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Noch lebst du

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14.08.2012
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Noch lebst du

Noch lebst du, Vinc, noch ist’s nicht vorbei mit dir - das waren die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, als ich erwachte. Die üblichen morgendlichen Gedanken. Mein Mund war trocken und mir war, als steckten Stahlnägel in meinem Schädel. Eine kratzige Zunge leckte über spröde Lippen, Herrgott, ich bekam die Augen einfach nicht auf, Herrgott, ging's mir elend. Herrgott, ich war noch keine fünfzig und ich pfiff aus dem letzten Loch.
Es gelang mir nicht, den Kopf zu heben. Ich spürte ein Ziehen an der linken Wange, als klebte sie irgendwo fest. Es fühlte sich an, als läge sie auf ... verdammt, ich hatte keine Ahnung, worauf ich da lag. Mein Kissen war das jedenfalls nicht.
Ich blinzelte, schaffte es endlich, ein Auge zu öffnen, und starrte geradewegs auf eine rosige Spalte, keine zehn Zentimeter vor meinem Gesicht. Ein Mund? Herr im Himmel, das träumte ich doch. Schließlich bekam ich auch das zweite Auge auf und ließ meine Blicke wandern. Langsam dämmerte mir der ganze Schlamassel, in dem ich da steckte. Mein Kopf lag auf einem … ja, auf einem Schenkel, einem wunderbar glatten Frauenschenkel. Glitzernde Schlieren zogen sich darüber, wie Silberadern, wie Spuren von Schnecken. Endlose Augenblicke verweilte ich in Betrachtung dieses Bildes, vollkommen reglos lag ich da und der Geruch, der mich umfing, ließ mich stumme Schreie in den Himmel schicken. Vorsichtig löste ich meine Wange von ihrem Lager, ich ging dabei so behutsam ans Werk, als wäre dieses Bein ein schlafendes Kind, und das zauberhafte rosige Ding schien mir dabei zuzuzwinkern. Vielleicht grinste es mich auch schelmisch an, keine Ahnung. Ich setzte mich auf und betrachtete minutenlang das Wunder, ich bemühte mich redlich, dieses Wunder in seinem ganzen Ausmaß zu begreifen … Elsie lag da in meinem Bett, schlafend, leise atmend, gänzlich nackt und zum Heulen schön. Die Haut rings um ihre Scham funkelte wie von Morgentau benetzt und mir stellten sich sämtliche Härchen auf, vermutlich schnitt ich sogar Fratzen.
Draußen brach der Tag an. Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über die Welt und mein Verstand stand in Flammen. Leise erhob ich mich, deckte Elsie mit dem Laken zu und taumelte in die Küche. Ich stellte Kaffee auf, ließ kaltes Wasser in die Spüle laufen und steckte gut eine Minute den Kopf rein. Allmächtiger, womit hatte ich dieses Wunder verdient?

Als ich mit dem Kaffee in der Hand in den Garten trat, empfing mich ein Morgen, der mir beinahe den Atem verschlug. Das nächtliche Unwetter hatte der Hitzewelle endgültig den Garaus gemacht und die Luft war von kristallener Reinheit. Ich atmete tief durch, lehnte mich an den Apfelbaum, steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen und schnupperte bei der Gelegenheit an meinen Fingern.
Ich blickte um mich. Die Pflanzen wirkten nach dem Regen wie ausgewechselt. Ringsum glitzerten die nassen Bäume und Sträucher in der Sonne und darüber dehnte sich ein endloser Himmel. Ich war knapp dran, auf die Knie zu sinken. Aber ist es eine Schande, bisweilen schwach zu werden und die Augen zusammenzukneifen, wenn einen das Wunder der Welt blendet? In der letzten Zeit waren die Freuden in meinem Leben nicht eben dicht gesät, die standen nicht gerade Schlange vor meiner Tür. Die Momente solchen Glücks warteten nicht mehr an jeder Ecke auf einen wie mich, mittlerweile konnte ich die an den Fingern abzählen. Ich hatte genug hinter mir, um mir jeden Zipfel davon zu schnappen, wenn ich einen erwischte. Hochmut war ein Vorrecht der Glücklichen, für uns anderen war das Leben vor allem ein Glücksspiel, man verlor stets mehr, als man gewann, soviel hatte ich längst kapiert. Spätestens damals, als Lauras Wagen unter diesen LKW geraten war.
Ich fühlte mich leicht wackelig auf den Beinen, das schon, aber gegen so einen Morgen war mein Brummschädel ein Klacks, so einem Morgen stand es wahrhaftig zu, ihm ein kleines Opfer zu bringen.

Zugegeben, gestern Abend hatte ich mehr getrunken als sonst, ach zum Teufel, in Wahrheit war ich bereits besoffen, als Elsie auftauchte.
Da stand die doch tatsächlich plötzlich vor meiner Tür und blickte mich mit großen Augen an, während ich mich an den Türrahmen klammerte wie ein Schiffbrüchiger an eine Planke, meine Fingernägel rissen Splitter aus dem Holz, kein Witz, gleich haut’s mich um, dachte ich, gleich legt’s mich auf die Fresse, was machte denn die hier?
„Du?“
Ob ich mich noch an sie erinnere, fragte sie mich, und ich, ich versuchte sie anzulächeln und ich musste dabei wohl dreingeblickt haben wie der letzte Schwachkopf, aber … ja, wie soll man denn lächeln, wenn man gleichzeitig mit den Zähnen knirschen muss, machte die Witze, meinte die das ernst?
„Ob ich mich an dich erinnere? Machst du Witze? Meinst du das ernst?“
„Na ja, äh, … war ja nicht gerade gestern … willst du mich nicht reinlassen?“
Und genau in diesem Augenblick, eben als ich ihr sagen wollte, das passe mir momentan leider überhaupt nicht in den Kram, wirklich jammerschade, so ein blödes Pech, eben als ich fieberhaft darüber nachdachte, welch haarsträubenden Zinnober ich ihr auftischen könnte - du wirst es nicht glauben, Elsie, ich hab die Windpocken ... nein, einen Stromausfall, nein, einen verdammten Wasserrohrbruch, das Wasser steht mir bis zum Hals, buchstäblich - was ja nicht einmal gelogen wäre, ja, genau in diesem Augenblick blies mir der Abendwind eine Handvoll ihres Duftes in die Nase. Die volle Ladung, als machte er sich ein Späßchen mit mir, der Wind. Äolus, dieser heimtückische Arsch.
„Äh, natürlich, klar, komm rein.“
War das tatsächlich ich, der das eben gesagt hatte? War ich vollkommen irre?
„Aber nicht erschrecken, Elsie, sollte ich kurz ohnmächtig werden. Oder tot umfallen.“
Und sie war reingekommen, scheu lächelnd und mit diesem versonnenen Blick, der mich schon vor acht Monaten schier um den Verstand gebracht hatte. Ob ich mich an sie erinnere … heilige Scheiße, hatte die eine Ahnung!
Ich lotste Elsie zum Sofa und machte uns zwei Bier auf. Dabei zitterten meine Hände, dass ich Angst hatte, die Flaschen zu zerdeppern.
„Weißt du, ich wollte dir nur das Buch zurückgeben.“
„Ach was, das hatte doch keine Eile.“
„Und weil doch deine Adresse drinsteht. Da dachte ich mir, ich bring’s dir einfach vorbei … Geht’s dir gut, Vinc?“
„Ja, ja … Magst du was essen, Elsie?“
„Was? Nein, danke. Wirklich nicht.“
„Wunderbar, ich mach dir schnell ’n Sandwich.“
Und schon war ich in der Küche verschwunden. Ich riss den Kühlschrank auf und kratzte eine Handvoll Eis aus dem Gefrierfach. Ich rieb mir das Eis ins Gesicht und in den Nacken, und die Grimasse, die ich dabei zog, hätte wohl dem hartgesottensten Mistkerl die Haare zu Berge stehen lassen. Mit klammen Fingern angelte ich mir den Gin aus dem Eisfach und genehmigte mir einen Schluck. Dann schnappte ich mir aufs Geratewohl ein paar Dinger aus dem Kühlschrank und schmiss alles auf einen Teller. Oliven, ein Stück Käse, eine verschrumpelte Grapefruit, ein Gläschen Dijonsenf, ein paar Schokokekse, ein Salatblatt, noch ein Salatblatt, ein Büschel Petersilie - ich war wie von Sinnen, ich war auf dem besten Wege, vollkommen überzuschnappen. Reiß dich zusammen, Vinc, reiß dich um Himmels Willen zusammen. Das ist nur eine Frau. Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, ich rubbelte mir mit den Händen übers Gesicht, ich fletschte die Zähne, ich kippte den ganzen Krempel in den Mülleimer. Ich nahm noch einen Schluck vom Gin.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, bemerkte ich, dass die Luft im Raum schon begonnen hatte, sich zu verändern. Ich stellte mich ans Fenster, wandte Elsie den Rücken zu und starrte in den Garten. Ich biss die Zähne zusammen.
Seit der Sache mit Laura war mir ja keine Frau mehr ins Haus gekommen, nicht eine, also nicht, dass sich in den zwei Jahren nichts ergeben hätte, meine Güte, ich war ein Mann und kein Mönch, aber in meine Bude hatte ich keine gelassen. Allein der Gedanke, dass Lauras Geruch verschwinden, gar vom Duft einer anderen Frau getilgt werden könnte, machte mich halb verrückt. Deshalb hatte ich ja auch nie ihre Sachen weggegeben, nach wie vor hingen ihre Klamotten im Schrank und das Badezimmer platzte aus allen Nähten. All ihre Shampoos und Cremes lagen da noch herum, all die Tiegelchen und Flakons, die Lotionen und Öle, ihre Lippenstifte und Parfumfläschchen und Haarbürsten, an denen zu riechen ich mir nicht versagen konnte, wenn die Nächte besonders schlimm waren. Mein Gott, ihr Morgenmantel. In dem vergrub ich bisweilen das Gesicht und raufte mir dabei die Haare.
„Du hast mich nie angerufen, Vinc.“
Wie hätte ich auch sollen? Sie telefoniere nicht besonders gerne, hatte sie gesagt, damals vor acht Monaten, als wir uns frühmorgens vor dem Raymonds verabschiedeten. Deshalb hatte ich gleich nach dem Nachhausekommen den Zettel mit ihrer Telefonnummer verbrannt, besoffen wie ich war. Auf der Stelle nämlich hätte ich sie sonst angerufen, oder spätestens zu Mittag. Ob ich sie treffen könne, hätte ich sie gefragt, ja, heute schon, gleich, sofort, nicht erst irgendwann. Ich hatte das Zettelchen angezündet und zugesehen, wie es in der Spüle vor sich hin gloste, während ich darauf wartete, dass der Kaffee fertig wurde. Dann trank ich schwarzen, bitteren Espresso, rauchte Zigaretten und ging die Wände hoch. Lieber Himmel, ich war mir vorgekommen wie ein bescheuerter Siebzehnjähriger, ich dachte, ich müsste durchdrehen.
Immerhin glaubte ich, mir ihre Adresse gemerkt zu haben. Und wenn es etwas gab, das ich gut konnte, dann war das Briefeschreiben. Das bildete ich mir zumindest ein, und ich versuchte mir auszumalen, dass ich mir das Wunder vielleicht herbeischreiben könnte. Ja, wie ein Wunder war Elsie mir erschienen an jenem Abend im Raymonds.
„Hast du mir zugehört, Vinc? Du hast mich nie angerufen. Warum?“
„Ich hab dir geschrieben, Elsie.“
„Was hast du?“
„Briefe geschrieben.“
„Was für Briefe? Was redest du da?“
„So zwanzig, dreißig werden es wohl gewesen sein, schätze ich mal.“
„Du hast mir Briefe geschickt?“
„Das hab ich nicht gesagt. Aber geschrieben habe ich sie … nicht der Rede wert eigentlich.“
„Was ist nur los mit dir, Vinc?“
Ich merkte, wie mir die Lage entglitt, wie das Eis, auf dem ich mich bewegte, immer brüchiger wurde. Sollte Elsie verschwunden sein, wenn ich mich jetzt umdrehte, sich klammheimlich aus dem Staub gemacht haben, wäre ich nicht wirklich überrascht, ich könnte es ihr nicht verübeln. Wer sucht schon freiwillig die Gesellschaft eines Mannes, der am Boden liegt, der schon längst ausgezählt ist. Ich drehte mich nicht um, unverdrossen starrte ich in den Garten, noch ließ ich ihr die Chance, einfach abzuhauen.
Mittlerweile war es beinahe Nacht draußen. Der Wind war kräftiger geworden und rüttelte an meinem Apfelbaum und die Wolken im Westen wurden immer wieder von Wetterleuchten erhellt. Das leise Donnergrollen bildete ich mir nicht ein.
„Setz dich zu mir, Vinc. Bitte.“
Ich riss meinen Blick vom Garten los und drehte mich endlich um. Elsie war noch da.

„Das hast du alles für mich geschrieben, Vinc?“
Nahezu eine Stunde hatte Elsie gelesen, und ich tigerte währenddessen durch den Garten oder lag in einem Liegestuhl auf der Terrasse, ich hatte ein Bier getrunken, den Himmel betrachtet und das Gewitter beschworen. Ich war hin und her geflitzt wie ein Bekloppter, ich hatte mich dabei ertappt, mit der Stirn am Stamm des Apfelbaumes zu lehnen und mir auf die Lippe zu beißen. Und ich hatte nachgedacht. Ich hatte darüber nachgedacht, ob es etwas Lächerlicheres gibt als einen Mann, der auf dem Boden liegt, ich hatte darüber nachgedacht, ob ich in meinem Leben da noch jemals dahinterkäme, ich hatte darüber nachgedacht, wie lange mir das Leben noch auf die Eier gehen wollte. Über lauter so Scheiß hatte ich nachgedacht. Aber im Ernst jetzt, die meiste Zeit lag ich lediglich im Gras und starrte in den Himmel.
Und jetzt stand Elsie über mir, den Packen Papier in der Hand, und selbst die Dunkelheit konnte mir nicht verbergen, dass sie geweint hatte. Sie kniete sich neben mich.
„Vinc. Ich wusste das nicht …“
Ein Blitz zerriss den Himmel. Und ein Donnerschlag. Und in dieser winzigen Sekunde gleißender Helligkeit sah ich die Tränen in ihren Augen und ich konnte erkennen, dass ihre Wangen gerötet waren, ich sah den Schimmer auf ihrem Haar und den Diamantsplitter in ihrem Ohrläppchen und den Glanz auf ihren Lippen und das kleine Muttermal neben ihrem linken Mundwinkel und die Gänsehaut auf ihren Schultern, ich sah das tatsächlich alles, ich sah das alles gleichzeitig, das bildete ich mir nicht ein, nein, ich meinte sogar, den Duft an ihrem Hals zu sehen und den Duft ihrer Haare und den Duft unter ihren Achseln und den Duft zwischen ihren Beinen. Als schleuderte ihr Körper Funkengarben. Es war ein Augenblick reinster Klarheit, ich sah das alles wirklich und plötzlich überfiel mich die Gewissheit, doch noch einmal aufstehen zu können.
Und ich streckte die Arme nach Elsie aus.
Und in diesem Moment brach das Gewitter los.
Und Windstöße wirbelten die Briefe durch die Luft.
Und Elsie stürzte sich auf mich.

 

Reiki Wuwu schrieb:
Du machst das schon ganz fantastisch bzgl. Wetter und Garten - darf ich fragen, ob du das "absichtlich" so reingeschrieben hast?
Darfst du natürlich, Reiki, und ich will dir auch aufrichtig antworten: Nein, ich hab's nicht absichtlich geschrieben. Ich habe nämlich ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer, was meine Muse, die in Gestalt einer wunderschönen Frau mir meine Geschichten einflüstert, sich dabei dachte.

Im Ernst jetzt, ich hab mich über deine schönen Worte wirklich sehr gefreut, Reiki. Aber natürlich auch über deine Anregungen nachgedacht:

Du könntest die Beschreibungen in der Geschichte noch ausweiten, wenn Du magst. Z.B. könnte das Haus/die Wohnung in der Vinc wohnt, seinen eigenen Seelenzustand noch stärker hervorheben. Evtl. ist es dort unordentlich, aber gemütlich (o.ä.). Garten, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer (wobei letzteres ja ersteres in der Geschichte ist), sind - hoffentlich nicht zu weit hergeholt - Stationen auf seinem Empfindungsweg,
Dass in der Geschichte noch einiges an ungenutzten Möglichkeiten steckt, ist mir durchaus bewusst, und im Vertrauen gesagt (ich hab's ja auch in meiner Antwort an Mix erwähnt), habe ich die Geschichte eigentlich gar nicht fertig geschrieben, also nicht fertig im Sinne meiner ursprünglichen Erzählintention.
Zwei Wochen nach dem Posten der Geschichte setzte ich mich aber noch einmal dran, um sie gehörig auszuarbeiten, auch weil einige Kommentatorinnen bedauert hatten, nicht mehr über Elsie erfahren zu haben. („Wer zum Teufel ist Elsie?“, wollten sie wissen.) Dann entstand allerdings eine ganz andere Geschichte. („Wer zum Teufel ist Uli?“) Keine Ahnung, was sich meine Muse dabei gedacht hat. Die war wohl mit dem Kopf nicht ganz bei der Sache.
Na ja, und als ich dann die neue Geschichte fertig hatte und glaubte, mich jetzt wieder in Ruhe Vinc & Elsie widmen zu können, war die undankbare Meute wiederum nicht gänzlich zufrieden gestellt. Die neue Geschichte höre auf, wo sie richtig spannend zu werden verspricht, jammerten sie. Gut, hab ich mir Luis & Uli noch mal vorgenommen und ein paar Szenen dazu geschrieben. Und jetzt bin ich einigermaßen ausgelaugt, zumal ich das alles ohne Hilfe meiner Muse bewerkstelligen musste. Die trieb sich währenddessen nämlich irgendwo herum. Vermutlich in Arkadien.
Aber wenn sie wieder auftaucht bei mir, werde ich deine Vorschläge gerne an sie weiterleiten.

Vielen Dank, Reiki.

offshore

 

Hihi, also wenn es eine Nymphe ist, dann ist sie bestimmt bei Pan und tanzt zu seinem Flötenspiel. - Ach, schreib doch mal ne Geschichte über Deine Muse! "Die Reise meiner Muse" ... ach, das wäre doch schön!

 

Hallo ernst,

wieder einmal schaffst du es, mich mit einem deiner Texte aus der Versenkung zu holen. Vorerst war ich ja etwas skeptisch, da ich bald merkte, dass da wohl kein einziges Stückchen Berg drin vorkommen würde, aber ich muss gestehen, du hast es einfach drauf, Felsbrocken hin oder her. Mir hat die Geschichte wirklich gut gefallen. Deine bildhafte Sprache und dein Auge für so kleine Details machen diesen Text lesenswert. Die Handlung selber würde ich eher als, tschuldige, banal bezeichnen, aber du machst was daraus. Und das finde ich eine große Leistung, denn aus einer einfachen Handlung nur mit gewaltigen Wortexplosionen einen Text zu zaubern, der einem im Gedächtnis bleibt, das können glaube ich nicht viele. Ich habe mir gedacht, ich zitiere ein paar dieser Stellen, damit du weißt, was ich ganz besonders schön fand, aber nachdem ich den gesamten ersten Absatz im Fenster hatte, lasse ich das lieber.

Aber ich wollte ja eigentlich noch was zum Text sagen:
Also über Elsie erfährt man nicht wahnsinnig viel, ich finde aber, das stört keineswegs, Fakt ist, dass sie Vinc endlich aus seiner Trauer befreien kann und da ensteht beim Leser das Gefühl, dass sie einfach eine tolle Frau sein muss. Vinc hingegen wirkt mit seiner Nervosität eher wie ein Teenager, aber weißt du was? Ich kauf dir das ab, dass der Vinc eigentlich schon ein alter Sa..., äh, ein Herr älteren Semesters ist und trotzdem fast die Bierflaschen zerdeppert. Natürlich würde ich gerne mehr über seine Laura erfahren, aber ich finde es ist nichts, was dem Text fehlt. Eine Kurzgeschichte eben. Eine tolle.

Ich lotste Elsie zum Sofa und machte uns zwei Bier auf.

Oh, wie romantisch! (Und das ist keine Ironie.)

Einzig das hier hat mich beim Lesen etwas gestört:

... wenn man gleichzeitig mit den Zähnen knirschen muss, machte die Witze, meinte die das ernst?
„Ob ich mich an dich erinnere? Machst du Witze? Meinst du das ernst?“

Diese Wiederholung gefällt mir nicht.

Und wie kannst du nur?:

Das nächtliche Unwetter hatte der Hitzewelle endgültig den Garaus gemacht und die Luft war von kristallener Reinheit. Ich atmete tief durch, lehnte mich an den Apfelbaum, steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen und schnupperte bei der Gelegenheit an meinen Fingern.

Na ja, damit ich zumindest mal ein bisschen was Negatives unter deine Geschichten schreiben kann. Aber ich befürchte, damit kannst du gut leben.

Danke für den Lesegenuss.

Gruß,
rehla

 

rehla schrieb:
Deine bildhafte Sprache und dein Auge für so kleine Details machen diesen Text lesenswert. Die Handlung selber würde ich eher als, tschuldige, banal bezeichnen, aber du machst was daraus. Und das finde ich eine große Leistung, denn aus einer einfachen Handlung nur mit gewaltigen Wortexplosionen einen Text zu zaubern, der einem im Gedächtnis bleibt, das können glaube ich nicht viele.Ich habe mir gedacht, ich zitiere ein paar dieser Stellen, damit du weißt, was ich ganz besonders schön fand, aber nachdem ich den gesamten ersten Absatz im Fenster hatte, lasse ich das lieber.
Du scheinst mir die perfekte Leserin für meine Texte zu sein, rehla. Nach wie vor nämlich tu ich mir mit dem Plotentwerfen echt schwer und versuche dann halt, mangelnde inhaltliche Substanz mittels schöner Sprache zu kompensieren. Bei dir scheint dieses Konzept aufzugehen und das freut mich wirklich.

Vinc schrieb:
... wenn man gleichzeitig mit den Zähnen knirschen muss, machte die Witze, meinte die das ernst?
„Ob ich mich an dich erinnere? Machst du Witze? Meinst du das ernst?“
Diese Wiederholung gefällt mir nicht.
Tja, diese Stelle ist wohl ein potentielles Opfer, wenn man das Kill your Darling-Verfahren anwendet. Als ich sie geschrieben habe, fand ich's als Wortspiel echt genial, nach dem fünften Mal lesen dann nicht mehr so, beim nächsten Mal dann fand ich's wieder toll, usw. Aber da du die erste und einzige bist, die es bisher bemängelt hat, lass ich's vorerst mal stehen.


Vinc schrieb:
Ich lotste Elsie zum Sofa und machte uns zwei Bier auf.
Oh, wie romantisch! (Und das ist keine Ironie.)
Ich ahnte es, dass wir zwei verwandte Seelen sind.

Vielen Dank, rehla.

offshore

PS

Vorerst war ich ja etwas skeptisch, da ich bald merkte, dass da wohl kein einziges Stückchen Berg drin vorkommen würde,
Ich will dir ja nicht zu viel versprechen, rehla, aber momentan habe ich die Idee für eine weitere Berggeschichte im Kopf. Dreimal darfst du raten, wem ich die dann widmen werde, sollte sie denn fertig werden.

 
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Hallo Ernst

Oder sterben.

Hm?

„Aber nicht erschrecken, Elsie, sollte ich kurz ohnmächtig werden. Oder sterben.“

Auf der Stelle nämlich hätte ich sie sonst angerufen, oder spätestens zu Mittag.

Natürlich habe ich solche Sätze schon oft gesehen. Dass die Geschichte, in der sie stehen, empfohlen wird, habe ich aber noch nie gesehen. Ein Gedankenstrich wäre jeweils besser.

Auch seltsam:

Spätestens damals, als Laura mit dem Wagen gegen den Baum gerast war.

Besser den Satz mit einem Komma anbinden. Er lottert sonst so rum.

Da stand die doch tatsächlich plötzlich vor meiner Tür und blickte mich mit großen Augen an, während ich mich an den Türrahmen klammerte wie ein Ertrinkender an eine Schiffsplanke, meine Fingernägel rissen Splitter aus dem Holz, kein Witz, gleich haut’s mich um, dachte ich, gleich legt’s mich auf die Fresse, was machte denn die hier?

Erstaunlich, das Gefüge beginnt als Aussagesatz und endet als Fragesatz. Wo hört das Eine auf und wo fängt das Andere an?

Worauf bezieht sich eigentlich der Ausruf: kein Witz?

  • Meine Finger rissen Splitter aus dem Holz, kein Witz.
    oder
  • Kein Witz, gleich haut’s mich um.
Oder stellt diese Stelle die Denkweise eines Trinkers dar: Alles fließt ineinander über. Aus Ernst wird Witz und aus Witz wieder Ernst, ohne dass man sagen könnte, wo das Eine anfängt und das Andere aufhört. Wenn das so ist, dann frage ich mich natürlich, wie es Elsie morgen ergehen wird. Er kann sie heute als Wunder bestaunen und morgen, so haltlos und zerfahren wie er denkt, genauso heftig als Schlampe beschimpfen.

Noch einmal dasselbe:

Ob ich mich noch an sie erinnere, fragte sie mich, und ich, ich versuchte sie anzulächeln und ich musste dabei wohl dreingeblickt haben wie der letzte Schwachkopf, aber … ja, wie soll man denn lächeln, wenn man gleichzeitig mit den Zähnen knirschen muss, machte die Witze, meinte die das ernst?

Sicher könnte man noch mehr zu dieser Geschichte sagen. Aber das Wichtigste habe ich bereits gesagt: Man sollte dieser Geschichte und ihrer Figur kritisch gegenüber stehen. Das reicht aus.

Gruß teoma

 

teoma schrieb:
Natürlich habe ich solche Sätze schon oft gesehen. Dass die Geschichte, in der sie stehen, empfohlen wird, habe ich aber noch nie gesehen.
Dass du das Urteil der empfehlenden Kritikerin in Frage stellst, tut mir natürlich leid, teoma. Ebenso tut mir leid, dass du offenbar mit meinem Stil nicht viel anfangen kannst. Ich befürchte allerdings, dass ich dich diesbezüglich auch in Hinkunft nicht zufrieden stellen werden kann. Schon deshalb, weil die Vielzahl der Kommentare, die eben dies, nämlich die sprachliche Gestaltung meiner Texte loben, mich darin bestärken, in genau dieser Art weiterzuschreiben.
(Vor allem wenn ich einen Protagonisten in der Ich-Perspektive erzählen lasse, pfeife ich ganz gerne auf grammatische Überkorrektheit und bemühe mich stattdessen, seine Gedankengänge möglichst authentisch darzustellen. Und dafür - und wenn es zusätzlich noch die Satzrhythmik verlangt - biege ich mir die Syntax allemal zurecht.)

teoma schrieb:
Sicher könnte man noch mehr zu dieser Geschichte sagen. Aber das Wichtigste habe ich bereits gesagt: Man sollte dieser Geschichte und ihrer Figur kritisch gegenüber stehen. Das reicht aus.

Vielen Dank für deine kritischen Gedanken, teoma.

offshore

 

Ich bin der Empfehlung gefolgt.

Mir gefällt deine Geschichte wirklich gut. Die Sprache, der Stil, es entstand bei mir ein herrliches Kofkino. Mir gefällt sehr, wie Vinc Elsie beschreibt. Sie muss wunderbar sein. Und ja, er liebte seine Laura und was immer auch passiert war, es hatte ihn schier um den Verstand gebracht und nachhaltig sein Leben beeinflusst. Was mich ein wenig erstaunt, das Vinc in diesem alkoholisiertem Zustand noch eine solch atemberaubende Nacht hinbekam. Anyway. Ich habe Bock mehr über Vinc zu erfahren und habe deine Geschichte mit Spannung und Freude gelesen. Viele Grüße Sabine

 
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Hallo Ernst

Wieso tut es dir leid, dass ich das Urteil der empfehlenden Kritikerin in Frage stelle? Das ist doch erstens nicht ungewöhnlich, dass Kritiker sich uneins sind, und zweitens nichts, das einem weh macht.

Ich befürchte allerdings, dass ich dich diesbezüglich auch in Hinkunft nicht zufrieden stellen werden kann.

Kann sein, wobei ich die Zukunft nicht kenne, kann also auch nicht sein.

Vor allem wenn ich einen Protagonisten in der Ich-Perspektive erzählen lasse, pfeife ich ganz gerne auf grammatische Überkorrektheit und bemühe mich stattdessen, seine Gedankengänge möglichst authentisch darzustellen. Und dafür - und wenn es zusätzlich noch die Satzrhythmik verlangt - biege ich mir die Syntax allemal zurecht.

Das kann man, weil einem niemand daran hindern kann. Als Kritiker muss ich dann rekonstruieren, wie der Satz wohl geschrieben wäre, wenn er normal (nicht überkorrekt!) geschrieben wäre. Das habe ich gemacht und kam dabei zu dem Schluss, dass man die ersten drei von mir zitierten Sätze mit genau demselben Sinn auch den Regeln entsprechend hätte schreiben können. Als Leser lese ich freilich über solche Stellen hinweg und denke bestenfalls: Komisch, dieser Satz, ist das nicht falsch geschrieben? Aber ich lese dann natürlich gleich weiter, weil ich nicht mitten in der Geschichte über Grammatik nachdenken will.

Bei den beiden anderen Sätzen, den langen Gefügen, liegt die Sache vielleicht anders. Wahrscheinlich kann man aber auch die schreiben, ohne dass man das Rad neu erfindet.

Gruss teoma

 
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dieBiene schrieb:
Ich habe Bock mehr über Vinc zu erfahren und habe deine Geschichte mit Spannung und Freude gelesen.
Das freut mich natürlich, Sabine, und es kann durchaus passieren, dass du irgendwann noch einmal was von Vinc zu lesen bekommst. Ich mag den Typen nämlich auch. Ein paar Ideen hab ich auch schon im Kopf. Mal sehen, ob was draus wird.

Vielen Dank, Sabine und willkommen hier.

teoma schrieb:
Wieso tut es dir leid, dass ich das Urteil der empfehlenden Kritikerin in Frage stelle?
Ganz einfach, teoma, weil ich, was mein Schreiben betrifft, ein eitler Hund bin. Und weil ich die Tatasche, dass du die Ansichten der empfehlenden Kritikerin nicht teilst, eben so verstanden habe, dass dir meine Geschichte nicht gefallen hat. Deshalb tut's mir leid.
Na ja, und im Grunde wollen wir doch alle, dass alle unsere Geschichten von allen gemocht werden.

teoma schrieb:
Das kann man, weil einem niemand daran hindern kann. Als Kritiker muss ich dann rekonstruieren, wie der Satz wohl geschrieben wäre, wenn er normal (nicht überkorrekt!) geschrieben wäre. Das habe ich gemacht und kam dabei zu dem Schluss, dass man die ersten drei von mir zitierten Sätze mit genau demselben Sinn auch den Regeln entsprechend hätte schreiben können.
Auch wenn du persönlich Ellipsen - um solche handelt es sich ja bei den von dir zitierten Beispielen -

teoma schrieb:
seltsam
findest, ich wüsste nicht, dass ihre Verwendung irgendwelchen Regeln widerspricht.

teoma schrieb:
Bei den beiden anderen Sätzen, den langen Gefügen, liegt die Sache vielleicht anders. Wahrscheinlich kann man aber auch die schreiben, ohne dass man das Rad neu erfindet.
Mir geht’s beim Schreiben weiß Gott nicht darum, das Rad neu erfinden zu wollen (das tu ich zur Genüge in meinem Brotberuf), mir geht’s nur darum, in einer Sprache zu schreiben, die ich nicht nur dem Charakter des jeweiligen Protagonisten als angemessen erachte, sondern die auch meinem ganz persönlichen alltäglichen Sprachduktus entspricht. Dass ich damit nicht jeden erreichen kann, ist mir natürlich klar, aber leid tun darf mir das doch trotzdem, oder?

Nochmals vielen Dank, teoma

offshore

 

Guten Morgen ernst offshore,

die Empfehlung deiner Geschichte hat mich hergelockt und wo ich schon mal hier bin, kann ich auch was sagen. Verzeih bitte, dass ich nicht die vielen anderen Kommentare gelesen habe, aber so bekommst du eine unvoreingenommene Meinung.
Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Ich mag diesen Vinc und seine Liebe und Bewunderung für Elsie. An den meisten Stellen finde ich auch die Wortwiederholungen gut eingesetzt, weil es einerseits seine persönliche Sprache/Denke ist, andererseits die jeweilige Situation verstärkt. Und ich mag deine Art seine Emotionen zu beschreiben. Du bringst diesen sympathischen Gefühlschaoten sehr glaubwürdig rüber.

Zwei Winzigkeiten habe ich dennoch.

Ich setzte mich auf und betrachtete minutenlang das Wunder, ich bemühte mich redlich, dieses Wunder in seinem ganzen Ausmaß zu begreifen …

Hier meine ich, könnte man ein Wunder anders benennen.

Und jetzt stand Elsie vor mir, den Packen Papier in der Hand, und selbst die Dunkelheit konnte mir nicht verbergen, dass sie geweint hatte. Sie kniete sich neben mich.
„Vinc. Ich wusste das nicht …“
Ein Blitz zerriss den Himmel. Und ein Donnerschlag. Und in dieser winzigen Sekunde gleißender Helligkeit sah ich die Tränen in ihren Augen

Er sieht in dem Moment, als der Blitz die Szene erhellt die Tränen in ihren Augen – woran hat er dann vorher festgemacht, dass sie geweint hat?

Woher hat Elsie die Briefe? Vielleicht muss es nicht sein, aber mir würde es besser gefallen zu wissen, ob/wie Vinc ihr die Briefe gegeben hat. Ich meine das könnte noch eine zusätzliche schöne Szene geben. Oder lagen die Briefe irgendwo rum und Elsie fand sie, als Vinc in der Küche oder im Garten war?

Eine wunderschöne Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe.

Liebe Grüße
Paloma

 

Servus Paloma

Paloma schrieb:
Du bringst diesen sympathischen Gefühlschaoten sehr glaubwürdig rüber.
Nun ja, einen vom Leben ziemlich gebeutelten Gefühlschaoten hatte ich beim Entwerfen der Figur des Vinc schon vor Augen, dass er darüber hinaus auf dich nicht wie ein haltloser Säufer wirkte, sondern dir sympatisch erschien, freut mich natürlich sehr. Ich mag den Vinc nämlich auch.

Zwei Winzigkeiten habe ich dennoch.

Ich setzte mich auf und betrachtete minutenlang das Wunder, ich bemühte mich redlich, dieses Wunder in seinem ganzen Ausmaß zu begreifen …
Hier meine ich, könnte man ein Wunder anders benennen.
Du bist jetzt immerhin die dritte, die sich daran stört. Ich werde über diese Stelle noch einmal nachdenken. Vielleicht fällt mir was Besseres ein.

Er sieht in dem Moment, als der Blitz die Szene erhellt die Tränen in ihren Augen – woran hat er dann vorher festgemacht, dass sie geweint hat?
Ich weiß nicht recht, ich glaub, ich hab mir das so vorgestellt, dass Vinc es einfach spürt oder ahnt.

Woher hat Elsie die Briefe? Vielleicht muss es nicht sein, aber mir würde es besser gefallen zu wissen, ob/wie Vinc ihr die Briefe gegeben hat. Ich meine das könnte noch eine zusätzliche schöne Szene geben. Oder lagen die Briefe irgendwo rum und Elsie fand sie, als Vinc in der Küche oder im Garten war?
Nein, die Briefe hat schon Vinc ihr gegeben. Vermutlich hat Elsie ihn darum gebeten. Aber das wollte ich nicht explizit beschreiben, weil's ja im Grunde egal ist. Hauptsache, Elsie liest die Briefe.

Vielen Dank, Paloma, für deine schönen Worte.

offshore

 

Hallo Ernst

Einerseits denke ich, dass ich nicht über deine Person reden und rechten will, weil es mir nicht um die geht, andererseits denke ich, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe geschrieben

Dass die Geschichte, in der sie stehen, empfohlen wird, habe ich aber noch nie gesehen.

Das stimmt nicht und war dumm.

Über die Sache mag ich aber sehr wohl reden. Reden wir also über Ellipsen und Satzzeichen, aber nicht über deine oder meine Eitelkeit.

Zur Sache:

Auch wenn du persönlich Ellipsen - um solche handelt es sich ja bei den von dir zitierten Beispielen -

Zitat von teoma
seltsam

findest, ich wüsste nicht, dass ihre Verwendung irgendwelchen Regeln widerspricht.

Aus einer Aufzählung wie

Martin hat drei Äpfel gekauft, Käse, Milch, Brot, fünf Bananen, Pfeffer und Salz.​

mache man also einen Satz und sechs Ellipsen

Martin hat drei Äpfel gekauft. Käse. Milch. Brot. Fünf Bananen. Pfeffer. Und Salz.​

Zum Vergleich ein paar Ellipsen

Mir nichts, dir nichts.
Je früher der Abschied, desto kürzer die Qual.
Ende gut, alles gut!
Was nun?
Hände hoch!
Sonst noch Fragen?
Noch jemand, der zahlen will?
Ohne Wenn und Aber.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Wer da?

Sie lassen sich vervollständigen, indem ausgelassene Satzergänzungen (meistens Prädikate) wiedereingesetzt werden. Der Oder-sterben-Satz lässt sich hingegen vervollständigen, indem das Zeichen weggelassen wird, das seine im Text noch vorhandene Ergänzung abtrennt.
Es geht mir also nicht um eine Regel, die das Schreiben von Ellipsen untersagt, sondern um eine willkürliche Schreibweise, die hier mehr und mehr zur Regel wird – es geht um die Mode, Zusammenhänge mit Satzzeichen zu zerstückeln.
Darum sage ich auch, dass die Sache bei den beiden langen Satzgefügen anders liegt. Ferner geht es in meinem Beitrag nicht allein um Satzzeichen sondern auch um die Frage nach der Denkweise des Protagonisten.

Das zur Sache.
Gruß teoma

PS: Falls dir ein erneuter Beitrag von meiner Seite unnütz scheint, kannst du es sagen. Dann lassen wir es gut sein. Den meisten Lesern gefällt ja, was du geschrieben hast.

 
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teoma schrieb:
PS: Falls dir ein erneuter Beitrag von meiner Seite unnütz scheint, kannst du es sagen. Dann lassen wir es gut sein.
Ich denke zwar, teoma, dass wir zwei uns in stilistischen Fragen, überhaupt in Fragen, was nun eine gute Geschichte ausmacht, nicht so schnell werden einigen können und wir bei einer Diskussion darüber vermutlich nie auf einen grünen Zweig kämen, andererseits stehen in deinem letzten Beitrag ein paar Dinge, zu denen ich einfach noch was sagen will.
Das beginnt schon mit der Einleitung:

Einerseits denke ich, dass ich nicht über deine Person reden und rechten will, weil es mir nicht um die geht, ...
Was du denkst sei dir natürlich unbenommen, ich verstehe allerdings nicht, warum du denkst, explizit darauf hinweisen zu müssen, nicht über mich als Person reden und rechten zu wollen. Es sollte sowieso immer nur der Text zur Debatte stehen, und nicht der Autor. Obendrein kennst du mich ja gar nicht.

... andererseits denke ich, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe geschrieben

Dass die Geschichte, in der sie stehen, empfohlen wird, habe ich aber noch nie gesehen.
Das stimmt nicht und war dumm.
Ich habe das nicht als dumm empfunden, sondern als eine durchaus legitime Meinungsäußerung.

Über die Sache mag ich aber sehr wohl reden. Reden wir also über Ellipsen und Satzzeichen,
Natürlich können wir jetzt endlos über die Begriffsbedeutung von „Ellipse“ diskutieren. Möglicherweise habe ich den Begriff zu unbedacht in den Mund genommen, indem ich ihn eher im Sinne eines Stilelements und weniger im Sinne einer streng definierten rhetorischen Figur verwendete, aber so sehr weicht meine Ansicht, was darunter zu verstehen ist, von deiner vermutlich nicht ab.

Sie lassen sich vervollständigen, indem ausgelassene Satzergänzungen (meistens Prädikate) wiedereingesetzt werden.
Da stimme ich mit dir überein.

Der Oder-sterben-Satz lässt sich hingegen vervollständigen, indem das Zeichen weggelassen wird, das seine im Text noch vorhandene Ergänzung abtrennt.
Hier allerdings, teoma, verstehe ich wirklich nicht, was du mir damit sagen willst. Warum sollte ich den „Oder-sterben-Satz“ vervollständigen wollen, wenn in meinen Augen dadurch der Ausdruck verfälscht würde?
Der Satz ist doch wörtliche Rede von Vinc. Vinc sagt was Punkt Und dann fällt ihm noch was dazu ein. So reden die Leute im wirklichen Leben nun mal. Und dazu müssen sie nicht einmal Trinker sein.
Und die anderen Beispiele, die du anführst, sind zwar nicht wörtliche Rede, sondern Gedanken von Vinc, also insofern eigentlich eh dasselbe.

Es geht mir also nicht um eine Regel, die das Schreiben von Ellipsen untersagt, sondern um eine willkürliche Schreibweise, die hier mehr und mehr zur Regel wird – es geht um die Mode, Zusammenhänge mit Satzzeichen zu zerstückeln.
Noch einmal, ich hab die Schreibweise nicht aufs Geratewohl gewählt, sondern um mittels der Sprache die Verfasstheit von Vinc zu vermitteln. Darüber, ob das hier(?) nun Mode ist oder nicht, hab ich mir ehrlich gesagt nicht den Kopf zerbrochen.
Was meinst du überhaupt mit hier? Das wk-Forum?

Ferner geht es in meinem Beitrag nicht allein um Satzzeichen sondern auch um die Frage nach der Denkweise des Protagonisten.

Ich weiß schon, du meinst das:

Oder stellt diese Stelle die Denkweise eines Trinkers dar: Alles fließt ineinander über. Aus Ernst wird Witz und aus Witz wieder Ernst, ohne dass man sagen könnte, wo das Eine anfängt und das Andere aufhört. Wenn das so ist, dann frage ich mich natürlich, wie es Elsie morgen ergehen wird. Er kann sie heute als Wunder bestaunen und morgen, so haltlos und zerfahren wie er denkt, genauso heftig als Schlampe beschimpfen.
Diese Frage habe ich vorgestern nicht überlesen, teoma, allerdings wusste ich nicht recht, was ich dir darauf antworten soll. Ich kann dir höchstens sagen, ich hab keine Ahnung von der Denkweise von dem Typen, ich kenne ihn ja nicht, ich hab nur ein wenig über ihn geschrieben. Dass in sehr vielen Kommentaren gerade die Charakterzeichnung des Vinc besonders hervorgehoben wird, bestätigt mich allerdings in der Meinung, den Protagonisten nicht gar zu indifferent beschrieben zu haben.

Aber ich seh schon, wir reden hier wirklich über unterschiedliche persönliche Auffassungen. Über die lässt es sich zwar trefflich streiten, allerdings auch meist vollkommen ergebnislos.

Danke jedenfalls für deine neuerlichen Gedanken, teoma.

offshore

 

maria.meerhaba schrieb:
… [die Geschichte] macht für einen klitzekleinen Moment das Leben schön und ich als Leser bin überglücklich über Vinc

Ehrlich, maria, ich glaub, das ist das schönste Kompliment, das ich jemals zu einer meiner Geschichten bekommen habe.

Ganz lieben Dank dafür.

offshore

 

Lieber ernst offshore,

was sich alles in den Weiten der Wortkriegerwelt findet und durch das Copywrite hervorgekramt wird. Diese feine Geschichte zum Beispiel, die vom Alter nicht ergraut, frisch und wahrhaftig zu mir strahlt, wie wahrscheinlich am ersten Tag (da gabs mich hier noch gar nicht). Was man gegen sie einwenden könnte: Warum zum Teufel rennt Elsie dem Trauertrinker Vinc hinterher, den ich mir ungepflegt und dünstend vorstelle? Klar, als sie die Briefe gelesen hat, bemerkt hat, wie rührend der Kerl ist, aber zuvor? Was natürlich auch so eine Männereinstellung zeigt, lonely tiger sozusagen, der aufgrund seines abgewrackten Zustands die empathischen Fraueninstinkte weckt. Na ja, lassen wir das und feiern die Kraft der Gefühle, die du hervorlockst, den offshoreschen Tonfall, den ich sehr mag, (fehlt nur noch Giovanni Ravioli).

Textstellen:

Glitzernde Schlieren zogen sich darüber, wie Silberadern, wie Spuren von Schnecken.
hübsches Bild:Pfeif:

Die Haut rings um ihre Scham funkelte wie von Morgentau benetzt und mir stellten sich sämtliche Härchen auf, vermutlich schnitt ich sogar Fratzen.
ist vielleicht gewollt, aber da musste ich grinsen und hoffte, Elsie wacht jetzt nicht auf

steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen und schnupperte bei der Gelegenheit an meinen Fingern.
dieser süße, verdammte Sexfluidgeruch :D

, während ich mich an den Türrahmen klammerte wie ein Ertrinkender an eine Schiffsplanke,
ziemlich oft gehörter Vergleich

blies mir der Abendwind eine Handvoll ihres Duftes in die Nase.
:Pfeif:

und die Grimasse, die ich dabei zog, hätte wohl dem hartgesottensten Mistkerl die Haare zu Berge stehen lassen.
schon wieder Comedy-Einlage, klingt nach Giovanni

verschrumpelte Grapefruit, ein Gläschen Dijonsenf, ein paar Schokokekse, ein Salatblatt, noch ein Salatblatt,
der Dijonsenf passt nicht ganz, weil du in der restlichen Aufzählung unspezifisch bleibst

und ich versuchte mir auszumalen, dass ich mir das Wunder vielleicht herbeischreiben könnte.
gutes Motto, mach mal, Ernstl

„Das hab ich nicht gesagt. Aber geschrieben habe ich sie … nicht der Rede wert eigentlich.“
so süß, so offshore

Über all diesen Scheiß hatte ich nachgedacht. Aber im Ernst jetzt, die meiste Zeit lag ich lediglich im Gras und starrte in den Himmel.
mm, wieder ne Klamaukeinlage

Als schleuderte ihr Körper Funkengarben.
:Pfeif:

Und in diesem Moment brach das Gewitter los.
Und Windstöße wirbelten die Briefe durch die Luft.
Und Elsie stürzte sich auf mich.
mm :shy:

Hoffe, du hast den Kühlschrank gut gefüllt fürs Wochenende und den Champagner nicht vergessen
viele Grüße
Isegrims

 
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Isegrims schrieb:
Warum zum Teufel rennt Elsie dem Trauertrinker Vinc hinterher, den ich mir ungepflegt und dünstend vorstelle?
Ach Schneckchen! Warum um Himmels Willen tust du das denn? Also dir so einen Unfug vorstellen. Ich mein, das Großartige am Lesen ist doch, dass man sich - im Unterschied zum Film - die Figuren nach eigenem Gutdünken vorstellen kann. Wenn du nun Vinc als, was weiß ich, als so eine Art versifften Mickey Rourke in Barfly siehst, bist du doch selber schuld. Warum denkst du nicht an einen unheimlich smarten Typen, der da im Raymonds der Elsie aus Brautigans Troutfishing in America vorliest? In schwarzer Levis, grauem Seidenhemd und dem vom geliebten Opa geerbten Inspektor-Colombo-Mantel zum Beispiel. Und dabei nach, keine Ahnung, nach Gauloises und GinSul riecht und nach Heidekraut und Äpfeln und Sonnenuntergang am Polarkreis. Oder so. Und erst seine eisblauen Augen, die in ungemein spannungsreichem Kontrast zum grauen Fünftagebart stehen. Und dazu seine Stimme … Mann!
Ein verkommener Säufer?
Nein. Ein vom gnadenlosen Leben arg gebeutelter armer Hund, der sich trotz allem wacker auf den Beinen hält. So musst du dir den Vinc vorstellen. :D

Wirklich schön, Ise, dass du diese alte Herz-Schmerz-Torte wieder ausgegraben hast. Ich mag sie nämlich nach wie vor sehr gern.

Offtopic

Hoffe, du hast den Kühlschrank gut gefüllt fürs Wochenende und den Champagner nicht vergessen.

Nix Champagner, Bier. Viel Bier.
(Bis vor wenigen Stunden wusste ich nicht, dass in meinen Kühlschrank 92 0,5l-Dosen Bier reinpassen. Jetzt weiß ich’s. Dank offshore Junior II, der in meiner Bude morgen seinen achtzehnten(!) Geburtstag feiert.
Und ich verabschiede mich jetzt ins Waldviertel. Bis mindestens Sonntagabend. :Pfeif:)

Tschüss, Ise, und danke.

offshore

 

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