Hey Jimmy,
wäre interessant, wenn das ein Maskenball-Text wäre, oder wenn ein 'Neuling' solch eine Geschichte hochgeladen hätte. Ich vermute mal, das Feedback würde nicht sonderlich positiv ausfallen. Oder der Text würde einfach ins Nirvana versinken. Ist natürlich nur 'ne sehr subjektive These jetzt.
Ich vermute aber mal, dass viele einfach nicht gewillt wären, diesen Aufwand zu betreiben, den du forderst.
Folgendes hast du Novak geschrieben:
Also ich glaube, der Leser muss den Text so nehmen, wie er ist, und dann auch in Kauf nehmen, nur ein wirklich kurz beleuchtetes Schlaglicht zu bekommen, zu dem er sich die backstory selber konstruieren kann, aber nicht muss.
Warum
muss der Leser das in Kauf nehmen, warum sollte er einen Text nehmen müssen, wie er ist? Denke ich das weiter, bedeutete das, so ein Text bliebe gänzlich unangreifbar. Funktioniert der nicht, dann ist halt der Leser nicht "einfühlsam" genug oder so. Mja, das ist schon auch eine arrogante Sichtweise des Autoren dann, finde ich, ohne dir das jetzt unterstellen zu wollen.
Was das Konstruieren angeht: Ich sehe das halt so, dass ein Autor Leser einlädt, seine Geschichte zu lesen, und die erwarte ich dann halt auch. Ist das falsch? Wenn ich zum Essen eingeladen werde und ich gehe dahin und der Gastgeber lehnt sich in seinen Sessel zurück, zeigt auf einen Topf voll Wasser, ne Menge Zutaten und sagt dann: Hier das kochende Wasser, da die Nudeln und alles andere, dann leg mal los, wenn du Pasta essen möchtest.
Ich weiß nicht, und wenn ich dann sagen würde: Alter! Das ist mir zu wenig, das habe ich mir anders vorgestellt! Und bekäme die Rückmeldung, meine Erwartungshaltung sei halt das Problem. Hm ...
Es braucht also, wie du ja auch selbst klar sagst, einen einfühlsamen Leser, um sich so einen Text zu nähern.
Für mich klingt das, als wäre jeder Leser, der weniger mit derart Texten anfangen kann, nicht einfühlsam genug.
Ich kann das selbst oft nicht und setze immer direkt meine eigenen Maßstäbe an den Text an, was manchmal oft einfach nicht richtig ist, weil ein Text immer auch ein Solitär ist, den man für sich genommen nehmen muss, und für den die eigenen Maßstäbe vielleicht überhaupt nicht zutreffen.
Was ist daran falsch? Ich meine, hier geht's um Texte, fiktive Geschichten, nicht mehr.
Ich verstehe schon, ist irgendwie beinahe ein philosophischer Ansatz - Dinge einfach mal so stehen zu lassen und so. Irgendwie ist das halt aber auch eine realitätsferne Sichtweise.
Ist doch klar, dass ich eigene Maßstäbe anlege - that's life, oder? Ich meine, um mich orientieren zu können in der Welt, ist das quasi Voraussetzung. Das heißt ja nicht, dass ich ablehnen muss, was meinen Maßstäben nicht entspricht, der Abgleich als solcher ist aber doch ganz normal. Gut, in der Regel lehnen wir tatsächlich meist ab, was den Maßstäben nicht entspricht - darüber kann man durchaus debattieren, ja, in der Kunstwelt läuft es aber doch einfach so ab, dass ich einen Roman, der angelesen wird, und nicht gefällt, eben zurück ins Regal gestellt wird. Dass man einen Film, der nicht gefällt, halt ausschaltet. Hat ja keine Konsequenz. Und konsumiere ich zu Ende, ist es doch legitim, wenn ich ein Urteil fälle,
weil von mir aus, meine Erwartungshaltung nicht erfüllt wurde. Daran ist nichts falsch, finde ich.
Okay - ist ja beinahe offtopic jetzt.
Ich mag deine Texte, Jimmy, ich finde auch prima, dass du dich immer wieder neu auszuprobieren versuchst. Das hat dich auf den Weg gebracht. Reduktion ist, denke ich, ein wichtiger Punkt (und Antrieb) für die Gestaltung deiner Geschichten, und dir ist da unheimlich viel gelungen auch - nicht umsonst fährst du auch Riesenerfolge ein .
Hier gehst du halt einen Weg, dem ich nicht folgen möchte, mir ist das auch zu wenig.
Die Kunst - die du auch beherrschst - liegt für mich darin, die Balance zwischen Gesagtem und Nicht-Gesagtem zu halten. Lücken zu lassen, die Leser selbst füllen können (das wäre dann die "geforderte" Transferleistung, die ich nachvollziehen kann), nicht aber, vom Leser zu fordern, er solle die ganze Geschichte selbst konstruieren - das bleibt Aufgabe des Autors, finde ich. Und das ist eben einer der Maßstäbe, den ich an Texte anlege, ja.
Weiß nicht, ob dir der Komm was bringt, aber ich denke, gerade weil du - wie du sagst - Neuland betrittst, mag das Feedback vielleicht statistisch eine kleine Rolle für dich spielen.
Danke fürs Hochladen
hell