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Königliche Einsicht

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03.08.2003
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Anmerkungen zum Text

Die Story gehört formal zu einer speziellen Unterart der Micro Fiction, dem „Double Drabble“ oder kurz „Double“. Doubles enthalten genau 200 Worte ohne Überschrift. Drabbles dagegen nur 100. Sowohl Drabbles als auch Doubles sollten mit einer überraschenden Wendung enden. Fabeln eignen sich auf Grund ihrer Kürze gut für beides.

Königliche Einsicht

Im Schatten eines Baobabs hielt der König der Tiere Thronrat. Er schlug träge mit dem Schweif und hörte sich den Bericht eines Ministers an.
„… die Tiere hungern und dürsten, Majestät, und die Gefängnisse sind übervoll.“ Der Gepard hatte mit ernster Stimme gesprochen. Ein Raunen ging durch den Rat. Schon lange hatte es niemand mehr gewagt, dem Löwen die Wahrheit zu sagen. Das konnte sich allein der Gepard mit seinen schnellen Beinen erlauben.
Der Schweif des Löwen erstarrte. Stille trat ein. Nur noch das leise Rascheln der Blätter des Baobabs war zu hören. Dann setzte der Löwe eine zerknirschte Miene auf und sprach: „So weit habe ich es also kommen lassen. Und mir reicht man jeden Tag zartes Antilopenfleisch und köstliches Quellwasser. Was für ein ungerechter König ich doch bin.“ Mit zitternden Pranken griff er nach der Krone. „Ich bin nicht länger würdig, sie zu tragen.“ Er sandte einen beredten Blick zu seiner Vertrauten, der Hyäne.
„Majestät, das dürft ihr nicht!“, empörte sich die Hyäne. „Laut Gesetz, das Ihr selbst beschlossen habt, seid Ihr König auf Lebenszeit.“
„Gut, dass Ihr mich daran erinnert“, lobte der Löwe, „ich halte mich an das Recht!“
Er drückte die Krone fest auf sein Haupt.

 

Hallo @Sturek,

gefällt mir, deine Miniatur. Schön auf dem Punkt. Nichts zu viel, klar und deutlich.

:thumbsup:


Gruß
Flic

 

Hallo @FlicFlac,

ich danke dir und es freut mich, dass dir die Miniatur gefällt. Ja, diese superkurzen Formen zwingen einen fast dazu, es möglichst auf den Punkt zu bringen. Das macht unter anderem für mich den Reiz von Micro Fiction aus.

Grüße
Sturek

 

Hoi @Sturek
Hübsche Miniatur aus dem tierischen circle of life. Ich wollte schon überflüssige Wörter anmeckern, las dann deine Info und liess es wieder bleiben. :D

Im Schatten eines Baobabs hielt der König der Tiere Thronrat.
Was für ein Zungenbrecher, sogar ohne laut zu lesen.

Das Ganze würde sich auch gut bei Experimente machen. :Pfeif:

Gut gebrüllt, Löwe.
Liebgruss, dot

 

Hallo @dotslash

Danke auch für dein Feedback. Ich freue mich, wenn das Gebrüll passt.

Ich wollte schon überflüssige Wörter anmeckern, las dann deine Info und liess es wieder bleiben.
Ja, ich bin ein wenig ins Labern gekommen. :D Wenn es genug überflüssige Worte gewesen wären, hätte ich ja vielleicht aus dem Double ein Drabble machen können.
Im Schatten eines Baobabs hielt der König der Tiere Thronrat.
Was für ein Zungenbrecher, sogar ohne laut zu lesen.
Also mir geht der erste Satz glatt von der Zunge, aber Zungenbrecher in einer Story - das wäre doch eine gute Idee für „Experimente“.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek,

da ich mich schon mit königlichen Einsichten beschäftigt habe, muss ich doch gleich mal schauen, um was es bei dir geht!

„… Die Tiere hungern und dürsten,
Ich denke, "Die" kann klein sein, oder?

Schon lange nicht mehr hatte es jemand gewagt, dem Löwen die Wahrheit zu sagen.
Das klingt etwas umständlich. Vielleicht:
Schon lange hatte niemand gewagt, dem Löwen ...

So 'gewinnst' du drei Wörter, die du unter Umständen woanders brauchen kannst ...

„Majestät, das dürft ihr nicht!“, griff die Hyäne ein.
'empörte sich die Hyäne' - ist, glaube ich, ein stärkeres Bild.

Er sandte einen Blick zu seinem Vertrauten, der Hyäne.
Schade, dass man hier nicht weiß, ob er zur Hyäne blickt, um ihren Einspruch zu provozieren.

Eine nette Geschichte! Leider enthält sie einen wahren Kern.

LG,

Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon

Danke für dein Feedback und die Verbesserungsvorschläge, die ich gerne berücksichtigt habe.

„… Die Tiere hungern und dürsten,
Ich denke, "Die" kann klein sein, oder?
Das ist möglich.
Das klingt etwas umständlich. Vielleicht:
Schon lange hatte niemand gewagt, dem Löwen ... So 'gewinnst' du drei Wörter, die du unter Umständen woanders brauchen kannst ...
Drei Wörter – das ist in dem Format keine Kleinigkeit. Ich denke, die konnte ich tatsächlich anderswo besser verwenden.
'empörte sich die Hyäne' - ist, glaube ich, ein stärkeres Bild.
Das ist auf alle Fälle stärker
Schade, dass man hier nicht weiß, ob er zur Hyäne blickt, um ihren Einspruch zu provozieren.
Der König will sich als gesetzestreuer und (selbst)gerechter Herrscher inszenieren. Wenn die Hyäne nicht reagiert hätte, dann hätte er sich eben im letzten Moment besonnen. Durch das Abwarten des Einwandes wirkt es glaubhafter. Mit einem der zusätzlich gewonnenen Wörter habe ich das jetzt hoffentlich mehr verdeutlicht.
Die andere Variante mit dem wirklich reumütigen König ist auch möglich, aber dann würde er sicher das Gesetz ändern.
Leider enthält sie einen wahren Kern.
Ja, Autokraten schaffen sich ihnen genehmes "Recht".
Eine aktuelle Tendenz.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sturek,

sehr schöne Geschichte, sehr kurz, alles drin.

„… die Tiere hungern und dürsten, Majestät,
Mich persönlich stören die Punkte, können die nicht einfach wegfallen? "Die Tiere hungern und dürsten..."
Ich drücke die Krone auf mein Haupt (ansonsten kommt die Hyäne) und bin sicher, dass der Schreibende die richtige Idee hat.

Schönen Gruß
Jaylow

 

Hi @Sturek,

schön, dass diskutiert wird.

'empörte sich die Hyäne' - ist, glaube ich, ein stärkeres Bild.
Das ist auf alle Fälle stärker
Warum so viel Emotion? Könnte deutlich abgeklärter (abgekarteter) kommen: "... widersprach die Hyäne." Heißt aber nicht, dass die andere Version unstimmig wäre. Nur mein Geschmack.

„… die Tiere hungern und dürsten, Majestät,
Mich persönlich stören die Punkte, können die nicht einfach wegfallen? "Die Tiere hungern und dürsten..."
Die Punkte zeigen, dass dies das Ende eines längeren Vortrags über das Elend des Volks ist, daher passen die für mich.

Leider enthält sie einen wahren Kern.
Ja, Autokraten schaffen sich ihnen genehmes "Recht".
Mehr als das und nicht allein Autokraten. Das nennt sich Sachzwangspolitik und die geht in etwa so:

1. Vor der Fahrt die Bremsen im Bus ausbauen oder zerstören
2. Alle einsteigen lassen und losfahren
3. Sobald die Forderungen kommen, anzuhalten oder wenigstens langsamer zu fahren
4. Antworten: "Ja, das würde ich auch wollen. Geht aber leider nicht (mehr), leider sind die Bremsen defekt (keine Bremsen vorhanden)."

Alles so arrangieren, dass man am Ende gar nicht anders handeln kann als so, wie man ohnehin handeln wollte. Dann sagt das Volk: "Er / sie ist ein Guter / eine Gute, aber leider sind ihm / ihr die Hände gebunden. Andere könnten da auch nichts anders machen."

Gruß
Flic

 

Hallo @Jaylow,

prima, dass dir die kleine Geschichte gefällt.

Mich persönlich stören die Punkte, können die nicht einfach wegfallen? "Die Tiere hungern und dürsten..."
Wie auch von @FlicFlac angemerkt, sollen die Punkte verdeutlichen, dass der Gepard zum Fazit eines längeren Berichtes über die Missstände kam, der dem Löwen die Situation klar beschrieb.
Ich drücke die Krone auf mein Haupt (ansonsten kommt die Hyäne) und bin sicher, dass der Schreibende die richtige Idee hat.
Ich drücke die Daumen für die richtige Idee.

Hallo @FlicFlac

Warum so viel Emotion? Könnte deutlich abgeklärter (abgekarteter) kommen: "... widersprach die Hyäne." Heißt aber nicht, dass die andere Version unstimmig wäre. Nur mein Geschmack.

Auch das hat viel für sich. Mein Geschmack tendiert im Zweifelsfall zu mehr Lebendigkeit.
Eine abgeklärte Reaktion würde besser darauf hindeuten, dass sich die Hyäne und der König sicher sind, fest im Sattel zu sitzen.
Wenn sich die Hyäne empört, wirkt das Schmierentheater der beiden perfider.
Ein interessanter Aspekt bei solchen Micro-Stories ist, dass kleine Nuancen gleich eine große Wirkung auf die gesamte Story haben.

Mehr als das und nicht allein Autokraten. Das nennt sich Sachzwangspolitik ...
Eine einleuchtende Verallgemeinerung!
Bleibt zu ergänzen, dass es mir heute manchmal so vorkommt, als würde der Fahrer die Fahrgäste dazu bringen, die Bremsen auszubauen. Aber das ist dann schon ein anderes gesellschaftliches Problem.

Ausgangspunkt für mich war das Paradox des sich selbst stürzenden Diktators.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek !

allo @FlicFlac
Warum so viel Emotion? Könnte deutlich abgeklärter (abgekarteter) kommen: "... widersprach die Hyäne." Heißt aber nicht, dass die andere Version unstimmig wäre. Nur mein Geschmack.
Auch das hat viel für sich. Mein Geschmack tendiert im Zweifelsfall zu mehr Lebendigkeit.
Eine abgeklärte Reaktion würde besser darauf hindeuten, dass sich die Hyäne und der König sicher sind, fest im Sattel zu sitzen.
Wenn sich die Hyäne empört, wirkt das Schmierentheater der beiden perfider.
Ein interessanter Aspekt bei solchen Micro-Stories ist, dass kleine Nuancen gleich eine große Wirkung auf die gesamte Story haben.
Genau so ist es. Empören muss sich die Hyäne nur, solange es überhaupt noch jemand gibt, der den Verdacht hat, dass irgendetwas an dem Spektakel echt sein könnte. Eine Inszenierung, an der sie alle mitwirken, für alle da draußen.

Und wenn man weiß, dass man sich eh keine Mühe machen muss, weil ohnehin nichts passiert, was gefährlich werden könnte ... warum Energie fürs Theaterspielen verschwenden?

Ja, dieses Wort geändert und schon ists eine andere Situation.

Bleibt zu ergänzen, dass es mir heute manchmal so vorkommt, als würde der Fahrer die Fahrgäste dazu bringen, die Bremsen auszubauen. Aber das ist dann schon ein anderes gesellschaftliches Problem.
Ja, anderes Thema. Oder eine neue Facette des Vorigen. Spannend.

 

Moin und ein gutes Neues, bevor’s wieder vorbei ist,

lieber @Sturek,

aber ist es wirklich wahr, dass im fabelhaften Königreich der Thronrat nur aus Räten mit Glied besteht?

Ein Raunen ging durch die Ratsmitglieder …,
warum nicht kürzer und „neutraler“ schlicht „ein Raunen ging durch den Rat“?

Da ist die geltende Grammatik in der Scheidung von Männchen und Weibchen emanzipatorischer

Er sandte einen beredten Blick zu seinem [besser „seiner“] Vertrauten, der Hyäne.

Gern gelesen und ein gutes Neues (bevor’s wieder vorbei ist) aus’m Pott vom

Friedel

 

Hallo @Friedrichard

warum nicht kürzer und „neutraler“ schlicht „ein Raunen ging durch den Rat“?
Wo du recht hast, hast du recht, lieber Friedel. Warum bin ich da nicht selbst drauf gekommen? :bonk: Ein „Rat“ ist viel knuffiger als ein bürokratisches „Ratsmitglied“.
aber ist es wirklich wahr, dass im fabelhaften Königreich der Thronrat nur aus Räten mit Glied besteht?
Und warum nicht ein weibliches Ratsmitglied, pardon, eine Rätin den Thronweisen hinzugesellen? So wird die Frauenquote verbessert.

Grüße
Sturek

 

Moin Sturek,

ein guter kurzer Schuss, aber ich habe Probleme mit der Logik.

Ich bin nicht länger würdig, sie zu tragen.
Laut Gesetz, das Ihr selbst beschlossen habt, wäre es Hochverrat, den König zu stürzen.
Aber der König wird doch gar nicht gestürzt, sondern will freiwillig zurücktreten. Dieses Gesetz anzuwenden, würde bedeuten, dass Gesetze nach Belieben zurechtgebogen werden können. Aber da er ja der alleinige Gesetzgeber ist, kann er ja seinen judikaiven Hut (oder die Mähne?) aufsetzen und das Gesetz neu interpretieren.
Grüße
jobär

 

Hallo @jobär

Danke fürs Kommentieren und schön, dass du wieder ins Schreiben gefunden hast.

... aber ich habe Probleme mit der Logik.

Dein Problem mit der Logik in der Story kann ich nachvollziehen, aber ich denke, bei näherem Hinsehen löst sich das Problem von selbst. Der König selbst ist es, der die Krone absetzen, also sich absetzen will.
In dem Fall ist das Absetzen (Stürzen) gleichzusetzen mit einem Rücktritt. Damit verstieße er eindeutig gegen sein eigenes Gesetz und wenn er sein Vorhaben ausgeführt hätte, müsste der Rat ihn wegen Hochverrats anklagen. Wie hätte der Richter wohl entschieden? Doch der Löwe hatte ohnehin nicht vor, es so weit kommen zu lassen. :)

Es freut mich, dass dir der Schluss gefällt.

Grüße
Sturek

 

Hi @Sturek !

In dem Fall ist das Absetzen (Stürzen) gleichzusetzen mit einem Rücktritt.
Hm. Wieso ist das 'in dem Fall' gleich: zurücktreten und gestürzt werden?
Bei nochmaliger Betrachtung solltest du vielleicht doch noch dran schrauben ...

Gruß
Flic

 

Hallo @FlicFlac

Jetzt habt ihr beide,@jobär und du, mich gezwungen, doch noch mal tiefer über die Logik in der Story nachzudenken, danke dafür. :)

Wieso ist das 'in dem Fall' gleich: zurücktreten und gestürzt werden?
Also ich sehe das so:
Weil es zwei Interpretationsmöglichkeiten dafür gibt, dass der König seine Krone absetzen will:

1. Er will sich absetzen
2. Er will zurücktreten

(Beides läuft auf das Gleiche hinaus.)

Die Hyäne interpretiert es als Möglichkeit 1, damit der König sich auf das Gesetz berufen kann. Da spielt es keine Rolle, dass Möglichkeit 2 plausibler ist. Auf die Hyäne ist eben Verlass. Übrigens habe ich das Wort "Zurücktreten" in der Story bewusst vermieden.

Grüße
Sturek

 

Entschuldige die 'KorinthenKa*****', doch jmd stürzen ist etwas Bestimmtes; wenn sich jemand selbst freiwillig absetzt oder zurücktritt, wurde er nicht gestürzt. Dazu gehört Nötigung – Druck, Gewalt – von anderen.
Da braucht es mE noch einen 'Dreh' im Text :)

Gruß
Flic

 

Hallo @FlicFlac

Da gibt’s doch nichts zu entschuldigen. Gerade bei solchen kurzen Geschichten steckt der Teufel im Detail und ich finde es gut, wenn du da nachbohrst.

„Stürzen“ ist tatsächlich sehr mit Gewalt verbunden. Wichtig für die Story ist aber nur, dass das Absetzen der Krone gegen ein Gesetz verstößt, das der König erlassen hat. Darum habe ich jetzt versucht, ganz ohne Gewalt auszukommen.

Grüße
Sturek

 

König auf Lebenszeit
Jau, jetzt ist es viel stimmiger. In der Serie "The crown" wird Elizabeth II von ihrem jüngeren Ich gehindert, ihr Abdankungsschreiben herauszugeben. Fehlt nur noch das Dekret, dass Präsidenten der USA auf Lebenszeit gewählt sind (mindestens).

Grüße

jobär

 

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