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Nur ein Stück Schnur

Seniors
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10.10.2006
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Nur ein Stück Schnur

Letzten September hat ein Angler sie unten am Fluss gefunden. Noch Wochen später hat er über nichts anderes reden können. Die Leute fingen schon an, sich in der Wirtschaft von ihm wegzusetzen.
Als der Dorfschullehrer davon hörte, sagte er: Sie sei ins Wasser gegangen. Ein sehr symbolträchtiges Bild, das sich in der Weltliteratur ständig wiederfände. Aus dem Wasser kommen wir, ins Wasser gehen wir zurück. Es sei, so sagte er, der Versuch, ein Leben rückgängig zu machen. Sich zu entleben.
Der Wirt sagte: Die Arme. Dabei war sie immer so fröhlich. Hat ja hier bedient, montags und mittwochs, oft gelacht. Und lachen konnte sie. So eine Zahnlücke und die Haare. Wirklich ein fesches Mädchen. Konnte nie still stehen. Schad um sie.
Auf Bildern sieht man die Zahnlücke, sie wächst mit den Jahren, verleiht ihr als Kind etwas Unschuldiges und Tapsiges, zur Zeit der Konfirmation sieht sie ein wenig verdorben damit aus und auf ihrem letzten Foto, mit siebzehn, hat sie ihren Mund geschlossen. Ansonsten ein dürres Ding mit wenig Busen und kaum Hüften. Wie mit der Schnur gezogen von der Sohle bis zum Scheitel. Die Haare von verwaschenem Schwarz, ein paar Muttermale unter der Nase und im Bereich des Kinns. Macht keinen sehr hellen Eindruck, aber der kann täuschen.
Der Vater sagt gar nichts. Schwarz trug er für zwölf Wochen. Aber auch dann sah man ihn nicht mehr in der Wirtschaft, nicht auf dem Fußballplatz und auch in der Kirche keine Spur von ihm. Er hat die Arbeitsstelle gewechselt, sagt man, fahre nun jeden Tag bis in die Stadt, kaufe sich jeden Morgen am Bahnhof die Zeitung, schaue aber nur den Wohnungsmarkt durch. Niemand macht ihm einen Vorwurf. Die jungen Dinger, denkt man. Da wisse keiner, was in ihnen vorgeht. Die Leute sagen: Das Internet. Das versteht ja heute keiner mehr. Der Dorfschullehrer aber sagt: Keiner kennt jemanden richtig. Das war schon immer so. Wir tragen Masken, sagt er. Ein kluger Mann. Hätte alles werden können, sagt man.
Der Pfarrer hat sich dafür eingesetzt, dass sie beerdigt werden durfte. Weil Selbstmörder eigentlich … da sind die Zeiten ja gottseidank anders, sagt man. Die Mutter kennt er noch von früher. Er darf nichts sagen, aber als er davon gehört hat, ist er in ein dumpfes Grübeln gefallen, hat mit seinen Händen immer wieder über die Tischplatte gestrichen und sich an die Brust gefasst, als hätte man ihm einen Strick ums Herz geschlungen.
Die Mutter spürte ihre Blicke, als sie den Blumenstrauß so fest hielt, dass sich der Plastikstängel in ihre Handfläche bohrte. Anrüchig, dachte sie. Als hätten wir jetzt einen Makel. Bestimmt sagen sie, mein Mann hätte sie missbraucht. Er wird es nicht schaffen, er hat sie ja so vergöttert. Ich hab immer gewusst, dass etwas nicht stimmt mit ihr. Ich hab’s immer gewusst. Da fing sie an zu weinen, und suchte die Schulter ihres Mannes, der hart und kalt war wie eine Statue. Nicht genug Trost, einen Fingerhut zu füllen.
Der Fluss schweigt. Ruhig plätschert er braun dahin. Wenn man die Hand in ihn hält, ist es ihm egal. Man kann ihm zunicken wie einem alten Freund. Seine Geheimnisse gibt er nicht preis.
In der Ecke der Wirtschaft aber sitzt zahnlos der Tod. War schon da, als wir kamen. Ist noch da, wenn wir gehen. Der Dorfschullehrer sieht ihn nicht. Der Wirt schenkt ihm nie nach. Verhungert ist er fast, seit keiner mehr im Bette stirbt. In die Stadt gehen sie. Sterben in Altersheimen und Sanatorien und lassen ihn darbend zurück. Vor ein paar Jahren mal ein Autounfall, da hat er eine Katze auf die Straße gescheucht. Mit letzter Kraft hat er sich von seinem Stuhl gehoben, sich auf die Straße geschleppt und ein Schusch-Schusch herausgebracht. Und als er dann, mit Messer und Gabel, möchte man meinen, zum Wrack des Autos geschlurft war: Nichts. Ein leerer Teller und schon bald das blaue Lärmen des Rettungswagens.
Und dann das Mädchen. Konnte nie still stehen, tippelte an ihm vorbei und ließ sich, wenn’s spät schon war, von kräftigen Händen den dürren Hintern betatschen. Es braucht nicht viel, um einen Gram zu weben, nur ein Stück Schnur ums Herz gewickelt. Und ein Seufzen, wenn die Träume fortfahren in eine andere Stadt. Bis in die Waschräume ist er ihr nachgegangen. Wenn sie vorm Spiegel stand und sich durch die Haare fuhr, ihr Spiegelbild verfluchte und den Mund zusammenkniff, dass man ihre Zähne nicht sehen konnte.
„Ach“, seufzte er dann. „Ach“, „Ach“ und nochmals „Ach“. Er hat jetzt eine andere, du warst ihm immer viel zu dumm. In der Stadt ist er, in der Stadt bleibt er und du bist hier.
Das Wasser lief ihm schon im Mund zusammen.
Und jetzt sitzt er da. Den Mund noch voll. In all seiner Pracht. Der Dorfschullehrer sieht ihn nicht, der Wirt schenkt ihm nie nach. Und wenn ihm danach ist, steht er auf, geht festen Schritts ein paar Straßen entlang und schleicht ins Schlafzimmer der Eltern, wispert Worte, seufzt einmal und schleicht weiter. Den Dorfschullehrer besucht er noch, auch den Pfarrer, den Wirt, mit den kräftigen Händen.
Und bevor er an seinen Platz zurückgeht, besucht er den Fluss. Hält eine Hand ins Wasser und nickt ihm zu, wie einem alten Freund.

 
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>Aus dem Wasser kommen wir, ins Wasser gehen wir zurück. Es sei (...) der Versuch, ein Leben rückgängig zu machen. Sich zu entleben< sagstu*,

lieber Quinn,

und interessant ist vor allem, der Entleibung das "i" zu nehmen, obwohl das in die Lungen dringende Wasser die gleiche Funktion hat wie etwa das Schwert oder jedes andere zur Waffe umfunktionierte Instrument: jemand entleibt sich, indem er sich ersäuft. Vielleicht eine unbewusste Anspielung und ein auf-den-Kopf-Stellen der Anomalie des Wassers, die unter extremsten Bedingungen der Temperatur(en) ein "Über"leben erst ermöglicht.

Dur erzählst die Beziehung/Spannung zwischen Thanatos & Eros anders: >In der Ecke der Wirtschaft ... sitzt zahnlos der Tod. War schon da, als wir kamen. Ist noch da, wenn wir gehen.< Er ist wie Gott und der Gottseibeiuns erwerbslos geworden (dem einen wird das "Schöpfen" nach und nach abgenommen, vorm andern fürcht' sich kein A... mehr so recht und der Dritte, Freund Hein - der schon bei den Brüdern Grimm "dürrbeinig" (Gevatter T.) war -, kommt nach und nach die Kundschaft abhanden, da kann keine Wirtschaft gedeihen). Der hat sich verknallt: in ein dürres Ding >mit wenig Busen und keinen Hüften. Wie mit der Schnur gezogen von der Sohle bis zum Scheitel<, kurz: Heine hätt's Ding mit der Lüneburger Heide, ich mit einem Bügelbrett verglichen. Könnte der Knochenmann sich eigentlich viel Fleisch leisten? Müsste er nicht gar bald Gammelfleisch befürchten, was ihn bloß an seinen Beruf erinnerte. - Doch dass jemand >keine Hüften< hätte ... Vielleicht dann doch besser: "kaum Hüften".
>Es braucht nicht viel, um einen Gram zu weben, nur ein Stück Schnur ums Herz gewickelt<, ein wundersam gelungener Satz Sterben, während das viermalige "ach" eher Loriot-mäßig daherkommt: wie beim Frühstückstisch eine uralten Ehepaars mit dem Dialog: Ach! - Ach, nee. - Ach, doch! - Ach, ... etc., aber kein Rückfalle in die Scheibe.

>Montags und Mittwochs< sollte klein geschrieben werden m. E., >… da sind die Zeiten ja gottseidank anders, sagt man< sollte Gott sei Dank eigentlich geschrieben werden. Im vorhin genannten Triumvirat könnt' es aber gemeint sein wie der "Gottseibeiuns", wäre dann zwar zusammengeschrieben aber mit Großbuchstaben zu Beginn.

Aber ob Freund Hein sich jedesmal die Hand in Unschuld wäscht? Gleichwohl ein schöner Schluss zu einem gelungenen Text: >Und bevor er an seinen Platz zurückgeht, besucht er den Fluss. Hält eine Hand ins Wasser und nickt ihm zu, wie einem alten Freund.<

Gruß

Friedel

* Das werden wir beide verkraften.

 
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Hallo Quinn

Ist schon etwas länger her, dass ich deine Geschichte gelesen hab. Sprachlich finde ich sie mal wieder astrein. Am meisten hat mir jedoch gefallen, dass du mit deinen „Schnüren“ so eine Art eigenen Mythos aufbaust. Die Schnur aus Gram, welche der Tod dem Mädchen um das Herz wickelt, hat mich jedenfalls an eine andere Geschichte von dir erinnert. Der Titel war „Irgendwie beige“, wenn ich mich nicht täusche.
Weniger gefallen hat mir der personifizierte Tod, der im Wirtshaus darbt. Das hat bei mir zwei Assoziationen ausgelöst. Einmal die Geschichte vom Brandner Kasper, wo der Tod (Boandlkramer) sich die Seele eines Bauern holen soll, und zum anderen natürlich der TOD von Terry Pratchett. Vielleicht habe ich dahingehend einfach schon zuviel gelesen, aber ein personifizierter Tod ist einfach ein alter Schuh, der trotz originellem Einfall mit den Schnüren, bei mir nur ein Stirnrunzeln auslöst.
Ein anderes Problem waren ein paar Logikhürden:
Warum leidet der Tod Hunger? Wieso geht er nicht in die Stadt, wo es mehr Futter gibt und wieso ist er nicht omnipräsent? Warum gibt es überhaupt einen eigenen Tod für ein kleines Dorf? Persönlich hätte ich mir da Erklärungen, oder Hinweise gewünscht.
Unheimlich fand ich die Geschichte ebenfalls nicht, weshalb ich die Story eher in der Rubrik „Seltsam“ gesehen hätte. Dort hätten mich die Logikhürden auch weniger gestört.

So, vor lauter Kritik, habe ich jetzt die Grüße vergessen ;)

Also, viele Grüße

Mothman

 

So nachdem Konrad von uns gegangen ist, sieht’s natürlich wieder so aus, als hätte ich mich ewig mit mir unterhalten. Wieder mal typisch. :)

Hallo Daeif,

Die Atmosphäre ist hier zum greifen nahe. Zwar hab ich mich nicht "gegruselt", aber wie dein Text beweist, muss man das auch bei einer Horrorgeschichte nicht zwangsläufig, um einen guten Text abzuliefern.
Ja, das ist die Erwartungshaltung, wegen der ich in letzter Zeit relativ wenig Horror geschrieben habe, also meine Horrorgeschichten greifen eher typische Horror-Motive auf als dass sie irgendeinen Schockeffekt erzielen wollen oder den Leser in Furcht und Schrecken versetzen wollen.

Bei dem Abschnitt mit dem Priester und der Mutter hats bei mir erst "geklingelt", ich dachte, irgendwas läuft da. Letztendlich wurde ich enttäuscht. In einem deiner Kommentare habe ich gelesen, dass du das auch erst vorhattest. Hast du das dann ganz aus dem Text gestrichen oder bei dem von mir angesprochenen Abschnitt nur leicht verändert? Wenn letzteres der Fall ist, dann kann man es noch rauslesen (oder ich hab bei mir 'n neuen Sinn entdeckt).
Das freut mich, wenn man das sehen kann. Ich hatte das von Anfang an im Kopf, dass zwischen dem Priester und der Mutter „früher“ etwas war, und dies ist auch der schwache Punkt, bei dem der Tod schließlich ansetzen kann, am Priester. Ich hab da also nichts dran gemacht, ich hab nur mit dem Gedanken gespielt, es deutlicher zu machen.
Die Szene, in der sich der Priester an seinen Tisch setzt, in die Innenperspektive zu verlegen, hab mich dann dagegen entschieden.
Aber schön, wenn man es herauslesen kann, so ein Text sollte ja auch ein paar Anknüpfpunkte für den Leser haben, mit denen er sich dann beschäftigen kann.

Abschließend eine der besten Horrorgeschichten, die ich bisher hier gelesen habe.
Ja, dann hast du hier auch noch nicht so viel gelesen, glaub ich. :)
Aber ist natürlich ein tolles Kompliment, vielen Dank
Gruß
Quinn

Hallo Friedrichard,

danke dir für deinen Kommentar
Gruß
Quinn

Hallo Mothman,

dass du mit deinen „Schnüren“ so eine Art eigenen Mythos aufbaust. Die Schnur aus Gram, welche der Tod dem Mädchen um das Herz wickelt, hat mich jedenfalls an eine andere Geschichte von dir erinnert. Der Titel war „Irgendwie beige“, wenn ich mich nicht täusche.
Ja, gut, die liegen zeitlich über ein Jahr auseinander, das ist also eher zufällig, glaub ich.

Einmal die Geschichte vom Brandner Kasper, wo der Tod (Boandlkramer) sich die Seele eines Bauern holen soll, und zum anderen natürlich der TOD von Terry Pratchett. Vielleicht habe ich dahingehend einfach schon zuviel gelesen, aber ein personifizierter Tod ist einfach ein alter Schuh, der trotz originellem Einfall mit den Schnüren, bei mir nur ein Stirnrunzeln auslöst.
Ich würd einen Schritt weitergehen. Die Personifikation des Todes ist kein alter Hut, sondern ein literarisches Ur-Motiv. Das gibt’s ja nicht erst seit Pratchett. Schwabs Sagen des klassischen Altertums, die Thanatos-Geschichten mit Tantalus und so, also das ist weit mehr als eine Modeerscheinung durch Pratchett. Die ganzen Sagen, in denen der Tod überlistet wird, in denen mit ihm um das Leben gespielt wird. Poe mit dem roten Tod usw., also ich verstehe, dass das „abgenutzt“ erscheint, aber das ist wirklich ein so altes, starkes Motiv, dass mir da der Begriff „alter Hut“ ein bisschen salopp vorkommt.

Warum leidet der Tod Hunger? Wieso geht er nicht in die Stadt, wo es mehr Futter gibt und wieso ist er nicht omnipräsent? Warum gibt es überhaupt einen eigenen Tod für ein kleines Dorf? Persönlich hätte ich mir da Erklärungen, oder Hinweise gewünscht.
Ja, Proof hat das ja auch schon angesprochen. Das würde die Geschichte killen. Das sind Setzungen: Es ist so. Er ist nicht omnipräsent, er ist gebunden. Und dazu wird auch nichts beschrieben, wie auch? Also da müsste man Passagen einfügen, die der Geschichte den Trieb abklemmen. Das würde die Geschichte völlig ironisieren.
Das ist halt bei fantastischen Geschichten auch ein Stück weit so, und das ist durchaus auch geschummelt. Das sind was-wäre-wenn-Fragen, aus denen dann solche Geschichten entstehen? Was wenn der Tod in einem kleinen Dorf arbeitslos ist und Hunger leidet?

Danke dir für deine Kritik, schön, dass du zumindest den Stil mochtest
Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

ich möchte ja nicht wissen, was ich mir alles hätte anhören müssen, hätte ich diesen Titel verwendet :-)

Die Basis deiner Story ist aus verschiedenen Gründen sehr interessant. Da ist zum einen der stilistische Ansatz, der dem Ganzen etwas Behäbiges verleiht, dem Geschehen - fast ein wenig altertümlich wirkend - keine Dynamik gönnt. Eigentlich ein sehr distanzierter Blickwinkel, diese "Sagt man"-Nummer, da muss man schon sehr dicht an der Sache bleiben, damit das nicht nervig und langweilig wirkt und irgendwie trotzdem immer vorankommt. Und da muss jeder Satz inhaltlich oder sprachlich etwas bieten, um den Leser bei Laune zu halten.

Das andere ist der Inhalt selbst, dieses Verweben von (erstaunlich) vielen Personen in sehr wenig Text, und mitten drin der personifizierte Tod, der unter ihnen lebt, dazugehörig, unvermeidlich, seinen "Job" verrichteten wie jeder andere auch, fast greifbar, fast sichtbar, wie eine Theaterfigur.

Das alles vermischt mit Schicksal und Atmosphäre, und zwar in einem ausgewogenem Maß, um den Leser mitzunehmen, ihn anzusprechen und ihm am Ende das Gefühl zu geben, eine Geschichte gelesen zu haben, oder besser noch, mehrere Geschichten, die sich kunstvoll überschneiden.

Was ich damit jetzt eigentlich sagen will? Meines Erachtens hast du es mit dieser Geschichte geschafft, all das sehr gut zu vermischen und gelungen unter einen Hut zu bringen. Das lässt sich sehr gut lesen, aber wenn du mir vorher diese Konzept erzählt hättest, dann hätte ich nicht geglaubt, dass es funktioniert.

Einen Stelle aber störte mich irgendwie, da bin ich nie unfallfrei drübergekommen:

Aber auch dann sah man ihn nicht mehr in der Wirtschaft, nicht mehr beim Kartenspielen, nicht beim Fußball und auch in der Kirche keine Spur von ihm.

Der Satz liest sich zunächst, als wäre "die Wirtschaft" die Klammer für die folgende Aufzählung. Man sah ihn nicht mehr in der Wirtschaft, beim Kartenspielen, Fußball (schauen?) aber denn kommt die Kirche?

Besser wäre dann eher, man sah ihn nicht mehr beim Kartenspielen in der Wirtschaft, beim Fußball und nicht mehr in der Kirche ...

Klingt unerheblich, aber ich flog an dieser Stelle gedanklich raus. Jedes Mal. Immer dachte ich: Irgendwas stimmt da in der Reihenfolge der Aufzähllogik nicht. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Ist aber wahrscheinlich eher unerheblich.

Ansonsten: Klasse. Wieder mal!

Rick

 

Hey Rick,

ich möchte ja nicht wissen, was ich mir alles hätte anhören müssen, hätte ich diesen Titel verwendet :-)
Tja, siehst du mal, mit was ich so alles durchkomme. Muss an meinem einnehmenden und bescheidenen Wesen liegen. :)

Die Basis deiner Story ist aus verschiedenen Gründen sehr interessant. Da ist zum einen der stilistische Ansatz, der dem Ganzen etwas Behäbiges verleiht, dem Geschehen - fast ein wenig altertümlich wirkend - keine Dynamik gönnt. Eigentlich ein sehr distanzierter Blickwinkel, diese "Sagt man"-Nummer, da muss man schon sehr dicht an der Sache bleiben, damit das nicht nervig und langweilig wirkt und irgendwie trotzdem immer vorankommt. Und da muss jeder Satz inhaltlich oder sprachlich etwas bieten, um den Leser bei Laune zu halten.
Das seh ich alles genau so. Es soll ja auch ein Stück weit die Enge dieser Dorfgemeinschaft ausdrücken. Sie hängen aufeinander und wissen trotzdem nichts voneinander.

Das andere ist der Inhalt selbst, dieses Verweben von (erstaunlich) vielen Personen in sehr wenig Text, und mitten drin der personifizierte Tod, der unter ihnen lebt, dazugehörig, unvermeidlich, seinen "Job" verrichteten wie jeder andere auch, fast greifbar, fast sichtbar, wie eine Theaterfigur.
Es sind halt schon Archetypen. Ich denke unter dem Lehrer und dem Wirt kann sich jeder nach zwei Sätzen jemanden vorstellen.

Was ich damit jetzt eigentlich sagen will? Meines Erachtens hast du es mit dieser Geschichte geschafft, all das sehr gut zu vermischen und gelungen unter einen Hut zu bringen. Das lässt sich sehr gut lesen, aber wenn du mir vorher diese Konzept erzählt hättest, dann hätte ich nicht geglaubt, dass es funktioniert.
Schönen Dank! Die meisten Geschichte hören sich im Konzept albern an, entweder albern oder so, als hätte man es schon mal gelesen, glaube ich.

Der Satz liest sich zunächst, als wäre "die Wirtschaft" die Klammer für die folgende Aufzählung. Man sah ihn nicht mehr in der Wirtschaft, beim Kartenspielen, Fußball (schauen?) aber denn kommt die Kirche?
Ja, ich geh nochmal drüber. Es sind, wenn ich sie lese, immer zwei, drei Stellen, bei denen mir die Nase juckt.

Ansonsten: Klasse. Wieder mal!
Das freut mich. Vielen Dank.
Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

habe mich mal durch einige deiner älteren Sachen gelesen. Die hier ist hängengeblieben, definitiv.

Das Motiv ist in der Tat faszinierend; mich erinnert die Stimmung und Atmosphäre sehr an die ganzen japanischen Autoren, allen voran Dazai Osamu oder auch Mishima Yukio. Die haben einen ähnlich unwiderbringlichen Tonfall, so einen schleichenden Duktus, der immer wieder durchbricht und die Tragik ankündigt.

Auch eine sehr schöne Sprache, nie überladen, eher verknappt und dadurch wirksam, poetisch. Das Bild mit der Hand, die man ins Wasser tauchen kann, diese organische Verbindung, die aber schlussendlich ohne Ergebnis bleibt, die finde ich exemplarisch für die ganze Geschichte.

Sehr gerne gelesen.

Gruss, Jimmy.

 

Hallo,

schön, wenn solche älteren Geschichten noch mal nach oben kommen und dann jemandem etwas geben können.

Ich les die Geschichten dann auch immer nochmal und man entdeckt die dann ja auch ein Stück weit wieder neu.

Freut mich, wenn sie dir gefallen konnte und ist natürlich auch gut fürs Ego, wenn man das Gefühl hat, die alten Sachen, die man mal geschrieben hat, sind nicht völlig tot, sondern werden hin und wieder noch mal von ganz verschiedenen Leuten gelesen
Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

Die Idee fand ich gut. Insbesonders die Schnur des Anglers, die zuletzt die Schnur um das Herz der Menschen wird. Was mir noch fehlt ist der Rahmen. Ich denke, der Verputz blättert von den Häusern, es scheint kaum die Sonne, das Dorf sollte in einem engen Tal liegen usw.

Dabei war sie immer so fröhlich. Hat ja hier bedient, montags und mittwochs, oft gelacht. Und lachen konnte sie.
Hier glaube ich, nachdem der Wirt ja spricht, sollte die Information, dass sie montags und ittwochs bedient hat, weg: Einerseits würde der Wirt so etwas seinen Stammgästen nicht erklären und dann ist Montag ja meist geschlossen, wenn schon hat sie Freitag, Samstag, Sonntag bedient..
lg
Bernhard

 
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Hallo Quinn,

ich hatte die Geschichte schon vor einem halben Jahr oder so mal gelesen und fand sie damals schon gut. Zum Glück hat Jimmy sie jetzt ausgegraben, da habe ich die dann glatt noch mal gelesen und fand sie wieder genauso schön. Die Empfehlung, die du damals für sie gekriegt hattest, die find ich absolut verdient.

Das geht schon beim Erzähler los (sorry, falls schon mal jemand zum Erzähler geschrieben hat, dieses Mal war ich einfach zu faul die Kommentare zu lesen, aber das ist in dem Fall ja auch wurscht, denn es sind ja meine Eindrücke, die ich dir mitteilen wollte).
Ich habe mich gefragt, wer das erzählt, es ist ja nicht aus einer bestimmten Perspektive, sondern du blickst wie ein auktorialer Erzähler in alle Köpfe hinein. Und dennoch scheint mir was anders gemacht zu sein, irgendwie doch gleichzeitig näher dran an den Personen, als ich das von den früheren aukt. Erzählern in Erinnerung habe.
Was mir hier sehr gefällt, das ist wie sich aus den verschiedenen Wahrnehmungen eine Sicht auf das Mädchen entwickelt. Man gewinnt die richtig ein bisschen lieb mit ihrer Zahnlücke und will reinrufen, glaub ihm nicht, dem versoffenen Hund, der erzählt dir nur eins vom Pferd, wenn der Tod ihr den Gram ums Herz webt.
Übrigens eine Fülle wunderschöner Bilder, die oft etwas sehr Märchenhaftes haben.
Der Fingerhut Trost oder der Faden ums Herz.

Was mir noch sehr gefällt, das ist, wie der Tod, der sie nur durch seine ureigenen Angewohnheiten überhaupt bemerkt, auf seine Weise Appetit auf sie entwickelt. Als Ersatz für die Festmähler, die ihm entgangen sind.

Die Geschichte hat etwas Urtümliches/Archaisches, obwohl sie in der Neuzeit spielt. Ein bisschen dürfte das mit der gewählten Erzählperspektive zusammenhängen. Und natürlich mit dem Tod als Motiv. Dass er am Ende alle frisst, das ist wohl ein Grundthema, das sich durch die Literatur zieht. Von daher nix Neues, klar, ist aber auch nicht mein Vorwurf, absolut nicht. Macht wohl nur das archaisch wirkende aus, weil es die vielfältigen Bilder für Tod, die es heutztage so alle gibt, wieder so schön auf das Urmotiv zurückführt. Hier finde ich es so nett frisch, weil, der Tod einen saufen geht und weil er Angst hat, den Arbeitsplatz zu verlieren. Ist auch so eine hübsche Idee, so nach dem Motto jeder hat seinen eigenen Tod. Der auf dem Land, dem die Nahrung abhanden kommt, das Mädchen, das seinen Einflüsterungen lauscht, bis es sie glaubt. Ich möchte dann nicht die Geschichte vom Tod in der Stadt lesen, der hat vermutlich burnout.

Der Wirt sagte: Die Arme. Dabei war sie immer so fröhlich. Hat ja hier bedient, montags und mittwochs, oft gelacht. Und lachen konnte sie. So eine Zahnlücke und die Haare. Wirklich ein fesches Mädchen. Konnte nie still stehen. Schad um sie.
Ja, so reden sie, die Leute, wenn jemand gestorben ist. Da werden Urteile gefällt, wer schon alt genug war, wer es verdient hatte, wer zu jung war.
Mih gruselt das immer so ein bisschen, wenn ich diese Reden höre. Hast du gut eingefangen.

Auf Bildern sieht man die Zahnlücke, sie wächst mit den Jahren, verleiht ihr als Kind etwas Unschuldiges und Tapsiges, zur Zeit der Konfirmation sieht sie ein wenig verdorben damit aus und auf ihrem letzten Foto, mit siebzehn, hat sie ihren Mund geschlossen.
Auch hier, da krampft sichs so ein bisschen ums Gemüt, wenn man das liest.
Das meine ich jetzt ganz positiv, ich werde da ein bisschen rührselig, weil da ist diese kleine Mädchen mit ihrer Zahnlücke und man hat das Gefühl von Unschuld und sie ist so liebenswert und dann kriegt sie was Reifes und vielleicht ein bisschen anrüchig, sie wird zur Frau. Und dann, das ist echt trauig, da traut sich das Mädchen gar nicht mehr, diese Eigenart zu zeigen. Man möchte sie in den Arm nehmen und ihr gut zureden, dass sie klasse aussieht und dass sie sich nix vormachen und weiter so schön lachen soll.
Aber sie hat den Mund eben schon geschlossen und der Tod, der Sack, kann mit seiner flüsternden Zweifelarbeit punkten. Davon abgesehen liebe ich Zahnlücken.
Das ist auch wirklich eine der Stärken deiner Geschichten. Dass man deine Personen herzen oder in den Arsch treten möchte.
Sowas ist für mich ein ganz großes Vorbild. Wie bei einigen anderen Autoren hier auch, aber meine Güte, ich finds furchtbar schwer. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, so was selbst mal hinzukriegen, aber echt, das ist schon eine Kunst.

Ansonsten ein dürres Ding mit wenig Busen und kaum Hüften. Wie mit der Schnur gezogen von der Sohle bis zum Scheitel.

Auch das hier, man kriegt so ganz en passant ein Gefühl für dieses Mädchen. Für mich eindeutig jemand, den ich beschützen möchte. Und daher wird das Agieren des Todes um so gemeiner.

Bestimmt sagen sie, mein Mann hätte sie missbraucht. Er wird es nicht schaffen, er hat sie ja so vergöttert. Ich hab immer gewusst, dass etwas nicht stimmt mit ihr. Ich hab’s immer gewusst. Da fing sie an zu weinen, und suchte die Schulter ihres Mannes, der hart und kalt war wie eine Statue. Nicht genug Trost, einen Fingerhut zu füllen.

Auch hier lässt du wieder Modernes in die Geschichte einfließen. Und genau da ist es, was sie einerseits zeitlos macht, Töchter, die sich umbrachten aus Liebenskummer, gab es schon immer. Und andererseits wird sie durch das, wie die Leute damit umgehen spannender und näher am Leseerlebnis. Du tippst das, was man empfindet und denkt angesichts eines Todes an. Hier sind es die Ängst der Mutter. Es ist ja nicht nur der Kummer um die Tiochter, es ist auch immer die Angst darum, wie man jetzt da steht, ob man Schuld hat, ob man etwas anderes hätte tun können. Hier die Angst vor den Vermutungen oder gar Verdächtigungen der anderesn.

Und als er dann, mit Messer und Gabel, möchte man meinen, zum Wrack des Autos geschlurft war: Nichts. Ein leerer Teller und schon bald das blaue Lärmen des Rettungswagens.
Und dann das Mädchen. Konnte nie still stehen, tippelte an ihm vorbei und ließ sich, wenn’s spät schon war, von kräftigen Händen den dürren Hintern betatschen.

Diese Stelle fand ich merkwürdig. Mein allererster Eindruck war, die Kleine hat ihn bei seinem Mahl damals auf der Straße gestört. Ich hätte wetten mögen, dass sie es war, die den Rettungswagen gerufen hat. Nun, es steht da definitiv nicht. Es ist nur einfach räumlich zusammenstehend. Aber für mich ist es immer noch so, dass der Tod auf sie aufmerksam geworden ist, weil sie ihn um etwas betrogen hat. Und weil sie ihm in ihrer Lebendigkeit auffällt. Da ist so viel Leben in ihr, obwohl sie den Mund schließt, so viel Trippeln und Tippeln und Arschgetätschel. Es ist, wie wenn er neidisch und rachsüchtig würde.

Und dann die Stelle, wie er den Gram webt. Es ist so ein Märchenmotiv einerseits und du bringst es so schön zusammen mit den Zähnen und dem zusammengekniffenen Mund des Mädchens. Der Tod des Mädchens ist der Zweifel.

Eine eindrückliche, wunderschöne Geschichte.
Bis demnächst
Novak

 

Hi Bernhard,

Was mir noch fehlt ist der Rahmen. Ich denke, der Verputz blättert von den Häusern, es scheint kaum die Sonne, das Dorf sollte in einem engen Tal liegen usw.
Die Geschichte ist ungeheuer kurz. Ich hab die, die kommt ja immer wieder hoch, weil sie so kurz ist, sehr häufig gelesen, auch dann immer in verschiedenen Stimmungen.
Ich denke die Geschichte gewinnt dadurch, dass man das nicht macht mit „Verputz blättert von den Häusern, enges Tal“ usw. Es soll ja ein Dorf sein, das sich der Leser selbst zusammenmalt, wenn er das möchte.
Wenn ich schreibe „Die Wirtschaft“, „Der Friedhof“ – da kann jeder Leser seine eigene Kneipe einsetzen und seinen Friedhof.
Es ist halt auch immer eine Frage des Ansatzes, wenn man „Rahmen“ schafft, dann hätte die Geschichte schnell die dreifache Länge, ich hab hier halt auch mit was gespielt, dieses „Jeder sagt 3“-Sätze, das ist ja fast, in der Hälfte, wie so eine Panel-Geschichte, wie eine Mockumentary.
Also das mit dem Rahmen find ich immer schwierig, auch bei anderen Geschichten. Ich weiß viele leute mögen das gerne, mitSzenerie, ich bin da kein Fan von. Ich find meistens ist das Seiten schinden auch.

Hier glaube ich, nachdem der Wirt ja spricht, sollte die Information, dass sie montags und ittwochs bedient hat, weg: Einerseits würde der Wirt so etwas seinen Stammgästen nicht erklären und dann ist Montag ja meist geschlossen, wenn schon hat sie Freitag, Samstag, Sonntag bedient..
Ach, na ja. Vielleicht hat die Kneipe ja Dienstags zu, damit irgendwas Montags auf hat. Also du hast schon Recht, aber so schlimm find ich das nicht.
Was stimmt ist dieses „Das würde er den Stammgästen nicht erzählen“, das ist halt so ein Trick innerhalb der Geschichte, dass die Befragten (Die Mutter auch z.B.) in einer Interviewsituation sind, obwohl die gar keiner interviewt. Also die Frage: Wem erzählt der Wirt das denn? Das ist natürlich sehr tückisch.
Das ist halt eine Setzung innerhalb der Geschichten, dass man nicht sagt: DieMutter denkt so und so, sondern dass man so tut, als würde die Mutter das jetzt zu einem „Befrager“ sagen oder der Wirt hier. Dass einer kommt und sagt: Wie gehst du denn mit dem Tod von dem Mädchen um?
Aber wer sollte das denn in der Realität fragen.
Das stimmt, da hast du Recht.

Vielen Dank für deinen Beitrag
Quinn

Hallo Novak, du gehst ja wieder ab. :)

Ich habe mich gefragt, wer das erzählt, es ist ja nicht aus einer bestimmten Perspektive, sondern du blickst wie ein auktorialer Erzähler in alle Köpfe hinein. Und dennoch scheint mir was anders gemacht zu sein, irgendwie doch gleichzeitig näher dran an den Personen, als ich das von den früheren aukt. Erzählern in Erinnerung habe.
Ja, es gibt auch einen ganz deutlichen Bruch in der Geschichte, wenn der Tod auftaucht.
Ich bin – bei der Geschichte -, jedes Mal, wenn ich sie lese, auf den Anfang stolz, mit dem Fischer. Sonst ist das halt eine Geschichte, die sprachlich schon bisschen exaltiert ist, also die mochte auch nicht jeder, da muss man sich auch drauf einlassen. Ich hab auch manchmal, dass ich die lese und denke: Da ist zu dick, da ist zu dick. „Bette“ – hm, schwierig. Aber so geht’s mir mit manchen Geschichten. Der Hoffmann z.b. auch. Das ist halt, wenn man sprachlich dicker aufträgt oder weiter von der „Das ist schlicht und sachlich und karg“-Norm abweicht, wird es schwer.
Ich seh immer die Begeisterung für das ganz leise gedrehte hier im Forum und das ganz spröde und karge – das seh ich schon kritisch.

Ja, so reden sie, die Leute, wenn jemand gestorben ist. Da werden Urteile gefällt, wer schon alt genug war, wer es verdient hatte, wer zu jung war.
Ja, Leute sind doch furchtbar. Worauf guckt man als erstes bei den Todesanzeigen? Aufs Gebursdatum. Wie alt ist er geworden? Also ja, ich seh das wie du.
Mein Liebling in der Geschichte ist der Dorfschullehrer.

Das meine ich jetzt ganz positiv, ich werde da ein bisschen rührselig, weil da ist diese kleine Mädchen mit ihrer Zahnlücke und man hat das Gefühl von Unschuld und sie ist so liebenswert und dann kriegt sie was Reifes und vielleicht ein bisschen anrüchig, sie wird zur Frau. Und dann, das ist echt trauig, da traut sich das Mädchen gar nicht mehr, diese Eigenart zu zeigen. Man möchte sie in den Arm nehmen und ihr gut zureden, dass sie klasse aussieht und dass sie sich nix vormachen und weiter so schön lachen soll.
Aber sie hat den Mund eben schon geschlossen und der Tod, der Sack, kann mit seiner flüsternden Zweifelarbeit punkten. Davon abgesehen liebe ich Zahnlücken.
Du bist natürlich dann für die Passage auch das ideale Publikum. Du liest das ja genau, wie ich es mir zurecht gelegt hatte. Das ist natürlich sehr schön und dankbar als Autor.
Das sind auch Sachen, die man an Frauen wirklich beobachten kann. Wenn du einer Frau sagst (wahrscheinlich gilt das für Männer auch) sie lacht komisch oder das ist schief, dann wird das schon was in ihr auslösen. Es ist sowieso ein interessanter Aspekt, das Frauen mit einem attraktiven Körper und einem nicht ganz so konventionell schönen Gesicht, dann sofort so auf einen verruchten Typen gebucht werden: Juliette Lewis z.b. (oder die Franko-Kanadierin aus Mad Men oder in Deutschland die Schöneberger oder Heike Makatsch).
So eine Figur wollte ich hier haben.
Ist das sehr sexistisch so was zu sagen? So auf einer Skala von 0 bis Juju. :)


Du tippst das, was man empfindet und denkt angesichts eines Todes an. Hier sind es die Ängst der Mutter. Es ist ja nicht nur der Kummer um die Tiochter, es ist auch immer die Angst darum, wie man jetzt da steht, ob man Schuld hat, ob man etwas anderes hätte tun können. Hier die Angst vor den Vermutungen oder gar Verdächtigungen der anderesn.
Es ist auch faszinierend, wie eine Gemeinschaft damit umgeht, wenn so etwas passiert. Was da für Prozesse dann in Gang treten. Soll ja auch so eine Idee in der Geschichte sein, dass der Tod jetzt wieder Appetit gewonnen hat, und durch die Wellen, die der Tod des Mädchens schlägt, jetzt auch bei den anderen Figuren nachbohrt. Weil durch diese Geschichte vielleicht auch deren Probleme nach oben gespült werden.

Freut mich, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat. Wie gesagt: Sie ist sehr kurz.
Das ist halt mit diesen Geschichten auch so, dass ein Leser hier viel von sich selbst einbringen kann, um die Lücken zu füllen. Das merke ich in letzter Zeit mit den Geschichten, die ich schreibe, öfter (bei Focks ist das ja völlig eingeschlagen), dass die Leute hier im Forum (weil sie hier auch Autoren sind) unheimlich gerne in einer Geschichte den weißen Raum ausfüllen. Bei Herrn Focks hab ich mir ja anhören müssen , dass der Fixie (der nur 3 Sätze in der Geschichte hat) niemals so was sagen würde wie da! Ich hätte ihn dazu gezwungen. :)
Das ist schon schön.
Die nächsten werden länger und anders, fürchte ich, dann kann ich mir wieder mal kalte Duschen abholen, ist an der Zeit.

Danke dir auf jeden Fall für die Ideen und Gedanken zu der Geschichte, es regt eigentlich immer zum Nachdenken an und ist nützlich
Quinn

 

hallo quinn,

glückwunsch zu der überaus gelungenen geschichte! von all deinen texten, die ich bisher gelesen habe, gefällt sie mir am besten!

viele grüße pe

 

Hallo!

glückwunsch zu der überaus gelungenen geschichte!
Das freut mich.

von all deinen texten, die ich bisher gelesen habe, gefällt sie mir am besten!
Und das deprimiert mich.
Kann ich ja nur hoffen, dass du noch nicht allzu viele von meinen Texten gelesen hast. :)

 

Lieber Quinn,

es gibt Geschichten, die geben mir das Gefühl, neue Neuronenverbindungen geschaffen zu haben. Das sind die Geschichten, die ich nie mehr vergesse.
So wie diese.
Ist es nicht so, dass eine wirklich gute Kurzgeschichte die größtmögliche Verdichtung aufweist? Ich glaube, das ist dir hier gelungen.
Wow.

Nachhaltigst beeindruckt,
PSS

 

Hallo PSS,

schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Danke für die Komplimente.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn

Ich galube, du hast irgendwo mal geschrieben, du fändest es doof, wenn man eine Geschichte liest und nicht mal ein klizekleines "Gefällt mir oder nicht" hinterlässt, oder so ...

Ich habe dein Stück Schnur schon zig mal gelesen und immer wieder gedacht, jetzt schreib ich was dazu, und dann, pfff.

Was mir an ihr so gefällt, ist eindeutig der Erzählstil, dieses Charakterskizzieren durch die indirekte Rede.
"Es sei, so sagte er, ..."
Auch die versteckten Details, wie die Plastikblumen oder "schaue aber nur den Wohnungsmarkt durch." sind Wegbereiter für die eigene Vervollständigung des Gesamtbildes.

Er darf nichts sagen, aber als er davon gehört hat, ist er in ein dumpfes Grübeln gefallen, hat mit seinen Händen immer wieder über die Tischplatte gestrichen und sich an die Brust gefasst, als hätte man ihm einen Strick ums Herz geschlungen.
Hier kommen natürlich mehrere Interpretationsvarianten in Frage: Hat er selber Schuld auf sich geladen oder trägt nur das Wissen über eine durch seine Absolution getilgte Sünde mit sich rum. Tja, wer frei von Schuld, der möge ... hrhr.

Verhungert ist er fast, seit keiner mehr im Bette stirbt. In die Stadt gehen sie. Sterben in Altersheimen und Sanatorien und lassen ihn darbend zurück.
Klar, wenn man den Tod personifiziert, kann er nicht überall gleichzeitig sein, aber warum wird Gevatter Tod hier so ortsgebunden dargestellt? Wer holt denn an seiner Stelle die alten Leute aus dem Sanatorium raus? Obwohl das ein witziger Hieb auf unsere moderne Zeit ist, in der wir mit Medikamenten und immer neuen Behandlungsmethoden dem Tod seinen Futternapf hinausschieben, ging dieser Teil für mich nicht ganz auf.

[...]Ein leerer Teller und schon bald das blaue Lärmen des Rettungswagens.
Und dann das Mädchen.[...]
Hier bog ich zuerst falsch ab, dachte, das Mädchen wäre auch so etwas wie eine Entäuschung für ihn, aber im Nachhinein muss man das mehr so lesen wie "Aber dann [herrlich] - das Mädchen".

Eben, wirklich gerne und mehrmals gelesen,
Gruss dot

 

Hallo Quinn

Eine Alte von dir hüpft in letzter Zeit immer obenauf, sodass ich nicht umhin kam, meine Neugierde zu befriedigen, was sie wohl nachhaltig lesenswert macht?

Es sei, so sagte er, der Versuch, ein Leben rückgängig zu machen. Sich zu entleben.

Das beinah Utopische an dieser Definition amüsierte mich, es liegt Besänftigendes darin, als könnte es dem Sprecher den Schrecken nehmen, den er anscheinend empfindet.

Die Haare von verwaschenem Schwarz, ein paar Muttermale unter der Nase und im Bereich des Kinns.

Da kam ich partout nicht dahinter, wie bei einem Menschen verwaschen schwarze Haare aussehen. Vielleicht ist es dieser stumpfe Farbton, der kraftlos und matt wirkt? Und gleich ein paar Muttermale, zentral platziert. Das Bild, das ich mir als Leser da mache, korrespondiert da nicht so recht mit ihrer Fröhlichkeit – aber dies ist natürlich mein Vorurteil zu ihren Äusserlichkeiten. Ihre Wesensart kann ja ganz anders sein.

Das versteht ja heute keiner mehr. Der Dorfschullehrer aber sagt: Keiner kennt jemanden richtig. Das war schon immer so. Wir tragen Masken, sagt er. Ein kluger Mann. Hätte alles werden können, sagt man.

Hier las ich zögerlich, fragte mich, ob da ein Bruch in der Erzählform stattfindet. Aber nein, es ist die Eigentümlichkeit, die ich bei Leuten selten aber auch schon in der wörtlichen Rede hörte: aber sagt – sagt er – sagt man … sagt man. Es ist als spreche jemand zögernd, gehemmt.

In der Ecke der Wirtschaft aber sitzt zahnlos der Tod. War schon da, als wir kamen. Ist noch da, wenn wir gehen.

Hier nimmt es eine Wende, gibt dem zeitlosen Bild – wenn das Internet und die Zeitung nicht wären – einen Hauch von Mittelalter, als der Tod noch mit der Sense in der Hand in den Köpfen der Menschen geisterte.

Eine merkwürdige Geschichte. Das Widerwillige zeigt sich eigentlich nur als die Vorstellungen in den Köpfen der Beteiligten, die es dem Leser suggerieren. Desungeachtet nahm ich es vergnüglich war, irgendwie unvollendet, aber dennoch lesenswert.

Ach ja der Titel, er gibt dem Ganzen noch eine besondere Betonung, als ich ihn jetzt nochmals sah. Im Kontext wirkt er mir nun wie eine Abhandlung zu Anorexie, die sich dahinter versteckt.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn,

Ich hab die auch schon ein paar Mal gelesen, dann sag ich auch mal was dazu. Gefällt mir gut. Ist halt auch so eine Kurzgeschichte … das hab ich dir glaub schon mal gesagt, die wirkt sehr abgerundet hier. Wie beim Weinverkäufer auch. Ich muss immer wieder an deine Metapher denken, Punkte und Bilder und Strecken und Striptease und so. Das ist so ein Bild mit einem schönen Striptease, denk ich mir. Auch wie das aufgeabut ist … da fängt man mit einer Leiche an, und dann ist es auch noch ein totes Mädchen, und man fragt sich natürlich, warum sie gestorben ist. Klassischer gehts nicht mehr, oder? Und dann kommen hier nach und nach die verschiedenen Stimmen zu Wort. Der Pfarrer meint dies, und ihr Leherer das …
Und sehr schön: was die Leute sagen. Hätte alles werden können, sagt man. So die Dorfleute halt. Das ist wie im Kirimi. Wer war's?
Und dann die Wendung: Hier spricht der Tod höchstpersönlich. :)

Und dann sorgt da deine bekannte Erzählerstimme für den Rest:

Verhungert ist er fast, seit keiner mehr im Bette stirbt. In die Stadt gehen sie. Sterben in Altersheimen und Sanatorien und lassen ihn darbend zurück. Vor ein paar Jahren mal ein Autounfall, da hat er eine Katze auf die Straße gescheucht. Mit letzter Kraft hat er sich von seinem Stuhl gehoben, sich auf die Straße geschleppt und ein Schusch-Schusch herausgebracht. Und als er dann, mit Messer und Gabel, möchte man meinen, zum Wrack des Autos geschlurft war: Nichts. Ein leerer Teller und schon bald das blaue Lärmen des Rettungswagens.

Ist glaub meine Lieblingsstelle, mit Messer und Gabel, Husch-Husch …


Er wird es nicht schaffen, er hat sie ja so vergöttert. Ich hab immer gewusst, dass etwas nicht stimmt mit ihr. Ich hab’s immer gewusst. Da fing sie an zu weinen, und suchte die Schulter ihres Mannes, der hart und kalt war wie eine Statue. Nicht genug Trost, einen Fingerhut zu füllen.

An der Stelle würde ich mir einen neuen Absatz wünschen. Da der Wechsel von ihren Gedanken zur Erzählerstimme, (wenn ich das richtig lese) …
Klingt vielleicht blöd, aber ich weiß nicht, ob da das Stirnrunzeln nicht vorprogrammiert ist, wenn man es zum ersten Mal liest.

Ist schon ziemlich gut gemacht allles hier. Ist bestimmt nicht meine Liebelingsgeschichte von dir, im Grunde mag ich die meisten anderen mehr, ist vielleicht auch nicht mein Lieblingsthema, da mag ich den Weinverkäufer schon eher, aber auf der kurzen Strecke, und der Tod ist schon cool auch … also mir fallen spontan nicht so viele Texte von der Länge ein, die mehr leisten als die hier.


MfG,

JuJu

 

Hallo Quinn

Horror...

...sagt man...
erzeugt Angst, Schrecken und Verwirrung.
Was erzeugt so eine Anhäufung von Buchstaben wie...
Nur ein Stück Schnur
Verwirrung... ja
...aber Angst und Schrecken?
Es gibt Geschichten die hätte man besser nicht gelesen.
...sagt man...
Es gibt Menschen die schreiben Geschichten die hätten sie besser nicht geschrieben.
...sagt man...
Es gibt Leser die finden alles Mögliche toll...
...sagt man...
aber es gibt auch Leser die über alles Mögliche meckern...
...sagt man...
Was ist Horror...
„Ach“, seufzte er
oder besser...
...wo stellen sich bei wem die Nackenhaare hoch und aus welchem Grund?
„Ach“, „Ach“ und nochmals „Ach“
Ja, aber...
Es braucht nicht viel
...aber manchmal ist nicht viel...
...zu viel...

Gruß, Keinstein

 
Zuletzt bearbeitet:

Keinstein: Ich kann's jetzt nicht mehr nachvollziehen, weil du die entsprechenden Geschichten von dir wohl gelöscht hast ,aber ich hab einen anderen Kommentar von dir gefunden und meine Antwort darauf, und daraus scheint es mir klar zu sein, dass ich wohl mal mit einem Kommentar deine zarte Autorenseele so verletzt habe, dass ich auf ewig nun deinen Zorn auf mich zieh.

Ich kann sehr gut damit leben, dass Leute Texte von mir nicht mögen. Ich mag viele auch nicht mehr. Ich hab aus negativer Kritik - auch hier im Forum . bewusst oder unbewusst viel gelernt. Aber halt so ein Kommentar wie deiner hier ... "Du hättest den Text besser nicht geschrieben" und bei "weil" - da kommt nix mehr.

Also ich kann mein Schreiben und meine Texte mittlerweile ganz gut einschätzen, aber ein Kommentar wie "Du hättest den Text besser nicht geschrieben" und dann werden immer 3 Worte aus dem Text zitiert, das ist - finde ich - einfach bescheuert und geht mir ziemlich gegen den Strich.
Was soll das? Kommentar als eigene Kunstform? Da fällt es auch durch.

Also wegen so Leuten wie dir und solchen Kommentare wie deinem hat man halt weniger Lust sich zu engagieren und Kommentare zu schreiben.
Ich hab dir vor Jahren wohl mal einen Text verissen, deshalb krieg ich dann Jahre später so einen Kommentar? - dann schreibt man halt keine Kommentare mehr zu schwachen Texten? Ist das wirklich die Lösung, mit dem man sich dann so einen Mist spart?
Dann stehen halt die miesen Texte von Autoren, deren Begabung eher in der Internet-Intellektualität liegt als im Schreiben, hier ohne Resonanz oder mit gemümmelten Einsatz-Dingern rum.

Es nervt halt. Die letzte Zeit ist es wieder seltener passiert, aber so ein, zweimal im Jahr gibt es doch diese eindeutigen Revanchekommentare - mich nervt das. Ich kann auch nicht mehr nachvollziehen, was dein Text damals war, was ich dazu geschrieben habe, ich kann mich - ehrlich gesagt - einfach nicht mehr dran erinnern. Du offensichtlich sehr gut.

Mir gehen Kommentare wie dieser hier gehörig gegen den Strich. Es geht bei Kommentaren nicht darum, irgendwie selbst eine Kunstform zu schaffen, weil man das mit Geschichten nicht hinbekommt oder was weiß ich, sondern es geht um Informationsvermittlung. Du vermittelst mir mit dem Kommentar überhaupt nichts.
Nervt.

Es gab hier einen Autor, der hat immer alle Texte von sich nach ein paar Monaten löschen lassen wegen genau solchen Revanche-Kommentaren. Ist das die Lösung?

Zu den restlichen Kommentaren schreib ich später noch was, das musste jetzt erstmal weg.

P.S.: Diese "der Kommentar als literarische Kunstform"-Sache ist mit das im Forum, was mir am meisten auf den Geist geht. Wenn man meint, sich künstlerisch betätigen oder selbst darstellen zu müssen, sollte man Geschichten schreiben, keine Kommentare.
Und wenn die Geschichten dann keiner liest, arbeitet man dran und schreibt bessere statt Kommentare aus Sicht eines Hundes oder Tagebücher in Kommentarform verpackt.
Kommentare in einem Literaturforum sollten für den jeweiligen Autor geschrieben sein, nicht für die Nachwelt oder was auch immer.

 

Hallo Quinn,

starker Tobak was Du da abläßt....

Über Jahre dauernde „Rachefeldzüge“ einer verwundeten Autorenseele... das währe ja wirklicher Horror... aber machst Du es Dir da nicht ein bisschen zu einfach?
Deinen Kommentar entnehme ich:
Kritik ja... immer und jederzeit... sie muß eben nur positiv sein und von einen von Dir anerkannten Fachmann stammen. Falls das nicht der Fall ist handelt es sich selbstverständlich um einen miesen Racheakt.

Jetzt noch mal ein paar Worte zu der Geschichte.
Sie ist eingestellt in der Rubrik -Horror-
deswegen meine Frage:

ja... was ist Horror... oder besser... wo stellen sich bei wem die Nackenhaare hoch und aus welchem Grund?
Sorry... aber mein Vorstellung von Horror ist eine Andere... es sei denn die Sätze mit dem Wörtchen sagt, sagte, sagt man oder ähnliche nervige Wiederholungen sind hier als Horror zu verstehen. Vielleicht verstehst Du jetzt dieses ewige
...sagt man...
welches Dich in meinen Ausführungen als
...eigene Kunstform?...
so gestört hat.

Ach ja... eine Bitte hätte ich da noch...
Bitte versuche beim Zitieren meiner Kommentare das wiederzugeben was ich geschrieben habe und nicht das was Du gelesen hast.


Gruß, Keinstein

 

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