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Kurz vor Schluss

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10.07.2007
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Kurz vor Schluss

Ich wache auf, weil Nick vor meinem Bett steht und mich anstarrt. Keine Ahnung wie er das macht, aber ich werde jedes Mal wach, ohne dass er mich anfasst oder etwas sagt.
„Ist was passiert?“, frage ich, obwohl ich schon weiß, dass es so sein muss. Er weckt mich nie ohne Grund. Meine Mutter hat immer gesagt, eines Tages werde ich den Weltuntergang verschlafen. Nick würde mich lassen.
„Die Dahlkamps haben heute Nacht die Abkürzung genommen“, sagt Nick.
Mit einem Schlag bin ich richtig wach. „Scheiße. Mit den Kindern?“
„Ja. Tut mir leid. Aber es wird warm heute. Wir sollten gleich anfangen.“
Ich hasse es, wenn Leute die Abkürzung nehmen. Es ist so egoistisch, keiner denkt daran, dass hinterher jemand aufräumen muss. Aber wenn man Kinder hat, kann ich es sogar irgendwie verstehen. Wie soll man das aushalten, jeden Tag in ihre Augen zu schauen und zu wissen, dass sie nie erwachsen werden und einen enttäuschen können? Und wenn es schlaue Kinder sind, stellen sie irgendwann Fragen, die man nicht beantworten will. Oder kann.
Die Dahlkamps haben es wenigstens sozialverträglich gemacht. Nicht wie dieser Arsch in der Platanenstraße, der seine ganze Familie erschossen hat, eine furchtbare Sauerei. Hier waren es Tabletten, nehme ich an. Und sie haben einen Zettel in unseren Briefkasten gelegt, damit wir es nicht erst am Geruch merken. Gute Nachbarn, bis zuletzt.
Trotzdem bedeutet das, dass wir vier Körper zum Krematorium bringen müssen, zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann. Sie waren Zwillinge, höchstens ein oder zwei Jahre vorher geboren. Vor dem Tag, an dem wir alle erfahren haben, dass es eine schlechte Idee ist, noch Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin so froh, dass Nick und ich uns nicht sicher waren, ob wir ein Baby wollen.
Wir haben echt Glück, dass der Motor den Biodiesel anscheinend ganz gut verträgt. Ich weiß nicht, was wir ohne Auto machen würden. Wenn da jemand die Abkürzung nähme, oder einfach einen Herzinfarkt hätte, was sollten wir dann machen? Ich verstehe total, dass jetzt keiner mehr auf Ölbohrplattformen arbeiten will, aber ich bin wirklich dankbar, dass es Alternativen gibt. Wenn es die dicke Omi von gegenüber erwischt, glaub ich nicht, dass wir das mit dem Lastenrad hinkriegen.
Das sind keine netten Gedanken. Pietätlos, hätte meine Mutter gesagt. Aber anders schafft man das nicht. Nick und ich helfen oft beim Aufräumen, wenn Leute abkürzen. Wir haben langsam so was wie Routine. Wir wissen, du kannst dabei an alles denken, nur nicht an das, was du gerade machst.
„Ich will heute ins Museum“, sage ich. „Kommst du mit?“
„Klar. Wenn du dich in Farbe wälzt und deinen nackten Hintern an die Wände drückst, lass’ ich mir das nicht entgehen.“
„Arsch“, sage ich.
„Von mir aus“, sagt Nick. „Aber das klingt so unfein. Nicht besonders künstlerisch.“
Ich will nicht lachen, nicht mit einer toten Familie auf dem Anhänger. Aber es blubbert einfach aus mir raus. Und es fühlt sich gut an.
Nick und ich sind stark. Wir passen aufeinander auf. Von uns beiden wird keiner die Abkürzung nehmen, und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.

Wir wollen nicht auf die Asche warten. So gut haben wir die Dahlkamps nicht gekannt. Alex wird sich darum kümmern. Gar kein Problem, sagt er, während er in meinen Ausschnitt schielt. Ich wünschte, heute wäre jemand anderes im Dienst.
Alex ist eigentlich ganz in Ordnung, wenn man ihn näher kennt. Und wir kennen ihn gut, weil wir so oft hier sind. Es ist nur schwer auszuhalten, wie er jedes Mal wieder mit seiner Nummer anfängt.
„Wieder ein paar Opfer, die drauf reingefallen sind“, sagt er. „Ich versteh’ nicht, warum die Leute das nicht kapieren, dass die den Mainstreammedien einfach jeden Schwachsinn abkaufen. Es gibt keine Beweise für eine Hypernova. Null! Die Dinger sind so selten, es gibt vielleicht eine in einer Million Jahren pro Galaxie. Und dass es ganz in unserer Nähe passiert, und der Gammablitz genau auf die Erde trifft, das kannst du vergessen.“
Ich könnte mit ihm streiten, aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, den Spucketröpfchen auszuweichen. „Vielleicht haben sich die Astronomen ja verrechnet“, sage ich.
Vielleicht steigerst du dich jetzt nicht rein und ersparst mir den Rest des Vortrags.
„Oh nein, das war kein Irrtum. Die haben gewusst, was sie tun“, sagt er. Wieder einmal.
„Bevölkerungskontrolle, darum geht es. Ich meine, von all den Dingen, die uns umbringen könnten, das Klima, Atombomben, Meteoriten, soll es ausgerechnet so ein Scheiß-Blitz sein? Da hätten sie auch gleich die Zombieapokalypse vorhersagen können! Aber die Schafe haben es natürlich alle geschluckt, genau wie es geplant war.“
Ich weiß nicht, was für ein Plan das gewesen sein soll. Schritt eins, sag den Leuten, die Erde hat noch fünf bis zehn Jahre, bevor alles Leben ausgelöscht wird, ein dummer kosmischer Zufall und alles ist vorbei. Schritt zwei: Alle schmeißen hin, Regierungen brechen zusammen, Selbstmorde überall. Schritt drei: Profit! Aber ich sage nichts. Jeder hat seine eigene Art, mit der Sache umzugehen, und vielleicht sind Verschwörungstheorien sogar die beste. Auf seine Art ist Alex wohl ganz glücklich. Schade, dass ich nicht so gestrickt bin.
Nachdem er seine ganze Predigt abgespult hat, ohne dass jemand widersprochen hat, scheint Alex nicht mehr zu wissen, was er sagen soll. Er fängt an zu pfeifen. Ich glaube, er arbeitet hier, weil es ihm ein Gefühl von Überlegenheit gibt. All die Leute, die abkürzen – für ihn sind das alles Schafe, die auf die Propaganda reingefallen sind.
Ich unterschreibe die Papiere. Es gibt nicht mehr viel Bürokratie, aber wenn es um den Tod geht, bemühen wir uns darum, die Form zu wahren. Zumindest die meisten von uns.
„Schönen Tag noch“, sagt Alex zwischen zwei Pfeifmelodien.
„Danke“, sage ich. Das Wort fällt aus meinem Mund wie ein Stein.
Der Weg nach draußen kommt mir viel zu weit vor. Wenn ich eines Tages nicht mehr könnte? Würde er dann auch pfeifen?
Nick legt einen Arm um mich. „Hey“, sagt er. „Denkst du was Trauriges?“
„Unsere Nachbarn haben sich umgebracht“, sage ich.
Er schüttelt den Kopf. „Eva, nicht. Sie haben die Abkürzung genommen. Jeder entscheidet für sich.“
Ich atme tief durch. „Du hast Recht. Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.“

***​

Wenn Nick schläft und ich ihn anstarre, passiert nichts. Ich teste das eine ganze Weile. Dann probiere ich es mit einem Kuss. Als das auch nichts bewirkt, ziehe ich ihm die Decke weg.
„Sorry“, sage ich. „Es ist alles in Ordnung, aber wir haben den Termin um zehn. Und mit wir meine ich dich.“
„Kein Problem“, sagt er. „Danke fürs Wecken.“
„Frühstück?“ frage ich.
„Lieber nicht. Aber hinterher kriege ich so viel Eis wie ich will.“
„Nix da, das ist bei Mandeln. Die sind weiter oben.“
Nick schiebt die Unterlippe vor und ich muss lachen. Er lächelt auch, aber ich kann sehen, dass ihm nicht danach zumute ist.
„Fahren wir?“
„Es ist um die Ecke“, sage ich.
„Aber hinterher …“, sagt er.
„Hinterher hole ich dich ab, und du kriegst so viel Eis wie du willst.“
Beinahe hätte ich gesagt „Sei kein Baby“, aber ich habe die Kurve gekriegt. Manchmal schaffe ich es, einem Fettnäpfchen auszuweichen.
Es stimmt nicht, dass wir nicht sicher waren, ob wir Kinder wollen. Ich war nicht sicher.
Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, aber das macht es nicht leichter für ihn.

Der Arzt ist supernett. Er entschuldigt sich hundert Mal dafür, dass es mit dem Termin so lange gedauert hat– die Nachfrage zurzeit ist riesig. Sie werden anrufen, wenn es vorbei ist, damit ich Nick abholen kann.
Ich nehme seine Hand. „Alles okay?“
„Klar. Alle sagen, die Spritze wäre das Schlimmste, alles andere ist halb so wild.“
„Ich liebe dich“, sage ich.
„Ich liebe dich auch“, sagt er.
„Du musst auch immer das letzte Wort haben“, sage ich, und er zeigt mir den Mittelfinger.

Es wird nicht lange dauern. Ein winziger Eingriff, hat der Arzt gesagt.
Ich gehe solange zum Markt. Mal sehen, ob es Eis gibt.
Einkaufen hat sich sehr verändert. Eigentlich kann man es gar nicht mehr so nennen. Seit wir keine Zukunft mehr haben, interessiert sich niemand mehr für Geld.
Viele Leute verbringen sehr viel Zeit in den Gärten. Mich lenkt das nicht genug ab, aber es ist gut, dass es für so viele funktioniert. Um diese Jahreszeit bedeutet es: Tonnenweise Erdbeeren.
„Eva! Du nimmst ein paar, oder?“
Margarete. Sie hat sich auch sehr verändert. Bevor die NASA es bestätigt hat, ist sie morgens als Erste in der Straße aus dem Haus und abends als Letzte wieder heimgekommen. Und am Wochenende hat man sie nur gesehen, wenn sie sich beschweren kam, weil die Kinder im Hof zu laut waren.
Jetzt sieht man sie entweder im Gemeinschaftsgarten oder hier. Ich bin immer noch nicht sicher, ob sie jemals schläft, aber sie wirkt viel zufriedener. Und ihre Erdbeeren sind die besten.
„Ja, ich nehme gern welche“, sage ich.
Sie reicht mir einen Beutel – genau die richtige Menge für zwei Leute, die gerne Erdbeeren essen.
„Deine Kette ist hübsch“, sagt sie.
„Cool, oder? Ist aus Papier“, sage ich. „Eine Freundin von mir bastelt grade eine nach der anderen.“
„Papier, ehrlich? Die Perlen sehen so …“
„Nimm sie“, sage ich spontan, und löse den Verschluss.
„Nicht doch“, sagt Margarete, aber ich drücke ihr die Kette in die Hand. Irgendwie fühlt es sich gut an, mal wieder etwas gegen etwas anderes zu tauschen. Fast so, wie wir früher eingekauft haben.
„Meine Freundin wird sich freuen, wenn sie mir noch eine basteln kann“, sage ich. „Sie sagt, es lenkt sie ab.“
„Na dann … vielen Dank“, sagt Margarete. Sie legt die Kette um, sorgfältig, als wäre es ein Ritual. Dinge, die ablenken, sind wichtig. Wir alle brauchen irgendetwas, und wir alle respektieren, was für andere funktioniert.
„Weißt du, ob der Eismann heute da ist?“, frage ich.
Sie lacht. „Er hat gesagt, er will kommen. Aber man kann nie sicher sein. Wenn er an seinen Erfindungen herumschraubt, vergisst er manchmal, welcher Wochentag ist.“
Ich lächle, verabschiede mich und mache Platz – hinter mir ist inzwischen eine kleine Traube von Leuten, die Erdbeeren wollen.
Ich beschließe, auf den Eismann zu warten. Es ist nicht so leicht. Stille, einsame Momente, in denen ich nichts zu tun habe, machen mich nervös. Was, wenn es genau jetzt passieren würde, wo Nick nicht bei mir ist? Wo das letzte, was ich zu ihm gesagt habe, ein blöder Witz war? Aber ich kämpfe dagegen an. Ich setze mich auf eine Bank, fühle die Sonne auf meiner Haut, höre dem Plätschern des Springbrunnens und dem Gurren der Tauben zu. Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.
Und ich werde belohnt – von weitem ist die Melodie des Eiswagens zu hören. Der Eismann hat ihn selbst gebaut, und obwohl er viele andere Dinge baut, ist das jetzt sein Name und wird es bleiben, jedenfalls solange er niemandem verrät, wie er eigentlich heißt.
Das Schlimme am Eismann ist, dass er so viele Kinder anlockt. Aber daran denke ich jetzt nicht. Ich habe eine Mission.
„Was kann ich denn für dich tun?“, fragt der Eismann.
„Möglichst viel und möglichst viele verschiedene Sorten“, sage ich. „Mein Freund hat heute eine Mandel-OP.“

Gerade als ich die ganze Beute verstaut habe, klingelt mein Handy. Ich fahre zum Krankenhaus, wie ich es versprochen habe.
Nick humpelt ein bisschen auf dem Weg zum Auto, und ich versuche, mitleidig dreinzuschauen, aber es ist schwer, weil ich so erleichtert bin. Endlich müssen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen. In letzter Zeit war es nicht mehr so einfach, Kondome zu bekommen.
„Ich hoffe, dir ist wirklich nach Eis“, sage ich. „Das ganze Gefrierfach ist voll.“
„Hmm“, sagt Nick.
„Tut es weh?“ frage ich.
„Nicht wirklich“, sagt er und schaut aus dem Fenster. Dann schweigt er, bis wir zuhause sind.
„Hey“, sage ich. „Denkst du an was Trauriges?“
Endlich sieht er mich wieder an. „Ja“, sagt er.
Ich überlege nicht lange. „Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher? ̍ fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen? ̍ Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“
„Der ist so was von schlecht“, sagt Nick. Aber er lacht.
Humor, denke ich. Ob es eine Möglichkeit gibt, den ins Museum zu bringen?

***​

Das Museum ist eigentlich ein Bunker. Es geht das Gerücht um, dass es als eine Art Rettungskapsel gedacht war, mit künstlicher Sauerstoffversorgung, hydroponischen Gärten, gigantischen Vorräten an Konservendosen, Wasser und Medikamenten. Für eine Handvoll Reicher und Mächtiger, die glaubten, so könnten sie sich retten. Aber als das herauskam, heißt es, haben die Arbeiter sich einfach geweigert, das Ding zu Ende zu bauen.
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die einzige Quelle für die Geschichte ist Olli, und er ist nicht gerade objektiv. Olli trinkt eine Menge selbstgebrannten Fusel, und er ist so eine Art Kommunist.
Er tut mir leid. Sein Leben lang hat er davon geträumt, dass so etwas passiert, dass die Menschen aufhören, nach der Pfeife der korrupten Eliten zu tanzen, dass jeder in Freiheit leben kann und alles geteilt wird. Und nun ist es soweit gekommen, aber nur, weil in ein paar Jahren die Welt untergeht.

Als wir das Museum entdeckten, war es bloß ein Treffpunkt. Leute, die gern reden und andere zum Reden suchten. Das andere hat sich nach und nach ergeben.
Nichts Lebendiges wird überleben. Vielleicht ein paar Bakterien in der Tiefsee. Aber was wäre, wenn eines Tages Außerirdische landen? Oder wenn sich aus den übriggebliebenen Bakterien wieder komplexe Lebensformen entwickeln, eine neue Zivilisation?
Wir wissen alle, dass es nicht besonders wahrscheinlich ist. Im Grunde ist das, was wir machen, so etwas wie Religion. Aber wir wollen ihnen etwas hinterlassen, den zukünftigen Besuchern des Museums. Ihnen sagen, dass es uns gegeben hat. Vielleicht sogar, wer wir waren. Angefangen hat es mit der einfachsten Höhlenmalerei – Hände mit Farbe bestrichen und an die Wände gedrückt. Fast alle, die irgendwann dazukommen, tun das – wie eine Signatur. Das mit den Ganzkörperabdrücken haben nur ein paar gemacht, und nur ein einziges Mal, auch wenn Nick immer noch Witze darüber reißt.
Inzwischen ist jedenfalls viel mehr daraus geworden. Ein riesiges verrücktes Projekt, oder viele kleine verrückte Projekte.

Nick arbeitet gerne mit den Leuten, die Artefakte für das Museum sammeln. So gut wie alles, was nicht nach ein paar Jahrhunderten zu Staub zerfällt, ist ein Artefakt, Sachen aus Metall, Stein, Glas oder Kunststoff, vielleicht sogar welche aus Holz. Die schwierige Frage ist, wie man den Besuchern klar machen könnte, wozu diese Dinge einmal gut waren. Nick beschäftigt sich nicht viel mit der Theorie. „Ich trage einfach gern Sachen durch die Gegend“ sagt er. Und es stimmt. Er war schon immer der einzige, der sich freiwillig gemeldet hat, wenn jemand Umzugshelfer brauchte. Er mag körperliche Anstrengung, aber nur, wenn sie einen Zweck hat. Sport ist ihm zu langweilig, sagt er.

Ich arbeite gerne mit Lien. Ihr Projekt gefällt mir am besten.
Es scheint einfach richtig, den Besuchern zu zeigen, dass es nicht nur uns gegeben hat.
Inzwischen hat unser Team viele Wände gefüllt, und ich muss erst mal eine Weile suchen, bevor ich Lien finde. Der neue Raum ist den Fischen gewidmet. Drei von vier Wänden sind schon mit Umrissen in allen Größen gefüllt.
„Schön, dass du kommst“, sagt Lien. „Ich mache hier erst mal Schluss. Der Mandarin-Kurs, du weißt schon.“
Ein paar Leute vom Artefakt-Team sind der Meinung, man müsste alles im Museum beschriften. Natürlich werden die Besucher keine von unseren Sprachen lesen können. Um ihnen etwas zu erklären, bräuchte es eine Art Rosetta-Stein, aber die Schwierigkeit ist eben, dass der Rosetta-Stein seinerzeit nur etwas genützt hat, weil man eine der Sprachen darauf schon kannte. Und jetzt ist jemand auf die Idee gekommen, dass es mit chinesischen Schriftzeichen vielleicht gehen könnte, weil man für jedes Wort nur ein einziges Zeichen braucht.
„Glaubst du, dass es funktionieren wird?“, frage ich.
„Nein“, sagt Lien und lächelt. „Aber das macht doch nichts. Die Leute wollen lernen. Es lenkt sie ab. Und ich mache es auch gern.“
„Na dann viel Spaß“, sage ich. „Lass mich ruhig mit den Haien alleine.“
Lien sieht mich prüfend an. „Ist bei dir alles okay?“, fragt sie.
„Mir geht’s prima“, sage ich.
„Na dann“, sagt Lien.
Ich nehme mir ein Buch und beginne, die Fische in den richtigen Farben auszumalen. Liens Umrisszeichnungen sind perfekt. Die fertigen Bilder sehen beinahe lebendig aus. Mir gefällt die Vorstellung, dass eines Tages irgendein kleines Alien durch das Museum watschelt und erkennt, dass an den Wänden Lebewesen dargestellt sind, die es einmal hier gegeben hat. Und beim Ausmalen kann ich alles vergessen.
Ich male und male, und erst als Lien zurück kommt, merke ich, dass mein Nacken steif ist und meine Finger weh tun.
„Die sind super geworden“, sagt sie. „Vor allem der Hammerhai.“
„Ja, oder? Ich finde, das ist unser bester Raum bisher. Es ist wie ein Denkmal für all die Tiere.“
„Die Besucher werden keine Ahnung haben, dass wir die meisten von ihnen ausgerottet hätten, wenn der Blitz nicht gekommen wäre“, sagt Lien.
Ich stutze. So ein Kommentar ist ungewöhnlich für sie.
„Ist bei dir alles gut?“, frage ich.
„Alles bestens. Ich weiß, die meisten Leute finden es komisch, aber ich bin jetzt glücklicher als vorher. Ich habe Biochemie studiert, weil meine Eltern das wollten, und mich nichts getraut. Weißt du, was ich meine?“
„Ich glaube schon“, sage ich.
„Nick wartet oben auf dich“, sagt Lien. „Ich glaube, er ist ziemlich k.o. Sie haben Musikinstrumente hergebracht, Klaviere und so.“
Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin. Aber glücklich.
Wir umarmen uns kurz, dann greift Lien wieder zum Pinsel. Sie gehört auch zu den Menschen, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie jemals schlafen.

Auf dem Weg zu Nick versuche ich mir vorzustellen, ich wäre ein Besucher in einer fernen Zukunft, der das Museum zum ersten Mal sieht. Es ist ein buntes, absurdes Sammelsurium. Kunstwerke und Alltagsgegenstände, die kreuz und quer in den Räumen herumstehen. Tausende Bilder an den Wänden, Landschaften, Gegenstände, Porträts von Menschen, und in den Räumen von meinem Team: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Käfer, Käfer, Käfer, Käfer. Keine Chance für die Besucher, irgendwas zu verstehen, chinesische Schriftzeichen oder nicht. Aber es ist wunderschön. Und es fühlt sich immer wieder gut an, hierherzukommen. Wir tun, was wir wollen. Wir arbeiten zusammen oder für uns allein, je nachdem, was besser funktioniert. Wir sind kreativ. Und wir lassen jedem seinen Raum, auch den Leuten, die unbedingt Ganzkörperabdrücke hinterlassen wollen.
Warum, denke ich, haben wir so was erst kurz vor Schluss hinbekommen? Wir haben auch vorher gewusst, dass wir irgendwann alle sterben werden.
Vielleicht sind meine Augen feucht, als ich beim Eingang ankomme. Nick liegt in einem Sessel, der wahrscheinlich nicht wegen seiner Artefaktqualitäten hier gelandet ist. Aber er springt sofort auf, als er mich sieht.
„Hey“, sagt er. „Denkst du an was Trauriges?“
„Ich weiß nicht“, sage ich.
„Komm“, sagt er. „Wir haben immer noch jede Menge Eis.“

 

„Hinterher hole ich dich ab, und du kriegst so viel Eis wie du willst.“
Beinahe hätte ich gesagt „Sei kein Baby“, aber ich habe die Kurve gekriegt. Manchmal schaffe ich es, einem Fettnäpfchen auszuweichen.

„Ich liebe dich“, sage ich.
„Ich liebe dich auch“, sagt er.
„Du musst auch immer das letzte Wort haben“, sage ich, und er zeigt mir den Mittelfinger.

Stille, einsame Momente, in denen ich nichts zu tun habe, machen mich nervös. Was, wenn es genau jetzt passieren würde, wo Nick nicht bei mir ist? Wo das letzte, was ich zu ihm gesagt habe, ein blöder Witz war?

Der Nick und deine Icherzählerin - ich habe da mal oben meine Lieblingsstellen rausgepickt, da stimmt einfach die Chemie, da hast du,

liebe Perdita,

mich voll erwischt, klasse geschrieben! Dadurch ist es für mich eben nicht nur eine weitere düstere Geschichte vom Weltuntergang, sondern auch - ach, ich sag's jetzt einfach: ein Plädoyer für die Liebe.

Ich geh mal durch den Text:

Sie waren Zwillinge, höchstens ein oder zwei Jahre vorher geboren.

Würde man nicht eher sagen: ‚höchstens ein oder zwei Jahre alt‘? Ich weiß, da kommt dann noch was nach, was darauf Bezug nimmt, trotzdem wirkt es erst einmal ungelenk formuliert.

Er entschuldigt sich hundert Mal dafür, dass es mit dem Termin so lange gedauert hat– die Nachfrage zurzeit ist riesig.

Da fehlt ein Leerzeichen nach ‚hat‘.

hinter mir ist inzwischen eine kleine Traube von Leuten, die Erdbeeren wollen.

Das finde ich lustig hier an der Stelle mit dem vielen Obst ...
Vielleicht noch ein Banänchen? :sealed:

Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.

Grmpfh! Wie geht das? Das klingt lustig, aber wie kann ich mir das vorstellen?

Das Schlimme am Eismann ist, dass er so viele Kinder anlockt.

Also erstmal hab ich hier dauernd Eisenmann gelesen ... ;), dann frag ich mich, warum das so schlimm ist. Weil es die Icherzählerin traurig macht, Kinder zu sehen?

„Möglichst viel und möglichst viele verschiedene Sorten“, sage ich. „Mein Freund hat heute eine Mandel-OP.“

Das ist so ein hübsches Detail, dass sie das mit der Mandel-OP sagt!
Ist so ein Klassiker von Trostpflaster, obwohl die Leutchens, die gerade eine Mandel-OP hatten, dann oft gar keinen Bock auf Eis haben.

Im Grunde ist das, was mir machen, so etwas wie Religion.

Mir in Hesse saache ja auch imma ‚mir‘, abba ...

„Ich glaube, er ist ziemlich k.o. Sie haben Musikinstrumente hergebracht, Klaviere und so.“
Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin.

Die Wortwiederholung von ‚k.o.‘ finde ich an der Stelle störend. Als Stilmittel funktioniert das hier nicht.

Sie gehört auch zu den Menschen, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie jemals schlafen.

Warum ‚auch‘? Kann das nicht weg? Wo wäre da der Bezugspunkt für ein ‚auch‘?

Also, Fazit: Sehr gern gelesen!

Liebe Grüße
Anne

 

Mir gefällt die Vorstellung, dass eines Tages irgendein kleines Alien durch das Museum watschelt und erkennt, dass an den Wänden Lebewesen dargestellt sind, die es einmal hier gegeben hat.

Wir tun, was wir wollen. Wir arbeiten zusammen oder für uns allein, je nachdem, was besser funktioniert. Wir sind kreativ. Und wir lassen jedem seinen Raum, auch den Leuten, die unbedingt Ganzkörperabdrücke hinterlassen wollen.
Warum, denke ich, haben wir so was erst kurz vor Schluss hinbekommen? Wir haben auch vorher gewusst, dass wir irgendwann alle sterben werden.

Liebe Perdita,

es ist schon viel zu deiner Geschichte gesagt, so dass ich mich einfach nur dem Lob der anderen anschließen möchte.

Deine Geschichte hat mir nicht nur inhaltlich gefallen, sondern auch, weil ihr der Tag ‚Philosophisches’ für mein Gefühl absolut gerecht wird.

Die Botschaften, die dein Text am Ende vermittelt, sind nicht nur für das von dir entwickelte Endzeitszenarium gültig, sie weisen darüber hinaus: Da ist zum einen die Sinnstiftung des gemeinsamen Tuns, zum anderen dieses archaische Bedürfnis, der wie immer gearteten Nachwelt die eigene Welt nahe zu bringen und sie gleichzeitig auf diese Weise unvergänglich zu machen.

Zwei sehr schöne Grundgedanken deiner wirklich gut konzipierten Geschichte.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Perdita,
ich habe die Geschichte kurz nach der Veröffentlichung gelesen und finde jetzt endlich auch Zeit, wenigstens einen kurzen Kommentar dazu abzugeben.

Für mich passt da alles und ich empfehle die Geschichte nur deshalb nicht, weil ich das generell schwierig finde. (= Auch empfohlene Texte bleiben ja unter Umständen nicht so stehen, sondern werden noch überarbeitet.)
Besonders aufgefallen sind mir Eva und Nick, und die Balance, die du da meisterst, die beiden nicht in Zynismus versinken zu lassen und auch nicht in Melancholie, aber beides blutet überall durch; sie haben sich als Paar, wie auch im Großen die Gemeinschaft, der sie angehören, ein neues "Normal" geschaffen und das fängst du wirklich gut ein.
Mir gefällt auch das Museum, die Idee dahinter, aber auch als Kulisse, es macht die Welt deiner Geschichte sehr groß, weil ich sofort an all die anderen Menschen denke, die dort arbeiten, an all die unausgesprochenen Geschichten, die da auch passieren.
Gedanken über das Bedürfnis, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, hallen nach.
Änderungsvorschläge für den Text habe ich keine. Passend zum Inhalt sollte er nicht zu geschliffen sein, finde ich. Deshalb stört mich auch kein doppeltes "k.o.", im Gegenteil.

Sehr gerne gelesen und gespannt darauf, was ich hier sonst noch so von dir finde.

Grüße
Gefrierpunkt.

 

Liebe Perdita,

Meine Mutter hat immer gesagt, eines Tages werde ich den Weltuntergang verschlafen.

Wie schön dieser Text die Balance hält zwischen Tragik und Humor. Und wieviele kluge, originelle Gedanken darin stecken. Ich bringe auch nur Lob mit. Und warum sollte nicht ein großer Teil der Menschheit so mit dieser schrecklichen Perspektive umgehen? Wir wissen schließlich auch unser ganzes Leben lang, dass wir sterben müssen, doch besonders, wenn die Bedrohung kurz bevor steht, wird noch einmal gelebt, was wirklich wichtig ist und gefühlt, wie schön das Leben ist.

Nick und ich sind stark. Wir passen aufeinander auf. Von uns beiden wird keiner die Abkürzung nehmen, und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.

Ja, das wird glaubhaft im Text.

Der Weg nach draußen kommt mir viel zu weit vor. Wenn ich eines Tages nicht mehr könnte? Würde er dann auch pfeifen?

Das könnte vielleicht noch etwas klarer werden? "Wenn sie mich eines Tages hier hereintragen würden ..." Nur so ein Gefühl.

Es stimmt nicht, dass wir nicht sicher waren, ob wir Kinder wollen. Ich war nicht sicher.
Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, aber das macht es nicht leichter für ihn.

Eine der Stärken dieser Geschichte ist für mich, dass du solche Themen durchdenkst.

Viele Leute verbringen sehr viel Zeit in den Gärten. Mich lenkt das nicht genug ab, aber es ist gut, dass es für so viele funktioniert. Um diese Jahreszeit bedeutet es: Tonnenweise Erdbeeren.

Das kommt alles sehr glaubhaft und lebensecht rüber.

Jetzt sieht man sie entweder im Gemeinschaftsgarten oder hier. Ich bin immer noch nicht sicher, ob sie jemals schläft, aber sie wirkt viel zufriedener. Und ihre Erdbeeren sind die besten.

Das ist mir fast ein bisschen zu sehr betont. Es geht für mich aus dem Kontext hervor, dass ihr Leben vermutlich reicher ist als vorher.

„Na dann … vielen Dank“, sagt Margarete. Sie legt die Kette um, sorgfältig, als wäre es ein Ritual. Dinge, die ablenken, sind wichtig. Wir alle brauchen irgendetwas, und wir alle respektieren, was für andere funktioniert.

Ich frage mich die ganze Zeit, ob deine Geschichte nicht etwas auf die Spitze treibt, was sowieso schon passiert. Man lenkt sich von vielem ab und versucht sich sinnvoll zu beschäftigen und das Wissen um den Tod steht ja auch immer dahinter. Hier hat dieses Wissen darum, dass alle gemeinsam sterben werden, etwas sehr Verbindendes.

Es ist nicht so leicht. Stille, einsame Momente, in denen ich nichts zu tun habe, machen mich nervös. Was, wenn es genau jetzt passieren würde, wo Nick nicht bei mir ist? Wo das letzte, was ich zu ihm gesagt habe, ein blöder Witz war? Aber ich kämpfe dagegen an. Ich setze mich auf eine Bank, fühle die Sonne auf meiner Haut, höre dem Plätschern des Springbrunnens und dem Gurren der Tauben zu. Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.

Ich verstehe das so, dass sie die ganze Zeit das Wissen um diese Bedrohung in Schach halten muss, damit die Verzweiflung sie nicht überwältigt. Sich zu entspannen und gleichzeitig die Zugbrücke oben zu halten ist anstrengend.

Das Schlimme am Eismann ist, dass er so viele Kinder anlockt.

Echt traurig.

„Der ist so was von schlecht“, sagt Nick. Aber er lacht.
Humor, denke ich. Ob es eine Möglichkeit gibt, den ins Museum zu bringen?

Wieder so ein interessanter Gedanke. Wenn diese Welt unterginge, was wäre wert unbedingt bewahrt zu werden? Und wie kann man einem Alien erklären, was Humor ist?

Das Museum ist eigentlich ein Bunker. Es geht das Gerücht um, dass es als eine Art Rettungskapsel gedacht war, mit künstlicher Sauerstoffversorgung, hydroponischen Gärten, gigantischen Vorräten an Konservendosen, Wasser und Medikamenten. Für eine Handvoll Reicher und Mächtiger, die glaubten, so könnten sie sich retten. Aber als das herauskam, heißt es, haben die Arbeiter sich einfach geweigert, das Ding zu Ende zu bauen.

Schöne Utopie. Wahrscheinlich würden die Reichen schon Wege finden, die Armen zu zwingen. Aber schön.

Im Grunde ist das, was mir machen, so etwas wie Religion.

Großartig!

„Die Besucher werden keine Ahnung haben, dass wir die meisten von ihnen ausgerottet hätten, wenn der Blitz nicht gekommen wäre“, sagt Lien.

Der Bezug zur realen Situation heute ist so bitter.

„Komm“, sagt er. „Wir haben immer noch jede Menge Eis.“

Ist das zu weit hergeholt oder ist das ein kleiner Hinweis auf das schmelzende Polareis? So wie die Welt sich gerade entwickelt, wird es diesen Blitz aus dem Weltall gar nicht brauchen.

Ich glaube, es ist immer heilsam, sich die eigene Endlichkeit und, in deiner Geschichte, die Endlichkeit der ganzen Menschheit vor Augen zu führen. Es rückt die Dinge in ein klareres Licht.

Ganz großartig, Perdita. Vielen Dank.

Liebe Grüße von Chutney

 

Also erstmal hab ich hier dauernd @Eisenmann gelesen ... , dann frag ich mich, warum das so schlimm ist. Weil es die Icherzählerin traurig macht, Kinder zu sehen?
:D:lol:

 
Zuletzt bearbeitet:

N’Abend zusammen. Das geht ja vielleicht ab hier. :)

Und dabei will ich doch noch so viele andere Geschichten kommentieren …

Seid nicht böse, wenn ich nicht so schnell hinterherkomme mit dem Beantworten der Kommentare, ich glaub nicht, dass ich alle heute Abend schaffe, aber es kommen alle dran, versprochen!

Hallo weltenläufer,

Ich bin in einem Rutsch durch den Text, habe keinerlei kritische Anmerkungen und komme deswegen lediglich mit einem uneingeschränkten-Daumen-nach-Oben-Kommentar um die Ecke.

Wie schön, dann brauche ich ja nur ein uneingeschränktes Danke zurückzugeben. :)

Sehr gerne gelesen und wird mir sicher noch eine lange Zeit durch den Kopf gehen.
Das freut mich sehr, und mich wird die auch noch eine ganze Weile begleiten. Jetzt wo bernadette das schlimme Wort Roman gesagt hat …

Hallo JPHoffmann,

die klassische Geschichte geht ja so: Unter der dünnen Schicht der Zivilisation sind die Menschen grausame Wesen. Ich fand das schon immer eine deprimierende und auch falsche Vorstellung - als würden wir alle nur darauf warten, endlich mal so richtig grausam sein zu dürfen.
Ja, die Art von Geschichte ist wirklich sehr verbreitet. Die hat auch ihre Berechtigung – niemand weiß besser als ich, dass man manchmal nach einem schweren Tag „Mad Max – Fury Road“ gucken muss, das ist halt kathartisch :lol:

Aber ich denke auch, man muss aufpassen, dass man nicht anfängt zu glauben, so etwas wäre unvermeidlich.

Natürlich haben die meisten Menschen das Potenzial, gewalttätig zu sein und in extremen Situationen bricht sich das oft Bahn. Aber wir haben eben auch die Fähigkeit, uns gegenseitig zu unterstützen und zu kooperieren, und es gibt auch viele Beispiele, dass das gerade in schweren Zeiten oft besonders gut funktioniert.

Es gibt ja so eine Szene von „Preppern“, die sich auf eine drohende globale Katastrophe vorbereiten – an sich ist das nicht dumm, selbst wenn nichts richtig Schlimmes passiert, es ist immer möglich, dass es mal einen großflächigen Stromausfall oder so was gibt, und als Zivilisationsmensch ist man da nicht ohne Weiteres drauf vorbereitet – aber es geht oft mit Paranoia und Verschwörungstheorien einher und die haben halt auch oft diese Vorstellung, dass so eine Situation ein automatisches „Jeder gegen jeden“ wäre. Deren bevorzugtes Überlebensrezept ist es, sich bis an die Zähne zu bewaffnen und irgendwo zu verschanzen, um ihre Konservendosen zu bewachen. Und ich glaube nicht, dass das ein gutes Rezept ist. Nicht nur, weil Gewalt und Grausamkeit in der Realität nichts von dem Unterhaltungspotenzial haben, was die gängigen Endzeitstories bieten, sondern auch, weil die Überlebenschancen viel besser sind, wenn man mit anderen zusammenarbeitet. Wir sind nicht deshalb ein evolutionäres Erfolgsmodell, weil wir besonders brutal sind und auch nicht bloß wegen unserer Intelligenz, sondern vor allem, weil wir soziale Wesen sind und sehr gut miteinander kommunizieren können.

Gut, das hat weniger mit der Geschichte zu tun, wo die Katastrophe ja noch nicht eingetreten ist, sondern „nur“ so etwas wie ein kollektiver Schock, der bei vielen ein sehr radikales Umdenken ausgelöst hat. Aber ich wollte es mal gesagt haben. :)

Bei Dir verhält es sich genau andersrum. Damit ist Dir ein echter Coup gelungen. Man liest die Geschichte und ist von Satz zu Satz mehr angetan. Auch deshalb, weil es bei allem Positiven natürlich trotzdem todtraurig ist.
Ja, ist es wirklich. Ich würde auch eigentlich gern mal eine utopische Geschichte schreiben, die nicht so einen traurigen Rahmen hat. Aber das ist sehr schwierig, weil es dann ganz schnell märchenhaft wirkt. Es scheint so, als ob es diesen Schockmoment braucht.

Vielen Dank für deine Gedanken zum Text!

Hallo Vulkangestein,

Für mich fehlt dem Text jedoch eine zündende Handlung. Es ist mehr eine Momentaufnahme, ein Tag im Leben vor der Apokalypse, ohne, dass dieser Tag irgendwie von den anderen Tagen zu unterscheiden ist.
Ich verstehe was du meinst. Die Geschichte ist wirklich relativ handlungsarm, zumindest was die Ereignisse im Text selbst angeht (vorher haben sich natürlich dramatische Veränderungen des Status quo abgespielt, aber da wo die Geschichte einsetzt, dreht sie sich wirklich mehr oder weniger nur um das Alltagsgeschehen der Protagonisten). Meine Hoffnung war, dass die Figuren genug Charme haben und die Ideen in der Geschichte ansprechend genug sind, dass sich die Leser trotzdem nicht langweilen. Das scheint, nach den bisherigen Kommentaren zu urteilen, auch ganz gut geklappt zu haben.
Aber dein Kritikpunkt, dass die Intensität der Handlung nach dem Anfang spürbar nachlässt, da ist schon was dran. Daran wird sich mit Überarbeitungen nicht viel ändern, glaube ich – die Grundkonstruktion der Geschichte ist einfach so. Es ging mir diesmal tatsächlich mehr ums Philosophische als um die Handlung.

Da fehlt mir nach dem Absatz eine zeitliche oder räumliche Verbindung zur vorherigen Situation.

Sie beschreibt ja, dass im Museum alles Mögliche passiert, dann sagt sie, was Nick dort macht und dann, womit sie selbst sich beschäftigt. Aber vielleicht braucht es da eine bessere Überleitung, ich werde drüber nachdenken

Was mich zudem irritierte waren die Figuren deiner Erzählung. Die meisten von ihnen werden von dir dargestellt, sogar recht genau, aber sie verschwinden nach ihrer Exposition gleich wieder. Am auffälligsten ist da „Olli“:

Diese Erwähnung lässt mich denken, ich müsste diesen Olli bereits kennen. Aber vorher und nachher taucht er nicht auf – es ist nur die Stelle und scheinbar braucht es Olli nur für die Vermutung, dass das „Museum“ als Bunker geplant war. Ich glaube, man könnte ihn streichen und das Alex sagen lassen, der ja verschiedensten (Verschwörungs-)Theorien anhängt, z.B. als ironischer Kommentar, dass sogar Reiche „darauf reingefallen seien“.
Auch das kann ich nachvollziehen. Es ist halt so – Eva, die Ich-Erzählerin, kennt die Leute. Und wenn die auftauchen, kommen oft so ganz kurze Erklärungen in ein paar Sätzen, wer die sind, die sind nur für die Leser.
Es gibt ja diese Technik „Stream of consciousness“, wo man versucht, so zu schreiben, wie die Gedanken im Kopf einer Figur ablaufen. Da würde man so was nicht machen. Ich persönlich mag diese Technik aber nicht, weil ich als Leser verstehen und nicht nur erahnen will, worüber eine Figur nachdenkt, und „echte“ Gedankengänge sind einfach mal zu verworren und setzen zuviel Wissen voraus. Deshalb haben Evas Gedanken sozusagen Fußnoten – Sachen, die man in Wirklichkeit nicht denken würde, weil man sie selber weiß, die aber der Leser halt auch wissen soll. Das ist zugegebenermaßen nicht unbedingt eine elegante Technik, aber sie funktioniert für mich.

Speziell den Olli könnte man tatsächlich streichen. Ein Autor, der sich streng und diszipliniert an den Rat „Kill your darlings“ hält, würde den auch streichen. Ich bin nicht dieser Autor.

Mein Herz hängt daran, dass da aus Versehen der Kommunismus ausgebrochen ist. :herz:

Du könntest auch das „du weißt schon“ streichen und die Protagonistin unwissend lassen. Wenn sie dann nachfragt, kannst du die Informationen ins Gespräch einfließen lassen, was ich schöner finde, als einen erzählerisch-informierenden Block.
Da werde ich drüber nachdenken. Ich wollte auf das Thema nicht super viel Text verwenden, weil es eher ein Randthema ist, deshalb habe ich das nicht in Dialog gepackt, sondern in diesen kleinen Erklärungsabsatz. Ich finde das zwar total interessant, wie könnte man Informationen an jemanden weitergeben, der nichts über unsere Kultur weiß und keine irdische Sprache spricht – aber die Kommunikation mit Außerirdischen ist ja nicht der Fokus der Geschichte. Mal sehen, ich kann das ja mal ausprobieren, wie es als Dialog wirkt und ob es dann tatsächlich deutlich mehr Raum einnimmt.

Was mir sehr gefallen hat, war die fast schon Mantra-hafte Wiederholung der Frage: „Denkst du an was Trauriges?“ Und immer wird der Frage ausgewichen oder halb gelogen. Das ist für mich die Essenz deines Textes, denn irgendwie belügt sich jeder halb, wenn er weiß, der Weltuntergang kommt und man macht trotzdem weiter. Also meinem Empfinden nach ein starker Satz. Aber um die Brücke zu meinem anfänglichen Argument zu schlagen: Ich habe mir bis zum Schluss gewünscht, dass es schließlich einen Bruch gibt und irgendjemand sagt: „Ja.“ Das bleibt aber leider aus.

Ich sehe es nicht so, dass sie lügen. Die Frage wird ja immer in der Absicht gestellt, den anderen aufzuheitern oder abzulenken, falls der sich gerade deprimierende Gedanken macht, und wird schon auch ehrlich beantwortet. Die Frage kommt (zwischen Eva und Nick, andere Figuren fragen sich zwischendurch auch nach ihrem Befinden) insgesamt drei Mal, und die wird eigentlich zweimal bejaht und einmal ist die Antwort ambivalent.

Beim ersten Mal sagt Eva „Unsere Nachbarn haben sich umgebracht“ – also sprich: Ja, ich denke etwas Trauriges, weil gerade etwas Trauriges passiert ist.

Beim zweiten Mal sagt Nick sogar ganz klar „Ja“ – ihm setzt es zu, dass sie keine Kinder haben werden.

Beim dritten Mal sagt Eva „Ich weiß nicht“, weil sie ja eigentlich darüber nachdenkt, wie schön diese ganze Museumsidee ist und wie gerne sie dort ist – aber darüber liegt natürlich so eine Art Traurigkeitsschleier, weil die Menschen so was halt erst „kurz vor Schluss“ auf die Reihe gekriegt haben.

Was du vielleicht meinst mit dem Ausweichen, ist dass sie nie groß darauf eingehen, was sie genau denken und warum das traurig ist. Und danach wird immer möglichst schnell das Thema gewechselt oder ein Witz gemacht oder dem anderen die Traurigkeit ausgeredet.

Aber ich denke, das ist durchaus eine gesunde Art, mit der Situation umzugehen. An der Tatsache, dass die Vernichtung der Welt droht, können sie ja nichts ändern. Also sich abzulenken und das Beste aus der Zeit zu machen, die sie haben, scheint mir schon die beste Strategie zu sein.

Als Fazit würde ich sagen, dass du ein äußerst spannendes Setting gewählt und glaubwürdig umgesetzt hast, auch wenn noch ein, zwei lose Fäden da sind, die du noch besser verweben kannst (s.o.). Mir persönlich fehlt dann ein sich entfaltender Konflikt, der mich bis zum Ende hin an den Text fesselt. Ich muss aber auch zugeben, dass das auch eine Geschmacksfrage sein kann, ich werde mal neugierig die anderen Kommentare durchstöbern.
Bis dahin hoffe ich, dir ein paar nützliche Anmerkungen dagelassen zu haben!
Das hast du! Vielen Dank dafür!

Edit: Ok, es scheint wohl wirklich meine persönliche Meinung zu sein. Ganz allein meine
Du, das überrascht mich ehrlich gesagt auch. :)

Ich habe schon damit gerechnet, dass die Geschichte ein paar Leuten gefallen würde, aber dass das Feedback fast durchgehend außerordentlich positiv ist, habe ich wirklich nicht erwartet.

(Und bestimmt bist du auch nicht der einzige Leser, dem es so geht, es kommentieren halt nicht immer alle).

… Fortsetzung folgt …

 

Gude Perdita,

hui, danke für die lange Antwort. Damit hältst noch einiges Lehrreiches für mich bereit, das finde ich doch auch mal schön :)

Es gibt ja diese Technik „Stream of consciousness“, wo man versucht, so zu schreiben, wie die Gedanken im Kopf einer Figur ablaufen.
-> Das Prinzip kannte ich vage, aber den Begriff nicht. Danke dafür, ist immer hilfreich, so etwas an der Hand zu haben. Tatsächlich ist das etwas, was ich so in etwa versuche, bei meinen meisten Texten nachzuahmen, da mir die draus entstehende Verwirrung (bzw. "Halbinformation") selbst beim Lesen sehr gefällt. Aber wenn du schreibst, dass
diesmal tatsächlich mehr ums Philosophische als um die Handlung.
hast du wahrscheinlich den richtigen Weg für deine Handlung gewählt.

Mein Herz hängt daran, dass da aus Versehen der Kommunismus ausgebrochen ist. :herz:
-> Ja, was soll ich da sagen, als Student hängt natürlich auch mein Herz auf der "linken Seite" ;)

Beim zweiten Mal sagt Nick sogar ganz klar „Ja“ – ihm setzt es zu, dass sie keine Kinder haben werden.
-> Hm, irgendwie habe ich das übergangen :sealed: ... Ich glaube, mein "Problem" war eher die Kürze der Antworten, wie du bereits perfekt erkennst:
Was du vielleicht meinst mit dem Ausweichen, ist dass sie nie groß darauf eingehen, was sie genau denken und warum das traurig ist. Und danach wird immer möglichst schnell das Thema gewechselt oder ein Witz gemacht oder dem anderen die Traurigkeit ausgeredet.
Und da bin ich bei dir, dass es mir als Umgangsform doch zu passen scheint. Quasi als beruhigendes "Mantra".

(Und bestimmt bist du auch nicht der einzige Leser, dem es so geht, es kommentieren halt nicht immer alle).
-> Ich hoffe ... und glaube es. Ganz so vermessen bin ich doch nicht, das Einhorn sein zu wollen :)

Danke für deine Antwort, die mir etwas klarer gemacht hat, in welche Richtung dein Text führen soll. An meinen üblichen Lesegewohnheiten geht er vorbei, weswegen das nochmal eine sehr interessante Erfahrung war.

Liebe Grüße,
Vulkangestein

 

Hallo Perdita,

Kann mich den vielen positiven Kommentaren nur anschließen! Tolles Thema, cool erzählt. Mir hat auch die Idee mit der "Abkürzung" am besten gefallen. Dazu hab ich mir dann schon Gedanken gemacht. Warum das Paar die Verantwortung der "Leichenbeseitigung" übernommen hat, war mir jedoch nicht ganz so klar, aber vielleicht hab ich da was überlesen? Waren sie da beruflich vorher schon tätig? Sonst mochte ich sehr viele Stellen gerne, lediglich der spuckende Alex wäre, aus meiner Sicht, in gekürzter Fassung besser. Sonst kann ich leider nicht viel konstruktive Kritik anbringen - wie meistens bei guten Texten.
Liebe Grüße Sabine

 
Zuletzt bearbeitet:

"|:Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
|: wir leben nicht mehr lang :|:|
Doch keiner weiß in welchem Jahr
und das ist wunderbar.
Wir sind vielleicht noch lange hier
und darauf trinken wir."
Karneval 1954​

Sie waren Zwillinge, höchstens ein oder zwei Jahre vorher geboren. Vor dem Tag, an dem wir alle erfahren haben, dass es eine schlechte Idee ist, noch Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin so froh, dass Nick und ich uns nicht sicher waren, ob wir ein Baby wollen.

Meine Pietätlosigkeit fängt schon hier an: Sollte man so was wie "Kinderkriegen" nicht grundsätzlich bei > 7.000.000.000 Menschen überdenken? Schon zu Stefan Georges Zeiten stellte derselbe fest, dass schon unsere große zahl ein verbrechen sei!, und Marcuse bestärkte das im eindimensionalen Menschen.


SF at it's best, der alte Troglodyt auf technisch höherem Niveau pflegt die älteste bildende Kunst ...

liebe Perdita,

und ohne viel Worte paar letzte Flüsken:

Keine Ahnung[,] wie er das macht, aber ...
(wie leitet einen vollständigen Satz ein)

..., zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann.
ein Wort, runtertragen

Wenn da jemand die Abkürzung nähme, oder einfach einen Herzinfarkt hätte, was ...
"oder" ersetzt ganz vorzüglich das Komma ...

„Frühstück?“[,] frage ich.
„Tut es weh?“[,] frage ich.

Und Ordnung muss sein - auch am Schluss aller Zeit
„Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher?[..,] fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen?[...]' Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“

Und nun ist es so[...]weit gekommen, aber nur, weil in ein paar Jahren die Welt untergeht.

Wiederholungstaten:
Inzwischen ist jedenfalls viel mehr daraus geworden. Ein riesiges verrücktes Projekt, oder viele kleine verrückte Projekte.

„Ich trage einfach gern Sachen durch die Gegend“[,] sagt er.

Es scheint einfach richtig, den Besuchern zu zeigen, dass es nicht nur uns gegeben hat.
Gott sei dank, ich kann noch mal meiner Schulzeit und des Klassenlehrers erinnern, der aus mir einen Lehrer machen wollte. Der behauptete kack frech, nur die Sonne scheine und selbst der Mond leihe sich nur sein Licht von eben der Sonne. Und dann gestand er, dass "scheinen" schon nahe dran sei beim !brauchen", von dem selbst der Volksmund schon weiß, dass wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht' brauchen gar nicht zu gebrauchen ...
Der Duden umgeht dieses Problem oftmals durch vorsetzen der unscheinbaren Silbe "er" (erscheint), aber mir will scheinen, das die Ursache unserer Plauderei durch ein schlichtes "sein" - "es ist einfach richtig" - relativ schadlos ginge.

Auf dem Weg zu Nick versuche ich mir vorzustellen, ich wäre ein Besucher in einer fernen Zukunft, der das Museum zum ersten Mal sieht.
Nicht besser durchgängig Konj., sähe? Denn dan wäre ich ja nicht mehr ich, sondern der Besucher ...

Nicht der letzte Besuch vom

Friedel

 

Hallo josefelipe

Von Dir habe ich außer sehr guten Kommentaren noch nie etwas gelesen. Denke mir, dass Du auch sehr gute Geschichten schreibst – und schon bin ich drin.
Ach, danke schön! Dafür, dass das Thema der Challenge „Gegenwind“ war, kommt mir hier den Kommentaren so viel Sonnenschein entgegen, ich bin richtig geblendet :cool:

Dieses oft gebrauchte Wort ‚Demut’, meist instrumentalisiert von Politikern und anderen Schwätzern, kommt mir in den Sinn; jeder wird versuchen, das Finale auf seine Weise zu managen. Jedenfalls haben sich Deine Helden tapfer geschlagen, ihre Liebe macht sie stark
Schön zusammengefasst :)

Hier muss ich gugln. Da kann ich auch gleich noch ein Stück Käse holen, zur Toilette gehen – jedenfalls bin ich raus. Schade.
Ja, das ist schade, dass dich das raus bringt. Aber das heißt wirklich so im Medizinerslang. Als Alternative würde gehen „Es war Nicks Idee, sich sterilisieren zu lassen“, das wäre wahrscheinlich leichter verständlich, aber ich finde, das klingt ganz furchtbar. Ich habe gehofft, wenn man das Wort nicht kennt, kann man sich die Bedeutung erschließen, weil es um das Vermeiden vom Kinderkriegen geht … ich werde überlegen, ob ich das vielleicht mit einem zusätzlichen Satz noch klarer machen kann. Aber ich will, wenn es sich vermeiden lässt, wirklich nicht „Sterilisation“ schreiben, das klingt für mich so, als würde man jemanden Abkochen. :sconf:

Ist aber schon ’ne Weile her, oder
In meiner Vorstellung nicht allzu lange, ein paar Jahre, würde ich sagen

Liebe Perdita, da hast Du mir und Deinen Lesern ein paar nachweihnachtliche Nüsse zum Knacken gegeben, der Einfluss der (gesteuerten) Medien auf unser (manipuliertes) Befinden ist die härteste Nuss.
Na ja, ich bin nicht sicher, ob man wirklich die Medien hauen soll (also einige im Speziellen auf jeden Fall, aber vielleicht nicht unbedingt „die Medien“ im Allgemeinen). Wo manipuliert wird, gibt’s auch immer jemanden, der sich manipulieren lässt. Wir haben ja heute eigentlich viel mehr Möglichkeiten, uns zu informieren, als alle Generationen vor uns. Aber das ist halt sehr anstrengend, und nicht jeder mag sich mit harten Nüssen auseinandersetzen.

Hallo bernadette,

raffiniert hast du das gemacht, ehrlich.
Danke :)

Da setze ich mich doch zwischen die Protagonisten und denke drüber nach, wie ich mich verhalten würde. Ich würde es einfach nicht glauben. Wieso sollen diese Wissenschaftler auch 100% sowas voraussagen können? Das ist sicher nur ein Komplott von den Chinesen, Russen und/oder Amis, die damit was bezwecken wollen
Das ist ja auch sehr menschlich, so was nicht wahr haben zu wollen. Aber die Frage, die in der Geschichte ja auch gestellt wird, wäre ja wirklich: Was könnte man durch so eine Verschwörung gewinnen? :) Ich würde glaube ich einfach darauf hoffen, dass die Wissenschaftler im Irrtum sind, ohne ihnen zu unterstellen, dass sie aus irgendwelchen Gründen lügen.

Spannend ist auch diese Vorgabe, dass es ein Blitz sein wird: Also geht alles schnell, so verstehe ich das, und in nullkommanix sind alle verbrannt oder so. Also ist das nicht viel tragischer, als eine Abkürzung zu nehmen. Da die Hoffnung doch zuletzt stirbt, kann ich gar nicht verstehen, dass sich da die Leute reihenweise vorher das Leben nehmen.
Ich denke, nicht aus Angst davor, zu leiden. Aber das Wissen darum, dass es keine (langfristige) Zukunft mehr gibt – man kann seine Kinder nicht aufwachsen sehen, es ist sinnlos, langfristige Pläne zu machen, man bekommt seinen Roman vielleicht nicht mehr fertig … ich glaube das kann einen schon ziemlich fertig machen.

Ich finde, diese Idee ist ein Roman wert, weil deine Umsetzung auch nicht so deprimiert, sondern eine positive Seite der Menschen zeigt, die dem Leser im realen Leben wirklich ein paar Ahas geben können.

Ich stelle mir vor, wie dann dieser Tag X immer näher kommt (das ist doch anscheinend berechnet, oder?)
und am Ende nur noch Party ist, um sich abzulenken, das macht man am besten mit was Schönem. Dann wird gefeiert, gefeiert, gefeiert ... und der Blitz kommt nicht.
Die Geschichte ist dann aber noch nicht zu Ende. Denn wie gehen die Menschen danach damit um?

Romane machen doch aber so furchtbar viel Arbeit! :shy:
Wenn ich dran denke, wie lange es gedauert hat, die dreitausendirgendwas Wörter für die Geschichte aus meinem Hirn zu quetschen, und dann bedenke, dass ein Roman ungefähr zehn Mal so lang ist oder noch länger …
Aber du hast absolut Recht, die Frage, was passiert, wenn die Vorhersage dann gar nicht eintrifft, hätte ein Riesenpotenzial, und weil du das gesagt hast, denke ich da jetzt auch schon die ganze Zeit drüber nach. Also es kann sich nur noch um Jahre handeln. :lol:

Gibt es eigentlich schon eine Empfehlung für diese Geschichte?
Nein. :)

… Fortsetzung folgt …

 

Hallo Perdita,

ich möchte mich gerne in die lange Schlange der begeisterten Kommentare zu deiner Geschichte einreihen. Auch mich hast mit deiner „positiven“ Endzeitstory voll gekriegt und ich frage mich die ganze Zeit:

Warum, denke ich, haben wir so was erst kurz vor Schluss hinbekommen?
Du schaffst es wirklich auf sehr unterhaltsame Weise, existenzielle Fragen in den Fokus zu rücken, mit denen sich jeder Leser nach Genuss deiner Geschichte für sich selbst herumschlagen muss. Es wurde ja schon mehrfach so ähnlich geäußert: so unerwartet menschlich, wie du diese Endzeitwelt beschreibt, wünscht man sich irgendwie schon, das wäre die eigentliche Realität - nur eben ohne Endzeit...
Deine beiden Protagonisten sind mir auch sehr ans Herz gewachsen, auch die anderen Figuren finde ich gut gezeichnet.Eine tolle Geschichte mit vielen gut durchdachten Details! Vielen Dank dafür! Ich hoffe, sie kommt irgendwann konserviert ins Museum!
Und ich komme mit dem Lastenrad bei dir vorbei (habe gesehen, du wohnst in Leipzig – meine alte Heimatstadt) und kippe eine riesige Ladung Lob vor deiner Tür aus.

Viele Grüße von Raindog

 

Hallo noch mal, josefelipe,

mir ist aufgegangen, dass ich dich gestern womöglich missverstanden habe.

Ist aber schon ’ne Weile her, oder
In meiner Vorstellung nicht allzu lange, ein paar Jahre, würde ich sagen

Also ich meinte da, es ist noch nicht so ewig lange her, dass sie aufgehört haben, Geld zu benutzen, und „jedem nach seinen Bedürfnissen“ etwas aus den Gemeinschaftsgärten abgegeben wird.

Dein Kommentar bezog sich vielleicht eher darauf, dass so richtiger Tauschhandel – Ware gegen Ware statt Ware gegen Geld – schon eine ganze Weile aus der Mode gekommen ist. Also zumindest käme mir das jetzt im Nachhinein logisch vor :lol:

Hallo Wortmann,

Nur eine kurze Anmerkung zu deiner tollen Geschichte: Du verwendest den Begriff „eine Abkürzung nehmen“ für meinen Geschmack zu oft.
Da seid ihr schon zwei, meine Mama sagt das auch. :)

Würde man in der Situation nicht auch Alternativen wie „sie sind gegangen“ oder „sie haben‘s hinter sich gebracht“ o. ä. sagen?
Das sind ja Euphemismen, die tatsächlich verwendet werden, wenn jemand stirbt.
In dem Ausdruck „die Abkürzung nehmen“ steckt halt so ein zusätzlicher Aspekt drin, nämlich der Gedanke, dass niemand es noch besonders lange machen wird, die Leute, die sich vorher das Leben nehmen, kommen also nur ein bisschen früher da an, wo alle anderen auch bald landen. Ich habe mir das so gedacht, dass es sich als feststehende Redewendung speziell für diese Situation etabliert hat. Wenn jemand einfach an Altersschwäche stirbt oder einen Unfall hat, würde man trotzdem sagen „der ist von uns gegangen“ oder ähnlich – aber wenn sich jemand umbringt, sind das halt besondere Umstände.

Das ist aber alles kein Argument dafür, die Redewendung inflationär zu gebrauchen, also ich werde auf jeden Fall schauen, wo ich das reduzieren kann.

Vielen Dank für deine Anmerkung!

Hallo Anne49,

Der Nick und deine Icherzählerin - ich habe da mal oben meine Lieblingsstellen rausgepickt, da stimmt einfach die Chemie, da hast du,

liebe @Perdita,

mich voll erwischt, klasse geschrieben! Dadurch ist es für mich eben nicht nur eine weitere düstere Geschichte vom Weltuntergang, sondern auch - ach, ich sag's jetzt einfach: ein Plädoyer für die Liebe.

Ja, das ist mir auch irgendwann klar geworden, als die Geschichte fertig war – dass das für mich eine ziemlich Abweichung von meiner üblichen „Romantik“-Muffelei ist. :D

Würde man nicht eher sagen: ‚höchstens ein oder zwei Jahre alt‘? Ich weiß, da kommt dann noch was nach, was darauf Bezug nimmt, trotzdem wirkt es erst einmal ungelenk formuliert.
Ich meine damit: als die Zwillinge noch sehr klein waren, maximal zwei Jahre alt, kam die Nachricht vom drohenden Weltuntergang. Die sind jetzt vielleicht vier oder fünf. Aber jetzt wo du es sagst, es ist nicht so ganz eindeutig, ich schaue mal, wie ich das vielleicht besser formulieren kann.

Das finde ich lustig hier an der Stelle mit dem vielen Obst ...
Vielleicht noch ein Banänchen?
Ups, das war keine Absicht. Aber es ist echt lustig. Ich glaube, das lasse ich so. :lol:

Also erstmal hab ich hier dauernd @Eisenmann gelesen ...
Das habe ich mir gedacht, als ich den Teil geschrieben habe, dass es den Leuten, die oft im Forum unterwegs sind, so ergehen wird ... aber das ließ sich nicht vermeiden, der hieß dann einfach so. :)

dann frag ich mich, warum das so schlimm ist. Weil es die Icherzählerin traurig macht, Kinder zu sehen?
Ja, genau.

Mir in Hesse saache ja auch imma ‚mir‘, abba ...
:lol: Unglaublich, wie so was auch nach zigmal Korrektur lesen immer noch durchrutscht.

Die Wortwiederholung von ‚k.o.‘ finde ich an der Stelle störend. Als Stilmittel funktioniert das hier nicht.
Das wurde auch schon von anderen kritisiert, leuchtet mir auch ein. Da geh ich noch mal mit dem Schmirgelpapier drüber.

Warum ‚auch‘? Kann das nicht weg? Wo wäre da der Bezugspunkt für ein ‚auch‘?
Ja, zugegeben, der Bezugspunkt ist weit weg.

Das ist die Stelle, wo sie Erdbeeren holt und das hier über Margarete sagt:

Ich bin immer noch nicht sicher, ob sie jemals schläft, aber sie wirkt viel zufriedener.

Also, Fazit: Sehr gern gelesen!
Vielen Dank! Auch für das sehr gründliche Lesen, das waren noch ein paar hilfreiche Hinweise! :)

Hallo barnhelm,

Deine Geschichte hat mir nicht nur inhaltlich gefallen, sondern auch, weil ihr der Tag ‚Philosophisches’ für mein Gefühl absolut gerecht wird.
Das ist toll zu hören. Ich mag philosophische Geschichten sehr gern und finde auch, dass viele philosophische Konzepte viel besser zugänglich werden, wenn sie in Geschichten verpackt sind. Auf der anderen Seite ist es eine Herausforderung, solche Geschichten zu schreiben, weil immer die Gefahr besteht, dass man sich zu sehr auf die philosophischen Inhalte konzentriert und Handlung und Charaktere zu blass bleiben. Hier haben sich die Figuren von Anfang an sehr lebendig angefühlt, ich glaube das hat der Geschichte gut getan.

Die Botschaften, die dein Text am Ende vermittelt, sind nicht nur für das von dir entwickelte Endzeitszenarium gültig, sie weisen darüber hinaus: Da ist zum einen die Sinnstiftung des gemeinsamen Tuns, zum anderen dieses archaische Bedürfnis, der wie immer gearteten Nachwelt die eigene Welt nahe zu bringen und sie gleichzeitig auf diese Weise unvergänglich zu machen.

Zwei sehr schöne Grundgedanken deiner wirklich gut konzipierten Geschichte.

Vielen Dank, ich freue mich riesig, dass die Hintergedanken der Geschichte so klar rauskommen und so gut aufgenommen werden.

… Fortsetzung folgt …

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Wortmann - Entschuldigung, das sollte Gefrierpunkt sein ...

Besonders aufgefallen sind mir Eva und Nick, und die Balance, die du da meisterst, die beiden nicht in Zynismus versinken zu lassen und auch nicht in Melancholie, aber beides blutet überall durch; sie haben sich als Paar, wie auch im Großen die Gemeinschaft, der sie angehören, ein neues "Normal" geschaffen und das fängst du wirklich gut ein.
Vielen Dank, es freut mich wirklich unheimlich, dass das so viele Leser so empfinden. Es ist ja schon ein ganz schöner Kontrast zwischen den Themen und Stimmungen in der Geschichte, und beim Schreiben war ich mir nicht immer sicher, ob ich die Balance halten kann.

Mir gefällt auch das Museum, die Idee dahinter, aber auch als Kulisse, es macht die Welt deiner Geschichte sehr groß, weil ich sofort an all die anderen Menschen denke, die dort arbeiten, an all die unausgesprochenen Geschichten, die da auch passieren.
Gedanken über das Bedürfnis, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, hallen nach.
Darüber freue ich mich auch sehr. Die anderen Menschen tauchen ja meistens nur in kurzen Begegnungen auf oder werden am Rande erwähnt, also es ist toll, dass du trotzdem das Gefühl hattest, dass da viel mehr passiert als nur das, was von Eva und Nick erzählt wird. In einem Roman könnte man natürlich viel mehr von diesen hier „unausgesprochenen“ Geschichten erzählen.

Änderungsvorschläge für den Text habe ich keine. Passend zum Inhalt sollte er nicht zu geschliffen sein, finde ich. Deshalb stört mich auch kein doppeltes "k.o.", im Gegenteil.
Im Prinzip empfinde ich das auch so, dass der Erzählstil schon ganz gut zur Geschichte passt, und freue mich über deine Bestätigung. Eva ist ja noch ziemlich jung und nicht unbedingt jemand, der sich sehr gewählt oder druckreif ausdrückt, und so soll die Geschichte auch klingen. Und bei dem k.o. hatte ich mir auch gedacht, dass passt irgendwie auch, dass jemand, der körperlich erschöpft ist, da erstens kein langes Wort benutzt und zweitens etwas wiederholt, was kurz vorher gesagt wurde, weil man sich halt in diesem Zustand keine großartigen kreativen Gedanken mehr macht.

Aber nachdem es mehrere Leser kritisiert haben, tendiere ich doch dazu, eine andere Formulierung zu finden. Denn ich kenne das, wenn man sich beim Lesen irgendwo festhakt, das ist zwar kein Riesenproblem, wenn einem der Text ansonsten gefällt, aber schon störend und bringt einen für einen Moment aus der Geschichte raus. Und gerade bei Abkürzungen ist dieser Effekt wahrscheinlich besonders häufig, weil es schon rein optisch aus dem Text heraus sticht.

Sehr gerne gelesen und gespannt darauf, was ich hier sonst noch so von dir finde.
Danke und viel Spaß beim Lesen, ich hoffe du findest noch mehr, was dir gefällt. :)

Hallo Chutney,

Wie schön dieser Text die Balance hält zwischen Tragik und Humor. Und wieviele kluge, originelle Gedanken darin stecken. Ich bringe auch nur Lob mit.
Das ist mal ein schönes Luxusproblem. Ich tue mich bei der Formulierung meiner Antwortkommentare gerade ein bisschen schwer, weil ich das Gefühl habe, mich dauernd zu wiederholen und immer wieder „Danke, danke, ich freu mich, vielen Dank“ zu schreiben. Aber wie soll man da sonst reagieren? Vielen Dank! :)

Das könnte vielleicht noch etwas klarer werden? "Wenn sie mich eines Tages hier hereintragen würden ..." Nur so ein Gefühl.

Das ist mir fast ein bisschen zu sehr betont. Es geht für mich aus dem Kontext hervor, dass ihr Leben vermutlich reicher ist als vorher.

Beides gute Anregungen, werde ich mir durch den Kopf gehen lassen.

Ich frage mich die ganze Zeit, ob deine Geschichte nicht etwas auf die Spitze treibt, was sowieso schon passiert. Man lenkt sich von vielem ab und versucht sich sinnvoll zu beschäftigen und das Wissen um den Tod steht ja auch immer dahinter. Hier hat dieses Wissen darum, dass alle gemeinsam sterben werden, etwas sehr Verbindendes.
Vielleicht ist es ein bisschen eine Binsenweisheit, dass sich die Perspektive und die Prioritätensetzung von Menschen oft sehr verändern, wenn sie wissen, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben haben. Aber ich fand das echt spannend, was passieren könnte, wenn das nicht nur auf der individuellen Ebene durch eine Krebsdiagnose oder so etwas geschieht, sondern für eine ganze Gesellschaft gilt.

Ich verstehe das so, dass sie die ganze Zeit das Wissen um diese Bedrohung in Schach halten muss, damit die Verzweiflung sie nicht überwältigt. Sich zu entspannen und gleichzeitig die Zugbrücke oben zu halten ist anstrengend.
Ja, so habe ich mir das gedacht. :)

Schöne Utopie. Wahrscheinlich würden die Reichen schon Wege finden, die Armen zu zwingen. Aber schön.
Ja, das ist wahrscheinlich utopisch. Technikgläubigkeit und Verdrängung wären sicher groß genug, dass man den Bau von solchen Rettungskapseln notfalls mit Gewalt durchdrücken würde. Aber ich glaube, der Bunkerbau würde in diesem Fall nicht wirklich was bringen. Die direkte Wirkung von so einem Gammablitz auf die Erde wäre zwar nur sehr kurz, aber die Langzeitwirkungen wären heftig. Wenn alle Pflanzen auf der Erdoberfläche sterben, würde sich ja z.B. der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre drastisch verändern. Irgendwann sind die Vorräte im Bunker aufgebraucht und die Technik kriegt Verschleißerscheinungen und versagt, und dann wäre da drin auch Schluss. Vielleicht hatte da jemand ein Einsehen und hat gesagt, komm, lass die Leute in Ruhe, es bringt sowieso nichts, das fertig zu bauen.

Der Bezug zur realen Situation heute ist so bitter.
Da habe ich überlegt, ob ich die Geschichte nicht überfrachte mit einem Hinweis darauf, dass wir ja selbst ohne kosmische Bedrohungen unsere globalen Katastrophen auch ganz gut selber hinbekommen. Aber es passt für mich auch ganz gut zu der Frage in der Geschichte, warum kriegen wir es nicht ohne so einen Schock von außen hin, Veränderungen zum Besseren einzuleiten? Außerdem ist es eine kleine private Hommage – ich habe mir mal für den Kunstunterricht in der Schule ein Konzept für ein Denkmal für ausgestorbene Arten ausgedacht, das lebt hier quasi wieder auf. :)

Ist das zu weit hergeholt oder ist das ein kleiner Hinweis auf das schmelzende Polareis? So wie die Welt sich gerade entwickelt, wird es diesen Blitz aus dem Weltall gar nicht brauchen.
Da habe ich tatsächlich nur an das Eis gedacht, was sie noch nicht aufgegessen haben. Aber interessanter Gedanke … das ging mir schon auch viel durch den Kopf beim Schreiben, dass wir eigentlich im Moment eine viel größere Bedrohung für uns selbst sind als Gammablitze oder Meteoriten oder was sonst noch so aus dem Weltall auf uns zu kommen könnte.

Ich glaube, es ist immer heilsam, sich die eigene Endlichkeit und, in deiner Geschichte, die Endlichkeit der ganzen Menschheit vor Augen zu führen. Es rückt die Dinge in ein klareres Licht.

Ganz großartig, Perdita. Vielen Dank.

Vielen Dank für deinen Kommentar mit vielen interessanten Gedanken und Anregungen!

Hallo Sabine P

Kann mich den vielen positiven Kommentaren nur anschließen! Tolles Thema, cool erzählt.
Tja, da kann ich auch nur ein weiteres Dankeschön in die lange Reihe von Antworten auf die Kommentare einreihen. :)

Mir hat auch die Idee mit der "Abkürzung" am besten gefallen. Dazu hab ich mir dann schon Gedanken gemacht. Warum das Paar die Verantwortung der "Leichenbeseitigung" übernommen hat, war mir jedoch nicht ganz so klar, aber vielleicht hab ich da was überlesen? Waren sie da beruflich vorher schon tätig?
Ich gehe im Text nicht darauf ein, was die beiden vorher gemacht haben. Aber ich denke, Tatortreiniger oder Bestatter waren sie nicht. Sie tun es, weil die Strukturen, die es vorher gab, um sich um solche Situationen zu kümmern – Polizei usw. – vielleicht nicht mehr so wie vorher funktionieren, und es trotzdem gemacht werden muss. Und weil sie es ganz gut verkraften, was sicher nicht für jeden Menschen gilt.

Sonst mochte ich sehr viele Stellen gerne, lediglich der spuckende Alex wäre, aus meiner Sicht, in gekürzter Fassung besser.
Schaue ich mir an, ich habe auch den Eindruck, dass vor allem am Anfang der Geschichte noch ein paar Stellen sind, wo ein bisschen gestrafft werden kann.

So, ich hatte ganz hehre Vorsätze für dieses Wochenende: Alle Kommentare beantworten, den Text überarbeiten und ein bisschen vorwärts kommen mit dem Kommentieren der anderen Challenge-Texte. Aber wie sich herausstellt, haben Samstag und Sonntag auch nur jeweils 24 Stunden und die meisten davon sind jetzt leider schon rum.

Deshalb würde ich jetzt erst mal noch ein paar Kommentare zu anderen Texten schreiben und den Rest noch ein bisschen vertagen. Um die „mir/wir“-Verwechslung habe ich schon mal gekümmert, alles was ein bisschen mehr Nachdenken erfordert, kommt später, ebenso wie die Antworten auf die restlichen Kommentare.

Also wieder mal: Fortsetzung folgt …

 

Hallo Perdita,
Deine Geschichte gefällt mir besonders im Tonfall, der originell ist und das so aus der Hinterhand, dass man davon überrascht wird, nicht auf dem Tablett serviert, sondern so aus der Seite. Ja, die Originalität finde ich wirklich überzeugend. Unten ein paar Teile, die mir besonders gefallen.
Inhaltlich finde ich den Einstieg spannend, der eine Zeit lang offen lässt, was es ist. Abkürzung ist eine raffinierte Finte, die sich dann klärt und dann geht es auch schnell in das Sprechen über den Tod, der seinen Schrecken verliert im Angesicht der Katastrophe, die ohnehin für alle das Ende bedeutet. Und da greift die Gleichheitsidee wieder und mit dem „irgendwie kommunistischen“ Denker und eigenen Ideen der Hauptfigur kommen ziemlich interessante Überlegungen zustande über die letzte Zeit. Und wenn man das apokalyptische als Metapher nimmt, kann man es einfach auch auf Ende und Tod beziehen für jeden persönlich. Schön kontrastiert finde ich die Normalität im Kontrast zur Bedrohung und zur Überlegung, was kommt. Was soll das dann eigentlich, das Leben? Es lenkt ab. Das kommt ein paar Mal vor und das scheint mir ein wichtiger Gedanke, der aber unabhängig von einer apokalyptischen Bedrohung ebenso bedeutsam ist. Vieles tut man, um beschäftigt zu sein im Sinn einer l’art pour l’art, weil man ja irgendwas tun muss. Sonst sitzt man ja nur auf dem Sofa. Was bleibt also? Man weiß es nicht, möchte aber dann doch ewig sein, im Licht sein und sich verewigen, für en auch immer. Was bedeutet dann Kinder bekommen, und das eben auch nicht nur im Bedrohungsszenario, sondern ganz normal. Wenn alles eh nur ein Sein zum Tode ist. Diese Fragen wirft der Text auf und das auch so nonchalant ohne großes Getöse. Das ist schon gut gemacht. Da muss es dann für mich gar keine Plausibilitätsfragen geben. Ob man den Weltuntergang für ein paar Jahre im Voraus bestimmen kann. Die Szene für sich wirkt so, dass ich es annehmen kann.
Gelungene Stellen:

„Danke“, sage ich. Das Wort fällt aus meinem Mund wie ein Stein.
Toll erfunden:
Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.
Ebenso:
Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.
Ebenso:
Nick humpelt ein bisschen auf dem Weg zum Auto, und ich versuche, mitleidig dreinzuschauen, aber es ist schwer, weil ich so erleichtert bin.
Stimmt da der Fall?
Für eine Handvoll Reicher und Mächtiger,
Schön:
und er ist so eine Art Kommunist.
Schöne Eve Klein-Hommage
Ein riesiges verrücktes Projekt, oder viele kleine verrückte Projekte.

Warum, denke ich, haben wir so was erst kurz vor Schluss hinbekommen? Wir haben auch vorher gewusst, dass wir irgendwann alle sterben werden.
Das ist eine super Schlussüberlegung, die sich auch aufs normale Leben beziehen lässt. Oftmals glückt Entscheidendes doch erst im letzten Moment, oft braucht man den Druck, um zu Potte zu kommen, um Dinge anzupacken, die man vorher für unveränderbar hielt. Und vielleicht gilt das auch für die allerletzten Tage.
Vielen Dank für den bewegenden Text und herzliche Grüße
rieger

 

Liebe Perdita

eigentlich wollte ich gar nicht kommentieren, weil ich zu deiner Geschichte nichts zu sagen habe. Nur ganz viel Lob. Und ich mich wundere, dass sie noch nicht empfohlen worden ist. Ich bin grad zu faul dazu, ganz ehrlich, ist wirklich so. Will eigentlich keine Zeile mehr schreiben. Manchmal hab ich hier einfach zu viel gemacht, und dann schlägt das Pendel nach hinten aus. :)

Was ich so bemerkenswert finde an deinem Text ist das hier: Er hat keinen Konflikt. Oder jedenfalls keinen vordergründigen, denn alle Hauptfiguren schicken sich ja in ihr Los. Sie kämpfen nicht gegen ein Schicksal oder einen Widerstand an, sondern haben sich von vorneherein in ihr Los geschickt und die Spannung des Textes, die er ja trotzdem hat, entsteht einzig darin, ihrem Treiben zu folgen. Und trotzdem oder vielleicht sogar deswegen funktioniert der Text wahnsinnig gut und ist dabei ausgesprochen sympathisch und liebenswert. Wirklich wunderschön. Ich denke, es liegt daran, dass die Angst vor dem Tod der größte, der letzte Konflikt ist, den jeder hat. Eine Urangst - und mit dieser Angst geht der Text auf sehr behutsame Weise um.
So viele Endzeitszenarien gibt es, so viele Filme oder Bücher, die sich damit beschäftigen, wie die Leute austicken oder sich gegenseitig ummetzeln, um sich zu retten. Deine Welt ist darüber hinaus, sie haben akzeptiert, dass es zu Ende geht und haben sich auf das besonnen, was zählt. Und dabei finde ich schon wieder was bemerkenswert. Du zeigst das ohne Rührseligkeit, ohne Pathos, ohne bescheuerte Moral. Einfach so.
Kein Hollywoodschinken. Ein unspektakulärer isländischer Film voller Härte und Wärme, und genau deswegen so wunderbar.

Lieben Grüße von Novak

 

Und ich mich wundere, dass sie noch nicht empfohlen worden ist.
Nur kurz, damit es keine Verwirrung gibt: Doch, sie ist empfohlen worden. Da Webmaster andersweitig sehr eingespannt ist, kann er im Moment nichts für WK tun, somit werden die nicht freigegeben.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard,

"|:Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
|: wir leben nicht mehr lang :|:|
Also mein Lieblingslied zu dem Thema ist "Wir werden alle sterben" von Deutschlands meister Band der Welt, Knorkator. :D

Meine Pietätlosigkeit fängt schon hier an: Sollte man so was wie "Kinderkriegen" nicht grundsätzlich bei > 7.000.000.000 Menschen überdenken? Schon zu Stefan Georges Zeiten stellte derselbe fest, dass schon unsere große zahl ein verbrechen sei!, und Marcuse bestärkte das im eindimensionalen Menschen.
Hmm, das würde ich schon differenziert sehen. Die Weltbevölkerung kann nicht unendlich wachsen, klar. Und bei bald 10 Milliarden Menschen und schwindenden Ressourcen wird es eine umso größere Herausforderung, allen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Aber ich denke, es gilt immer noch das Gandhi-Zitat, dass es genug gibt für jedermanns Bedürfnisse, bloß nicht genug für jedermanns Gier. Wenn man sich anschaut, wo auf der Welt der größte Schaden angerichtet wird, was Umweltzerstörung und Ressourcenverbrauch angeht, dann sind das nicht die Regionen mit der größten oder am schnellsten wachsenden Bevölkerung, sondern die, wo die Population mittlerweile altert und schrumpft. Also die Lebensweise ist ein viel wichtigerer Faktor als die Anzahl der Kinder. Ich bin sehr dafür, Frauenrechte und Aufklärung über Familienplanung weltweit zu fördern, ich glaube das ist der beste Weg, um das Wachstum zu bremsen. Aber ich hab ein Problem damit, Leuten, die sich ein Kind wünschen, zu sagen: Du, das ist doch voll die Umweltschweinerei, lass das lieber bleiben. Ich möchte selbst keine Kinder, aber ich weiß auch, dass ich damit eine Ausnahme bin, das ist schon ein sehr elementarer Wunsch für die meisten Menschen. Wünschenswert wäre es aus meiner Sicht schon, wenn sich möglichst viele zu der Erkenntnis durchringen, dass 1-2 Kinder reichen. :)

und ohne viel Worte paar letzte Flüsken:
Vielen Dank! Ich bin jedes Mal beeindruckt, was du so alles findest. :)
Der Unterschied zwischen der automatischen Rechtschreib- und Grammatikprüfung im Word und einem Korrekturlesedurchgang von dir, das ist wie der Unterschied zwischen Fabrikware aus dem Backshop und selbergebackenem Brot - echt eine ganz andere Qualität.

Hallo Raindog,

ich möchte mich gerne in die lange Schlange der begeisterten Kommentare zu deiner Geschichte einreihen.
Das ist ja zur Zeit leider wirklich eine Schlange, wo man anstehen muss, weil ich mit den Antworten gar nicht so schnell hinterher komme, wie ihr kommentiert. :)

Du schaffst es wirklich auf sehr unterhaltsame Weise, existenzielle Fragen in den Fokus zu rücken, mit denen sich jeder Leser nach Genuss deiner Geschichte für sich selbst herumschlagen muss. Es wurde ja schon mehrfach so ähnlich geäußert: so unerwartet menschlich, wie du diese Endzeitwelt beschreibt, wünscht man sich irgendwie schon, das wäre die eigentliche Realität - nur eben ohne Endzeit...
Das finde ich toll, denn wenn das passiert, habe ich ja das Ziel, von dem ich anfangs dachte es wäre ziemlich verrückt, tatsächlich erreicht - eine Utopie in eine Endzeitstory zu verpacken.
Und in einer Romanfassung der Geschichte wäre es definitiv so, dass die Welt dann doch nicht untergeht, denn das ist ja dann erst richtig spannend, ob man diese neue Gesellschaftsordnung trotzdem aufrecht erhalten kann oder ob man in den vorherigen Status quo zurückfällt.

Deine beiden Protagonisten sind mir auch sehr ans Herz gewachsen, auch die anderen Figuren finde ich gut gezeichnet.Eine tolle Geschichte mit vielen gut durchdachten Details! Vielen Dank dafür! Ich hoffe, sie kommt irgendwann konserviert ins Museum!
Das schwierige am Konservieren von Texten ist halt, dass die Museumsbesucher die dann nicht lesen können, weil es ja keine Menschen wären. Da müsste ich das Ganze erst in Piktogramme oder so was übersetzen ... :)

Und ich komme mit dem Lastenrad bei dir vorbei (habe gesehen, du wohnst in Leipzig – meine alte Heimatstadt) und kippe eine riesige Ladung Lob vor deiner Tür aus.
Lob bis vor die Tür, das ist Service! Vielen Dank!

Hallo maria.meerhaba,

du baust hier eine tolle Atmosphäre auf, eine Endzeitszenario ohne irgendwelche Explosionen und Zombies und Action. Du zeigst, was passieren könnte, wenn jeder Mensch plötzlich das gleiche Schicksal hat und wie sie sich vereinen und Geld plötzlich keine Rolle mehr spielt. Das hat mir echt gut gefallen. Die Atmosphäre ist toll, das Museum und die Gedanken sind toll, die Figuren kriegen alles, was sie brauchen, ein Gesicht, eine Geschichte, ein Leben, eine Seele und doch scheint nichts davon wichtig zu sein, weil so wieso das Leben ein Ende finden wird. Leute nehmen die Abkürzung, oder leben nur vor sich hin und entdecken plötzlich die Schönheit des Miteinanderseins. Also das alles funktioniert. Du zeichnest die Zukunftsvision toll und ich kann weder über die Szenen, noch über die Figuren und der Handlung meckern.
Ein kleines bisschen bedaure ich das ja, dass du nicht deinen berühmten Zerfetzmodus zum Einsatz bringen kannst. :)
Nein, ernsthaft, das hat mich sehr gefreut.

Aber eben über den Konflikt. In meinen Augen gibt es keinen Konflikt.
Ich würde sagen, es gibt insofern einen, dass die Protagonisten jeden Tag mit der Tatsache kämpfen müssen, dass sie nicht mehr sehr viel Lebenszeit haben, bzw. die Erde insgesamt nicht mehr. Aber ich verstehe das schon, ich glaube dein Leseeindruck geht in eine ähnliche Richtung wie bei Vulkangestein. Für einen richtigen zwischenmenschlichen Konflikt gibt es nur einen Ansatz in der Szene mit Alex, und danach ist das Ganze dann wirklich sehr ... harmonisch? Die sind halt alle wirklich extra-lieb zueinander, weil jeder schon genug mit der Situation zu kämpfen hat, das heißt Spannung im engeren Sinne kann da tatsächlich wenig aufkommen. Die Geschichte lebt wirklich fast ausschließlich von den Figuren und der Atmosphäre. Das ist mir auch bewusst, und ich hätte sogar erwartet, dass sich da viel mehr Leser drüber beschweren.
Ich denke aber, das hängt auch damit zusammen, das ganz viele alltägliche Konflikte, die sonst Stoff für Geschichten liefern, im Kontext dieser Geschichte nicht so richtig zünden würden - glaube ich zumindest. Also was weiß ich, meine Nachbarin war unfreundlich, mein Partner räumt nie auf - da denkt man dann doch irgendwie: who cares? In ein paar Jahren geht die Welt unter. Und so klassische Endzeitstory-Konflikte, dass sich das verschiedene Fraktionen die Schädel einschlagen, das wollte ich halt nicht.

PS.: Stimmt es wirklich, dass ich zum ersten Mal eine Geschichte von dir kommentiere? Das kann doch nicht wahr sein, oder?
Ich glaube schon, zumindest fällt mir sonst keine ein? Aber vielleicht werd ich auch alt ...
Dafür habe ich ja auch ganz lange nichts von dir kommentiert, denn meistens haben dann schon so viele Leute schlaue Sachen dazu gesagt, dass es schwierig ist, noch etwas beizutragen ... aber zu deiner Challenge-Geschichte komme ich auf jeden Fall noch, denn zur Zeit lese ich aus Zeitmangel die meisten Kommentare zu den anderen Geschichten gar nicht und wiederhole dann einfach auf Teufel komm raus. :)

... Fortsetzung folgt ...

 
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Hallo Perdita,

das ist eine tolle Geschichte, die gefällt mir sehr gut, nicht nur, weil ich Endzeitgeschichten mag, sondern weil hier für meinen Geschmack fast alles stimmt. Meine Kritik betrifft daher Kleinigkeiten. Kannst Du auch drüber weg lesen, sind im Grunde akademischer Natur.

Der Euphemismus die Abkürzung nehmen ist für mein Empfinden nicht hundertprozentig glaubwürdig, weil sich darin eine religiöse Note befindet, für die es im Text keine Begründung gibt. Abkürzen können wir lediglich Strecken, die mühsam oder lästig sind, um dann an den Ort oder die Situation unserer Wünsche zu gelangen. Wir würden beispielsweise nicht auf die Idee kommen, einen Kinofilm oder einen Roman abzukürzen, denn es ist ja klar, dass der Wert in den Aktivitäten selbst liegt und nicht darin, sie möglichst schnell hinter sich zu bringen.

So ist das auch ausnahmslos für alle nichtreligiösen Menschen, also für diejenigen, die nicht an ein Leben nach dem Tod glauben. Abkürzen kann man nur etwas, wenn es ein Danach gibt. Eine Abkürzung hat stets ein Ende, nämlich den Zielpunkt. Für Atheisten und Agnostiker kann der Tod aber niemals ein Zielpunkt sein. Deshalb funktioniert der Begriff Abkürzung sinnvoll nur für Menschen, die den mühsamen, leidvollen Weg zu einem Leben nach dem Tod abkürzen wollen, indem sie sich töten.

Anders ausgedrückt: Weil der Tod nicht das Ziel des Lebens ist, kann Selbsttötung auch keine Abkürzung sein. Wenn es kein Danach gibt, gibt es auch keine Abkürzung sondern nur eine Beendigung.

Aus dem Grunde würde sich ein Euphemismus wie die Abkürzung nehmen auch sicher nicht durchsetzen. Da kämen eher Formulierungen wie Erlösen, Auflösen, Verlöschen, Vergehen usw. in Frage.

Ein zweiter Punkt betrifft den behaupteten Trend zu massenhaften Sterilisationen. Das widerspricht dem Verhalten der Menschen in Katastrophensituationen. Immer wenn Menschen glauben, am Abgrund zu stehen, kommt es zu massenhafter Fortpflanzung. Das sieht man bei Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüchen, Kriegen, Epidemien usw. Die Wissenschaft vermutet da einen evolutionären Mechanismus, der den Erhalt der Art sichern soll. Fakt ist, der Fortpflanzungswunsch steigt massiv an, wenn die Bedingungen bedrohlich werden.

Ein letzter Punkt, auch eine Kleinigkeit. Du erzählst die Geschichte primär über Dialog und gedankliche Reflexion. Der Leser sieht von den Verhältnissen relativ wenig direkt, sondern kann meist nur aus dem Reden oder Denken der Protagonisten darauf schließen. Anders ausgedrückt: In Deiner Geschichte gibt es keine Kamera, die filmt, sondern Leute, die reden. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn Du danach strebst, es epischer zu gestalten, wenn Du ein wenig Atmosphäre hineinbringen willst, dann müsstest Du die Welt dieser Geschichte auch direkt zeigen, mit der Kamera aus dem Fenster schauen, eine Straße entlangfahren usw.

Wie gesagt, Kleinigkeiten. Vielleicht helfen sie Dir trotzdem.

Sehr gern gelesen, Perdita.

Gruß Achillus

 
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Liebe Perdita,

ich hab das wirklich gern gelesen, nur war es zu Ende und ich so - Hä?, jetzt muss doch mal was passieren. Ich hatte schon gedacht, mein Drucker hat die Hälfte gefressen. Und heute Morgen musste ich erst mal die Kommentare studieren, um mein nebulöses Bild zur Geschichte irgendwie zu fassen zu bekommen, in welchen ich mich wiederfinde und in welchen nicht. Nicht falsch verstehen, ich mochte die Geschichte wirklich gern, ich konnte nur am Ende so gar nichts damit anfangen. Klingt jetzt sicher verwirrend, ich fühl mich aber auch so :).
Habe ich also die Kommentare gelesen und die Freude darüber, dass eine Endzeitgeschichte nicht gleich eine Dystopie ist, und ja, diesem Gedanken, diesem Ansatz kann ich tatsächlich etwas abgewinnen. Nur ist halt so, ich dachte beim Lesen schon, nie und nimmer. Mein Menschenbild ist am Arsch, habe ich wieder festgestellt. Schön, dass es Leute wie Dich gibt! Ehrlich. Und dann habe ich überlegt, was das Gegenwort zu Albtraum ist, weil ich das hier als - ja, eben das Gegenteil davon empfinde, und festgestellt, gibt es nicht. Scheinen die Germanen bisher noch nicht gebraucht zu haben. Wäre jetzt interessant, ob es ein solches Wort in anderen Sprachen gibt.


Er weckt mich nie ohne Grund. Meine Mutter hat immer gesagt, eines Tages werde ich den Weltuntergang verschlafen. Nick würde mich lassen.

Allein das wäre für mich ein Grund, diesen Mann zu heiraten :D.

Der Anfang ist schon echt gut gemacht. Diese kleine Verwirrung die Du da anrichtest (positiv), die Auflösung und schon weiß man, in was für einem Setting man sich befindet. Dafür wirklich, Respekt!
Und ich finde "Abkürzung" durchaus treffend als Wort. Ich verstehe die Gegenargumente, aber mir hat das total eingeleuchtet.

„Bevölkerungskontrolle, darum geht es. ... Aber die Schafe haben es natürlich alle geschluckt, genau wie es geplant war.“

Verschwöhrungstheorie hin oder her, wenn es funktionieren würde, wäre es unglaublich effektiv :baddevil:.

Ich atme tief durch. „Du hast Recht. Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.“

Boah!

Viele Leute verbringen sehr viel Zeit in den Gärten.

Ich wäre eine von denen. Das habe ich sofort gekauft. Ohne wenn und aber.

Ich beschließe, auf den Eismann zu warten.

Im ersten Moment habe ich tatsächlich Eisenmann gelesen. Ich verbringe echt zu viel Zeit hier im Forum.

Das Schlimme am Eismann ist, dass er so viele Kinder anlockt. Aber daran denke ich jetzt nicht. Ich habe eine Mission.

Und auch das habe ich sofort geschluckt. Der Anblick von Kindern kann einem schon auf die Stimmung schlagen in dieser Situation.

Das ganze Museum habe ich dann weniger interessiert gelesen, wenn es auch nett ist. Aber - na ja - dieses Hinterlassen von Spuren der eignen Existenz, Unsterblichkeit - ich weiß nicht. Also so im Großen, unsere Welt einer anderen Welt (einem anderen Universum) zeigen, das geht für mich in Ordnung, aber wenn klein Posemukel aus Irgendwo seine Memoiren schreibt, dann denk ich immer, mach, tut niemanden weh, aber auch so ein Gedanken, der mir nie kommen würde, weil ich denk, so wichtig bin ich echt nicht. Die Welt wird wunderbar ohne mich weiter zurecht kommen. Ich schweife ab.

Gestern fiel im Gespräch mit den Studenten bei mir im Theater der Satz: Wäre doch schön, wenn jeder das tun könnte, worauf er Lust hätte. Zustimmendes Nicken. Ich so: "Und wer von Euch würde im Altersheim den Leuten den Arsch abwischen? Müll entsorgen? Sich freiwillig im Kundenservice den ganzen Tag beschimpfen lassen, weil irgendwas nicht funktioniert?" Keiner hat sich gemeldet. Kunst, Reisen, Bildung und -tada- Garten, waren die Favoriten des Abends. Und für das andere, da finden sich sicher auch welche. Solche Antworten sind es, warum ich zwie in der Diskussion um das Grundeinkommen bin. Und, warum ich mich schwer habe, solche Geschichten einfach zu schlucken und zu sagen, ja, so könnte es auch sein. Warum ich selbst solche Geschichte nie schreiben könnte, weil sie mir gar nicht in den Sinn kämen. Sag ja, mein Menschenbild ist am Arsch.

Also wenn die Geschichte eines bewirkt hat, dann solche Gedanken in mir auszulösen und mich selbst mal wieder zu hinterfragen. Das ist eigentlich echt viel, wenn ich so drüber nachdenke.

Ich wünsche Dir ein zauberhaftes Wochenende!
Liebe Grüße, Fliege

 

Und dann habe ich überlegt, was das Gegenwort zu Albtraum ist, weil ich das hier als - ja, eben das Gegenteil davon empfinde, und festgestellt, gibt es nicht. Scheinen die Germanen bisher noch nicht gebraucht zu haben. Wäre jetzt interessant, ob es ein solches Wort in anderen Sprachen gibt.

Braucht es auch nicht,

Fliege,

ist doch der Traum näherungsweise als Wunscherfüllung in westgermanistischer Sprache definiert worden, der Alb(druck, ist "Alb" sächl.?, keine Ahnung soeben, dass die Wortzusammensetzung sicherer ist) sein Antipode.

Schönes Wochenende und ein gutes - was immer das für eine Fliege sein mag -2018!

Friedchen

 

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