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Kurz vor Schluss

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10.07.2007
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Kurz vor Schluss

Ich wache auf, weil Nick vor meinem Bett steht und mich anstarrt. Keine Ahnung wie er das macht, aber ich werde jedes Mal wach, ohne dass er mich anfasst oder etwas sagt.
„Ist was passiert?“, frage ich, obwohl ich schon weiß, dass es so sein muss. Er weckt mich nie ohne Grund. Meine Mutter hat immer gesagt, eines Tages werde ich den Weltuntergang verschlafen. Nick würde mich lassen.
„Die Dahlkamps haben heute Nacht die Abkürzung genommen“, sagt Nick.
Mit einem Schlag bin ich richtig wach. „Scheiße. Mit den Kindern?“
„Ja. Tut mir leid. Aber es wird warm heute. Wir sollten gleich anfangen.“
Ich hasse es, wenn Leute die Abkürzung nehmen. Es ist so egoistisch, keiner denkt daran, dass hinterher jemand aufräumen muss. Aber wenn man Kinder hat, kann ich es sogar irgendwie verstehen. Wie soll man das aushalten, jeden Tag in ihre Augen zu schauen und zu wissen, dass sie nie erwachsen werden und einen enttäuschen können? Und wenn es schlaue Kinder sind, stellen sie irgendwann Fragen, die man nicht beantworten will. Oder kann.
Die Dahlkamps haben es wenigstens sozialverträglich gemacht. Nicht wie dieser Arsch in der Platanenstraße, der seine ganze Familie erschossen hat, eine furchtbare Sauerei. Hier waren es Tabletten, nehme ich an. Und sie haben einen Zettel in unseren Briefkasten gelegt, damit wir es nicht erst am Geruch merken. Gute Nachbarn, bis zuletzt.
Trotzdem bedeutet das, dass wir vier Körper zum Krematorium bringen müssen, zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann. Sie waren Zwillinge, höchstens ein oder zwei Jahre vorher geboren. Vor dem Tag, an dem wir alle erfahren haben, dass es eine schlechte Idee ist, noch Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin so froh, dass Nick und ich uns nicht sicher waren, ob wir ein Baby wollen.
Wir haben echt Glück, dass der Motor den Biodiesel anscheinend ganz gut verträgt. Ich weiß nicht, was wir ohne Auto machen würden. Wenn da jemand die Abkürzung nähme, oder einfach einen Herzinfarkt hätte, was sollten wir dann machen? Ich verstehe total, dass jetzt keiner mehr auf Ölbohrplattformen arbeiten will, aber ich bin wirklich dankbar, dass es Alternativen gibt. Wenn es die dicke Omi von gegenüber erwischt, glaub ich nicht, dass wir das mit dem Lastenrad hinkriegen.
Das sind keine netten Gedanken. Pietätlos, hätte meine Mutter gesagt. Aber anders schafft man das nicht. Nick und ich helfen oft beim Aufräumen, wenn Leute abkürzen. Wir haben langsam so was wie Routine. Wir wissen, du kannst dabei an alles denken, nur nicht an das, was du gerade machst.
„Ich will heute ins Museum“, sage ich. „Kommst du mit?“
„Klar. Wenn du dich in Farbe wälzt und deinen nackten Hintern an die Wände drückst, lass’ ich mir das nicht entgehen.“
„Arsch“, sage ich.
„Von mir aus“, sagt Nick. „Aber das klingt so unfein. Nicht besonders künstlerisch.“
Ich will nicht lachen, nicht mit einer toten Familie auf dem Anhänger. Aber es blubbert einfach aus mir raus. Und es fühlt sich gut an.
Nick und ich sind stark. Wir passen aufeinander auf. Von uns beiden wird keiner die Abkürzung nehmen, und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.

Wir wollen nicht auf die Asche warten. So gut haben wir die Dahlkamps nicht gekannt. Alex wird sich darum kümmern. Gar kein Problem, sagt er, während er in meinen Ausschnitt schielt. Ich wünschte, heute wäre jemand anderes im Dienst.
Alex ist eigentlich ganz in Ordnung, wenn man ihn näher kennt. Und wir kennen ihn gut, weil wir so oft hier sind. Es ist nur schwer auszuhalten, wie er jedes Mal wieder mit seiner Nummer anfängt.
„Wieder ein paar Opfer, die drauf reingefallen sind“, sagt er. „Ich versteh’ nicht, warum die Leute das nicht kapieren, dass die den Mainstreammedien einfach jeden Schwachsinn abkaufen. Es gibt keine Beweise für eine Hypernova. Null! Die Dinger sind so selten, es gibt vielleicht eine in einer Million Jahren pro Galaxie. Und dass es ganz in unserer Nähe passiert, und der Gammablitz genau auf die Erde trifft, das kannst du vergessen.“
Ich könnte mit ihm streiten, aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, den Spucketröpfchen auszuweichen. „Vielleicht haben sich die Astronomen ja verrechnet“, sage ich.
Vielleicht steigerst du dich jetzt nicht rein und ersparst mir den Rest des Vortrags.
„Oh nein, das war kein Irrtum. Die haben gewusst, was sie tun“, sagt er. Wieder einmal.
„Bevölkerungskontrolle, darum geht es. Ich meine, von all den Dingen, die uns umbringen könnten, das Klima, Atombomben, Meteoriten, soll es ausgerechnet so ein Scheiß-Blitz sein? Da hätten sie auch gleich die Zombieapokalypse vorhersagen können! Aber die Schafe haben es natürlich alle geschluckt, genau wie es geplant war.“
Ich weiß nicht, was für ein Plan das gewesen sein soll. Schritt eins, sag den Leuten, die Erde hat noch fünf bis zehn Jahre, bevor alles Leben ausgelöscht wird, ein dummer kosmischer Zufall und alles ist vorbei. Schritt zwei: Alle schmeißen hin, Regierungen brechen zusammen, Selbstmorde überall. Schritt drei: Profit! Aber ich sage nichts. Jeder hat seine eigene Art, mit der Sache umzugehen, und vielleicht sind Verschwörungstheorien sogar die beste. Auf seine Art ist Alex wohl ganz glücklich. Schade, dass ich nicht so gestrickt bin.
Nachdem er seine ganze Predigt abgespult hat, ohne dass jemand widersprochen hat, scheint Alex nicht mehr zu wissen, was er sagen soll. Er fängt an zu pfeifen. Ich glaube, er arbeitet hier, weil es ihm ein Gefühl von Überlegenheit gibt. All die Leute, die abkürzen – für ihn sind das alles Schafe, die auf die Propaganda reingefallen sind.
Ich unterschreibe die Papiere. Es gibt nicht mehr viel Bürokratie, aber wenn es um den Tod geht, bemühen wir uns darum, die Form zu wahren. Zumindest die meisten von uns.
„Schönen Tag noch“, sagt Alex zwischen zwei Pfeifmelodien.
„Danke“, sage ich. Das Wort fällt aus meinem Mund wie ein Stein.
Der Weg nach draußen kommt mir viel zu weit vor. Wenn ich eines Tages nicht mehr könnte? Würde er dann auch pfeifen?
Nick legt einen Arm um mich. „Hey“, sagt er. „Denkst du was Trauriges?“
„Unsere Nachbarn haben sich umgebracht“, sage ich.
Er schüttelt den Kopf. „Eva, nicht. Sie haben die Abkürzung genommen. Jeder entscheidet für sich.“
Ich atme tief durch. „Du hast Recht. Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.“

***​

Wenn Nick schläft und ich ihn anstarre, passiert nichts. Ich teste das eine ganze Weile. Dann probiere ich es mit einem Kuss. Als das auch nichts bewirkt, ziehe ich ihm die Decke weg.
„Sorry“, sage ich. „Es ist alles in Ordnung, aber wir haben den Termin um zehn. Und mit wir meine ich dich.“
„Kein Problem“, sagt er. „Danke fürs Wecken.“
„Frühstück?“ frage ich.
„Lieber nicht. Aber hinterher kriege ich so viel Eis wie ich will.“
„Nix da, das ist bei Mandeln. Die sind weiter oben.“
Nick schiebt die Unterlippe vor und ich muss lachen. Er lächelt auch, aber ich kann sehen, dass ihm nicht danach zumute ist.
„Fahren wir?“
„Es ist um die Ecke“, sage ich.
„Aber hinterher …“, sagt er.
„Hinterher hole ich dich ab, und du kriegst so viel Eis wie du willst.“
Beinahe hätte ich gesagt „Sei kein Baby“, aber ich habe die Kurve gekriegt. Manchmal schaffe ich es, einem Fettnäpfchen auszuweichen.
Es stimmt nicht, dass wir nicht sicher waren, ob wir Kinder wollen. Ich war nicht sicher.
Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, aber das macht es nicht leichter für ihn.

Der Arzt ist supernett. Er entschuldigt sich hundert Mal dafür, dass es mit dem Termin so lange gedauert hat– die Nachfrage zurzeit ist riesig. Sie werden anrufen, wenn es vorbei ist, damit ich Nick abholen kann.
Ich nehme seine Hand. „Alles okay?“
„Klar. Alle sagen, die Spritze wäre das Schlimmste, alles andere ist halb so wild.“
„Ich liebe dich“, sage ich.
„Ich liebe dich auch“, sagt er.
„Du musst auch immer das letzte Wort haben“, sage ich, und er zeigt mir den Mittelfinger.

Es wird nicht lange dauern. Ein winziger Eingriff, hat der Arzt gesagt.
Ich gehe solange zum Markt. Mal sehen, ob es Eis gibt.
Einkaufen hat sich sehr verändert. Eigentlich kann man es gar nicht mehr so nennen. Seit wir keine Zukunft mehr haben, interessiert sich niemand mehr für Geld.
Viele Leute verbringen sehr viel Zeit in den Gärten. Mich lenkt das nicht genug ab, aber es ist gut, dass es für so viele funktioniert. Um diese Jahreszeit bedeutet es: Tonnenweise Erdbeeren.
„Eva! Du nimmst ein paar, oder?“
Margarete. Sie hat sich auch sehr verändert. Bevor die NASA es bestätigt hat, ist sie morgens als Erste in der Straße aus dem Haus und abends als Letzte wieder heimgekommen. Und am Wochenende hat man sie nur gesehen, wenn sie sich beschweren kam, weil die Kinder im Hof zu laut waren.
Jetzt sieht man sie entweder im Gemeinschaftsgarten oder hier. Ich bin immer noch nicht sicher, ob sie jemals schläft, aber sie wirkt viel zufriedener. Und ihre Erdbeeren sind die besten.
„Ja, ich nehme gern welche“, sage ich.
Sie reicht mir einen Beutel – genau die richtige Menge für zwei Leute, die gerne Erdbeeren essen.
„Deine Kette ist hübsch“, sagt sie.
„Cool, oder? Ist aus Papier“, sage ich. „Eine Freundin von mir bastelt grade eine nach der anderen.“
„Papier, ehrlich? Die Perlen sehen so …“
„Nimm sie“, sage ich spontan, und löse den Verschluss.
„Nicht doch“, sagt Margarete, aber ich drücke ihr die Kette in die Hand. Irgendwie fühlt es sich gut an, mal wieder etwas gegen etwas anderes zu tauschen. Fast so, wie wir früher eingekauft haben.
„Meine Freundin wird sich freuen, wenn sie mir noch eine basteln kann“, sage ich. „Sie sagt, es lenkt sie ab.“
„Na dann … vielen Dank“, sagt Margarete. Sie legt die Kette um, sorgfältig, als wäre es ein Ritual. Dinge, die ablenken, sind wichtig. Wir alle brauchen irgendetwas, und wir alle respektieren, was für andere funktioniert.
„Weißt du, ob der Eismann heute da ist?“, frage ich.
Sie lacht. „Er hat gesagt, er will kommen. Aber man kann nie sicher sein. Wenn er an seinen Erfindungen herumschraubt, vergisst er manchmal, welcher Wochentag ist.“
Ich lächle, verabschiede mich und mache Platz – hinter mir ist inzwischen eine kleine Traube von Leuten, die Erdbeeren wollen.
Ich beschließe, auf den Eismann zu warten. Es ist nicht so leicht. Stille, einsame Momente, in denen ich nichts zu tun habe, machen mich nervös. Was, wenn es genau jetzt passieren würde, wo Nick nicht bei mir ist? Wo das letzte, was ich zu ihm gesagt habe, ein blöder Witz war? Aber ich kämpfe dagegen an. Ich setze mich auf eine Bank, fühle die Sonne auf meiner Haut, höre dem Plätschern des Springbrunnens und dem Gurren der Tauben zu. Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.
Und ich werde belohnt – von weitem ist die Melodie des Eiswagens zu hören. Der Eismann hat ihn selbst gebaut, und obwohl er viele andere Dinge baut, ist das jetzt sein Name und wird es bleiben, jedenfalls solange er niemandem verrät, wie er eigentlich heißt.
Das Schlimme am Eismann ist, dass er so viele Kinder anlockt. Aber daran denke ich jetzt nicht. Ich habe eine Mission.
„Was kann ich denn für dich tun?“, fragt der Eismann.
„Möglichst viel und möglichst viele verschiedene Sorten“, sage ich. „Mein Freund hat heute eine Mandel-OP.“

Gerade als ich die ganze Beute verstaut habe, klingelt mein Handy. Ich fahre zum Krankenhaus, wie ich es versprochen habe.
Nick humpelt ein bisschen auf dem Weg zum Auto, und ich versuche, mitleidig dreinzuschauen, aber es ist schwer, weil ich so erleichtert bin. Endlich müssen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen. In letzter Zeit war es nicht mehr so einfach, Kondome zu bekommen.
„Ich hoffe, dir ist wirklich nach Eis“, sage ich. „Das ganze Gefrierfach ist voll.“
„Hmm“, sagt Nick.
„Tut es weh?“ frage ich.
„Nicht wirklich“, sagt er und schaut aus dem Fenster. Dann schweigt er, bis wir zuhause sind.
„Hey“, sage ich. „Denkst du an was Trauriges?“
Endlich sieht er mich wieder an. „Ja“, sagt er.
Ich überlege nicht lange. „Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher? ̍ fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen? ̍ Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“
„Der ist so was von schlecht“, sagt Nick. Aber er lacht.
Humor, denke ich. Ob es eine Möglichkeit gibt, den ins Museum zu bringen?

***​

Das Museum ist eigentlich ein Bunker. Es geht das Gerücht um, dass es als eine Art Rettungskapsel gedacht war, mit künstlicher Sauerstoffversorgung, hydroponischen Gärten, gigantischen Vorräten an Konservendosen, Wasser und Medikamenten. Für eine Handvoll Reicher und Mächtiger, die glaubten, so könnten sie sich retten. Aber als das herauskam, heißt es, haben die Arbeiter sich einfach geweigert, das Ding zu Ende zu bauen.
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die einzige Quelle für die Geschichte ist Olli, und er ist nicht gerade objektiv. Olli trinkt eine Menge selbstgebrannten Fusel, und er ist so eine Art Kommunist.
Er tut mir leid. Sein Leben lang hat er davon geträumt, dass so etwas passiert, dass die Menschen aufhören, nach der Pfeife der korrupten Eliten zu tanzen, dass jeder in Freiheit leben kann und alles geteilt wird. Und nun ist es soweit gekommen, aber nur, weil in ein paar Jahren die Welt untergeht.

Als wir das Museum entdeckten, war es bloß ein Treffpunkt. Leute, die gern reden und andere zum Reden suchten. Das andere hat sich nach und nach ergeben.
Nichts Lebendiges wird überleben. Vielleicht ein paar Bakterien in der Tiefsee. Aber was wäre, wenn eines Tages Außerirdische landen? Oder wenn sich aus den übriggebliebenen Bakterien wieder komplexe Lebensformen entwickeln, eine neue Zivilisation?
Wir wissen alle, dass es nicht besonders wahrscheinlich ist. Im Grunde ist das, was wir machen, so etwas wie Religion. Aber wir wollen ihnen etwas hinterlassen, den zukünftigen Besuchern des Museums. Ihnen sagen, dass es uns gegeben hat. Vielleicht sogar, wer wir waren. Angefangen hat es mit der einfachsten Höhlenmalerei – Hände mit Farbe bestrichen und an die Wände gedrückt. Fast alle, die irgendwann dazukommen, tun das – wie eine Signatur. Das mit den Ganzkörperabdrücken haben nur ein paar gemacht, und nur ein einziges Mal, auch wenn Nick immer noch Witze darüber reißt.
Inzwischen ist jedenfalls viel mehr daraus geworden. Ein riesiges verrücktes Projekt, oder viele kleine verrückte Projekte.

Nick arbeitet gerne mit den Leuten, die Artefakte für das Museum sammeln. So gut wie alles, was nicht nach ein paar Jahrhunderten zu Staub zerfällt, ist ein Artefakt, Sachen aus Metall, Stein, Glas oder Kunststoff, vielleicht sogar welche aus Holz. Die schwierige Frage ist, wie man den Besuchern klar machen könnte, wozu diese Dinge einmal gut waren. Nick beschäftigt sich nicht viel mit der Theorie. „Ich trage einfach gern Sachen durch die Gegend“ sagt er. Und es stimmt. Er war schon immer der einzige, der sich freiwillig gemeldet hat, wenn jemand Umzugshelfer brauchte. Er mag körperliche Anstrengung, aber nur, wenn sie einen Zweck hat. Sport ist ihm zu langweilig, sagt er.

Ich arbeite gerne mit Lien. Ihr Projekt gefällt mir am besten.
Es scheint einfach richtig, den Besuchern zu zeigen, dass es nicht nur uns gegeben hat.
Inzwischen hat unser Team viele Wände gefüllt, und ich muss erst mal eine Weile suchen, bevor ich Lien finde. Der neue Raum ist den Fischen gewidmet. Drei von vier Wänden sind schon mit Umrissen in allen Größen gefüllt.
„Schön, dass du kommst“, sagt Lien. „Ich mache hier erst mal Schluss. Der Mandarin-Kurs, du weißt schon.“
Ein paar Leute vom Artefakt-Team sind der Meinung, man müsste alles im Museum beschriften. Natürlich werden die Besucher keine von unseren Sprachen lesen können. Um ihnen etwas zu erklären, bräuchte es eine Art Rosetta-Stein, aber die Schwierigkeit ist eben, dass der Rosetta-Stein seinerzeit nur etwas genützt hat, weil man eine der Sprachen darauf schon kannte. Und jetzt ist jemand auf die Idee gekommen, dass es mit chinesischen Schriftzeichen vielleicht gehen könnte, weil man für jedes Wort nur ein einziges Zeichen braucht.
„Glaubst du, dass es funktionieren wird?“, frage ich.
„Nein“, sagt Lien und lächelt. „Aber das macht doch nichts. Die Leute wollen lernen. Es lenkt sie ab. Und ich mache es auch gern.“
„Na dann viel Spaß“, sage ich. „Lass mich ruhig mit den Haien alleine.“
Lien sieht mich prüfend an. „Ist bei dir alles okay?“, fragt sie.
„Mir geht’s prima“, sage ich.
„Na dann“, sagt Lien.
Ich nehme mir ein Buch und beginne, die Fische in den richtigen Farben auszumalen. Liens Umrisszeichnungen sind perfekt. Die fertigen Bilder sehen beinahe lebendig aus. Mir gefällt die Vorstellung, dass eines Tages irgendein kleines Alien durch das Museum watschelt und erkennt, dass an den Wänden Lebewesen dargestellt sind, die es einmal hier gegeben hat. Und beim Ausmalen kann ich alles vergessen.
Ich male und male, und erst als Lien zurück kommt, merke ich, dass mein Nacken steif ist und meine Finger weh tun.
„Die sind super geworden“, sagt sie. „Vor allem der Hammerhai.“
„Ja, oder? Ich finde, das ist unser bester Raum bisher. Es ist wie ein Denkmal für all die Tiere.“
„Die Besucher werden keine Ahnung haben, dass wir die meisten von ihnen ausgerottet hätten, wenn der Blitz nicht gekommen wäre“, sagt Lien.
Ich stutze. So ein Kommentar ist ungewöhnlich für sie.
„Ist bei dir alles gut?“, frage ich.
„Alles bestens. Ich weiß, die meisten Leute finden es komisch, aber ich bin jetzt glücklicher als vorher. Ich habe Biochemie studiert, weil meine Eltern das wollten, und mich nichts getraut. Weißt du, was ich meine?“
„Ich glaube schon“, sage ich.
„Nick wartet oben auf dich“, sagt Lien. „Ich glaube, er ist ziemlich k.o. Sie haben Musikinstrumente hergebracht, Klaviere und so.“
Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin. Aber glücklich.
Wir umarmen uns kurz, dann greift Lien wieder zum Pinsel. Sie gehört auch zu den Menschen, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie jemals schlafen.

Auf dem Weg zu Nick versuche ich mir vorzustellen, ich wäre ein Besucher in einer fernen Zukunft, der das Museum zum ersten Mal sieht. Es ist ein buntes, absurdes Sammelsurium. Kunstwerke und Alltagsgegenstände, die kreuz und quer in den Räumen herumstehen. Tausende Bilder an den Wänden, Landschaften, Gegenstände, Porträts von Menschen, und in den Räumen von meinem Team: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Käfer, Käfer, Käfer, Käfer. Keine Chance für die Besucher, irgendwas zu verstehen, chinesische Schriftzeichen oder nicht. Aber es ist wunderschön. Und es fühlt sich immer wieder gut an, hierherzukommen. Wir tun, was wir wollen. Wir arbeiten zusammen oder für uns allein, je nachdem, was besser funktioniert. Wir sind kreativ. Und wir lassen jedem seinen Raum, auch den Leuten, die unbedingt Ganzkörperabdrücke hinterlassen wollen.
Warum, denke ich, haben wir so was erst kurz vor Schluss hinbekommen? Wir haben auch vorher gewusst, dass wir irgendwann alle sterben werden.
Vielleicht sind meine Augen feucht, als ich beim Eingang ankomme. Nick liegt in einem Sessel, der wahrscheinlich nicht wegen seiner Artefaktqualitäten hier gelandet ist. Aber er springt sofort auf, als er mich sieht.
„Hey“, sagt er. „Denkst du an was Trauriges?“
„Ich weiß nicht“, sage ich.
„Komm“, sagt er. „Wir haben immer noch jede Menge Eis.“

 

Friedrichard schrieb:
ist doch der Traum näherungsweise als Wunscherfüllung in westgermanistischer Sprache definiert worden, der Alb(druck, ist "Alb" sächl.?, keine Ahnung soeben, dass die Wortzusammensetzung sicherer ist) sein Antipode.

So gesehen und (selbst nachgeschlagen) stimmt das natürlich. Ich war eher so auf den nächtlichen Traum, der per se ja nicht schlecht oder schön sein muss. Der kann ja auch völlig sinnfrei oder belanglos sein. Wenn man aber Traum gleich Wunsch setzt (und so ist es etymologisch wohl) dann ... hatten/haben die Germanen zwei Wörter dafür :D.

 

Oh je, ich sage doch, ich werd alt! Ich habe die ganze Zeit befürchtet, bei den vielen Kommentaren durcheinander zu kommen, und jetzt sehe ich, dass das schon passiert ist …

Hallo Gefrierpunkt – meine Antwort vom 07.01., die ich an Wortmann adressiert hatte, bezog sich natürlich auf deinen Kommentar … sorry! :shy:

Ich hoffe bloß, ich habe niemanden vergessen. Falls sich noch jemand übergangen fühlt, schreibt mir bitte eine Nachricht!

Gut, ich mache mal weiter, hoffentlich ohne Kommentare zu verwechseln.

Hallo rieger,

Deine Geschichte gefällt mir besonders im Tonfall, der originell ist und das so aus der Hinterhand, dass man davon überrascht wird, nicht auf dem Tablett serviert, sondern so aus der Seite.
Hehe. Deine Beschreibung finde ich auch sehr originell!

Und wenn man das apokalyptische als Metapher nimmt, kann man es einfach auch auf Ende und Tod beziehen für jeden persönlich.
Genau. Das Leben ist so oder so endlich. Eigentlich braucht es keine Apokalypse, um sich zu entscheiden, das Beste daraus zu machen und mit seiner Zeit etwas Gutes anzufangen.

Schöne Eve Klein-Hommage
Ich muss gestehen, Eve Klein sagt mir nichts. :shy:

Das ist eine super Schlussüberlegung, die sich auch aufs normale Leben beziehen lässt. Oftmals glückt Entscheidendes doch erst im letzten Moment, oft braucht man den Druck, um zu Potte zu kommen, um Dinge anzupacken, die man vorher für unveränderbar hielt.
Du meinst, so wie eine Deadline, wo man dann kurz vorher doch noch den Text fertig schreibt? Ja, das kenne ich gut. :)

Vielen Dank für den bewegenden Text und herzliche Grüße
Vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar!

Hallo Novak,

Will eigentlich keine Zeile mehr schreiben. Manchmal hab ich hier einfach zu viel gemacht, und dann schlägt das Pendel nach hinten aus.
Ich freue mich natürlich sehr, dass du trotzdem einen Kommentar geschrieben hast, aber du hast wirklich so viel gemacht in letzter Zeit, da muss man sich dann irgendwann auch regenerieren, das ist doch klar. Du hast offiziell meinen Segen dafür, in dem Fall auch mal nicht zu kommentieren. :)

Was ich so bemerkenswert finde an deinem Text ist das hier: Er hat keinen Konflikt. der jedenfalls keinen vordergründigen, denn alle Hauptfiguren schicken sich ja in ihr Los.
Ich würde sagen, der Konflikt findet im Inneren der Leute statt. Die kämpfen ja schon gegen Angst und Traurigkeit. Aber halt nicht untereinander.

Und trotzdem oder vielleicht sogar deswegen funktioniert der Text wahnsinnig gut und ist dabei ausgesprochen sympathisch und liebenswert. Wirklich wunderschön.
Ist ja kein Wunder, dass so langsam vorwärts komme mit dem Kommentarbeantworten. Jedes Mal, wenn mir jemand so was schreibt, muss ich erst mal eine Weile vor Freude auf und ab hüpfen :bounce: … deshalb dauert es so lange, bis ich dazu komme, mich zu bedanken.

Du zeigst das ohne Rührseligkeit, ohne Pathos, ohne bescheuerte Moral.
Da bin ich echt froh, dass darüber so weitgehende Einigkeit herrscht. Denn davor hatte ich am meisten Angst, dass es rührselig wird.
Eine Moral schon drin, das hab ich meistens. Aber ich gebe mir immer Mühe, die irgendwie so zu verpacken, dass es als „das denke ich“ rüber kommt und nicht als „das solltest du denken, Leser“.

Kein Hollywoodschinken. Ein unspektakulärer isländischer Film voller Härte und Wärme, und genau deswegen so wunderbar.
Härte und Wärme, das ist gut. Vielen Dank für deinen Kommentar!

Hallo Achillus

das ist eine tolle Geschichte, die gefällt mir sehr gut, nicht nur, weil ich Endzeitgeschichten mag, sondern weil hier für meinen Geschmack fast alles stimmt. Meine Kritik betrifft daher Kleinigkeiten. Kannst Du auch drüber weg lesen, sind im Grunde akademischer Natur.
Auf keinen Fall lese ich da drüber weg, akademische Diskussionen sind doch toll!

Der Euphemismus die Abkürzung nehmen ist für mein Empfinden nicht hundertprozentig glaubwürdig, weil sich darin eine religiöse Note befindet, für die es im Text keine Begründung gibt. Abkürzen können wir lediglich Strecken, die mühsam oder lästig sind, um dann an den Ort oder die Situation unserer Wünsche zu gelangen. Wir würden beispielsweise nicht auf die Idee kommen, einen Kinofilm oder einen Roman abzukürzen, denn es ist ja klar, dass der Wert in den Aktivitäten selbst liegt und nicht darin, sie möglichst schnell hinter sich zu bringen.
Das ist ein gut nachvollziehbarer, logisch schlüssiger Kritikpunkt. Ich denke aber, Sprache und die Entwicklung von neuen Ausdrücken und Redewendungen funktioniert nicht so logisch. Wir sagen ja zum Beispiel auch „die Sonne geht auf/unter“, obwohl wir wissen, dass es die Rotation der Erde ist, die dafür verantwortlich ist und die Sonne überhaupt nichts macht.

So ist das auch ausnahmslos für alle nichtreligiösen Menschen, also für diejenigen, die nicht an ein Leben nach dem Tod glauben. Abkürzen kann man nur etwas, wenn es ein Danach gibt. Eine Abkürzung hat stets ein Ende, nämlich den Zielpunkt. Für Atheisten und Agnostiker kann der Tod aber niemals ein Zielpunkt sein.
Es ist ja nicht gesagt, dass die Menschen in der Geschichte mehrheitlich nicht religiös sind. Auf Eva trifft das zu, sie sagt an einer Stelle, das Museum wäre „im Grunde so etwas wie Religion“, das würde ein gläubiger Mensch wahrscheinlich nicht so ausdrücken. Aber neue Ausdrücke setzen sich ja durch, wenn sie die Mehrheit verwendet. Und man muss ja an die Vorstellung, die hinter so einem Ausdruck steckt, auch nicht unbedingt glauben, um den zu verwenden. Wenn jemand sagt „fahr zur Hölle“, dann glaubt der wahrscheinlich auch nur in seltenen Fällen wirklich an eine Feuergrube mit mistgabelschwingenden Teufeln. :)

Deshalb funktioniert der Begriff Abkürzung sinnvoll nur für Menschen, die den mühsamen, leidvollen Weg zu einem Leben nach dem Tod abkürzen wollen, indem sie sich töten.
Ich denke nicht, dass das Ziel unbedingt ein Leben nach dem Tod sein muss. Auch Menschen, die daran nicht glauben, nehmen sich manchmal das Leben. Das Ziel kann auch sein, Leiden zu beenden. Und ich denke, das spielt bei dem Ausdruck „die Abkürzung nehmen“ eine Rolle. Dieser Zustand, auf das Ende zu warten, ohne zu wissen, wann es kommt, ist psychisch sehr belastend und wird für manche Leute irgendwann unerträglich, und das wollen sie abkürzen.

Ein zweiter Punkt betrifft den behaupteten Trend zu massenhaften Sterilisationen. Das widerspricht dem Verhalten der Menschen in Katastrophensituationen. Immer wenn Menschen glauben, am Abgrund zu stehen, kommt es zu massenhafter Fortpflanzung.
Ich denke, eine Katastrophe und das Warten auf eine Katastrophe sind zwei verschiedene Dinge. Eine Naturkatastrophe oder ein Krieg, da sterben viele Menschen, aber es gibt Hoffnung, dass es danach wieder aufwärts gehen wird. Und da wird sich fleißig fortgepflanzt, das stimmt.
Wenn man aber damit rechnen muss, dass es nie wieder aufwärts geht … dann hören die Leute auch nicht auf, aber es wird schon einige dazu bewegen, ihre Familienplanung zu überdenken. Ich meine, gelesen zu haben, dass es im Kalten Krieg, als die Angst vor einem Atomkrieg auf dem Höhepunkt war, zu Geburtenrückgängen gekommen ist, die man durchaus auch damit in Verbindung bringt, dass die Menschen pessimistisch in die Zukunft geblickt haben.
Ich habe ja nichts davon geschrieben, dass sich da 90% der Menschen sterilisieren lassen. Das wird vielleicht immer noch eine kleine Minderheit sein, aber eben mehr als vorher, so dass die Ärzte nicht jedem sofort einen Termin geben können.

Ein letzter Punkt, auch eine Kleinigkeit. Du erzählst die Geschichte primär über Dialog und gedankliche Reflexion. Der Leser sieht von den Verhältnissen relativ wenig direkt, sondern kann meist nur aus dem Reden oder Denken der Protagonisten darauf schließen. Anders ausgedrückt: In Deiner Geschichte gibt es keine Kamera, die filmt, sondern Leute, die reden. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn Du danach strebst, es epischer zu gestalten, wenn Du ein wenig Atmosphäre hineinbringen willst, dann müsstest Du die Welt dieser Geschichte auch direkt zeigen, mit der Kamera aus dem Fenster schauen, eine Straße entlangfahren usw.
Das ist sehr gut auf den Punkt gebracht. Das liegt wohl vor allem daran, dass ich es schwierig fand, die Geschichte zu erzählen. Die Figuren hatte ich aber sehr klar vor Augen, und irgendwann habe ich mich dann einfach von deren „Stimmen“ leiten lassen, damit ich beim Schreiben vorwärts komme. Aber das mit der Kamera ist ein guter Hinweis auf jeden Fall. Da werde ich bei den nächsten Texten versuche, stärker drauf zu achten.

Sehr gern gelesen, Perdita.
Das freut mich sehr! Vielen Dank für deine Gedanken zur Geschichte!

Hallo Fliege,

ich hab das wirklich gern gelesen, nur war es zu Ende und ich so - Hä?, jetzt muss doch mal was passieren. Ich hatte schon gedacht, mein Drucker hat die Hälfte gefressen. Und heute Morgen musste ich erst mal die Kommentare studieren, um mein nebulöses Bild zur Geschichte irgendwie zu fassen zu bekommen, in welchen ich mich wiederfinde und in welchen nicht. Nicht falsch verstehen, ich mochte die Geschichte wirklich gern, ich konnte nur am Ende so gar nichts damit anfangen. Klingt jetzt sicher verwirrend, ich fühl mich aber auch so
Ich kann das total gut verstehen. Ich habe vorher noch nie eine Geschichte mit „Seltsam“ getaggt, aber mir ging es, nachdem ich die zu Ende geschrieben hatte, auch so, dass ich den Text einerseits sehr mochte, andererseits aber auch nicht so richtig wusste, was ich davon halten soll …

Nur ist halt so, ich dachte beim Lesen schon, nie und nimmer. Mein Menschenbild ist am Arsch, habe ich wieder festgestellt. Schön, dass es Leute wie Dich gibt! Ehrlich.
Das ist auch nicht mein „normales“ Menschenbild. Ich weiß schon, dass die Menschen in der richtigen Welt sich leider meistens nicht so verhalten, wie ich mir das in einer Idealvorstellung ausmalen kann. Und das war teilweise richtig anstrengend, die Stimme in meinem Kopf beiseite zu schieben, die immer gesagt hat „also realistisch gesehen müssten die ja eigentlich …“.

Einerseits finde ich Realismus wichtig – man sollte es vermeiden, sich was vorzumachen oder alles durch eine rosarote Brille zu betrachten. Und ich finde grundsätzlich eine pragmatische, nüchterne Sichtweise auf die Welt sympathisch – ich fand den Spruch „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“ eigentlich immer ganz cool

Andererseits ist eine bessere Welt halt nur möglich, wenn man sich eine vorstellen kann.

Und zurzeit habe ich das Gefühl, dass man das tatsächlich ein bisschen üben muss. Unheimlich viele Menschen sind unzufrieden, die meisten wissen, dass der Status quo Mist ist und nicht aufrecht erhalten werden kann. Aber nur wenige wissen, was sie stattdessen wollen, ganz zu schweigen davon, wie man darauf hinarbeiten könnte.

Und deshalb habe ich das mit den Visionen eben mal ausprobiert. Es ist zwar eine Endzeitvision geworden, aber immerhin … Babyschritte. :lol:

Und dann habe ich überlegt, was das Gegenwort zu Albtraum ist, weil ich das hier als - ja, eben das Gegenteil davon empfinde, und festgestellt, gibt es nicht.
Stimmt, gibt es nicht. Utopie passt schon am besten, glaube ich.

Das ganze Museum habe ich dann weniger interessiert gelesen, wenn es auch nett ist. Aber - na ja - dieses Hinterlassen von Spuren der eignen Existenz, Unsterblichkeit - ich weiß nicht. Also so im Großen, unsere Welt einer anderen Welt (einem anderen Universum) zeigen, das geht für mich in Ordnung, aber wenn klein Posemukel aus Irgendwo seine Memoiren schreibt, dann denk ich immer, mach, tut niemanden weh, aber auch so ein Gedanken, der mir nie kommen würde, weil ich denk, so wichtig bin ich echt nicht. Die Welt wird wunderbar ohne mich weiter zurecht kommen.
Das ist sicher Typsache. Da sind ja auch keine Massen versammelt im Museum, das ist so eine Gruppe von Leuten, die den Gedanken, irgendjemand findet das vielleicht mal, irgendwie tröstlich finden. Also natürlich tun die das vor allem für sich selbst. Dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass das irgendwen sonst im Universum irgendwann mal interessiert, was sie da hinterlassen, ist ihnen ja durchaus bewusst.

Gestern fiel im Gespräch mit den Studenten bei mir im Theater der Satz: Wäre doch schön, wenn jeder das tun könnte, worauf er Lust hätte. Zustimmendes Nicken. Ich so: "Und wer von Euch würde im Altersheim den Leuten den Arsch abwischen? Müll entsorgen? Sich freiwillig im Kundenservice den ganzen Tag beschimpfen lassen, weil irgendwas nicht funktioniert?" Keiner hat sich gemeldet. Kunst, Reisen, Bildung und -tada- Garten, waren die Favoriten des Abends. Und für das andere, da finden sich sicher auch welche. Solche Antworten sind es, warum ich zwie in der Diskussion um das Grundeinkommen bin.
Beim Grundeinkommen bin ich auch sehr unsicher. Irgendwie habe ich die Befürchtung, da stecken nicht überall menschenfreundliche Überlegungen dahinter. Sondern eher so „wir brauchen ja auch dann noch Konsumenten, wenn alles von Maschinen produziert wird“.

Ich denke aber nicht, dass unangenehme, anstrengende Aufgaben grundsätzlich nur dann erledigt werden, wenn Zwang dahinter steht.

Seit einer Weile bin ich Mitglied bei einer Solawi (Solidarische Landwirtschaft)-Kooperative, und ich war am Anfang ziemlich skeptisch, ob die hohen Ideale – solidarisch, basisdemokratisch, selbstorganisiert – in der Realität funktionieren. Es gehört z.B. dazu, dass alle Mitglieder ein paar Tage im Jahr auf dem Acker mithelfen, wofür man sich aber freiwillig anmeldet, ohne dass einer kontrolliert, ob man seine vorgesehenen Tage wirklich macht. Und man könnte ja denken, dann hoffen alle drauf, dass sich schon andere dafür finden, oder es fahren alle nur hin, wenn schönes Wetter ist und gerade was anliegt, was Spaß macht – aber es sind tatsächlich auch dann Leute da, wenn Unkraut gejätet wird oder im Herbst die Möhren aus dem feuchten, kalten Lehmboden gezogen werden müssen. :)

Also wenn die Geschichte eines bewirkt hat, dann solche Gedanken in mir auszulösen und mich selbst mal wieder zu hinterfragen. Das ist eigentlich echt viel, wenn ich so drüber nachdenke.
Deshalb wollte ich so eine Geschichte schreiben.

Ich wünsche Dir ein zauberhaftes Wochenende!
Das wünsche ich dir auch!

So, ich kann es kaum glauben, aber es sieht so aus, als hätte ich tatsächlich aufgeholt und erst mal allen geantwortet … dann komme ich jetzt hoffentlich dazu, ein paar andere Geschichten zu kommentieren.

 

Hallo Perdita,

obwohl deine Geschichte eine rosafarbene Utopie zeigt, ein happy ending, das vor einer drohenden Apokalypse als Szenario zwar vorstellbar, aber wenig wahrscheinlich ist, fühlt es sich gut an, total, scheiß gut, fast so, als wolle man eigentlich genau in dieser Welt leben, die du schilderst, friedlich, versöhnt und (so blödsinnig das klingt) hoffnungsvoll. Mir kam die Geschichte eher wie der Anfang eines Romans vor, den ich unbedingt lesen wollte, deshalb war ich sehr enttäuscht, dass der Text irgendwann einfach auslief. Immerhin gab’s genug Eis. Wann schreibst du das nächste Kapitel? (wäre natürlich eine Herausforderung, schließlich müsstest du zeigen, dass eben doch nicht alles so glatt läuft, die Konflikte sich nicht auf Vasektomie, Kondome und private life beschränken, die Eliten weiter herrschen und sich der monetäre Aspekt nicht ganz wegleugnen lässt, aber sprachlich-stilistisch würdest du diese Hürden bewältigen.

Textstellen:

„Die Dahlkamps haben heute Nacht die Abkürzung genommen“, sagt Nick.
Mit einem Schlag bin ich richtig wach. „Scheiße. Mit den Kindern?“
„Ja. Tut mir leid. Aber es wird warm heute. Wir sollten gleich anfangen.“
super. Wie du mit einem Gesprächsfetzen Spannung aufbaust.

Ich verstehe total, dass jetzt keiner mehr auf Ölbohrplattformen arbeiten will, aber ich bin wirklich dankbar, dass es Alternativen gibt.
warum gerade Ölplattformen?

„Klar. Wenn du dich in Farbe wälzt und deinen nackten Hintern an die Wände drückst, lass’ ich mir das nicht entgehen.“
„Arsch“, sage ich.
„Von mir aus“, sagt Nick. „Aber das klingt so unfein. Nicht besonders künstlerisch.“
okay, der Witz ist platt, aber im Dialog past es wieder.

Schritt eins, sag den Leuten, die Erde hat noch fünf bis zehn Jahre, bevor alles Leben ausgelöscht wird, ein dummer kosmischer Zufall und alles ist vorbei. Schritt zwei: Alle schmeißen hin, Regierungen brechen zusammen, Selbstmorde überall. Schritt drei: Profit! Aber ich sage nichts. Jeder hat seine eigene Art, mit der Sache umzugehen, und vielleicht sind Verschwörungstheorien sogar die beste.
umso schlimmer wärs, wenn es dann doch nicht zur Katastrophe käme.

„Aber hinterher …“, sagt er.
„Hinterher hole ich dich ab, und du kriegst so viel Eis wie du willst.“
Beinahe hätte ich gesagt „Sei kein Baby“, aber ich habe die Kurve gekriegt. Manchmal schaffe ich es, einem Fettnäpfchen auszuweichen.
die Erklärungen hättest du weglassen können, nach „Sei kein Baby“

„Ich liebe dich auch“, sagt er.
„Du musst auch immer das letzte Wort haben“, sage ich, und er zeigt mir den Mittelfinger.
rustikaler Umgang miteinander, finde ich etwas übertrieben, als sollte unbedingt gezeigt werden, wie cool die sind.

Ich überlege nicht lange. „Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher? ̍ fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen? ̍ Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“
der ist jetzt arg platt, der Witz

Angefangen hat es mit der einfachsten Höhlenmalerei – Hände mit Farbe bestrichen und an die Wände gedrückt. Fast alle, die irgendwann dazukommen, tun das – wie eine Signatur. Das mit den Ganzkörperabdrücken haben nur ein paar gemacht, und nur ein einziges Mal, auch wenn Nick immer noch Witze darüber reißt.
Inzwischen ist jedenfalls viel mehr daraus geworden. Ein riesiges verrücktes Projekt, oder viele kleine verrückte Projekte.
so ein Proejekt würde mir auch ohne nahende Katastrophe gefallen

„Die Besucher werden keine Ahnung haben, dass wir die meisten von ihnen ausgerottet hätten, wenn der Blitz nicht gekommen wäre“, sagt Lien.
Ich stutze. So ein Kommentar ist ungewöhnlich für sie.
„Ist bei dir alles gut?“, frage ich.
meinst du, wir kommen je so weit, dass wir Außerirdische ausrotten.

Viele Grüße und Sternenschneejahr für dich
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

obwohl deine Geschichte eine rosafarbene Utopie zeigt, ein happy ending, das vor einer drohenden Apokalypse als Szenario zwar vorstellbar, aber wenig wahrscheinlich ist, fühlt es sich gut an, total, scheiß gut, fast so, als wolle man eigentlich genau in dieser Welt leben, die du schilderst, friedlich, versöhnt und (so blödsinnig das klingt) hoffnungsvoll.

Ich finde nicht, dass das blödsinnig klingt. Es macht doch Hoffnung, wenn man sich mal vor Augen führt, dass Menschen bei allem, was auf der Welt schrecklich ist, eigentlich auch anders können. Und ich habe mich beim Schreiben in dieser Welt auch sehr wohl gefühlt. Ehrlich gesagt, im Prinzip habe ich diesen Text als Wohlfühltext für mich selbst geschrieben. Und mich dann anschließend ganz komisch gefühlt - wer schreibt bitte ein Weltuntergangsszenario, um sich wohlzufühlen? Das kam mir einerseits irgendwie fies vor gegenüber den Figuren, was die da durchmachen müssen, bloß weil ich mal eine rosafarbene Utopie kreieren wollte, und andererseits hätte ich auch nicht gedacht, dass so viele Leser das so ähnlich empfinden wie ich. Freut mich jedenfalls, dass du auch dazu zählst. :)


Mir kam die Geschichte eher wie der Anfang eines Romans vor, den ich unbedingt lesen wollte, deshalb war ich sehr enttäuscht, dass der Text irgendwann einfach auslief. Immerhin gab’s genug Eis. Wann schreibst du das nächste Kapitel? (wäre natürlich eine Herausforderung, schließlich müsstest du zeigen, dass eben doch nicht alles so glatt läuft, die Konflikte sich nicht auf Vasektomie, Kondome und private life beschränken, die Eliten weiter herrschen und sich der monetäre Aspekt nicht ganz wegleugnen lässt, aber sprachlich-stilistisch würdest du diese Hürden bewältigen.

Du bist schon die zweite, die einen Roman fordert, und ich verstehe das sowohl unter dem Gesichtspunkt, dass das Ende nicht super befriedigend ist, weil die Geschichte "einfach ausläuft", als auch, dass in der Idee wirklich Potenzial für was Größeres steckt.

Wenn ich mal ganz viel Zeit habe ... ähm, das ist leider auch eine Utopie. Aber ich behalte das im Hinterkopf, wirklich.

Und wie gesagt, wer in der Zwischenzeit einen richtig guten utopischen Roman lesen möchte, der schon fertig ist, dem kann ich "The Dispossessed" von Ursula K. Le Guin wirklich sehr empfehlen.

warum gerade Ölplattformen?
weil ihnen deswegen das "normale" Benzin ausgegangen ist.

okay, der Witz ist platt,
rustikaler Umgang miteinander, finde ich etwas übertrieben, als sollte unbedingt gezeigt werden, wie cool die sind.
der ist jetzt arg platt, der Witz

Kann ich verstehen, dass das alles nicht jedermanns Sache ist. Humor in Geschichten ist eh eine verdammt schwierige Disziplin, normalerweise halte ich mich da zurück.

In diesem Fall glaube ich, es passt zu den Figuren und zu ihrer Situation, dass die sehr viele Witze machen, die nicht grade feinsinnig sind. So eine Art Galgenhumor halt. Und so ein bisschen dient das tatsächlich auch der Demonstration, dass man cool ist, glaube ich - auch sich selbst gegenüber.

so ein Proejekt würde mir auch ohne nahende Katastrophe gefallen
Es gibt ein Projekt, wo versucht wird, möglichst viele Informationen auf so einer Art sehr haltbarer Tontafeln aufzubewahren. Das ist halt nicht so schönes buntes "jeder macht sein eigenes Kunst-Ding"-Projekt, ich glaube das wird schon mit sehr ernsthaftem Anspruch betrieben. Leider hab ich total vergessen, wo das ist und wie das heißt etc.

meinst du, wir kommen je so weit, dass wir Außerirdische ausrotten.
:) Das ist halt ein klassischer Fall von einem uneindeutigen Bezug. Lien könnte natürlich so was sagen wie "Die Besucher werden keine Ahnung haben, dass wir die meisten der hier dargestellten Tiere ausgerottet hätten" - das Problem ist halt, so was sagt keiner. Ich hoffe, im Kontext ist es einigermaßen deutlich, was sie meint.

Viele Grüße und Sternenschneejahr für dich
Oh ja, das wünsche ich dir auch, bisher gab's leider mehr Sternenregen als -schnee :)

 

Liebe Perdita,

„Ja. Tut mir leid. Aber es wird warm heute. Wir sollten gleich anfangen.“
Ich hasse es, wenn Leute die Abkürzung nehmen.
Schon am Anfang machst du es spannend, dass man unbedingt weiterlesen möchte.
Vor allem, dass sich erst später herausstellt, was eine Abkürzung ist. Gruselig.:thumbsup:

Nicht wie dieser Arsch in der Platanenstraße, der seine ganze Familie erschossen hat, eine furchtbare Sauerei
Huch, hier wird es dann aber extrem.

Es ist so egoistisch, keiner denkt daran, dass hinterher jemand aufräumen muss.
Trotzdem bedeutet das, dass wir vier Körper zum Krematorium bringen müssen, zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann.
Vor dem Tag, an dem wir alle erfahren haben, dass es eine schlechte Idee ist, noch Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin so froh, dass Nick und ich uns nicht sicher waren, ob wir ein Baby wollen. Wir haben echt Glück, dass der Motor den Biodiesel anscheinend ganz gut verträgt.
Ich verstehe total, dass jetzt keiner mehr auf Ölbohrplattformen arbeiten will, aber ich bin wirklich dankbar, dass es Alternativen gibt
glaub ich nicht, dass wir das mit dem Lastenrad hinkriegen.
usw.
Es kommen viel zu viele "dass" vor, manchmal sogar 2 pro Satz. Liest sich in meinen Augen nicht schön.
Einige könnte man sicher umformulieren, wie hier:
"Trotzdem bedeutet das, dass wir vier Körper zum Krematorium bringen müssen, zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann."
--> Trotzdem bedeutet das für uns, vier Körper zum Krematorium bringen zu müssen, zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann."

Ich wünschte, heute wäre jemand anderes im Dienst.
Da von "Dienst" zu sprechen, ist schon sarkastisch. ;)

Der Arzt ist supernett. Er entschuldigt sich hundert Mal dafür, dass es mit dem Termin so lange gedauert hat(LEERZEICHEN)– die Nachfrage zurzeit ist riesig.

Ich gehe solange zum Markt. Mal sehen, ob es Eis gibt.
Dafür, dass sich viele Leute wohl schon umgebracht haben, scheint aber der Betrieb normal weiterzulaufen.
Ich habe keine Vorstellung, wie die Umwelt ausssieht. Gibt es schon Zerfall/Plünderungen etc.?

Nick humpelt ein bisschen auf dem Weg zum Auto, und ich versuche, mitleidig dreinzuschauen, aber es ist schwer, weil ich so erleichtert bin. Endlich müssen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen. In letzter Zeit war es nicht mehr so einfach, Kondome zu bekommen.
Für mich klingt das, als hätte die Mandel-OP etwas mit Sex zu tun. Verstehe ich nicht.

Mir kommt zu oft "Abkürzung/abkürzen" (6 oder 7x) vor. Vielleicht kann man da variieren ("sie haben es getan", o.ä.).

Die einen bringen sich (und ihre Familie) um, andere suchen sich neue Hobbies, lernen Chinesisch, um die Artefakte zu beschriften, die sie für "die Nachwelt" oder die Aliens hinterlassen.
Gefällt mir. Nur leider sehe ich in den Hauptprotas keine so richtige Entwicklung und wie gesagt fehlt mir die nähere Beschreibung der Umwelt.

Und mir fehlt eindeutig das Stichwort "Fantasy". Hätte den Text dann schon viel früher gelesen. :D

Ich mag Dystopien und stelle nach dem Lesen fest, bzw. wurde motiviert, dass ich nach meiner Zombie-Geschichte bald wieder was Neues schreiben muss.
Hat mir gefallen. :)

Schönen Abend noch und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo GoMusic,

Schon am Anfang machst du es spannend, dass man unbedingt weiterlesen möchte.
Vor allem, dass sich erst später herausstellt, was eine Abkürzung ist. Gruselig
Das freut mich. Ich hab ja Ambitionen, demnächst mal wieder eine Horrorgeschichte zu schreiben. :)

Huch, hier wird es dann aber extrem.
Ja, da hab ich auch hin und her überlegt, ob's zuviel ist. Vielleicht mildere ich das noch ein bisschen ab.

Es kommen viel zu viele "dass" vor
Jetzt wo du es sagst ... :Pfeif:

Vielen Dank, ehrlich. So was merke ich ab einem bestimmten Punkt dann echt nicht mehr, wenn ich lange an einem Text rumgeschrieben habe. Oder erst, wenn ich ganz viel Abstand dazu habe, wobei ich zu diesem Zeitpunkt dann meistens auch nicht mehr motiviert bin, das noch zu überarbeiten.

Dafür, dass sich viele Leute wohl schon umgebracht haben, scheint aber der Betrieb normal weiterzulaufen.
Ich habe keine Vorstellung, wie die Umwelt ausssieht. Gibt es schon Zerfall/Plünderungen etc.?

Der Betrieb läuft insofern, dass für die Grundbedürfnisse gesorgt ist. Leute produzieren weiter Nahrungsmittel, weil alle, die am Leben sind, weiterhin essen müssen. Sie bestatten die Toten, weil man die nicht einfach rumliegen lassen kann. Es gibt medizinische Versorgung, weil das wichtig ist.

Vieles andere ist weggefallen, weil sich keiner mehr dafür interessiert ... was Vor- und Nachteile hat. Eva erwähnt hin und wieder am Rande, dass es durchaus Mangel an bestimmten Dingen gibt, aber nicht so, dass sie nicht zurecht kommen würden. Für sie ist das Alltag, darum ist es nicht groß hervorgehoben.

Also Zerfall gibt es in gewissem Sinne schon, wobei der Zerfall des Alten in dem Fall halt ein paar neue Dinge hervorgebracht hat, die nicht so verkehrt sind.

Plünderungen: Nein. Über den Nicht-Realismus dieses Szenarios hab ich mich weiter oben ja schon ausgelassen :).

Aber ich meine: Soooo unrealistisch find ich es dann auch nicht. Plünderungen sind ja jetzt nichts, was Menschen einfach instinktiv machen, sobald sie keiner mehr dran hindert, sondern das passiert normalerweise aus der Not heraus, oder weil man meint, man könnte mit dem Plünderungsgut in der Zukunft einen Profit machen. Und Not herrscht da ja gar nicht, sondern "nur" Weltuntergangsstimmung ... was halt auch das mit der Zukunft hinfällig macht.

Für die Grundbedürfnisse ist gesorgt, also niemand muss sich Sorgen machen, in den paar Jahren, die noch bleiben, zu verhungern. Und das Anhäufen von, ich weiß nicht, Goldbarren oder i-Phones oder was auch immer ... ich denke mal, wer das möchte, kann das machen, ganze Amazon-Lager leer räumen. Da wird einen keiner dran hindern. Die meisten Leute beschäftigen sich aber mit anderen Dingen, weil einen ein Keller voller i-Phones halt auch nicht vor dem Weltuntergang bewahren wird.

Mir ist bewusst, dass das Wordbuilding hier ... mit sehr dünnem Bleistift gezeichnet ist, sage ich mal. Vieles ist bloß angedeutet, und ich verstehe, dass das vielleicht nicht für jeden funktioniert. Mir ging es bei der Geschichte aber mehr um das große Ganze. Ich mag detailliertes Worldbuilding an sich sehr, aber es birgt auch die Gefahr, dass die Details ablenken - und dass man den roten Faden aus den Augen verliert.

Das spricht aber natürlich nicht dagegen, beim Überarbeiten darauf zu schauen, ob bestimmte Sachen nicht deutlicher rausgearbeitet sein sollten und ob nicht vielleicht ein bisschen Szenerie beschrieben werden kann, um stärkere Bilder zu zeichnen. Das werde ich versuchen.

Für mich klingt das, als hätte die Mandel-OP etwas mit Sex zu tun. Verstehe ich nicht.
Er hatte keine Mandel-OP, sondern eine Vasektomie.

Die Mandel-OP ist nur ein Witz. Ich glaube, dass das im Text auch einigermaßen deutlich rauskommt, zumindest hatte sich da zuvor noch kein Leser drüber beschwert. :)

Also folgende Textstellen sollten das theoretisch rüber bringen:

„Frühstück?“ frage ich.
„Lieber nicht. Aber hinterher kriege ich so viel Eis wie ich will.“
„Nix da, das ist bei Mandeln. Die sind weiter oben.“

[...]

Beinahe hätte ich gesagt „Sei kein Baby“, aber ich habe die Kurve gekriegt. Manchmal schaffe ich es, einem Fettnäpfchen auszuweichen.
Es stimmt nicht, dass wir nicht sicher waren, ob wir Kinder wollen. Ich war nicht sicher.
Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, aber das macht es nicht leichter für ihn.


Der Witz, der eigentlich zwischen den beiden war, wird dann halt später noch mal aufgegriffen, wo sie gegenüber dem Eismann auch behauptet, es ginge um eine Mandel-OP - einmal als Begründung, warum sie soviel Eis will, und zum anderen auch aus Rücksicht auf Nicks Privatssphäre.

Da werde ich drüber nachdenken, ob das zuviel Verwirrung stiftet.

Mir kommt zu oft "Abkürzung/abkürzen" (6 oder 7x) vor.
Da bist du nicht der Einzige :). Das steht auch schon auf der Überabeitungsliste.

Gefällt mir. Nur leider sehe ich in den Hauptprotas keine so richtige Entwicklung und wie gesagt fehlt mir die nähere Beschreibung der Umwelt.
Das kann ich nachvollziehen. Die Handlung besteht im Grunde darin, dass die Hauptfiguren ein persönliches Problem lösen - sie wollen sicherstellen, dass sie nicht aus Versehen ein Kind zeugen - und der Rest der Geschichte besteht mehr oder weniger daraus, dass die den Leser durch ihren Alltag mitnehmen.
Man erfährt schon einiges über ihre Umwelt, denke ich, aber vor allem dadurch, dass von anderen Menschen die Rede ist, denen sie begegnen. Durch deinen Kommentar habe ich gemerkt, es wird wirklich sehr wenig beschrieben, nur das Museum ist ein bisschen detaillierter ausgemalt. Da könnte ich schon noch dran arbeiten.

Und mir fehlt eindeutig das Stichwort "Fantasy". Hätte den Text dann schon viel früher gelesen.
Fantasy definiert sich für mich dadurch, dass übernatürliche Elemente vorkommen. Das ist hier ja nicht der Fall. Der eine oder andere würde vielleicht sagen, das phantastische Element ist, wie sich die Menschen in der Geschichte verhalten. :)

Aber nichts, was in der Geschichte passiert, widerspricht irgendeinem Naturgesetz, von daher würde ich persönlich das nicht unter Fantasy einsortieren.

Ich mag Dystopien und stelle nach dem Lesen fest, bzw. wurde motiviert, dass ich nach meiner Zombie-Geschichte bald wieder was Neues schreiben muss.
Das ist immer gut. Da freue ich mich schon mal drauf. :)

 

Hej Perdita,

und ich bin bloß hier, dir zu sagen wie gerne ich diese Geschichte gelesen habe. Ich fühle mich erfrischt und habe große Lust, zu tun, was schön ist. Zum Beispiel lesen. :shy: Und obwohl philosophisch drauf steht, fühle ich mich nicht genötigt philosophisch zu denken, sondern ich träume vor mich hin und freue mich dein Protagonistenpaar, ihre Harmonie und Liebe.

Ich habe noch nie solch eine schöne Endzeitgeschichte gelesen (und dabei zählt es nicht, dass ich wenige gelesen habe). Auch verspür ich nicht geringste Lust, an ihr herumzuschrauben, selbst wenn ich an einigen Stellen dazu geneigt war. Aber ebenso gut kann jedes Wort so stehenbleiben.


Gerade als ich die ganze Beute verstaut habe, klingelt mein Handy. Ich fahre zum Krankenhaus, wie ich es versprochen habe.
Nick humpelt ein bisschen auf dem Weg zum Auto, und ich versuche, mitleidig dreinzuschauen, aber es ist schwer, weil ich so erleichtert bin. Endlich müssen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen. In letzter Zeit war es nicht mehr so einfach, Kondome zu bekommen.
„Ich hoffe, dir ist wirklich nach Eis“, sage ich. „Das ganze Gefrierfach ist voll.“
„Hmm“, sagt Nick.
„Tut es weh?“ frage ich.
„Nicht wirklich“, sagt er und schaut aus dem Fenster. Dann schweigt er, bis wir zuhause sind.
„Hey“, sage ich. „Denkst du an was Trauriges?“
Endlich sieht er mich wieder an. „Ja“, sagt er.
Ich überlege nicht lange. „Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher? ̍ fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen? ̍ Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“
„Der ist so was von schlecht“, sagt Nick. Aber er lacht.
Humor, denke ich. Ob es eine Möglichkeit gibt, den ins Museum zu bringen?

Wundervoll.

Mir gefällt die Vorstellung, dass eines Tages irgendein kleines Alien durch das Museum watschelt und erkennt, dass an den Wänden Lebewesen dargestellt sind, die es einmal hier gegeben hat.

Mir auch. So ein süßes, hässliches kleines Alienchen, das sich freut und wundert und weiterlebt.

Danke für diese Geschichte, Kanji

 

Hallo Kanji,

und ich bin bloß hier, dir zu sagen wie gerne ich diese Geschichte gelesen habe. Ich fühle mich erfrischt und habe große Lust, zu tun, was schön ist. Zum Beispiel lesen.
Das ist toll, so eine Wirkung wünscht man sich ja für einen Text. :)

Ich habe noch nie solch eine schöne Endzeitgeschichte gelesen (und dabei zählt es nicht, dass ich wenige gelesen habe). Auch verspür ich nicht geringste Lust, an ihr herumzuschrauben, selbst wenn ich an einigen Stellen dazu geneigt war. Aber ebenso gut kann jedes Wort so stehenbleiben.
Ein paar kleine Schräubchen will ich schon noch nachziehen. Dieses sehr häufige "dass" und "Abkürzung" und ein paar andere Kleinigkeiten. Aber so im Großen und Ganzen habe ich auch das Gefühl, das meiste sitzt bei der Geschichte schon ganz gut und ich freue ich sehr, dass das von den Lesern auch so gesehen wird.

Danke für diese Geschichte
Danke für deinen Kommentar! :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita

Ich bin leider nicht warm geworden mit deinem Text. Ich versuche aufzuzeigen, weshalb. Denn insgesamt ist das natürlich eine sehr gute Geschichte. Es gab am Anfang aber zwei kleine und einen (für mich) grossen Stolperstein, was mich anschliessend daran gehindert hat, in die Geschichte einzutauchen.

Keine Ahnung wie er das macht, aber ich werde jedes Mal wach, ohne dass er mich anfasst oder etwas sagt.
„Ist was passiert?“, frage ich, obwohl ich schon weiß, dass es so sein muss. Er weckt mich nie ohne Grund. Meine Mutter hat immer gesagt, eines Tages werde ich den Weltuntergang verschlafen. Nick würde mich lassen.

Mit dem letzten Satz kannst du das Thema subtil andeuten, insofern macht das schon Sinn und ich verstehe, weshalb du das so schreibst. Nur habe ich als Leser dieses Wissen zu Beginn nicht und daher fand ich diese Passage seltsam unentschlossen. 1. Nick weckt nie ohne Grund. 2. Nick weckt aber offensichtlich regelmässig («werde jedes Mal wach»). 3. Also gibt es regelmässig gute Gründe, die Prota zu wecken. 4. Der Weltuntergang wäre aber keiner davon. Was denn?, habe ich mich gefragt. Mir war schon klar, dass das mit dem Weltuntergang eine Übertreibung sein sollte, aber ich fand dieses Hin und Her schwierig.

„Die Dahlkamps haben heute Nacht die Abkürzung genommen“, sagt Nick.

Pingelig. Aber dieses «heute Nacht», der ganze Satz wirkt an den Leser gerichtet, weil er so schön ausformuliert ist. «Die Dahlkamps.» oder «Die Dahlkamps haben die Abkürzung genommen.» fände ich natürlicher.

Es ist so egoistisch, keiner denkt daran, dass hinterher jemand aufräumen muss. […]
Die Dahlkamps haben es wenigstens sozialverträglich gemacht.

Eine zweite Unentschlossenheit, ein Widerspruch, der mich rausgehauen hat. Zunächst die Betonung, keiner denke an die anderen, die aufräumen müssen, und gleich im nächsten Abschnitt zwei, drei Sätze dazu, wie die Dahlkamps es doch getan haben.

Aber wenn man Kinder hat, kann ich es sogar irgendwie verstehen. Wie soll man das aushalten, jeden Tag in ihre Augen zu schauen und zu wissen, dass sie nie erwachsen werden und einen enttäuschen können? Und wenn es schlaue Kinder sind, stellen sie irgendwann Fragen, die man nicht beantworten will. Oder kann.

Ja. Das hat wahrscheinlich mit Menschenbildern zu tun. Mit Vorstellungskraft. Keine Ahnung. Aber ich kann den Gedanken schlichtweg nicht nachvollziehen. Wie genau könnte man es denn aushalten, den eigenen Kindern tödliche Tabletten einzuflössen (nur, damit man ihnen nicht sagen muss, dass sie sterben werden)? Es gibt sehr viele Menschen, die wissen, dass ihre Kinder nie erwachsen werden, weil sie zum Beispiel schwer und unheilbar krank sind. Aber es gibt sehr sehr wenige Menschen, die ihre Kinder deshalb töten. Man könnte jetzt natürlich sagen, dass der Gedanke an den Untergang der Menschheit etwas daran ändert. Auch das kann mich nicht überzeugen. Ein angenehmes Leben ist weiterhin möglich. Der Tod ist nicht der schlimmste, den man sich vorstellen kann. Die Katastrophe tritt subjektiv nicht mit 100%iger Wahrscheinlichkeit ein, die Bedrohung ist nicht sichtbar. Weshalb sollte ich mich und meine Familie töten? Weil ich sterben werde? Das ist doch irgendwie absurd. Auch der Gedanke, dass die Menschheit nicht weiterexistieren wird, scheint mir keinen echten Grund abzugeben, auch nicht auf irrationale Weise. Gut, ich bin Atheist, habe keine Kinder und der Gedanke, dass ich meine Gene nicht weitergegeben werde, lässt mich völlig kalt. Das wird meine Sichtweise wohl beeinflussen, und ich habe ab diesem Punkt Mühe, mich auf die Geschichte einzulassen.
Auf einen Nenner gebracht: Die Geschichte basiert auf der Annahme, dass viele Menschen einen ihr eigenes Leben übergreifenden Horizont brauchen, um sich nicht selbst zu töten. Diese Annahme teile ich nicht, denn sie unterschätzt m.E. den Lebenswillen des Menschen. Dass es nicht einfach wäre, unter diesen neuen Annahmen / Einsichten ein Leben zu führen, will ich dabei nicht bestreiten.
Was also in deinem Text als Ausnahme erscheint, (denn zahlreiche Menschen bringen sich offenbar um, sodass eine «Routine» entstehen konnte), wäre für mich der Normalfall: Weiterleben, so gut es geht.

Diesen Fall hast du im Folgenden sehr schön dargestellt, liebevoll, stimmig. Insofern ist das natürlich schon eine gelungene und gut gemachte Geschichte. Nur schon deshalb, weil du nicht die dritte, tausendfach beackerte Möglichkeit thematisierst: Gewalt und Chaos. In diesem Punkt schliesse ich mich dem Lob der anderen Kommentatoren an.

Ich habe daher lange überlegt, ob ich diesen Kommentar überhaupt schreiben soll, weil du wahrscheinlich wenig Konstruktives daraus mitnehmen kannst. Es ist ja auch so, dass ich – ich habe die Kommentare nur überflogen – offenbar der einzige bin, der das so sieht. Aber dann habe ich mir gedacht, dass es für dich interessant sein könnte, zu erfahren, wie jemand mit der Geschichte umgeht, der von diesem einen Aspekt nicht überzeugt ist. Es hat mich selbst überrascht, wie sehr sich das auf den Rest der Lektüre ausgewirkt hat.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,

Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass du dir dafür Zeit genommen hast, obwohl dich die Geschichte nicht ganz überzeugen konnte.

Denn insgesamt ist das natürlich eine sehr gute Geschichte.

"natürlich" sagst du ... ich bin immer noch ganz platt, dass das so viele Leser finden. :shy:

Mit dem letzten Satz kannst du das Thema subtil andeuten, insofern macht das schon Sinn und ich verstehe, weshalb du das so schreibst. Nur habe ich als Leser dieses Wissen zu Beginn nicht und daher fand ich diese Passage seltsam unentschlossen. 1. Nick weckt nie ohne Grund. 2. Nick weckt aber offensichtlich regelmässig («werde jedes Mal wach»). 3. Also gibt es regelmässig gute Gründe, die Prota zu wecken. 4. Der Weltuntergang wäre aber keiner davon. Was denn?, habe ich mich gefragt. Mir war schon klar, dass das mit dem Weltuntergang eine Übertreibung sein sollte, aber ich fand dieses Hin und Her schwierig.

Ich kann das gut nachvollziehen, und ich bin auch dankbar, dass du das so detailliert aufgeschrieben hast, woran es für dich hakt. Bei diesem Teil plane ich aktuell nicht, ihn zu ändern, weil ich denke, es ist im Kontext einigermaßen logisch, worauf Eva hinaus will - oder falls nicht, es ist in etwas so gedacht: Natürlich weckt er sie gelegentlich, wenn es irgendwas Dringendes gibt, um dass sie sich gemeinsam kümmern müssen. Beim Weltuntergang wäre das nicht der Fall (wahrscheinlich kann man den ja nicht auf die Minute vorhersehen und wenn, könnte man eh nichts machen). Ich weiß nicht, ob sie das richtig einschätzt (wenn ich wüsste, die Welt geht unter, würde ich 1. noch schnell ein Apfelbäumchen pflanzen :), aber 2. auch nicht unbedingt allein sein wollen und wenn da in meiner Nähe jemand schliefe, der mir nahe steht, würde ich den wahrscheinlich aufwecken), aber ich finde das ganz süß, dass sie denkt: Nick liebt mich so sehr, dass er mich da nicht aufwecken würde. Und ich mag das auch, dass der Satz ursprünglich mal eine Übertreibung war und jetzt eine andere Bedeutung gekriegt hat, die sich da schon mal andeutet.

Aber du hast trotzdem recht, es ist so ein bisschen ein Schlenker drin und ich kann verstehen, dass das man da drüber stolpern kann. Für zukünftige Texte bin ich jetzt auf jeden Fall sensibilisiert, mir solche Passagen noch mal genau durchzulesen, ob die logisch stringent sind (nicht, dass die freilaufenden Gedanken von Menschen immer logisch stringent wären, aber genau aus dem Grund mag ich ja keinen stream of consciousness, ich finde es eigentlich auch viel schöner, wenn Gedanken geordnet sind).

Pingelig. Aber dieses «heute Nacht», der ganze Satz wirkt an den Leser gerichtet, weil er so schön ausformuliert ist. «Die Dahlkamps.» oder «Die Dahlkamps haben die Abkürzung genommen.» fände ich natürlicher.

Hmm, okay, das muss ich mir überlegen. Ich schimpfe schließlich auch immer, wenn Dialoge unnatürlich klingen. :)

Bei einem einzelnen Satz tendiere ich dazu, dass man es durchgehen lassen kann ... aber auf der anderen Seite hast du recht, dass das "heute Nacht" eher unnötig ist.

Eine zweite Unentschlossenheit, ein Widerspruch, der mich rausgehauen hat. Zunächst die Betonung, keiner denke an die anderen, die aufräumen müssen, und gleich im nächsten Abschnitt zwei, drei Sätze dazu, wie die Dahlkamps es doch getan haben.

Das finde ich auch völlig nachvollziehbar, aber gleichzeitig ist das auch so was, wo ich sagen würde: im Kontext macht es einigermaßen Sinn. "Keiner denkt daran, ..." = "Keiner von denen, die sich das Leben nehmen, lässt sich von dem Gedanken, dass hinterher jemand aufräumen muss, davon abhalten." Das ist letzten Endes auch eine Übertreibung, à la "Immer verpasse ich den Bus"/"Nie ruft mich jemand an"/"Ich bin die einzige, die hier sauber macht" (wo es ja kurz darauf auch passieren kann, dass man den Bus erwischt oder dass jemand anruft ...)

Aber ich werde überlegen, wie ich das anders formulieren kann, so dass es sich vielleicht nicht mehr so direkt widerspricht.

Ja. Das hat wahrscheinlich mit Menschenbildern zu tun. Mit Vorstellungskraft. Keine Ahnung. Aber ich kann den Gedanken schlichtweg nicht nachvollziehen.

Alles, was du dazu schreibst, kann ich auch gut verstehen.

Die Menschen in der Geschichte verhalten sich alle nicht so, wie sich die Mehrheit der Menschen wahrscheinlich verhalten würde, und das empfinde ich selber als die Schwachstelle bei der Geschichte. Die wahrscheinlichste Reaktion auf diese Situation, da droht in wenigen Jahren eine tödliche globale Katastrophe, ist ganz sicher Verdrängung. Aber die Geschichte baut halt darauf auf, dass die Menschen das nicht verdrängen, sondern sich der Tatsache, was ihnen bevorsteht, die ganze Zeit sehr bewusst sind. Die Reaktionen darauf sind ganz unschiedlich.

Was also in deinem Text als Ausnahme erscheint, (denn zahlreiche Menschen bringen sich offenbar um, sodass eine «Routine» entstehen konnte), wäre für mich der Normalfall: Weiterleben, so gut es geht.

Ich denke, dieses Bewusstsein einer drohenden unabwendbaren Katastrophe hat schon das Potenzial, verletzliche Menschen ziemlich fertig zu machen. Und es kommt ja auch ohne so eine Situation durchaus vor, dass ein Suizid weitere nach sich zieht, weil „anfällige“ Menschen sich quasi mitreißen lassen.

Trotzdem ist das Weiterleben, so gut es geht, schon der Normalfall. Sie finden ja nicht täglich jemanden, der sich umgebracht hat. Der Text geht nicht so drauf ein, was genau das bedeutet mit der „Routine“, aber es soll nicht ausdrücken, dass sie andauernd damit beschäftigt sind, Tote zu bergen, nur dass sie es einigermaßen ertragen, weil sie es schon häufiger tun mussten.

Aber es regt mich schon zum Nachdenken an, was du dazu geschrieben hast. Das ist auch eine Sache, wo ich zwischendurch immer mal Zweifel hatte, während ich an der Geschichte geschrieben habe.

Dass die Geschichte damit beginnt, dass die Nachbarn sich umgebracht haben, das war gleich am Anfang fest, während viele andere Elemente in der Geschichte sich nur sehr langsam rauskristallisiert haben. Die interessante Frage ist natürlich – warum? Ich hatte ja schon das Ziel vor Augen, eine Endzeitgeschichte zu schreiben, die halt keine Dystopie ist. Vielleicht hab ich unterbewusst das Gefühl gehabt, Utopien sind ja unrealistisch, also muss ich mir das sozusagen „verdienen“, indem das Drumherum richtig düster ist …

Vielleicht kommt mir ja mal noch eine Idee für die Einleitung, die ohne die Suizide auskommt. Ich tue mich mit so großen Änderungen an einem „fertigen“ Text immer sehr schwer, aber wenn ich eine Möglichkeit sehe, das Setup anders zu machen, wäre das schon interessant, mal auszuprobieren, was dann mit der Geschichte passiert.

Ich habe daher lange überlegt, ob ich diesen Kommentar überhaupt schreiben soll, weil du wahrscheinlich wenig Konstruktives daraus mitnehmen kannst.

Was? Da ist doch jede Menge Konstruktives drin!

Es ist ja auch so, dass ich – ich habe die Kommentare nur überflogen – offenbar der einzige bin, der das so sieht.

Der einzige, der es bisher aufgeschrieben hat – was ja nicht heißt, dass es nicht anderen ähnlich gegangen ist, die dann gar nicht kommentiert haben. Außerdem, wo kämen wir da hin, wenn man nicht kommentiert, weil man eine abweichende Meinung hat … :)

Aber dann habe ich mir gedacht, dass es für dich interessant sein könnte, zu erfahren, wie jemand mit der Geschichte umgeht, der von diesem einen Aspekt nicht überzeugt ist. Es hat mich selbst überrascht, wie sehr sich das auf den Rest der Lektüre ausgewirkt hat.

Absolut, das war sehr interessant! Ich bin froh, dass du kommentiert hast!

Das einzige, was mich an deinem Kommentar „stört“, ist dass ich jetzt daran denken muss, dass du die tolle Geschichte „Glanzmann muss gehen“ geschrieben hast, zu der ich gerne noch einen halbwegs intelligenten Kommentar abgeben möchte, aber die Liste von Challenge-Geschichten, die ich noch nicht kommentiert habe, obwohl ich sie ganz toll finde und die Autor/innen bei mir kommentiert haben, ist noch so lang … :shy:

 

Moin perdita.
Gefiel mir ausgesprochen gut, vor allem das Museum und die Ganzkörperabdrücke.

Höflichst der wiedererstandene LORD

 

Hallo Lord Arion,

danke, dass du nach der Wiederauferstehung kurz hier vorbei geschaut hast.
Und schön, dass es dir gefallen hat. :)

 

Hallo Perdita,

eingängig und stimmig ... Deine Beschreibung, wie ein Endzeit-Szenario ausschauen könnte, finde ich mehr als gelungen. Einfach eine Betrachtung aus einer anderen Perspektive.
Danke für die Denkanstöße, für die Unterhaltung.
Liebe Grüße
Detlev

 

Hallo Detlev,

Danke für die Denkanstöße, für die Unterhaltung.

Gern geschehen. :)

Schön, dass es dir gefallen hat.

 

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