Ein Kunsttischler zeichnet einen Entwurf für einen kleinen Eckschrank mit Schubladen. Die Skizze wird perfekt. Man erkennt auf den ersten Blick, dass das Möbel ein Schmuckstück werden wird. Der Tischler sucht ganz besonderes Holz aus. Die Maserung der Bretter ist grandios. Es steht dem Gelingen des Werkes nichts entgegen. Leider läßt der Tischler es bei der Ausführung seiner Arbeit an der nötigen Sorgfalt fehlen; vielleicht kann er auch seine Werkzeuge nicht richtig verwenden. Die Türen schließen nicht richtig. Die Schubladen klemmen. Da ein Schrankbein zu kurz ist, wackelt das Schränkchen ständig.
Das Schränkchen ist unbrauchbar. Da hilft es auch nicht, dass der Tischler eine super Idee hatte und die Planung sehr gut war. Niemand wird den Schrank kaufen.
Das Werkzeug, das wir zum Herstellen unserer Geschichten verwenden, ist die Sprache. Also die Worte samt ihrer korrekten Rechtschreibung, der sachgemäße Gebrauch der Grammatik und auch die richtige Zeichensetzung. Eine Geschichte, die vor Rechtschreibfehlern strotzt und deren Kommasetzung sinnentstellend ist, ist nicht lesbar. Sie ist für mein Gefühl nicht zu gebrauchen. Im Gegensatz zum Tischler hat aber der Autor / die Autorin das Glück, dass er / sie die Geschichte nachbessern kann. Die Fehler lassen sich ausmerzen und entfernen. Der arme Tischler aber muß ein neues Schränkchen bauen und das alte im Kamin verfeuern.
Natürlich ist das Auffinden von solchen formalen Fehler eigentlich Aufgabe der Lektoren und nicht der Kritiker. Bücher, die in den Zeitungen von Kritikern besprochen werden, haben in der Regel den Weg über den Schreibtisch des Lektors bereits hinter sich. Hier auf KG.DE jedoch sind wir als Leser beides zugleich, Lektor und Kritiker. Deshalb halte ich es für durchaus legitim, auch die oben erwähnten formalen Fehler anzumerken.
Ich selbst freue mich über die Korrektur von Rechtschreibfehlern, die ich nach mehrmaligem Korrekturlesen immer noch übersehen habe. Ich bin auch dankbar für Hinweise auf „bessere“ Formulierungen, die ich von Fall zu Fall, wenn sie mich überzeugen, auch übernehme.
Da ich mit meinen Geschichten sehr gerne unterhalten möchte, helfen mir auch Bemerkungen, wie „Hab ich gerne gelesen. War spannend!“ Besonders freue ich mich, wenn der Kritiker einzelne Sätze, die er vielleicht für besonders gelungen hält, heraussucht.
Natürlich möchte ich wissen, warum eine Geschichte nicht gefallen hat, warum sie langweilig war. Da hilft es mir allerdings weniger, wenn der Kritiker schreibt: „War öde!“ Da würde ich es dann doch gerne genauer wissen.
Mir selbst fällt es schwer, vernichtende Kritiken zu schreiben. Ich sehe dann immer erst im Profil nach, um nicht einen fünfzehnjährigen Jugendlichen, den ich eigentlich gerne bestärken würde, weiter zu schreiben, vor den Kopf zu stossen.
Die Idee, lange Rechtschreibkorrekturlisten aus den Kritiken zu löschen, wenn die Korrekturen durchgeführt wurden, finde ich zwar sehr gut und ich selbst habe das gerade heute bei einer meiner Kritiken gemacht, aber auf die Dauer halte ich das für sehr zeitaufwendig und es soll ja Leute unter uns geben, die noch etwas anderes im Leben zu tun haben, als sich auf KG.DE aufzuhalten.
Den Autor vor der Korrektur per PM zu fragen, ob er meine Korrekturen haben möchte, scheint mir nicht so besonders praktikabel zu sein. Wenn ich eine Geschichte lese und mir die Dinge, die ich ansprechen möchte, gemerkt habe, dann würde ich sie gerne sofort posten und nicht erst warten (womöglich mehrere Tage) bis der Autor mir auf meine PM antwortet. Wenn ich meine Punkte speichere und warte, bis ich das OK erhalte, dann habe ich in der Zeit schon wieder so viele andere Geschichten gelesen, dass mir die ursprüngliche Geschichte vielleicht gar nicht mehr so wichtig ist. Es kommt dann auch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand für mich hinzu, den ich nicht zu leisten bereit bin.
Wenn es Autoren gibt, die keinen Wert auf Anmerkungen zu ihren formalen Fehlern legen, dann wäre ich froh, das zu wissen, damit ich mir nicht unnötige Mühe mache. Wenn deren Geschichten mir gefallen, würde ich sie trotzdem lesen und vielleicht auch kritisieren.
Die Diskussion über Kritiken hier hat mich im Augenblick etwas verunsichert und bewirkt, dass ich manchmal nicht so recht weiß, ob ich spontan schreiben soll, was mir zu einer Geschichte einfällt, oder ob das dann als zu seichte Kritik aufgefasst wird. Ich wäre froh darüber, wenn mir jemand sagen könnte, wo ich einige der „wirklich guten Kritiken“ lesen kann.