Großstadt
Susanne stand an der Haltestelle. Diese verdammten Pläne waren ihr einfach zu hoch. Immer und immer wieder versuchte sie, irgendwie aus diesem Plan schlau zu werden. Aber mit der zeit wurde es ihr zu doof, und aus dem etwas verzweifelten hin und her vor dem Plan stand sie gleichgültig wartend im Busbahnhof. Sie würde einfach den nächsten Bus nehmen. Hatte sie in ihrer Heimatstadt immer machen können. Da kann schließlich nur ein Bus, in den sie steigen konnte. Aber hier, hier war das was anderes. Mit diesen verdammten Plänen kam sie nicht klar, und ihr Vater wollte sie nicht fahren.
Klar, sie hätte einfach jemand fragen können. So vielleicht sogar jemand kennen lernen. Aber das wollte sie im Grunde gar nicht. Sie hatte sich gesträubt in diese Stadt zu kommen. Doch ihr Schicksal hatte es so gewollt. Und nun stand sie hier. Noch einmal fiel ihr Blick auf den Plan. Ein resignierendes Lächeln besiegte den Gedanken, doch noch einen der vielen Leute nach dem Bus zu fragen.
Ihre Gedanken flogen in die viel zu ferne, und geliebte Vergangenheit. Wie sehr hatte sie Angst gehabt sich zu verändern. Wie sehr hatte sie Angst gehabt vor dem Neuen. Vielleicht hätte es ihr so gut gefallen, dass sie ihre Freunde vergaß? Nein, dass hatte sie nicht zulassen wollen. Und so irrsinnig das ganze war: Aus dem aufgeweckten, freundlichen Ding war ein depressiver, mürrischer Tenn geworden. Verdammte Großstadt!
Als sie angekommen war, da waren alle furchtbar freundlich gewesen. Sie hatte es, ihrer inneren Stimme folgend tunlichst ignoriert...
Der Bus kam. Welcher es war, dass war ihr egal. Sie stieg ein. Der Busfahrer sah sie prüfend einmal von oben bis unten an. „Fahrkarte?“ dröhnte er. Ihr Blick traf den knochigen Mann hart, und eine Monatskarte streckte sich ihm entgegen. Wozu brauchte sie die überhaupt? Sie setzte sich nach ganz hinten, und platzierte ihre Tasche so, dass niemand auf die Idee kommen konnte, sich zu ihr zu setzten. Ja, warum hatte sie eigentlich für diese Monatskarte gespart? Schließlich kannte man sie in ihrer Heimatstadt sowieso nicht mehr. Nein, sie hatte sich zu sehr geändert. Es war passiert, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatte.
Von dem Eisensitz hatte jemand den Bezug abgerissen. Danach war ihr im Moment auch zu mute. Den Bus in kleine Stücke zerfetzen, und dann in seinen Trümmern versinken. Der Sitz schmiegte sich kalt, und hart an sie. So wie alles in dieser Stadt.
Der Bus fuhr an. Die Autos und Hochhäuser huschten an ihr vorbei. Warum konnten der dreckige Fahrtwind nicht ihre Seele mit sich nehmen?
Sie fuhr lange. Bald würde es dunkel werden. Bestimmt wunderte sich der Busfahrer ziemlich, was sie denn da hinten so lange machte. Aber das wusste sie ja selbst nicht.
Aus der Wut, der Verzweifelung war im Laufe der Stunden reine Gleichgültigkeit geworden.
Ihr war verdammt kalt. Sie hatte nicht daran gedacht eine Jacke mitzunehmen, als sie abgehauen war. Aber wie hätte sie auch? Nach dem Streit mir ihrem Vater hatte sie einfach nur weggewollt.
Warum hatten sie sich überhaupt gestritten? Sie wusste es gar nicht mehr. Aber auch das war ihr jetzt egal.
Eine Träne rann über ihr Gesicht.
Der Bus fuhr weiter, ohne es zur Kenntnis zu nehmen, so wie alles, und jeder in dieser Stadt.
Verdammte Großstadt! Noch eine Träne bahnte sich lautlos ihren Weg.