ein paar Sachen kaufen und hole mir unterwegs etwas zu essen.“
Ich mache mich auf den Weg zur Fußgängerzone. Menschen wühlen sich durch die Straßen, Einkaufstüten hängen an ihren Armen. Vögel, Mäuse und Ratten warten auf Krümel, die zu Boden fallen. Die Menge ist so dicht, dass ich mich beim Gehen darauf konzentriere, keinen anzurempeln. Läden, die Schuhe, Kleidung und Smartphones verkaufen. Dazwischen Imbissbuden, die fettigen Dampf in die paradiesische Luft blasen. Ein Schild lockt mich: Kaufe und verkaufe Gold zu besten Preisen. Eine Klingel ertönt, als ich eintrete und mich einer zwergwüchsigen Frau gegenübersehe, die mich aus Barbie-Augen anblinzelt. Sie zeigt mir Goldketten, schmale und breite, matte und glänzende. Ich entscheide mich für ein zartes Bändchen, das wie ein Sonnenstrahl blitzt und schließe es um mein Handgelenk. Jetzt brauche ich mir keine Gedanken mehr zu machen, ob ich das Geschenk der Tante wiederfinde.

Im Saal ist alles fast wie zuvor. Nur die Wangen von Mägerlein und Neuner haben sich etwas gerötet und auf den Lippen fettet das Gulasch.
Kaum habe ich Platz genommen, wird der Letzte gebracht, ein untersetzter Mann in einem schlecht sitzenden Anzug und elfenbeinweißem Hemd. Er dreht den Kopf mal hierhin, mal dorthin, als wolle er jeden einzelnen Gegenstand abscannen und nutzt breitbeinig die ganze Fläche des Stuhls. Ich spüre den festen, entschlossenen Handschlag, als er reihum alle begrüßt. Die formalen Fragen, um die Identität zu klären, beantwortet er knapp und präzise.
Frage: Führen Sie kurz ihre Gründe an, weshalb sie um Asyl im Paradies bitten.
Antwort: Wissen Sie, die Geschäfte laufen seit ein paar Jahren schlecht. Ich muss woanders hin, sonst verhungere ich. Ich verfluche den Krieg und die ganze Zerstörung. Die Reichen hauen einfach ab, nehmen ihr ganzes Geld mit und verschwinden. Die Villen sind leer, kein Schmuck, kein Geld, kein Gold mehr drin. Du steigst mühsam in ein Haus ein, hast den Draht durchschnitten, die Kamera am Eingang besprayt, Knochen für die Hunde dabei, trägst das schwere Werkzeug auf den Schultern und denkst dir, was für ein herrlicher Tag. Und dann kommt die Ernüchterung. Die Häuser sind leer. So kann man nicht leben! Vor dem Krieg füllten sich die Säcke von allein und diejenigen, die wir bestohlen haben, holten sich‘ s auf ihre Weise zurück, pressten die Armen ein bisschen mehr aus. Ich habe Familie, muss Frauen und Kinder versorgen, deshalb bin ich hier. Ich verfüge über Expertise, nicht bloß Papier, richtiges Wissen und lege meine ganze Erfahrung dem Paradies zu Füßen. Ich bin vielseitig verwendbar und habe die Blüte meiner Schaffenskraft erreicht.
Frage: Können Sie Papiere, einen Lebenslauf, Empfehlungsschreiben vorlegen?
Antwort: Selbstverständlich!
Frage: Haben Sie einen Rechtsbeistand?
Antwort: Ich nehme mir einen, falls ich einen brauche.
Mägerlein lacht. Die gelblichen Zähne kommen zum Vorschein. Neuner richtet sich auf und schüttelt grinsend den Kopf. Mir fällt ein, wie schmutzig ich damals hier an der Pforte ankam, dass die Haare verklebt waren. Bevor ich aufgerufen wurde, befreite ich das himmelblaue Kleid im Waschbecken der Toilette notdürftig von Flecken und besprühte mich mit den letzten Resten des Rosenwassers, das ich aus der Heimat mitgebracht hatte. Der Mann schüttelt Mägerlein zum Abschied die Hand. Neuner und mir nickt er fröhlich zu. Ich friere, sehne mich sehr nach Peter und streichle zart über das Gold an meinem Arm. Das Klacken der Tür hallt durch den Saal.
Mägerlein sagt: „Ich weiß genau, wer das Paradies verdient.“

 
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Hallo Eva Luise Groh

vielen Dank für dein Statement.

Es erscheint mir ungerecht, dass die Mitarbeiter der Behörde so unsympathisch rüberkommen - aber meine Erfahrungen mit ihnen lassen bei deinen Beschreibungen eine gewisse Genugtuung aufkommen.
die sind vielleicht einfach unsympathisch geworden wegen der Aufgabe, die sich erledigen müssen, wegen dem Leid, das sie hören und den Ablehnungen, die sie in der dargestellten "Versschsanordnung" aussprechen müssen.

Schon dem Antragsteller einfach Lüge zu unterstellen, wenn etwas in ihre Vorstellung nicht hinein passt ..
wer entscheidet schon, was Lüge ist und was Legende? Und fast jeder glättet ja seine eigene Geschichte, zum Tragischen oder zum Schönen hin, je nachdem.

Toll geschrieben, beängstigend dicht. Und wichtig.
dankeschön

viele Grüße
Isegrims

geht bald weiter

 

Hola Isegrims,

Isegrims: schrieb:
... für die Antworten auf eure Kommentare brauche ich etwas länger, aber einem muss ich doch gleich antworten, dem greatest pretender unter uns:
Danke für die bevorzugte Behandlung. Ich weiß gar nicht, ob ich das so richtig zu schätzen weiß – doch keinesfalls wollte ich Dir zu nahe treten.

Ich las nur, was Du geschrieben hast – das ist alles.
Ich zitiere es noch einmal:

Übrigens sollte jeder, JEDRR rein gelassen werden, die alten Leute, die in Frieden sterben wollen, der junge Mann, der nach seinem Glück sucht, der Dieb, der seine Lebensgrundlage in Gefahr sieht.
Ich habe das mit einem kurzen Satz kommentiert, mehr ist zu solch einer – für mich unfassbaren – Forderung nicht zu sagen.
Denn wenn man sich die Umsetzung im Detail vorstellte – was Du offenbar nicht getan hast – dann entstünde ein Chaos im geliebten Vaterland, bei dem selbst edel- und langmütige Leute auswandern möchten.
Zitat von josefelipe
zu dieser wirren Geschichte etwas Ehrliches zu sagen, verbietet mir die Nettitesse.

Isegrims: schrieb:
komm schon, bitte, bitte, sag es dpch einfach

Dazu wäre ich bereit, aber ich verzichte, weil mich Deine verquaste Antwort auf meinen Einwand befürchten lässt, auf die gleiche unsachlich-wirre Weise abgefertigt zu werden wie hier zu lesen ist:
Isegrims: schrieb:
Wie war's bei deinem Inteview? Hattest du den Mägerlein? Hast du ihm von Würsten und Würstchen erzählt, von Wein. und Sangiraflaschen, Fado gesungen und Sirtaka, äh Tango getanzt , bist mit dem Neuner zur Kreuzfahrt, ähm zum Kreuzzug losgezogen, die Waffen geschärft, auf ein fahrendes Schiff munter aufgesprungen? Gut gemacht, Jose, echt!
Kannst Du mir sagen, was von solch einem Quark zu halten ist?

José

PS:

Isegrims: schrieb:
diffenent kommt von unterscheiden und nicht von Platitüden.
Isegrims, Du hast es wirklich drauf!

 

Was geht denn hier ab??

Hallo Isegrims,

wie schon angekündigt, nochmal mehr zum Text. Und darauf beschränke ich mich auch.
Schon den Titel inklusive 'Paradies' finde ich gut, denn im Paradies leben wir. Jeden Morgen staune ich, dass trinkbares, temperiertes Wasser aus der Leitung kommt, sich im Kühlschrank etwas findet, ich Kleidung zur Auswahl habe - und meine Meinung kann ich auch frei äußern. Was für ein unglaubliches Glück, zu dieser Zeit in dieser Ecke der Welt zu leben!
Dann die Herren der Behörde - das ist überzeichnet, klar. Aber nach ein paar Erfahrungen, wie dort mit unbegleiteten Kindern (auch) umgegangen wird, lese ich das mit einer gewissen Genugtuung, wie unsympathisch du die schilderst. Natürlich wird das den sorgfältigen, nicht vorgefassten Mitarbeitern nicht gerecht, die es ganz bestimmt auch gibt. Aber deine Geschichte ist ja auch keine Reportage.

„Wie viele kommen heute?“, frage ich ihn.
„Drei. Einer kommt durch, wie immer.“
Genau so wird es - nicht als ausgesprochene, aber unterschwellige Marschrute auch sein, anders kann ich mir manche Entscheidungen nicht erklären.
Was mir nicht so gefällt sind die Einschübe von ihren nächtlichen Erinnerungen. Wozu gibt es die? Was sollen sie verdeutlichen?
Liebevoll und poetisch beschreibst du oft die, die am Paradies anklopfen.
Die Runzeln auf ihrem Gesicht, die Augen der kleinen Frau, schauen mich genau an, wollen mich dazu zwingen, mich an das Tau, die Tropfen auf den sattgrünen Grashalmen, den Duft der Erde am frühen Morgen, das Blöken der Schafe und an den Zypressenbaum vor unserem Haus zu erinnern, an den Geschmack warmer Milch und an die Großmutter, die mich aus blinden Pupillen anlächelt, an all das Verschwundene, Ausradierte, ...
Das gefällt mir ausgesprochen gut!
Aber es fällt mir schwer, deine Geschichte zu lesen, obwohl du treffsicher formulierst und den Bogen gut spannst. Weil sie trotz Schwarz-Weiß-Malerei, trotz Überzeichnungen so nah an einer Wirklichkeit ist, die mich manchmal verzweifeln lässt.
Allerdings, dass sie sich nach den eigenen Erlebnissen kaufen lässt, das wieder kaufe ich dir nicht ab.

Gut, dass du diese Geschichte geschrieben hast!

Viele Grüße,

Eva

 

Die Story polarisiert wohl. Hmmm. Aber sollte das ein Grund für Unsachlichkeit oder für ein Zerwürfnis sein? Find ich nicht.

Im einen Fall polarisiert der Inhalt, weil die politische Forderung, dass doch jeder ins Paradies kommen sollen dürfe, untragbar gefunden wird. Ich persönlich finde diese Forderung sympathisch, wenn vielleicht auch idealistisch. Die Kriterien, wer warum Asyl erhält, haben aus meiner Sicht wenig mit Menschenfreundlichkeit zu tun, sondern mit politischem Kalkül. Und das in einer Geschichte mal aufs Korn zu nehmen, also das ist doch eine ausgezeichnete Idee.
Ob man das mit einer Geschichte überhaupt hinkriegt, ich weiß das nicht. Ich bezweifele es sogar.
Aber vielleicht sollte man sich da jedenfalls unbedingt klar machen, dass da von einem unterschiedlichen politischen Horizont aus argumentiert wird. Und ob der für eine Textarbeit immer so taugt? So etwas könnte in einem Extrafaden beredet werden. Hier jedenfalls sprengt es eine Diskussion über die Geschichte, den Stil und die Geschichtenelemente.


Im anderen Falle (z. B. bei mir) liegt die Kritik an einem Nichtverständnis/Nichtkapieren, warum du die eigentliche Geschichte z.B. mit solchen Namen wie Maegerlein oder Neuner belegt hast. Es gibt noch andere Stellen. Ich verstehe es wirklich nicht. Ich kapier die Absicht dahinter nicht. Schön fand ich immer die einfühlsame Art, die neuen Besucher zu zeichnen. Ich fand das sehr liebevoll. Aber wie gesagt, es gibt einfach viele Stellen, mit denen ich nichts anfangen kann und dich oder auch andere da brauche, weil ich keinen Zusammenhang entdecke, wie etwas gemeint ist.
Aber ich finde, das ist doch eine wichtige Sache, wenn mehrere Leute etwas nicht verstehen, das hat ja vielleicht doch etwas mit der Geschichte und ihrer Konstruktion zu tun.

Jedenfalls ist das Hauen und Stechen doch scheiße Isegrims und josefelipe.
Leute, lasst uns doch zu einer normalen textarbeitlichen Diskussion zurückkehren.

 

Hallo Chutney

lieben Dank für deinen Kommentar. Ich verstehe langsam, was manchen an dem Text irritiert. Damit gerechnet habe ich nicht, die Reaktionen sind ja teilweise so heftig, weil das Thema emotionsbeladen ist.

Es scheint um persönliche Anhörungen in Asylverfahren zu gehen, Entscheider sind anwesend und eine Dolmetscherin, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Gleichzeitig gibt es Verfremdungen.
ja, das ist die . ich nenn es mal . Versuchsanordnung.

Und der Ausdruck wird durchgehalten und entpuppt sich nicht im weiteren Verlauf der Geschichte als zynisches Bild, das Frau Abassi nur für sich verwendet.
sie denkt sich das, weil sie an der Illusion des Paradieses, das sich eben nicht als solches entpuppt (Krähen am Himmel, die Einkaufsstraße)

Damit hatte ich anfangs gerechnet. Auch die Regel, das von drei Aufnahmesuchenden am Tag einer durchkommt, entspricht ja nicht der heutigen Realität.
ist aber das, was gefordert wird. Selbst die Bibel spricht ja übrigens davon, dass nicht jeder ins Himmelreich kommen könne.

aber letztlich traue ich dem ganzen Text nicht, so dass er sich für eine inhaltliche Meinungsbildung nicht eignet.
du glaubst der Ich-Erzählerin nicht, klar, und willst vielleicht die Möglichkeit nicht akzeptieren, dass der Text nahe an eine Wirklichkeit kommen könnte, die wir erleben werden.

Darüberhinaus war meine Freundin übrigens überrascht, wie außerordentlich respektvoll und wertschätzend in diesem Fall das Gespräch ablief, wieviel investiert wurde, um der Frau nicht Unrecht zu tun, gerade, was die Arbeit mit der Dolmetscherin betraf.
zum Glück ihat sie das so erlebt.

so dass die Geschichte in einer möglichen Zukunft spielt. Habe mal geguckt, aber "Science Fiction" hast du bei den tags nicht angegeben.
science.fiction trifft das genre nicht, da würde ich was anderes erwarten. Übrigens verwendet Houellebecq (ZB in La Soumiaaion) ganz ähnliche Strukturen; eine mögliche Zukunft, die gar nicht weit entfernt sein könnte.

Ich meide den Baumschatten, betrete unversehrt das kastenförmige Gebäude, identifiziere mich am Drehkreuz mit Pupillenscan und spaziere durch sonnenhelle Flure.
Der Ausdruck "spaziere" passt für mich nicht so gut zu dieser gebrochenen, bedrohlichen Atmosphäre, die du vorher aufgebaut hast. Ich finde ihn zu harmlos, fröhlich.
hier wollte ich einen Kontrast aufbauen.

denke ich an Pauls Hände, die mich in der Nacht gepackt, an die Energiearme, mit denen er mich umklammert hat,
"Energiearme" klingt irgendwie gruselig für mich.
mm, ich spiele mit solchen, etwas ungewöhnlichen Verbindungen, finde den Ausdruck auch nicht si bedrohlich, bleibt mir aber im Bewusstsein, was du sagst.

dass die die besten Chancen haben, die sich einen Anwalt genommen haben. Und du lässt den Leser mit der Entscheidung alleine, wer bleiben darf. Das gefällt mir wiederum.
sieht so aus, dass die mit Anwalt bessere Chance haben könnten, das muss und soll aber der Leser entscheiden.

Und was mir auch sehr gut gefällt, sind deine Beschreibungen. Wie deine Protagonistin, die ja auch eine Getriebene, Traumatisierte ist ihre Umwelt beobachtet und die kleinen Details, die ihre Verlorenheit offenbaren.
:Pfeif:

Wie ein Anker auf weichem Grund rutscht das Kettchen meinen Arm entlang. Ich brauche mir keine Gedanken mehr zu machen, ob ich das Geschenk der Tante wiederfinde. Auf dem Rückweg schwebe ich durch die Menschenmenge. Ihre Stimmen dringen als Flüstern zu mir, als trennte mich ein Vorhang von ihnen. Ich kaufe abgepackten Salat, den ich auf einer hölzernen Bank vor der Pforte im Schatten einer Linde esse. Die Krähen lassen sich nicht blicken, vielleicht sitzt eine über mir und beobachtet mich. Ich versuche, sie mit Zigarettenqualm zu vertreiben.
Das z.B. finde ich sehr eindringlich, ihre Strategien, sich zu retten. Auch emotional scheint sie "von der Hand in den Mund zu leben", immer Kraft aufwendend ihren Schmerz unterm Deckel zu halten.
ich glaube so fühlt sie sich, als ob sie von der Hand in den Mund leben müsse, schön, wie du das beschreibst.

Ich hoffe, ich konnte ein paar Dinge erklären, obwohl die Geschichte ihren eigenen Fluss im Lauf des Schreibens genommen hat.

Liebe Grüße
Isegrims

wird bald fortgesetzt geht

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Isegrims

Der Text ist in meinen Augen grundsätzlich keineswegs wirr, er besitzt eine sehr klare Struktur, einen Dreischritt im Hauptteil. Natürlich gibt es da Stellen, die sich nicht so recht einordnen lassen, die Paul-Peter-Sache zum Beispiel, ich werde da weiter unten noch was dazu schreiben. Und ja, die Gesamtaussage des Textes, die Frage, was du mit dem Text erreichen willst, das ist mir nicht ganz klar geworden. Ich habe dazu aber eine Hypothese. Diese Hypothese ist gleichzeitig auch eine Kritik. Die Hypothese ist heikel, sie macht Unterstellungen, da sie auf die Autorenintention abzielt. Daher vorneweg ganz explizit: Ich gebe nur wieder, wie ich den Text wahrgenommen habe, was mir dabei durch den Kopf gegangen ist.
Zunächst möchte ich aber noch sagen, dass ich den Text trotz meiner Einwände gern gelesen habe, du gehörst zu den Autoren, die was wagen, die was ausprobieren, auch auf der sprachlichen Ebene. Also, da liest man einfach immer viel Originelles in deinen Texten, du meidest das Abgedroschene, spielst mit der Sprache. Natürlich ist die Gefahr dabei viel grösser, auch mal danebenzugreifen, sei dir dessen bewusst, dass du dich in deiner Ambition automatisch auch grösserer Kritik aussetzt.

Und bei diesem Text – jetzt folgt die Kritik – ist die Ambition mit den Händen zu greifen. Meine Hypothese lautet also: Der Text ist durchdacht, geplant, gewollt, zu einem guten Teil eine Kopfgeburt. Das zeigt sich schon am ersten Satz:

Im Paradies riecht es nach Öl, Dreck, Lavendel und Rosenhauch, der von den Bergen herüber weht. Am makellosen Himmel fliegen Krähen, setzen sich auf Lindenäste und lassen ihren klebrigen Kot fallen.

Idee 1: Ambivalenz. Das gilt hier für die Beschreibung des Paradieses, das gilt für die Erzählerin („spitzte die Lippen zum Kuss“ – so ist sie ins Krähenland gekommen, aber du zeigst auch ihr Leid). Es gilt auch für die drei Antragsteller. Du lässt das Pärchen, das seine Kinder verloren hat, mit dem Flugzeug herkommen. Die Geschichte des zweiten Antragsstellers wird gleich zu Beginn in Zweifel gezogen („Gute Legenden beginnen mit einer Lüge“), was die Tragik dieser Geschichte in eine anderes Licht rückt. Und der dritte, der Dieb, erzählt vom Morden und vom Krieg, hat Frau und Kinder. Nichts ist einfach, keiner der drei Fälle ist klar und so gewinnt die Regel „Einer von drei“ an Brisanz und Absurdität.

Ja, ich weiss nicht. Wenn ich das alles so rekonstruiere, dann merke ich, dass das eigentlich schon gut gemacht ist, diese drei Fälle, dieses Absehen von Schwarz-Weiss-Malerei. Aber ich hab das als Kopfgeburt wahrgenommen, und vielleicht einfach wegen diesen ersten beiden Sätzen.

Denn diese Sätze sind zwar nicht schwarz, nicht weiss, aber so deutlich schwarz-weiss, der Kontrast dem Leser an den Kopf geknallt, dass ich mir gleich nach der Lektüre des ersten Abschnitts gedacht habe: „Aha, Isegrims probiert was, da geht es um Kontraste, um Vorder- und Kehrseiten. Ich war da einfach schon von Beginn weg darauf eingestimmt, den Text entsprechend zu lesen. Wobei eingestimmt nicht ganz das richtige Wort ist, weil das einfach das Gegenteil von subtil ist, wie du dieses Gegensätze am Anfang des Textes aufbaust.
Mein erster Rat wäre, den Anfang zu entschärfen, das nicht derart überdeutlich zu machen, darauf zu vertrauen, dass der Leser das im Verlauf der Lektüre aufnimmt, weil du das wohldosiert machst.

Idee 2: Anspielungen und Verfremdungen

Um mich abzulenken, mich einzuspinnen in den Kokon, der mich fernhält, von dem, was kommt, was ich hören werde, denke ich an Pauls Hände, die mich in der Nacht gepackt, an die Energiearme, mit denen er mich umklammert hat, daran, wie ich ihm die Zunge in den Mund stecke und ich das erste Mal sterbe, nachdem er mich von meinem Rock befreit hat, in mich eindrang, mich ausfüllte bis zu meinem Herzen. Anders kann ich nicht mehr. Es muss schnell gehen, unvermittelt, ohne Zärtlichkeit. Ich presse die Beine zusammen und nehme mir ein Pfefferminzbonbon aus der Tasche, um den Geschmack Peters zu verscheuchen, der sich auf meine Zunge gelegt hat.

Meine erste Annahme ist, dass dir hier schlicht ein Fehler unterlaufen ist. Da du den Text aber nicht geändert hast, obwohl dich andere Kommentatoren darauf aufmerksam gemacht haben, muss ich zur zweiten Hypothese greifen: Das ist eine Anspielung auf Petrus und Paulus, den beiden wichtigsten Aposteln, mit denen die Erzählerin was hat. Gut. Und jetzt? Ich blick nicht durch. Der Peter kommt im weiteren Verlauf des Textes gar nicht mehr vor. Das ist wirklich verwirrend.

Dann die Verfremdungen. Deutschland wird als Paradies bezeichnet, die Beamten tragen Namen von Berümtheiten. Mägerlein und Neuner. Den ersten hab ich (als unwissender Schweizer) gegoogelt, aha, Sportreporter, im Krieg Leutnant der Propagandakompanie. Den Neuner soll man kennen, ich krieg nur eine Eisschnellläuferin gegoogelt. Aber egal, die anderen haben die Anspielung offenbar auch nicht verstanden.
Ja, ich bin nicht ganz warmgeworden mit diesen Verfremdungen, mit den Anspielungen, weil sie mir zu wenig organisch erscheinen, ich sie wiederum als Kopfgeburten wahrgenommen habe.

Zur politischen Absicht des Textes werde ich mich nicht gross äussern, ich find’s schwierig, ich glaube, wenn ich meinen Horizont in dieser Thematik erweitern möchte, greife ich auf eine Reportage zurück.
Was das für deinen Text bedeutet, ist mir nicht ganz klar, ich denke, das ist schon legitim, so was zu machen. Vielleicht müsste der Text dann eindeutiger satirisch sein, noch stärker verfremden. Ja genau, das ist es vielleicht, das ich als Unstimmigkeit wahrnehme: Die beinahe reportageähnlichen Passagen über das Schicksal der drei (vier) Antragsteller (die ich übrigens rein textlich ebenfalls die stärksten fand), sind in einen verfremdeten, etwas seltsamen Rahmen mit satirischen Zügen eingespannt. Vielleicht rührt daher die Skepsis, mit der der Text (auch) aufgenommen wird. Keine Ahnung, aber auf alle Fälle ein spannender Text, ein spannendes Experiment.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hallo@Isegrims,

mich beschäftigt die Frage, ob deine Prota als Asylantin Bleiberecht hat und dieses von dir geschilderte Verfahren selbst durchlaufen ist, oder ob sie eben zu den Durchgefallenen ( zwei von drei) gehört?

Immer noch glaube ich, dass du zwei Geschichten zusammengeschweißt hast, die von der Stilrichtung (Danke, Asterix) unterschiedlich gestaltet werden müssten.

Das Porträt deiner Prota überzeugt mich mehr, da gelingen dir schöne Bilder einer verstörten Seele im "Paradies", die zeitweise daraus flüchten muss, räumlich wie gedanklich.

Freundliche Grüße schickt (und eine Portion Gelassenheit wünscht)
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe wieselmaus ich habe es so verstanden, dass die Erzählerin das gleiche procedere erdulden musste, aber letztendlich ins Paradies durfte. Dass sie dabei aber einen bitteren Preis bezahlen musste.
Ich zitiere mal "zum Beweis" ein bisschen aus dem Text.

Ich weiß, wie‘ s läuft, und bekomme einen Hunderter die Stunde, um an einem Spinnfaden des Paradieses zu hängen, sättige mich an den Brosamen, werde aufgefressen und einverleibt. So lauten die Bedingungen. (...) Der Platz ist begrenzt. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich selbst um den Einzug ins Krähenland gekämpft, wollte unbedingt dorthin, wo es morgens nach Milch und Honig riecht und die Nacht still und traumreich rinnt. Also erzählte ich von den verlorenen Eltern, den vermissten Geschwistern und den Sprachen, die ich beherrsche, setzte das hübscheste Hundegesicht auf und spitzte die Lippen zum Kuss.
So paradiesisch ist es im Paradies gar nicht für diejenigen, die Glück hatten in all der Willkür. So verstehe ich die Bilder mit dem Spinnfaden und dem Brosamen.
Und sie hat sich anbiedern, (fast) prostituieren müssen, um aufgenommen zu werden.

Das ist natürlich nicht wortwörtlich zu verstehen, sondern das sind Bilder, Metaphern, Symbole für die Willkürlichkeit der Zugangsvoraussetzungen und ihre Folgen.

Mein zweiter Grund für mein nun mittlerweile drittes Vorbeischauen ist dein Kommentar Peeperkorn. Ich wollte es einfach auch noch mal hierhin schreiben. Das ist ein wahnsinnig guter Kommentar. Eigentlich gebührt dir die Kommentarkrone 2017 oder so. :D Irgendwie hast du es geschafft, mir die Augen zu öffnen für das, was mich an dem Text umtreibt. Und mit deiner Hilfe kapiere ich es nun endlich besser und kann mein Unbehagen knapp und kurz (hoffentlich) für dich greifbarer, Isegrims, darstellen.

Es ist weniger die Ambivalenz, die aus allem spricht, die mich so verwirrt hat. Ob das nun das Aussehen des Paradieses selbst war oder die vielschichtigen Schicksale der Anklopfenden.
Das zweite, also die Anklopfenden nicht eindeutig als "gute" Flüchtlinge zu zeigen, empfinde ich als folgerichtig, wenn man die Willkür der Aufnahmeverfahren aufs Korn nimmt oder die Willkür irgendeiner Quote. Und folgerichtig, wenn man Willkürlichkeit und Unmenschlichkeit anprangern will. Und das fand ich auch sprachlich schön.
Wo ich persönlich aber mit deiner Geschichte uneinig werde, das ist ein inhaltlicher Grund. Folgendes: Die Kriterien sind unmenschlich, klar, das auf jeden Fall, aber nicht willkürlich. Da ist so ziemlich genau festgelegt, wer hier Bleiberecht hat und wer Wirtschaftsflüchtling ist und wessen Land auf einmal wieder ein sicheres Land ist, auch wenn dort noch immer Mord und Totschlag herrscht und der Zurückgeschickte in den Knast kommt. Das sind die Opportunitätskriterien der Politik. Die entscheiden über das Dürfen. Und da gibt es eben politisch gewollte Flüchtlinge und welche, die nicht in den Kram passen. Und daraus könnte man ja auch mal einen Schluss ziehen, dass Asylrecht und das Aufnehmen der Flüchtenden kein so menschenfreundlicher Akt ist, wie das manchmal scheint und nur an ein paar Mägerleins und Neuners hängt, und sich überlegen, welche Zwecke denn sonst noch dahinterstecken könnten. Aber das geht jetzt in eine politische Diskussion über, die ich hier mit Sicherheit nicht führen will.
Ob sich das wenig Willkürliche dann in den einzelnen Aufnahmeverfahren immer alles so eins zu eins niederschlägt, das ist eine andere Frage. Aber ich habe den Eindruck, dir geht es um die Willkür der Kriterien und des Verfahrens an sich.
Aber jedenfalls merke ich, dass wir an diesem rein inhaltlichen Punkt anderer Auffassung sind.
Ich weiß nicht, ob das der Grund war, dass ich deinen Text so wenig verstanden habe. Ich weiß es wirklich nicht, aber ich nehme es an.

Das zweite, was mir durch den Kommentar von peeperkorn aufgefallen ist, das ist die Sache mit den Verfremdungen. Die haben mich zum Teil sehr irritiert. Tun sie immer noch. Du hast den Paul mittlerweile Gottseidank rausgeworfen, ich fand den Peter schon zu viel. Was soll die Stelle erreichen? Soll das eine Traumatisierung darstellen, dass sie es nur noch hart haben kann? Oder hat der Name Peter (Petrus) eine tiefere bedetung? Trotzdem: eine Irritation weniger durch den gestrichenen Paul.
Was für mich total verwirrend bleibt, sind die Namen Neuner und Mägerlein.
Solche Einfälle waren/sind es, die die Lektüre des Textes nach wie vor für mich uneins machen. Als ob du eine Anspielung machst, die ich null verstehen kann. Ich habe kein Problem mit unterschiedlichen Lesarten, aber hier habe ich einfach keinen Plan, worauf es abzielen könnte.


Ansonsten hoffe ich, du bist ein bisschen mittlerweile ein bisschen weniger geschockt und kannst unsere Verwirrung besser sortieren.

Das wünscht sich jedenfalls Novak

 

Es mag Dich in den Reaktionen auf diese poetische und im besten Brechtschen Sinne verfremdeten und somit das Publikum befremdenden Geschichte hart getroffen haben,

liebe Isa,

aber sie zeigt auch in den Reaktionen, dass literarische Texte auch noch etwas bewirken können - und wären sie noch so hypothetisch - bis hin zur Sorge ums liebe Vaterland durch den größten Charmeur hierorts. Ganz plötzlich zieht es einen Leser hinab, es könnte ja Wahrhaftiges in der Lüge und hinter der paradiesigen Fiktion stecken - und sei's das Gewissen, das sich meldet.

Auf die Etymologie und doppelte Bedeutung des Wortes Paradies hab ich schon hingewiesen vom Garten Eden einer hebräischen Stammeskultur und hernach der hellenisierten Welt bis zum schlichten, umhegten Lager in der persischen Urbedeutung, denen auf westgermanistischer Zunge schon realistischer im ahd. hag (Flechtwerk, Zaun, dann Einheging i. S. einer Ortschaft, die von einem [Schutz-]Wall umgeben ist) und mhd. hac, eine Dornenhecke (man schaue auf den Namen der Heckse!, nicht so sehr aufs Dornröschen/Brunhilde), Gebüsch; Gehege, Einfriedung.

Von dem "Hag" ist übrigens - wenn man so will - der Name des ersten Kanzlers auf teutschem Boden abgeleitet, nicht zu Berlin oder Bonn, sondern Worms - eben der grimme Hagen des Nibelungenmythos.

Auch aktuelle Legenden beginnen mit einer Lüge wie etwa eines paradiesigen Europas, das die Flucht - etwa von Afrikanern, deren wirtschaftliche Grundlage untergraben wird durch ein von Europa initiiertes Freihandelsabkommen, CETA und TTIP lassen grüßen - die den beschwerlichen Weg durch Wüste und Mittelmeer antreten und lügen müssen, um nicht als Wirtschaftsflüchtlinge abgewiesen zu werden (da schaue man mal in "Erschlagt die Armen!" rein). Und justament, da ich das schreibe, geht mir auf, was der Name Neuners bedeutet. Es ist der Mensch, der quasi beim Kegeln alle Neune geschafft hat, quasi die Quadratur der heiligen drei.

Bis bald

Friedel

 

Hi Isegrims,

für eine Kommentar bin ich noch ganz unqualifiziert, weil ich den Text bisher nur überflogen habe, aber zu Peter und Paul würde ich doch gerne schon mal was loswerden. Du hast das jetzt geändert, aber das muss nicht heißen, dass das ein Fehler war, stimmt's? Ich fand es jedenfalls großartig gedacht: Paul, der sich sich noch einmal wandelt, unter der Hand, ohne Aufsehen zu Peter wird, der dieser Mann für Abassi ja wohl gewesen ist, als sie selbst an der Schwelle gestanden hat. Und jetzt ist sie wiederum selbst zu Petrus geworden, oder zu einem Handlanger von Petrus, und hat deswegen dessen Geschmack im Mund, den sie loswerden will, weil sie sich nicht am richtigen Platz fühlt. Passt doch perfekt.

Zugegeben, irritierend kann es schon sein, weil Peter und Paul nun mal Allerweltsnamen sind. Aber was soll man machen, der Hüter der Himmelspforte ist halt leider nicht der heilige Nepomuk. Und Petrus statt Peter wäre ja wirklich zu schlimm mit dem Zaunpfahl gewinkt.

So viel zwischendurch, später vielleicht mehr.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

bitte verzeiht mir barnhelm und Novak (und auch ein klitzekleines bisschen josefelipe): ich war anfangs zu nahe dran an der Geschichte, habe emotional so viel investiert und war deswegen über die Reaktionen verwundert und enttäuscht, aber das macht nichts, weil ich gerade solche Reaktionen brauche, um mein Schreiben weiter zu entwickeln.

Bevor ich auf den Kommentar von barnhelm eingehe, möchte ich etwas zur Entstehung des textes sage, Am Anfang war die Geschichte der alten Leute, ihr Schicksal, Dann dachte ich mir: he, das ist zu wenig, solche Geschichten gibt es zuhauf und die Steuerung der Tränendrüsen macht noch keine Literatur, wie ich sie mir vorstelle., also habe ich drei weitere Episoden geschrieben. (der junge Mann und der Dieb). Wie sollte ich das zusammenbringen? Ich habe ein bisschen recherchiert, mir vor Augen geführt, wie ein Verfahren ablaufen könnte, daraus entstand dann das Konzept;: Frage, Antwort. Dann habe ich mir gedacht: wenn ich jetzt ganz nahe an der Wirklichkeit bleibe, von Deutschland die rede ist, dann taugen die Episoden nichts mehr, weil sie (bis auf den Dieb) zu plakative sind. So kam das Paradies ins Spiel und die Dolmetscherin als Erzählerin, die es irgendwie geschafft hat. Schließlich gefiel mir das Konzept der Verfremdung, wie es Houellebecqs in 'La Soumission' verwendet: eine nahe Zukunft schildern, die Möglichkeiten aufzeigen. Auch eine satirische Überspitzung habe ich erwogen, aber schnell verworfen, weil ich der Meinung bin, dass das dem Thema nicht gerecht wird, eine Zumutung wäre.
Klar, ich experimentiere, ich wollte auch versuchen, in einem relativ kurzen Text,mehrere mehrdimensionale Figuren unterzubringen.. Und nicht zuletzt wollte ich einen Text schreiben, den ich komplett durchdacht habe anstatt es fließen zu lassen.
Übrigens habe ich mir mit Mägerlein zumindest gar nichts gedacht, außer dass der Name nach dem Sachbearbeiter klang, den ich vor Augen hatt. Diesen Sportreporter kenne ich nicht mal. Was haltet ihr von Dreher? Neuner ist denke ich unproblematisch und weißt eben auf Zahlenorientierung hin.

Das mal vorab, lieben Dank an alle :Pfeif:

 

Liebe barnhelm

nun also, mit etwas Abstand, zu deinem wohlgemeinten und durchdachten Kommentar. Die meisten deiner Änderungsvorschläge habe ich übernommen und ich glaube, dass es gut für den Text ist. Allein schon die Ausführlichkeit deiner Bemerkungen verdient größten Respekt und ich danke dir sehr.

Zumindest komme ich nicht wirklich dahinter, was du mir als Leser eigentlich sagen willst.
klingt vielleicht absurd, aber ich will ja gar nichts sagen, ich will bestenfalls, dass sich der Leser selbst Gedanken macht, auch wenn er sich an dem Text reibt.

Dass sie zum Schluss den Gangster aufnehmen, die ehrbaren Leute aber ablehnen?
könnte sein, aber ich weiß nicht, nach welchen Kriterien Mägerlein entscheidet und es ist ja überhaupt die Frage, ob es derartige Kriterien geben darf. Alle haben ihre Motive ins Paradies zu wollen, drei Schicksale und wie wird damit umgegangen, wie würdest du entscheiden, wenn eine Entscheidung nötig wäre?


Das ‚Paradies’ deutet etwas Gleichnis- bzw. Parabelartiges an. Es ist ein Paradies mit einigen Fehlern (Öl, Dreck, Lavendel und Rosenduft u.a.), zu dem sich die Leute aufgemacht haben.
auch das Paradies ist eine Illusion.

Ihr fällt das Kettchen ein, das ihre Tante ihr gegeben hat. Aber sie schaut nicht nach, ob es noch in ihrem Besitz ist, kauft einfach schnell ein anderes. So leicht geht das.
und gleichzeitig versichert sie sich ihrer Vergangenheit

Da ich die Aussage deiner Geschichte nicht verstehe, halte ich mich lieber an den Textstellen fest, die ich mir markiert habe:
es gibt keine Aussage: du lannst selbst entscheiden, was du daraus machst.

bekomme einen Hunderter die Stunde, um am Spinnrad des Paradieses zu hängen
Soll sie an einem Spinnrad hängen? Wie an einem Haken? Ein Spinnrad misst allenfalls einen Meter in der Höhe.
heißt jetzt Spinnfaden

Die Haut des Schweinsohrengesichts muss wächsern sein.
Sicher ist das nur ihr Gedanke. Aber ich frage mich: Warum muss die Haut wächsern sein? Wächsern verweist auf Tod. Verstehe ich hier nicht.
ja, die Assoziation mit dem Tod ist so gewollt, sie empfindet Neuner als lebenden Toten.

Die Runzeln auf ihrem Gesicht, die Augen der kleinen Frau, schauen mich genau an, wollen mich dazu zwingen, mich …
Was so Runzeln nicht alles können? Anschauen, zwingen, später sogar erinnern … ?
kennst du das nicht, dass ein einzelnes Bild deine Denkweise verändert bzw, beeinflusst?

Ja, das ist wohl die orientalische Blumigkeit (oder die des Autors?): die Runzeln auf ihrem Gesicht, der Tau, die Tropfen auf den sattgrünen Grashalmen, der Duft der Erde, die blökenden Schafe, der Geschmack warmer Mich, die Großmutter mit den blinden Pupillen, die blutige Masse der Seele.

Meine abendländische Nüchternheit hatte es spätestens bei den ‚blinden Pupillen’ schwer mit dieser Häufung. Ich empfinde diese Stelle als too much, um nicht zu sagen schwülstig.

die malen ihre Geschichten aus und das ist genau so, wie sie es empfinden.

Sie trugen Maschinengewehre, als wären sie mit ihnen verwachsen
Schöner Vergleich, leider ziemlich abgenudelt.
stimmt, ist nicht gerade originell, habe ich geändert.

Sie trugen ihre Maschinengewehre, als müssten sie sich daran festhalten und bewegten sich wie Schatten.

Dazwischen Imbissbuden, die heißes Fett in die paradiesische Luft strahlen.
Da muss das Fett schon sehr sehr heiß sein, um zu strahlen bzw. die Luft zum Flimmern zu bringen, was du möglicherweise gemeint hast.
auch die Stelle habe ich verändert.
Dazwischen Imbissbuden, die fettigen Dampf in die paradiesische Luft strahlen.

Ihre Stimmen dringen als Flüstern zu mir, als trennte mich ein Vorhang von ihnen.
Ein Vorhang dämpft nur dann, wenn er aus sehr dickem Samt ist, die Lautstärke.
stimmt, aheb ich durch Wand ersetzt

Mir hat deine Behandlung dieses so wichtigen und sensiblen Themas leider nicht viel gebracht.
vielleicht ist je schon was erreicht, wenn du über das Thema als olsches nachdenkst und die Geschichte dabei ein ganz klein wenig hilft.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende
viele Grüße
Isegrims

 

ich schaffe einfach keine Mosnterantworten; geht also langsam mit den Antworten, so kann ich sie Komms besser verstehen und angemessen darauf eingehen.

Liebe Novak,

Keine Ahnung, was du sagen oder aufs Korn nehmen willst oder worum es dir inhaltlich geht.
dafür, dass du keine Ahnung hast, um was es geht, lieferst du eine ganz Reihe möglicher Antworten und letztlich kann jeder den Text lesen, wie er es möchte, der ist sogar so angelegt.

Das geht los mit der Namensgebung Mägerlein und Neuner, meinst du echt die? Das führt sich dann fort durch deren Charaktersisierung, die auch widersprüchlich ist, ebenso wie durch die Kriterien der Aufnahme.
okay, das mit den Namen kapiere ich und kann mich darauf einlassen, den Mägerlein anders zu nennen, weil er euch an jemand erinnert, den ich nicht kenne. Drher könnte ich ihn nennen, schlaf ich noch mal drüber. Aber was an denen widersprüchlich ist, verstehe ich nicht, die beiden sind eher holzschnittartig gezeichnet.

Dann weiß ich nicht, was es mit der Übersetzerin auf sich hat? Nur allein schon, dass die an die Nacht mit Paul denkt,
habe ich korrigiert, ist jetzt bloß noch Peter, wegen der Ähnlichkeit mit Petrus. Für mich war das Entscheidende nicht die Nacht mit Peter, sondern, dass sie es eben nur noch schnell und hart machen kann.

daran, wie ich ihm die Zunge in den Mund stecke und ich das erste Mal sterbe, nachdem er mich von meinem Rock befreit hat, in mich eindrang, mich ausfüllte bis zu meinem Herzen. Anders kann ich nicht mehr. Es muss schnell gehen, unvermittelt, ohne Zärtlichkeit.

daraus entsteht dann das Unbehagen, das sich auch gegen sich selbst richtet.

Ich presse die Beine zusammen und nehme mir ein Pfefferminzbonbon aus der Tasche, um den Geschmack Peters zu verscheuchen, der sich auf meine Zunge gelegt hat.

Die Liebe, die sie sucht, muss warten, erst muss der Schatten besiegt werden, der sich auch in ihr befindet.:
Er muss warten. Jetzt muss ich mir die Geschichten der Schatten anhören, die am Tor zum Paradies anklopfen.
:

vielen Dank Novak und ab zum Berger Straßenfest oder lieber Brunnenfest in Oberursel?

so viel erst mal: geht weiter

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Isegrims,

nicht eine einzige deiner hier eingestellten Geschichten habe ich gelesen, ohne sie erst einmal wieder beiseite zu legen.

Jedes Mal hatte ich das Gefühl - und jetzt werde ich mal bildhaft, weil das schneller geht :D und du selbst sehr gut damit umgehst - in ein tiefes Gewässer zu tauchen, viele Fische, Pflanzen, auch giftige und gefährliche aufzunehmen, zu sehen, nichts zu berühren oder zu beeinflussen, nehme alles lediglich auf, aber mir geht sehr schnell die Luft aus, muss atmen und auftauchen. Zu viele Eindrücke, zu wenig Sauerstoff.

So geschehen auch während dieser Geschichte. Jedes Mal lese ich sie (selbstverständlich) zuende und weiß gar nicht, woran ich zuerst denken soll. Das ist so schade, denn mir entgehen sowohl die eigentliche Intention, als auch die wirklich schönen Bilder, was mit Sicherheit selbstverständlich auch mit meiner Art, auf Texte zu reagieren zu tun hat.
So bin ich als nahezu erschlagen, auch von diversen Stilelementen, die mein armes, kleines Hirn ersteinmal zusammenflicken muss.

Und deine aufbrausende, atemlose Reaktion auf die ersten Kommentare lässt ja auch den Grund zu Annahme zu, dass du tatsächlich selbst überfüllt zu sein scheinst. Mit Emotionen und Bedürfnissen, die den Text erst möglich gemacht haben.

Es ist ein wichtiger Text, mit wichtigen Botschaften, viel Anregung, vielen Bildern, vielen Vermutungen und Offenhaltungen.
Für mich von allem viel zu viel. :shy:

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo wieselmaus,

dein Kommentar ist zwar nett formuliert, ich verstehe auch ungefähr, was du meinst, glaube aber nicht, dass das, was du da beschreibst, dem Text gerecht wird.

Du behandelst das Thema "Asylverfahren" mMn stellenweise eskapistisch.
unter eskapistisch verstehe ich Verniedlichung, schönreden. Genau das Gegenteil bezweckt der Text. Wenn er dich verwirrt hat, dann ist auch was erreicht.

Damit meine ich diese Ausflüge in fantastische, skurrile Beschreibungen, die ich nur mit Mühe als satirische Übertreibungen verstehen kann.
Beispiel:

Im Paradies riecht es nach, Öl, Lavendel und Rosenhauch, der von den Bergen herübergeht.

das ist eine Verfremdung, mehr nicht, hier wird kontrastiert, nicht verschönert.

Ich atme Pfirsichduft ein, der aus irgendeiner Düse in den Saal strömt, die ich nie entdeckt habe
keine Ahnung, was dich daran irritoert. In Oberklasse-Limousinen gibt es solche Luftdüsen, ebenso in Hotelzimmern, warum nicht an der Pforte zum Paradies?

Mir sind so unmenschliche, gefühllose Befragungen nicht bekannt, auch nicht, dass das Personal derart unsympathisch ist. Hast du da andere Erfahrungen?
auch um ein Abbild der Realität geht es nicht. Stell dir vor, wie die Beamten sich verhalten müssten, wenn wirklich nur einer durchkommt.

Ich weiß, dass es dir auch um unverbrauchte sprachliche Bilder geht. Diesmal überzeugen mich deine Formulierungen nicht immer, besonders wenn sie für mich etwas gewollt daherkommen,
darf man so empfinden, wenn man von den Wogen des textes nicht erfasst wird.

Der Dialekt klingt nach einer großen, staubigen Stadt.

Hier vermischst du mehrere Sinnesausdrücke, ohne dass ich die Funktion für den Text nachvollziehen kann.
Ebenso bei

hier wollte ich einigermaßen elegant die Herkunft beschreiben, mehr nicht.

... zwergwüchsigen Frau gegenübersehen, die mich aus Barbie-iAugen anblinzelt.

Ist das für die Geschichte bedeutsam?

glaube ich schon, sie ist mit den Barbie-Augen Teil der Konsumwelt.

Liebe Grüße und ein rosenumstrahltes Wochenende
Isegrims

geht vorwärts, wenn auch langsam

 

Hallo Isegrims,

eskapistisch hat eine andere Bedeutung, als du annimmst. Es sind Fluchtbewegungen aus Situationen, die unerträglich scheinen. Vielleicht solltest du mal googeln.:read:

Ärgerlich finde ich, dass du auf meine Kritikpunkte gar nicht eingegangen bist. Das ist schade, da hätte ich mir das mehrmalige Lesen auch sparen können. Du bist doch Moderator(in). Meinst du nicht, dass du da in deinen Reaktionen ein Vorbild sein solltest?

Gruß wieselmaus
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Isegrims,

eskapistisch hat eine andere Bedeutung, als du annimmst. Es sind Fluchtbewegungen aus Situationen, die unerträglich scheinen. Vielleicht solltest du mal googeln.:read:

das habe ich auch so gelesen, die führen aber oft zu Verniedlichungen, oder nicht?

Sorry, aber ich verteidige meinen Text und versuche ihn zu erklären, aus meiner Sicht bin ich auf deine Kritik eingegangen, wo nicht, was fehlt dir?
Ich hoffe, dass sich die Lektüre des Textes dennoch gelohnt hat und danke dir herzlich für deine Kritik.

Was hat das mit meinem Engagement im Team zu tun?

lieben Gruß
Isegrims

 

kleiner allgemeiner Nachtrag. zu der Geschichte kann ich so wenig Distanz halten, ich weiß nicht, warum, ich ahne es bestenfalls. Gestern Abend hat mir eine Freundin den Text vorgelesen. Ich wollte wissen, ob ich von der Außensicht dahinter komme, was euch verwirrt. Ein paar Dinge sind mir schon aufgefallen, zum Beispiel, dass man irgendwann nicht mehr gut zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden kann, gerade weil ich das als Protokoll anlege und einen offenen Schluss zulasse. Der Fokus sollte vielleicht am Ende auf das Paradies gerichtet werden. :confused:
barnhelm

tut mir wirklich leid, habe ich schon paar Mal gesagt, ich bin sehr froh über deine Kommentare, die lese ich oft auch, wenn es nicht um meine Geschichten geht, weil sie klug und empathisch sind.

Ich hoffe deshalb, dass du dich bald wieder beruhigen kannst und mit einer gewissen Distanz dann sehen wirst, dass da eine sachliche, keine persönliche Auseinandersetzung stattgefunden hat. Dich und deine Art mag ich – und mögen wir alle sehr.
dankeschön :Pfeif:, das hat sich vermischt, weil ich... siehe oben

Hi alexei

vielen Dank für die zeit und deine Anmerkungen und Anregungen.

Ich will dir aber jetzt schon mal sagen, dass ich deine prot interessant finde und dein Setting sehr kreativ. Da du ein sehr geladenes, politisches Thema ansprichst, hab ich eine hohe Erwartungshaltung.
das ist vielleicht der Kern der Rezeption: die meisten haben eine sehr hohe Erwartungshaltung und vor allem überhaupt eine bei diesem Thema.

in mich eindrang, mich ausfüllte bis zu meinem Herzen. Anders kann ich nicht mehr. Es muss schnell gehen, unvermittelt, ohne Zärtlichkeit
Spielst du da auf etwas an?
ja, habe ich oben schon erwähnt, sie ist versehrt von ihrem eigenen Schicksal

Ich bin mir nicht so sicher, aber ich glaube, in alten orientalischen Liebesgedichten wurden gerne attraktive Männer mit Zypressenbäumen verglichen. Ist vielleicht nicht deine Absicht, aber du spielst hier gelungen auf den Kulturraum an.
da sollte schon was orientalisches mitschwingen, ja

Aww, diese ganze Szene mit dem Teenager erinnert mich sehr an "Mission Kashmir" und an den Anfang von "Schalimar der Narr". Du bist wirklich sehr gut.
Btw meine Oma berichtet auch ständig darüber, wie ihre Eltern in der Türkei für dubiose Männer Mohn angebaut haben. Beim Ernten wurde ihr immer so schön müde
ich kenne die Filme nicht, hab davon aber gelesen, muss ich mir anschauen, danke für den Tipp

Mädchengruppen kichern, Familien mit Kinderwägen bahnen sich eine schnurgerade Spur, während die Babys zum Himmel schauen. Vögel, Mäuse und Ratten
Ich wag mal zu behaupten, diese Szene ist expressionistisch beeinflusst. Steht das für eine transzendentale Obdachlosigeit? Dafür, dass Deutschland durch die Flüchtlingskrise gesehen hat, dass es doch nicht so idealistisch, aufklärerisch ist?
ich wollte einen Blick auf die Gier nach Konsum richten

das war eine sehr gut gemachte Geschichte. Hat mir gefallen. Am meisten gefiehlen mir die goldenen Zähne und die Geschichte von dem Teenager.
:Pfeif:

Beschreibe die eine Szene, wo sie aus Verzweiflung all ihre Ideale verliert. Hab keine Angst davor, wie man hier darauf reagieren würde.
eine Möglichkeit wär's , eine interessante

Weil deine KG so schön ist, hast du ein Herz verdient <3
:shy:

liebe Grüße
Isegrims

ich antworte jedem, dauert halt bisschen, danke für eure Zeit und die vielen Meinungen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Isegrimms,

jetzt also nochmal. Kurz gesagt: Ich find die Geschichte gut. Die Überzeichnungen sind aus meiner Sicht stimmig. Du hättest fast schon die Kategorie Märchen ansteuern können, das hätte dir vielleicht weniger Haue eingebracht, vielleicht aber auch mehr, man weiß es nicht. Das Ende - der letzte Satz - ist für meinen Geschmack genau richtig, gerade genug Abschluss, und nicht zu viel gesagt. Ich vermute, du hast den Satz später eingefügt? Das lese ich nicht aus dem Satz selbst, der mir nicht angestückelt vorkommt, sondern aus den Kommentaren, denen deine Intention zu undeutlich war.

Im Paradies riecht es nach (...) Rosenhauch, der von den Bergen herüber weht.
Ist kritisiert worden, kann man aus meiner Sicht als verfremdungseffekt akzeptieren, ich merke nur an, dass ja die Rhododendren, die Rosenbäume, soweit ich weiß Gebirgsbewohner sind. Aber die duften wohl nicht besonders, insofern darfst du das vielleicht als entfernte Anregung verstehen, aber nicht als echten Änderungsvorschlag.

Bäume und satter Rasen hübschen den Zugang zur Pforte
Ich kenne nur "aufhübschen".

Es ist eindeutig Mägerlein.
Lass doch den Namen, wie er ist. Manche denken dabei an den Sportreporter, den ich auch nicht kannte, aber schadet das?


Er begrüßt mich mit verhuschten Blick und einem Handschlag, der Millisekunden dauert.
Die Millisekunden finde ich nicht so gut. Mir zu technisch und außerdem klingt es übertrieben (Zehntelsekunden dürften es doch wenigstens sein).

„Wie viele kommen heute?“, frage ich ihn.
„Drei. Einer kommt durch, wie immer.“
Bisschen wenig für einen Tag, oder?

„Wann kommen die ersten?“
"Die ersten" finde ich bei nur drei Vorsprechen auch nicht so glücklich. "Wann geht's los" oder so klingt mir in dem Fall natürlicher.

„Ich will, dass sie wortgetreu übersetzen, nichts hinzufügen oder weglassen, Frau Abassi, klar?“
Komisch, dass er das sagt. Übersetzt sich nicht schon eine Weile täglich?

Frage; Führen Sie kurz ihre Gründe an, weshalb sie um Asyl im Paradies bitten.
Finde ich eine Spur zu schriftlich formuliert. Kurz und knapp, so wie: "Warum bitten Sie um Asyl im Paradies" fänd ich, glaube ich, reibungsloser.
Dieses stereotype Abwechseln zwischen "Frage" und "Antwort" nehme ich als bewusstes Stilmittel wahr und kann es ganz gut akzeptieren. Ich frage mich trotzdem, ob es nicht ohne besser wäre. (Wenn du den Dialog optisch absetzen willst, gingen auch Spiegelstriche.)

Dann hättest du auch solche Stopersteine aus dem Weg geräumt:

Frage: Fahren Sie fort!
Das ist ja gar keine Frage. Immer noch akzeptabel, in einem Interview liest man so etwas auch. Aber es wirkt halt schriftlich. Ach so, aber das könnte natürlich sein: Zu zitierst das Protokoll.

Dann ist es zwar wiederum auch kein Protokollstil, vor allem nicht mit solchen Einsprengseln:

Sie gibt einen Sonntag an, Mägerlein schreibt sich das Datum selbst auf.
Das würde mich aber nicht stören. Der Rahmen des Protokolls ist da, sklavisch dran halten muss man sich ja nicht.

sodass mir sehnige Knöchel und Fersen, die in Basketballschuhen stecken, entgegenblicken.
Knöchel, die blicken, find ich nicht so richtig überzeugend.

wie einen Ball zu kicken, als liefe er zu einem Elfmeter an.
Erst kicken, dann anlaufen finde ich nicht ganz stimmig. Könntest du leicht ausräumen, in dem du anlaufen ersetzt.

Das Extrageld habe ich längst für das Goldkettchen ausgegeben.
Den Einschub verstehe ich nicht. Oben war der Preis für das Kettchen ein Tageslohn.

So, also, ich würde immer noch sagen: Passt doch alles. Der Inhalt der Dialoge, die Gegenüberstellung der Typen, auch der Bilderreichtum. Stilisiert ist das natürlich, deshalb vielleicht kein Text für jeden Tag, aber das muss ja auch nicht und ist sicher keine Schwäche.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

P.S.: Eine Sache war da noch, hatte ich nur zwischendurch wieder vergessen. Oben hab ich's schon kurz angedeutet: Drei Anhörungen an einem Tag, das erscheint mir wirklich zu wenig. Und dann die vielen Pausen, die machen ja mehr Pause, als dass sie die Fälle hören ... Das passt für mich nicht so richtig zu der Abfertigungsstimmung und gibt dem Gesamtbild eine Schräglage. Könntest du nicht irgendwo einfügen, dass am Tag soundsovielte Zeit vorgesehen ist für diese Anhörungen? Oder das sind halt nur drei von mehreren. Oder so.

 

Das nächste Symbol ist geknackt, und bevor ichs bis morgen wiede vergess, ganz kurz:

Zwar waren zwo "Kolkraben" Ratgeber Odins/Uuodans, aber die klugen Rabenvögel (wozu die kleine, niedliche Dohle auch zu zählen ist), wie ja heute unter Biologen so ziemlich die intelligentesten Vögel sind, wurden aber mit dem Obsiegen weniger des Christentums als der Kirche zu "Unglücksraben".

Entchuldigt die Störung und einen schönen Restsonntag vom

Friedel

 

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