Hallo Jimmy
Ich nehme den Text als das, was er ist. Dass du so was auserzählen könntest, ist klar. Entscheidend für mich ist, ob der Text in dieser Form funktioniert oder nicht.
Für mich hat er funktioniert. Das bedeutet, dass ich den Text weggelegt habe und er nachgewirkt hat. Dennoch habe ich dazu noch eine Überlegung, siehe weiter unten.
Mit der Plausibilität hatte ich keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Nur weil es diese Angebote gibt, heisst das noch lange nicht, dass sie auch immer genutzt werden. Allerdings hast du hier eine Zweierkonstellation. Ich habe mir das bisher so vorgestellt, dass eine Frau, die die Babyklappe nicht nutzt, alleine und verzweifelt handelt – vielleicht ist ihr nicht einmal bewusst, dass es diese Möglichkeit gäbe. Hier hast du allerdings den Typen mit dabei und da habe ich schon etwas gestutzt. Aber vielleicht kennt auch er diese Möglichkeit nicht. Vielleicht hat er Angst, da werde heimlich gefilmt und man käme ihnen auf die Spur. Der Dialog zur Decke weist ja in die Richtung, dass es ihm äusserst wichtig ist, nicht entdeckt du werden. Wie auch immer, es gibt Lesarten, die passen. Das funktioniert.
Ah, doch noch was: Die machen das am helllichten Tag (hellgelbe Schaumflocken). Intuitiv würde man da vielleicht den Schutz der Dunkelheit suchen. Auf der anderen Seite wollen die beiden, dass das Kind gefunden wird, also ist der Tag doch wieder besser.
Was für mich nicht ganz funktioniert hat, ist das „Sedaplus“. Ich musste das googeln, da steht „Kleinkinder“ und das war mir schon fast zu viel Information, zu früh. Ich dachte an Entführung oder Aussetzung. Bei der Decke war’s dann klar.
Also, dieses Sedaplus, weil es ein Fremdwort, ein Fachbegriff ist und weil der Text sehr kurz ist und das so früh kommt, da ist sofort klar, dass hier ein Schlüssel zur Geschichte serviert wird, ich empfand das als (zu) bewusst gesetzten Hinweis. Wenn der Typ nur fragen würde: „Schläft er?“ Dann brauchst du vielleicht etwas mehr Strecke, je nachdem, wann du den Leser verstehen lassen willst. Sobald klar wird, worum es geht, liest man auch anders, nimmt die Interaktion zwischen Typ und Frau anders wahr. Da kann man sehr gut steuern. Es wäre auch spannend, zunächst etwas Interaktion zu zeigen, und dann erst zur Sache zu kommen. Bei „Hügel wie weisse Elefanten“ kommt der Satz: „Es ist wirklich eine furchtbar einfache Operation“ erst nach etwa einem Drittel des Textes. Das wirkt dann ganz anders.
Den Dialog zur Decke finde ich sehr stark, da steckt alles drin, ist für mich der Kern des Textes. Interessant ist die Formulierung: „wo du die gekauft hast“. Das weist so ein wenig in die Richtung, dass er sich darum sorgt, dass sie entdeckt wird. Ich lese aber aus der Konstellation heraus, dass es vor allem er ist, für den etwas auf dem Spiel steht, er ist es, der nicht entdeckt werden will. Ich weiss nicht, ob sich das in der Aussage abbilden müsste, also dass er sich selbst auch erwähnt. Aber wenn er kontrolliert und manipulativ ist - und das muss er sein, wenn er sie dazu bringt, das zu tun, was sie tut - dann vielleicht auch in dieser Formulierung. Ich denke für dich mit, das ist alles nur zu deinem Besten!
„Wie du willst, natürlich.“
Finde ich sehr spannend. „Wie du willst“, wäre hart und kühl. Das würde sich nahtlos an „Die Decke da reicht“ anschliessen. Mit dem „natürlich“ hast du so ein kleines Entgegenkommen drin, einen etwas weicheren Ton. Und weil das das letzte Wort ist, das der Typ ausspricht, bekommt der Text dann am Ende noch mal eine leicht andere Note, also, das „natürlich“ hat mich überrascht. Ich denke da plötzlich auch daran, dass die beiden womöglich aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen. Dass er was zu verlieren hat, er ihr auch mal entgegenkommen muss, dass sie vielleicht minderjährig ist und er nicht, etc. Das wäre dann so zu erklären, dass er von der Schwangerschaft nichts gewusst oder sehr spät erfahren hat. Also, da kurbelt der Text schon was an, trotz seiner Kürze.
P.S. Während ich das schreibe, hast du den Satz rausgenommen. Das macht den Text härter, wie du selbst sagst. Aber das nimmt mir jetzt einiges weg. Schade!
Fast die Hälfte des Textes ist Landschaftsbeschreibung, ist mir noch aufgefallen. Die leistet viel, das ist gut gemacht, finde ich.
Den Titel mag ich nicht. Der klingt mir einerseits zu wenig ernst, also ich kann das nicht so recht begründen, aber bei diesem Titel erwarte ich eher eine Satire oder so. Und dann scheint er mir zu sehr in Richtung kopfloses Handeln zu weisen, und das entspricht nicht ganz dem, wie ich den Text gelesen habe.
Ich finde den Text gelungen. Ist natürlich ein mutiger Beitrag im Rahmen einer Challenge und lässt einen wegen seiner Kürze über die Kriterien nachdenken, aufgrund derer man seine drei Stimmen vergibt.
Lieber Gruss
Peeperkorn