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Thema des Monats Fucking special

Seniors
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22.10.2011
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Fucking special

What the hell am I doin' here?
I don't belong here
Creep, Radiohead

Die Rockkneipe, in die Rita mich bestellt hatte, sah aus wie eine der üblichen Independent-Klitschen, die am Rande der Stadt lagen, klein und schäbig. An den Wänden klebten Zeichnungen, deren ungelenke Muster man im diffusen Schein der Hängeleuchten nur ahnen konnte.
Doch etwas war anders: Der Laden war brechend voll. Ich drängte mich durch die eng stehenden Tische, vor denen sich die Bühne wie eine Kultstätte erhob. Das Holz der Wände speicherte die Hoffnung und die Enttäuschung unzähliger Heavy-Metal-Bands, die hier gnadenlos ausgebuht worden waren.
Das „Wolf River“ war legendär für sein anspruchsvolles, erbarmungsloses Publikum.


Rita wollte mir einen neuen Sänger zeigen. Ich war wenig erfreut, denn sie hatte mich gerade aus einer vielversprechenden Kartenrunde herbefohlen.
„Was ist los mit ihm, dass ich unbedingt sofort in diese Absteige kommen musste? Ich hatte gerade eine Glückssträhne.“
„Wart‘s nur ab, du wirst überrascht sein, er ist ein Juwel – und das Beste ist, er weiß es nicht.“
Als er dann erschien, waren es gar nicht die ersten, schnellen Akkordwechsel oder seine dunkle, sehnsüchtige Stimme, die mich aufhorchen ließen, es war das kreischende Johlen des Publikums.
Ich hatte ihn vorher nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen, als er zu seinem Platz gehinkt war, gesehen, dass er Hilfe brauchte. Jetzt blickte ich ihn an.
Er saß auf einem Klappstuhl, vor sich die Gitarre. Sein Gesicht war geneigt, das Profil halb verborgen durch eine hochgezogene, verwachsene Schulter, die seinen Kopf in eine gebeugte Haltung zwang, als wollte er sich seinen Zuhörern mit unaufhörlicher Hingabe widmen. Seine Hände sprangen nervös auf der Gitarre hin und her. Doch die Läufe waren so virtuos gespielt, dass sich die Töne wie die Glieder einer kostbaren Kette um die Melodie seiner Stimme wanden, sie betonten, dann verließen und nach einer Kaskade von Improvisationen erneut berührten. Er griff die Akkorde nicht nur mit der linken Hand, sondern tappte mit der rechten dazu, ließ seine Gitarre aufschreien, wenn er schwieg. Dann fand er zurück zu leiseren Akkorden, schloss die Augen und ließ seine Stimme anschwellen. Ihr Klang füllte den Raum mit rauer Zärtlichkeit, dann schwang sie sich hinauf in Höhen, die man bei einem Mann niemals vermutet hätte, wurde immer leiser, ließ für einen kurzen Moment eine gläserne Schärfe ahnen und brach dann gekonnt mit einem Hauch, der von der aufjaulenden Gitarre aufgenommen wurde. Ein neuer Jeff Buckley, nur noch besser.
Er sang von einer Frau, die außergewöhnlich war, sein Engel, einfach „fucking special“. Von der er nur träumen konnte, weil er hässlich war, ein sonderbarer Gnom. Er sang für sie, er schrie für sie nach Schönheit, danach, selbst etwas Besonderes zu werden. Dafür würde er alles tun. Sogar Schmerzen ertragen.
Manchmal teilten sich die dunklen Haarsträhnen, die sein Gesicht verbargen, und gaben den Blick frei auf ein Feuermal, das auf seiner blassen Haut wucherte. Ein dunkles Rot, aufgespießt von dem gleißenden Spot, den der Beleuchter mit unbarmherziger Lust darauf lenkte, sobald es zu sehen war.
Wenn das geschah und sich gar mit dem Refrain des Liedes traf, kreischte die Menge noch lauter auf, gierig; sie ereiferte sich, dass es ein echter, schäbiger Krüppel war, der ein Lied über einen abstoßenden Freak sang. Und über seinen Wunsch nach Schönheit.
Einmal, als er den Kopf ein wenig aus der unbarmherzigen Haltung befreien konnte, in die ihn seine Verkrüppelung zwang, traf mich ein Blick, und plötzlich wusste ich, dass er sich wegwünschte aus dieser düsteren Kneipe. Doch dann schrie und seufzte er wieder seinen Wunsch nach Schönheit in das Publikum. Er ließ die Menschen brennen, sich weiden an seinem Schmerz, an seiner Hilflosigkeit, seinen Wünschen und seiner Hässlichkeit.
Dann schloss er die Augen und versank in den Klängen seiner Gitarre, ertrug das Johlen der Menge, denn er verstand es, sie zu beruhigen und zu zähmen, wieder aufzustacheln und erneut zu zügeln. Er spielte mit ihnen, als wären auch sie mit Saiten bespannt.
Als er nach wenigen Liedern davonhinkte, bekam er stehenden Applaus.

Während wir an unserem Tisch saßen und auf ihn warteten, erzählte Rita von ihm, doch ich war abgelenkt von ihren Lippen, die sich im Rhythmus ihrer Worte bewegten. Ab und zu blitzte ihr schiefer Vorderzahn auf. Ein liebenswerter Makel, der die Sanftheit ihres Mundes betonte. Doch dann wurden mir ihre Worte bewusst: „Wir brauchen eine neue, authentische Musik. Etwas noch nie Dagewesenes, Bizarres, Qualvolles. Ich weiß, dass es diesen Markt gibt, man muss nur mutig genug sein, hineinzustoßen.“ Sie betonte jede einzelne Silbe. Hart klang ihre Stimme, geschäftsmäßig, ein eigenartiger Kontrast zu dem weichen Mund.
Ich stockte: „Rita, weißt du eigentlich, wie du dich anhörst?“
„Ich weiß, aber es ist eine Wahnsinnsidee. Es wäre ein Durchbruch für uns, vielleicht mehr als das, und“, sie zögerte, „ es wäre meine Idee.“ Sie lächelte versonnen. Dann fuhr sie fort: „Wir brauchen nur einen Typen, dem man das Leid, von dem er singt, ansieht, einen, der Schmerz und Hässlichkeit kennt. Es reicht nicht mehr, einfach nur aus der Gosse zu stammen, um das Publikum zu bewegen. Mit Sozialgesülze schafft man´s nicht mehr in die Charts. Wir brauchen jemanden, der hässlich genug ist, die Lücke zu füllen. Und der uns braucht. Wenn er kommt, lass mich machen, ich glaube, ich weiß, wie ich ihn kriegen kann.“

Dann trat er an unseren Tisch. Die Nähe entzauberte den mystischen Freak der Bühne und ließ einen kleinen, von Krankheiten entstellten Mann zurück. Sein Gesicht wirkte so verschoben, dass ich ihn nicht direkt ansehen konnte. Ich hatte Angst, er würde mir meine Verlegenheit und das Entsetzen ansehen.
Rita führte ohnehin das Gespräch.
„Toni, Sie haben etwas Neues, etwas, was noch nie da war. Ihr Auftritt war gut, sehr gut sogar. Ihre Stimme, Ihr Aussehen, das ist ein unglaubliches Kapital. Mein Kollege, Nils Brönner. Er klärt die juristischen Fragen.“
Rita sprach schnell, ihre Stimme hastete durch die Sätze, überschlug sich fast, als hätte sie nicht genug Zeit, alle Informationen unterzubringen. Dann fasste sie sich, lachte und erklärte ihm die Vorzüge unseres Labels. Als sie endlich schwieg, berührte sie wie unabsichtlich seine Hand.
Toni blickte sie an, dann mich, dann zog er die Hand weg. Über sein Gesicht lief ein Zittern. In Ritas Augen zuckte es kurz. Auf ihrer Stirn perlte Schweiß. Doch dann lächelte sie entschlossen und berührte ihn an der Schulter. „Tut mir Leid, Toni, ich wollte Sie nicht bedrängen. Wenn mir jemand gefällt, muss ich ihn anfassen. Ich meine es ernst, ich bewundere Sie. Ihre Stimme, Ihre Ausstrahlung, Ihre innere Kraft, das ist ein Phänomen.“
Toni schwieg. Er sah sie an, blickte kurz zu mir und strich sich mit seinen großen, unförmigen Händen über die Haare.
„Was wollen Sie mit einem Typen wie mir? Ich bin krank und so hässlich, dass sich die Leute nicht trauen, mich anzuschauen. Ist das nicht so, Herr Brönner?“, aggressiv drehte er sich zu mir um.
„Achten Sie nicht auf Nils, Toni, er glaubt selbst dann nicht an Engel, wenn ihm einer den Arsch küsst. Ich finde Sie faszinierend“, wieder griff sie nach seiner Hand. „ Sie brennen danach, die Menschen zu erreichen mit ihren Songs, ihrer Stimme, ihrer Qual. Ich spüre das und ich spüre auch, dass sie das schaffen können. Sie brauchen nur jemanden, der das Marketing macht. Sie und wir, das wäre ein einzigartiges Projekt. Stellen Sie sich vor, große Bühnen, Jubel, Leute, die Ihre Musik hören wollen. Natürlich müssten wir uns über einige Bedingungen klar werden“, sie lachte erneut ihr perlendes Lachen. „Wir könnten ins Geschäft kommen. Wir sind eine Chance für Sie. Eine Riesenchance.“
Toni schwieg, er schaute Rita an und folgte ihren Lippen, während sie redete und redete und ihm den Vertrag und das Blaue des Himmels versprach.


Als Toni ein paar Tage später bei mir im Büro saß, kam er gerade von Rita. Ich bestellte ihm Kaffee. Während er trank, erzählte er mir von dem Unfall, der ihm ein Bein genommen, und von der Krankheit, die ihn in einen verwachsenen Gnom verwandelt hatte. Er war hässlich, hatte aber jede Menge Galgenhumor. Er lachte über sein Stolpern, als er aufstand, um sich die Plakate in meinem Büro anzuschauen, und über das Zittern seines Beines, als er sich wieder auf seinen Stuhl zurückhievte. Sein warmes Lachen ließ seine Augen leuchten.
Ich hatte einen der üblichen Künstlerverträge vorbereitet, der durch Ritas Zusatzkonditionen noch härter wurde. Tonis Witz und sein Schicksal nahmen mich für ihn ein, dieser Vertrag würde ihn auf Gedeih und Verderb dem Label ausliefern.
„Toni, meinen Sie nicht, dass Sie einen eigenen Anwalt aufsuchen sollten, bevor Sie unterschreiben? Zumal die Sonderkonditionen doch sehr ungewöhnlich sind.“
„Wissen Sie, was ich vorher gemacht habe? Wissen Sie, wie es einem wie mir geht? Wir kriegen keinen Job, die Leute wollen uns nicht sehen außer in schmierigen Filmen. Ich will Ihnen die Szenen, in denen ich spielen musste, nicht beschreiben. Sie sind dreckig. Abstoßender, perverser Müll“.
„Aber Tattoos, Piercings, Brandings, und dann auf geschädigter Haut? Meinen Sie, Sie vertragen das? Sie haben jetzt schon Schmerzen. Und es ist nicht so leicht rückgängig zu machen. Was ist, wenn Sie wieder aussehen wollen wie jetzt?“
„Jetzt? Meinen Sie, damit bin ich glücklich? Ich bin krank, mein Rücken schmerzt seit Jahren. Meine Organe sind von Tabletten zerfressen. Für einen wie mich brennt das verdammte, beschissene Jetzt. Ich will, dass es zu Ende geht.“ Er schnaubte verächtlich. „Glauben Sie, einer wie ich, der mit dem hier lebt“, er zerrte brutal an der roten Haut, die über sein Gesicht flammte, „hat Angst vor ein paar Tattoos? Die letzte Frau, die ich küssen wollte, hat mich angespuckt. Ihre Kollegin Rita, sie hat mir wieder Hoffnung gegeben. Stellen Sie sich vor, einem Typen wie mir. Sie hat gesagt: ´Toni, dein Aussehen, das war bisher dein Fluch, mach es zu deinem Kapital´. Stellen Sie sich vor, ein Typ wie ich auf einer großen Bühne. Der Unfall, die Krankheit, das alles war wie ein Alptraum, vielleicht ist das alles nur Bullshit, aber Rita sagt, dass ich vielleicht doch noch mal was anderes machen kann als dreckige Pornos in einem Hinterzimmer für Leute, die sich an meinem Buckel aufgeilen. Ja, ein paar Jahre Musik machen, ich auf einer großen Bühne. Dafür würde ich viel geben.“ Als ich den Klang hörte, mit dem er das sagte, wusste ich, dass er verloren war.

Am nächsten Tag passte ich Rita in ihrem Büro ab.
„Hör zu, dieser Vertrag geht nicht, weder moralisch noch juristisch. Der Mann ist krank.“
„Mein Gott, Süßer, ein paar Tattoos, was soll schlimm daran sein, andere machen das freiwillig, und er wird Erfolg haben, es ist also gut für ihn. Und deine ewige Kritik an unseren Verträgen, ich kann es nicht mehr hören. Das Label muss endlich Fuß fassen auf dem Markt, sonst ist es für uns alle vorbei. Fass den Vertrag ab wie besprochen. Toni ist erwachsen, er muss wissen, was er tut.“
„Dieser Mann hat nur seine Musik. Wenn er unterschreibt, gehen alle Rechte an seinen Songs auf uns über. Dann hat er nichts mehr.“
„Du wirst schon sehen, wenn er erst Erfolg hat, wird er mir ewig dankbar sein. Außerdem, du hast ihn doch gehört. Wenn er singt, spüre ich etwas, ich weiß nicht, was es ist, aber wenn mir das so geht, geht es auch anderen so. Er hat das Zeug zu einem Denkmal. Ich bin sicher. Er wird Musikgeschichte schreiben.“
„Und wenn er keinen Erfolg mehr hat? Du weißt, wie schnelllebig die Szene ist. Oder wenn er das Label wechseln will? Was bleibt dem Denkmal dann?“
„Das wird schon nicht so schlimm sein.“ Ihre Stimme klang brüchig.
„Rita komm, lass uns wenigstens die Sonderkonditionen rausnehmen, so bist du doch gar nicht. Dir ging es doch immer um die Musik und den Menschen, Künstlern eine Chance geben, das war dein Traum.“
Rita blickte nach unten, sie sah müde aus. „Was weißt du schon von mir“, sagte sie, drehte sich um und sah auf das Plakat an der Wand, ein Bild von einer Grammy-Verleihung. „Siehst du“, sagte sie, das ist es, was wir brauchen, um zu überleben, wir wollen Musik machen, ja, neue Wege gehen, du kennst aber auch unsere Lage. Manchmal muss man etwas opfern, wenn man sich halten will. Und wenn hier einer schon lange seinen Traum verloren hat, dann doch wohl du. Deine Musik heißt Blackjack. Also mach du mir keine moralischen Vorhaltungen.“
Sie blickte noch einmal auf das Plakat an der Wand und straffte die Schultern, ihre Stimme wurde lauter: „Sei froh, dass du in diesem Laden arbeiten darfst, du Kartenjunkie, lass mich mit deiner verlogenen Moral zufrieden.“ Sie drehte sich um und ging. Ich schaute ihr nach, sah ihre weichen Hüften, ihren schwingenden Gang. Dann schaute ich auf das Plakat, griff nach irgendeinem Schnaps, schüttete ihn runter, und mit jedem neuen Schnaps fand ich es ein klein wenig leichter, mit mir selbst in einem Zimmer zu sein.


Ein Piercing- und Tattoo-Parcour durch schmuddelige Läden folgte. Rita begleitete Toni. Pressekonferenzen, Fototermine lösten einander ab. Das Denkmal musste vermarktet werden. Während Rita ihre Vision erklärte und Reporter die beiden umschwirrten, übertrafen sich die Fotografen mit Ideen, Rita und Toni in Szene zu setzen. Irgendwann sah ich einen der Reporter auf seine Unterlagen kritzeln, eine Zeichnung, die ihm großes Vergnügen bereitete. Immer, wenn er einen neuen Strich anbrachte, verzogen sich seine Lippen zu einem höhnischen Lächeln. Als ich mich ein wenig näher schob, sah ich eine hässliche Karikatur von Toni. Sein Buckel war ein verzerrter Höcker, auf dem fette Bleistifthaare wucherten. Der Mann summte, während er weiterstrichelte. Ich wandte mich verlegen ab und schaute verstohlen zur Seite, in Tonis Richtung. Als mich sein Blick traf, wusste ich, dass er die Zeichnung gesehen hatte.


Als ich ihm das nächste Mal begegnete, spielte er mit einer großen Band.
Die Musiker kamen auf die Bühne und stellten sich in Positur, dann wurde es dunkel. Plötzlich sprang aus dem schwarzen Nichts ein Lichtkegel, der Tonis kleine, verwachsene Gestalt in grelles Weiß tauchte. Er saß auf einem metallfarbenen Rollstuhl. Er trug keine Prothese. Der Stumpf des amputierten Beines war von roten, glänzenden Narben und schwarzen Mustern bedeckt. Er trug nur ein Trikot, das seine Oberarme betonte. Der Rückenausschnitt lenkte den Blick auf den Buckel, der noch größer und gröber wirkte. Schwarze Linien bedeckten den Körper. Das Feuermal war am Rand von eng aneinander sitzenden Ringen eingefasst. Zur Nase hin lösten Ornamente das Metall ab. Eine eintätowierte Zahnreihe verbreiterte den Mund und verwandelte sein Gesicht in eine Fratze. Rita hatte es tatsächlich geschafft. Aus dem hässlichen, kranken Mann war eine Ikone des Grauens geworden, bei deren Anblick die Fans vor Entzücken aufschrien.
Die ersten Akkorde ertönten, das Publikum heulte noch lauter auf und bettelte nach seinem Gesang. Endlich, ganz hoch, löste sich seine Stimme aus dem Jaulen und Schreien, ließ es verstummen und fand zur Melodie. Ein dunkles, schwermütiges Lied, die Zuhörer kannten jede Zeile. Dann trieb er die Menge zum Refrain und ließ sie teilnehmen an seinem Leid, während der Spot die zerstörte Landschaft seines Gesichtes in gleißendes Licht tauchte, seinen Buckel in obszönem Glimmer badete und liebkosend an den Gliedern entlangfuhr bis zu seinem Stumpf.
Nach wenigen Liedern konnte er nicht mehr, doch das Publikum tobte und verlangte nach seinem Lieblingssong. Wieder sang er von der Frau, die aussah wie ein Engel, und von seinem Wunsch nach Schönheit, damit sie ihn liebte. Er begann tief, heiser, dann schrie er auf, übersprang zwei Oktaven und vibrierte in der Höhe mit einem hellen, fast unmenschlichen Klang, der einen zerriss, weil er von Schmerz sprach und Hoffnung und Angst. Kurz bevor seine Stimme brach, erzitterte sie ein letztes Mal. Als der Spot sich wieder auf ihn richtete, sah ich einen Blutstropfen, der wie ein dunkles Blütenblatt unter seiner Nase hing. Ich lauschte auf den letzten, ersterbenden Ton, der im Raum verklang, und fröstelte. Seine Stimme war noch besser geworden.

Vergeblich schrie das Publikum nach weiteren Zugaben. Als Toni die Bühne verlassen wollte, überrannte ein Pulk aus der Menge die Bühne. Sein Rollstuhl verschwand unter den heranbrandenden Leibern der Fans. Das Letzte, was ich von Toni sah, als er unter den Körpern verschwand, war die Hand eines Fans, die sich besitzergreifend in seinen Buckel krallte. Dann nur noch die schwarzgekleideten Rücken der Security, die sich durch die Fans zu Toni hindurchdrosch.

Ich saß mit ein paar Freunden, die Toni von seinen ersten Konzerten kannten, am Tisch. Keiner sprach, das Entsetzen über sein Aussehen und das Geschehen auf der Bühne lag wie eine schwere Bürde zwischen uns. Ich spürte Feuchtigkeit im Gesicht und wischte mit dem Ärmel meines Hemdes über Augen und Nase.
Als Toni dann endlich kam, war er in Ritas Begleitung. Quasimodo und Esmeralda, wie die Reporter witzelten. Nur dass diese Zigeunerin hier ein enges, schwarzes Designerkleid trug und sich die Zähne hatte richten lassen. Die Reporter umschwärmten die beiden wie ein Haufen bunter Krähen.
„Gutes Konzert, Toni, aber …“, sagte ich.
„Du meinst mein Gesicht? Ich weiß. Ein hoher Preis, aber nicht zu hoch. Ich war nie glücklicher als gerade jetzt.“ Er schaute Rita an mit einem Blick, der mir wehtat. Verlegen schaute ich auf meine Hände. Die Ärmel des T-Shirts waren rot verschmiert.
„Ich kann endlich tun, was ich immer wollte. Und die Leute lieben mich, es ist fremd, wie ein Traum. Es ist als ob ich ein anderer wäre.“ Er blickte wieder zu Rita.
Die sah seinen Blick, warf kokett den Kopf in den Nacken und küsste ihn dann liebevoll, nicht ohne vorher zu prüfen, ob das Blitzlichtgewitter, das dieser Liebkosung folgte, auch ihre beste Seite einfing. Als das Interview begann, setzte sie sich auf die Lehne seines Rollstuhls und erzählte den Reportern von dem musikalischen Denkmal, dem Kunstwerk aus Musik und Fleisch, das sie in Toni erschaffen hatte. Einmal, als Toni hustete, reichte sie ihm ein Taschentuch, eine eigenartig fürsorgliche Bewegung, fast, als machte sie sich Sorgen um ihn. Doch dann zog sie schnell die Hand zurück und präsentierte ihr Profil und ihr neues, makelloses Lachen.
Dann ließen die Fotografen Rita und Toni posieren, sie knipsten, wie sie ihn küsste, baten sie, ihn zu streicheln, sich an ihn zu pressen und ihren Arsch an seinem Buckel zu reiben.
Wir anderen taten so, als würde uns das nichts angehen und tranken, damit wir nichts sehen mussten. Als sie gegangen waren, saß Rita noch am Tisch. Sie redete und redete, doch auf ihrer Stirn stand Schweiß und als ich mich neben sie setzte, roch ich ihren scharfen, kranken Atem.


Toni gab ein Konzert nach dem anderen. Das Publikum verzehrte sich nach ihm, seiner Hässlichkeit und seinen Liedern. Wenn sie ihn im Scheinwerferlicht sahen, stürmten sie die Bühne. Am liebsten hätten sie ihn in Stücke gerissen, um einen Teil von ihm als Trophäe heimzutragen. Rita begleitete ihn, wachte über die Deals, die er abschloss, und gönnte ihm keine Pause. Toni heimste einen Preis nach dem anderen ein. Das Label verdiente mehr als jemals zuvor. Ich schwamm im Geld, spielte und trank. Schließlich ging Rita mit Toni für ein Jahr auf Tournee.
Den Verlauf verfolgte ich nur am Rande, ich schlug mich mit den juristischen Folgen von Tonis Konzerten herum. Denn er konnte nur noch kurz auftreten, und die Faszination der Fans paarte sich mit Wut über die kurzen Konzerte, die Zerstörungen nahmen zu.


Ich sah ihn erst am Ende seiner Tournee wieder. Ich erkannte ihn kaum, so schwach und hilflos wirkte er vor dem hellen Licht der Bühne. Die schwarzen Muster stachen scharf von seiner Haut ab. Doch seine Stimme war immer noch voller Kraft.
Immer wieder blutete er aus der Nase, doch das Publikum fand das geil. Der magische Freak mit der metallischen Stimme, der so sehr die Schönheit liebte, dass er verblutete. Die Fans hingen an seinen Lippen, tranken seinen Gesang. Am Ende, als klar war, dass keine Zugabe folgen würde, stürmten sie wieder die Bühne. Wenigstens berühren wollten sie ihr krankes Idol. Alles, was ihnen dabei im Wege war, wurde niedergerannt, Instrumente zertrümmert, Leitungen rausgerissen, die Fans verletzten sich gegenseitig. Wenn man die stürmende Masse sah, fürchtete man um Toni, doch zu seinem Schutz hätte es keine Security gebraucht. Auch wenn Hunderte von Händen ihn berührten, die Menge tat ihm nichts. Sie trugen ihn, streichelten ihn, reichten ihn weiter, vorsichtig wie eine Kostbarkeit. Und er genoss es. Als ich Toni so sah, aufgebahrt wie ein altertümlicher Herrscher auf den erhobenen Armen der Fans, als ich sein Gesicht sah, seinen Blick, wusste ich, dass er seinen Engel gefunden hatte. Er lachte, er blutete, von der Anstrengung, den Medikamenten, ich weiß es nicht, aber er lachte.

Nach dem Konzert kam er zu mir.
„Toni, du bist krank.“
„Es ist nichts, nur ein paar Konzerte zu viel. Lass mich ein, zwei Nächte ruhig schlafen. Dann geht es wieder.
„Toni, vielleicht wäre eine kleine Pause gut, die Kosten steigen, wir machen Verluste, allein die Sachbeschädigungen.“
Toni unterbrach mich: „Du siehst doch, dass die Leute mich brauchen. Wenn ich nicht singe, bleibt hier kein Stein auf dem anderen und das Label kann einpacken. Ich bin es, den sie wollen.“
Als er den Mund schloss, verschob sich die auftätowierte Zahnreihe und verwandelte sein Gesicht in eine faltige Maske.

Später, als ich zum Ausgang lief, sah ich Rita. Sie hatte auf mich gewartet.
„Nils, wir müssen reden, es geht um die Konzerte, um Toni. Das Ganze ufert aus, es wird zu teuer, außerdem ist er krank, er kann nichts mehr leisten, er liefert immer noch gut ab, aber wie lange noch? Du musst ihm sagen, dass er keine Auftritte mehr kriegt. Die Fans hauen alles kurz und klein. Das verschlingt Unsummen. Wir müssen jetzt schon Strafen zahlen. Wir können uns das nicht mehr leisten.“ Hinter mir hörte ich ein leises Knacken.
„Was soll das, Rita, das müssen wir in Ruhe mit ihm besprechen. Hier geht das nicht.“
„Dann mach es. Bald. Morgen.“
„Wieso denn die Eile?“
„Ich habe neue Pläne. Diese Welle kann man noch eine Zeit lang reiten, dann ist sie vorbei. Außerdem ist er fertig. Es tut mir Leid. Aber so ist es.“
Ich verzog das Gesicht.
„Komm Nils! Du hast einen guten Draht zu ihm. Ich … ich kann das nicht.“
„Gut, aber nur, wenn er wenigstens die Rechte an ein paar seiner Songs behalten darf.“
„Was soll das, du weißt genau, was im Vertrag steht. Die Songs sind bares Geld. Wir brauchen sie. Und vor allem, er ist mein Geschöpf, hast du gehört, meines.“
„Dann sag du es ihm doch, dass das Label ihn nicht mehr braucht. Und alle sein Songs einkassiert.“
„Wusste ich´s doch, die Kohle streichst du ein, aber die Drecksarbeit lässt du mich machen. Du solltest unser süßes Monster im eigenen Interesse loswerden, und zwar schnell, er wird ganz schön teuer. Wenn du Skrupel hast, bist du hier falsch. Ich werde ihm morgen sagen, dass er aufhören muss.“ Dann verließ sie den Raum, ihre Hüften schwangen hin und her, wie immer, doch es war eine harte Bewegung, als wäre eine Wand in ihr entstanden.
Als ich mich umdrehte, sah ich, dass hinter mir eine Tür geöffnet war, der Raum war leer, auf einem Stuhl lag Tonis Jacke.

Das Abschlusskonzert der Tournee fand in einem leer stehenden Fabrikgebäude statt. Es sollte der Höhepunkt der Tournee werden, ein gigantischer Medienevent, der ein paar der Verluste wettmachen und eine Stufe zum nächsten Erfolg bieten sollte. Alles war da, was Rang und Namen hatte. Die Mitarbeiter des Labels, Reporter und Musikjournalisten, die Toni auf seinem Weg begleitet hatten, alle saßen sie bereit, in einem bestuhlten, durch eine Absperrung getrennten Bereich.

Ich trat als letzter durch einen Nebeneingang in den Saal. Ich lehnte mich ganz hinten an die Wand und suchte nach einer bequemen Stellung. Mir war kalt. Dann endlich kam Toni, er trug seine Prothese, eine Hose darüber, als wollte er sich bewusst von seinen sonstigen Auftritten abheben. Der erste Spot sprang ihn an, das Publikum zischte, als es erkannte, wer der schwarz gekleidete Mann auf der Bühne war. Doch als er sich auf dem silbernen Stuhl niederließ und die Gitarre in die Hand nahm, flachte das Zischen ab und wurde zu einem zufriedenen Grollen. Die Gitarre kreischte, Rückkopplungen schmerzten. Die Menge schrie. Toni erhob sich, riss die schwarzen Kleider von seinem Körper, das weiße Licht ließ die blasse Haut, die schwarzen Blüten und Ornamente hervorspringen, dann spielte er weiter. Das Schreien wurde lauter, qualvoll. Es endete erst, als Toni die Lautstärke der Gitarre regulierte. „Nein“, sagte er und blickte zu dem abgesperrten Bereich, „das möchte ich meinen Freunden nicht zumuten, dass sie Schmerz empfinden müssen. Und vor allem dir nicht, Rita, meine schöne Blume. Nicht auf meinem letzten Konzert. Nein, so sollt ihr es nicht in Erinnerung behalten, übersteuert und mit schlechtem Klang. Ich gebe noch einmal mein Bestes. Ein letztes Mal. Wisst ihr“, wandte er sich nun an die Menge, „dass meine Freunde hier wollen, dass ich aufhöre? Wisst ihr, dass sie so um meine Gesundheit besorgt sind, dass sie mich zu einem einzigartigen Kunstwerk gemacht haben? So besorgt, dass ich nun nicht mehr auftreten, meine eigenen Lieder nicht mehr singen darf?“ Ein Brausen, das immer mehr anschwoll, durchlief den Raum.
Dann begann er. Das Lied, das ihn bekannt gemacht hatte, doch um eine Oktave nach oben versetzt. Er sang, und je höher er sang, desto lauter wurde seine Stimme, ein weißgreller Kontrapunkt zu den Gitarrenverzerrungen, mit denen er sich begleitete.
Dann schwieg er abrupt und nahm das Mikro weg. Er wartete einen Moment. Dann sprach er zu uns, ohne Mikro, und seine Stimme füllte den Raum: „Ja, ich werde diesen Song nie wieder singen. Daher habt ihr es verdient, zuletzt mein ganzes Können zu erleben“, er lachte erneut, ein leises, glucksendes Lachen. „Ich habe es euch noch nie gezeigt, wie gut ich tatsächlich bin. Freut euch mit mir auf das letzte Lied eines abstoßenden Kunstwerks, das nie mehr auftreten wird, weil es zu krank ist und weil man ihm alles genommen hat. Diese Leute“, wies er auf die Stuhlreihen, „haben mir alles genommen.“
Dann sang er und seine Stimme schwoll an, schnitt tief in den Körper hinein, schuf Hohlräume und füllte diese mit flüssigem Metall, bis die Wände der Hohlräume platzten. Blut floss aus meiner Nase, Stiche zuckten hinter meiner Stirn und doch musste ich weinen über das letzte Konzert eines Freaks. Das Licht erlosch, Splitter regneten herab, bohrten sich in meine Haut. Vor mir sah ich durch einen dunkelroten Schleier sich krümmende Gestalten, die Hände an die Ohren gepresst, dunkle Rinnsale liefen ihnen über Gesicht und Brust, sie torkelten mir entgegen. Hinter ihnen sah ich sie heranrücken, eine schwarze Mauer von Menschen. Sie wanden sich vor Schmerzen, und kesselten dennoch diejenigen ein, die ihnen ihr Idol nahmen. Wie eine Welle schlugen sie über den zuckenden Körpern zusammen. Schreie vereinten sich zu einer Kakophonie, über der weit oben Tonis Stimme schwebte wie ein grausamer, brennender Mond. Ich wandte mich um, der Schmerz zuckte in meinem Kopf, nur raus, zur Tür. Ich riss, sie ließ sich nur schwer öffnen. Mit letzter Kraft zwängte ich mich hindurch, zu eng war es, der Gesang so schneidend. Dann war ich draußen, taumelte, mein Körper fiel gegen die Tür, machte sie noch schwerer. Ich war dem Gesang und der Wut der Menge entkommen. Einen kurzen Moment dachte ich an die anderen, die noch im Raum waren, an Ritas weichen Mund und ihren wiegenden Gang. Dann drehte ich mich um, drückte mit aller Kraft gegen die Tür und die Leiber, die nach draußen wollten, vor Angst, dass man auch mich einholen könnte. Ich hörte noch das Kratzen und Schaben ihrer Finger, bis es verschluckt wurde von Tonis Gesang, hörte die letzten Worte seines Liedes „I don´t belong here“, die hell und triumphierend laut erklangen, bis sie abrupt mit einem brüchigen Falsett endeten.

 
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hallo novak,

....schau nur mal kurz rein (noch reichlich erschossen von einer langen autofahrt).

oops, das war mir gar nicht aufgefallen,...:lol::hier die versprochene Umformulierung:

er würde mir meine Verlegenheit und mein Entsetzen ansehen.
> das klingt für mich persönlicher, ist aber sicherlich Geschmacksfrage

Es freut mich, dass du in meinen Geschichten gestöbert hast, ich probiere gerade gern sehr unterschiedliche Sachen aus, um dazu zu lernen. Deshalb lese und kommentiere ich auch gern.

Ich würde auch sagen, dass wir unterschiedliche Stile haben, wobei mir bei deinem sehr vieles gefällt. :)

Das Kindliche bei Rita. Sie wirkt auf mich (rein subjektiv natürlich) wie eine schon etwas gesettlelte Berufsanfängerin, die langsam ehrgeiziger, smarter und somit auch erfolgreicher wird. Und wie ein Kind braucht sie Bestätigung, möchte auch von anderen in ihrer Cleverness bestätigt werden. Das finde ich in ihrem Fall ziemlich normal und sehe das eher augenzwinkernd. Ich bin manchmal bei neuen Dingen ähnlich, wenn die Begeisterung groß ist....;)
Das macht Rita für mich sogar etwas nachvollziehbarer und sympathischer.

schöne Grüße petdays

 
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Moin Novak,

nun auch ich, der seinen Senf, Ketchup (welche Gewürztunke auch immer) zu deiner Geschichte dazugibt.

Man weiß ja nie, wo man sich nach so ellenlangen Kommentaren noch einreihen soll ins allgemeine konstruktive Genörgel und Genöhle. Obwohl mein Genörgel nur knapp ausfallen wird, da ich mich scheinbar langsam als Fan deiner Texte oute. Kurz: Im Großen und Ganzen finde ich wieder ein Supergeschichte, das.

Nachdem ich mich kurz daran gewöhnen musste, das hier Toni Autor des großen Songs Thom Yorkes ist (den ich mir sogleich immer mit scheußlichem Buckel vorzustellen versucht habe), habe ich eigentlich nur eine, nein zwei, kritische Anmerkungen.

Nummer Eins (und Hauptanliegen):
Ich finde, die kurze körperliche Liaison (also intime Kuss- und Reibgeschichte) zwischen Toni und Rita braucht es ansich nicht. Ich finde sie zu dick (oder auch too much). Dieses schamlose Ausnutzen Ritas der Situation und Tonis vor laufenden Kameras, macht sie für mich wieder so vollkommen böse und niederträchtig, während ich ihr sonstiges skrupelloses Verhalten mit der Rechtfertigung ihrer Arbeit noch nachvollziehen kann.
Die Abhängigkeit Tonis von ihr kommt auch ohne zur Geltung.

Nummer Zwei (ist eigentlich nur ne Kleinigkeit):
Warum ausgerechnet Blackjack als Kartensucht? Da denke ich immer gleich amerikanisch Las vegas (auch wenn es Kasinos in Deutschland gibt) und riesige Texanerhüte. Andererseits weiß ich das süchtig nach Siebzehn und vier auch scheiße klingt. Warum nicht das gute alte Poker sein, dass ja hierzulande geradezu Modeerscheinung geworden ist? Ist aber reine Geschmackssache.

Also wieder einmal gerne gelesen ...

Lg

fvg.

 
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Hallo, lieber fvg,

ich war ja schon gespannt auf den Ketchup und ich muss sagen, er schmeckt!

Es gibt gar nicht so viele, die überhaupt das Lied und Thom Yorkes kennen. Es ist erst wieder bekannter geworden, als es diese casting show im Fernsehen gab, da war ich gerade am Schreiben und hab mich richtig geärgert, als einer von denen im Fernsehen das Lied trällerte. Aber ich bin ungerecht, er sang es gar nicht schlecht.
Ich liebe dieses Lied, ich musst immer an eine Art "Die Schöne und das Bierst" denken bei diesem Lied. Und davon inspiriert eine Geschichte zu schreiben, das hat schon ziemlichen Spaß gemacht. Wenn auch Yorkes, das geb ich gern zu, mit Sicherheit ansehnlicher ist als Toni.

da ich mich scheinbar langsam als Fan deiner Texte oute. Kurz: Im Großen und Ganzen finde ich wieder ein Supergeschichte, das.

:) MMhhh schön! Und dann musste ich sofort lachen, als ich das las. Ich find natürlich toll, wenn dir meine Horrorstories gefallen. Aber lachen musste ich, weil das umgekehrt nämlich auch gilt. Eine deiner Geschichten "Sechs im Wolf" hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass ich mich erstens hier angemeldet und zweitens an den kurzundgut-Geschichtchen in Humor teilgenommen habe. Ich hatte meinem Freund diese Geschichte vorgelesen, einem Kerl, der so gut wie nie liest und er hat vor Lachen unter dem Tisch gelegen. Noch heute sagt er, warum schreibst du nicht endlich mal was richtig Lustiges, du weißt schon, so was wie die Wolfsgeschichte, die du mir damals vorgelesen hast. Oh Mann! Du siehst, ich habs nicht leicht mit meinem Fantum. Bist ein schwer erreichbares Vorbild.:(

Aber nun zu den Anliegen:

Nummer Eins (und Hauptanliegen):
Ich finde, die kurze körperliche Liaison (also intime Kuss- und Reibgeschichte) zwischen Toni und Rita braucht es ansich nicht. Ich finde sie zu dick (oder auch too much).

Ja, vielleicht ist da was dran. Das hat auch schon jemand anderes moniert. Vielleicht Schwups oder Kubus? Ich muss mal gucken. Ich weiß mittlerweile selbst nicht mehr genau, warum ich so stoisch daran festhalte. Ich wollte damit gar nicht so sehr Rita schlecht machen, obwohl ich das tue, sondern ich wollte den Medienhype damit aufs Korn nehmen.
Es ist so, dass die Geschichte für mich immer noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Vielleicht verändere ich es tatsächlich noch.

Das zweite Anliegen finde ich überhaupt kein Thema. Poker gefällt mir eigentlich viel besser als Blackjack, Ich weiß nicht, warum ich damals nicht gleich Poker als Spiel gewählt habe. Ich prüfe es mal nach, ob es irgendeinen Grund gab. Manchmal klingt ein Satz durch die Verwendung eines Wortes so ganz anders. Vielleicht hat mich das zum Blackjack geführt?


Danke für dein Lob, deine Tipps und vor allem auch für den Hinweis mit der "Sex"szene. ich finde auch Doppeltes oft gut als Rückmeldung, denn man merkt, dass eine Sache nicht nur eine Geschmackssache von einer Person ist. Es erhält für mich einfach ein bisschen mehr Gewicht.

Liebe Grüße Novak

 

Nun liebe Novak, auch noch mal schnell ein

Postscriptum:

angeführt. Da will ich mich nun ja auch noch mal artig, wenngleich verlegen bedanken.

Oh Mann! Du siehst, ich habs nicht leicht mit meinem Fantum. Bist ein schwer erreichbares Vorbild.

(Mal abgesehen davon, dass ich zur Vorbildfunktion nicht tauge ;) ...) ich finde, dass machst du doch schon sehr gut! Ich weiß gar nicht, was du hast ;).

Also danke, und lg

fvg.

 

Das Wesentliche wurde bereits geschrieben, beschrieben, besprochen.

Ich wollt nur was dazugeben: Die Geschichte ist schön. Trotz ihrer Länge las sie sich so schnell wie ein Dreizeiler. Sprachgewaltig, traurig und einfach schön.
Nur ... Horror ist das für mich nicht. Mystery, ja. Aber was solls, ich habe sowas nicht erwartet und bin froh, es gelesen zu haben.

Mach bitte weiter so!


MfG
Tim

 

Hey Tim,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Ich hab mich mächtig daüber gefreut. Und vielleicht hast du damit Reht dass es es eher mystery ist. Das scheint mir schreiberisch eher zu liegen als eine echt blutrünstige Horrorstory. Das merk ich auch. Aber warts nur ab, ich entwickle mich.
Vielen Dank für dein Lesen und für dein Kurzweilig finden, das war ein echt schönes Lob.
Grüße von Novak

 

Hey Novak,

irgendwie wundere ich mich gerade, warum kein Kommentar von mir unter deiner Geschichte klebt. Da muss irgendetwas schief gegangen sein. Auf meinem Desktop habe ich jetzt nur noch Fragmente gefunden; die will ich dir aber nicht vorenthalten:

Ganz großes Lob kriegst du für die synästhetische Beschreibung des Sängers, wie du die Melodie in die Zeilen mauerst, hat mich echt beeindruckt. Hier meine Lieblingsstellen:

dunkle, sehnsüchtige Stimme
Doch die Läufe waren so virtuos gespielt, dass sich die Töne wie die Glieder einer kostbaren Kette um die Melodie seiner Stimme wanden, sie betonten, dann verließen und nach einer Kaskade von Improvisationen erneut berührten.
Er spielte mit ihnen, als wären auch sie mit Saiten bespannt.

Dann noch ein paar Kleinigkeiten:

den der Beleuchter mit unbarmherziger Lust darauf lenkte
Einmal, als er den Kopf ein wenig aus der unbarmherzigen Haltung befreien konnte, in die ihn seine Verkrüppelung zwang,
Zweimal unbarmherzig. Kein Vorwurf, kein Fehler, nur ein Hinweis.

An den Wänden klebten Zeichnungen, deren ungelenke Muster man im diffusen Schein der Hängeleuchten nur ahnen konnte.
Warum nicht: erahnen konnte.

Das Holz der Wände speicherte die Hoffnung und die Enttäuschung unzähliger Heavy-Metal-Bands, die hier gnadenlos ausgebuht worden waren.
Hier stören mich zwei Dinge. Erstens: Das "speicherte", das klingt so technisch. Dabei ist es eine Erinnerung. "Im Holz der Wände steckte die Erinnerung an all die ..." In die Richtung. Zweitens: Hoffnung und Enttäuschung. Der Nebensatz beschreibt aber nur die enttäuschende Variante, was wiederum die Hoffnung im Hauptsatz deplaziert erscheinen lässt. Ich hoffe, du weißt, was ich meine.

Ein neuer Jeff Buckley, nur noch besser.
Vorschlag: *Ein neuer Jeff Buckley, nur besser.*(Das "noch" bringt eigentlich nix.)


Wenn das geschah und sich gar mit dem Refrain des Liedes traf, kreischte die Menge noch lauter auf, gierig
1. Refrain des Liedes? Nur Refrain reicht aus.
2. Wie soll das Geschehen den Refrain treffen?
Warum nicht: Wenn das geschah und zugleich der Refrain kam, ...

So wenig heute von mir.

Beste Grüße
markus.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Markus,

hab mich total gefreut über deinen Kommentar, das Loben, das Heraussuchen der Lieblingsstellen (das finde ich immer sehr hilfreich als Bestätigung, denn manchmal hadert man mit einer Stelle und am Ende schmeißt man sie dann noch ins Geschichtenklo) das Hervorkramen der Geschichte und vor allem über die Korrekturhinweise.
Du hast einen sehr genauen Blick.

Kannst du dir das vorstellen, sie haben mir fast alle unmittelbar eingeleuchtet und ich dachte für mich, verdammt noch mal, warum hast du das selbst nicht früher bemerkt? Und ist das Verbessern einer Geschichte denn nie vorbei?

Aber im Einzelnen:

irgendwie wundere ich mich gerade, warum kein Kommentar von mir unter deiner Geschichte klebt. Da muss irgendetwas schief gegangen sein.
Hehe, das ist wohl ansteckend, das passiert mir bei jedem dritten Kommentar!
Hab vorhin einen Autor gelesen, der hat eine Geschichte über Haifische geschrieben und vor lauter Verdruss über die Kommentare hat er die Geschichte von seinem Hai fressen lassen. Und die Kritiker glaub ich gleich mit. Vielleicht war der Hai so gefräßig, dass er die umliegenden Kommentare gleich mitgeschmatzt hat?


Zitat:
den der Beleuchter mit unbarmherziger Lust darauf lenkte
Zitat:
Einmal, als er den Kopf ein wenig aus der unbarmherzigen Haltung befreien konnte, in die ihn seine Verkrüppelung zwang,
Zweimal unbarmherzig. Kein Vorwurf, kein Fehler, nur ein Hinweis.

Das suche ich raus und ändere eines ab. Die beiden sind örtlich glaube ich zu nah.


Zitat:
An den Wänden klebten Zeichnungen, deren ungelenke Muster man im diffusen Schein der Hängeleuchten nur ahnen konnte.
Warum nicht: erahnen konnte.

erahnen finde ich besser. Ich hätte sogar schwören können, dass ich das geschrieben hatte.

Zitat:
Das Holz der Wände speicherte die Hoffnung und die Enttäuschung unzähliger Heavy-Metal-Bands, die hier gnadenlos ausgebuht worden waren.
Hier stören mich zwei Dinge. Erstens: Das "speicherte", das klingt so technisch. Dabei ist es eine Erinnerung. "Im Holz der Wände steckte die Erinnerung an all die ..." In die Richtung. Zweitens: Hoffnung und Enttäuschung. Der Nebensatz beschreibt aber nur die enttäuschende Variante, was wiederum die Hoffnung im Hauptsatz deplaziert erscheinen lässt.

Ja, ich verstehe, was du meinst. Das "speicherte" fand schon mal jemand nicht so gelungen. Ich habe "ausschwitzte" überlegt, aber da muss ich nochmal drüber nachdenken. Ich habe immer das Gefühl, ich hätte das "ausschwitzte" im Zusammenhang mit Wänden schon mal irgendwo gelesen. Man will ja nicht aus Versehen klauen. Aber wahrscheinlich macht man sich da zu viele Gedanken. "steckte" find ich ähnlich statisch wie speichern. Aber ich überlege noch. steckte ist immerhin weniger "festhaltend" als speicherte, das stimmt schon. Und den Gestank der Enttäuschung soll man ja riechen können, also darf er nicht festgehalten sein.:D

Das Problem mit der Hoffnung und Enttäuschung sehe ich auch, war schon immer eine kleine Problemstelle für mich. Entweder ich schmeiß die Hoffnung gänzlich raus oder ich warte noch auf eine Eingebung.


Ein neuer Jeff Buckley, nur noch besser.
Vorschlag: *Ein neuer Jeff Buckley, nur besser.*(Das "noch" bringt eigentlich nix.)
Recht hast.

Zitat:

Wenn das geschah und sich gar mit dem Refrain des Liedes traf, kreischte die Menge noch lauter auf, gierig
1. Refrain des Liedes? Nur Refrain reicht aus.
2. Wie soll das Geschehen den Refrain treffen?
Warum nicht: Wenn das geschah und zugleich der Refrain kam, ...

1. wird ohnehin übernommen. Das zweite überleg ich noch. Von der Logik her hast du Recht, ich kleb noch ein bisschen am Rhythmus.

Vielen Dank noch mal und mach es gut.
Ich fahr morgen auf die Azoren.
Juchhu!
Viele Grüße von Novak

 

Hallo liebe Novak,

habe die Story eben gelesen, zum Kaffee, und nachdem sie mir empfohlen wurde in einem Kommentar zu meinem Kram. Ich kenne also nur die aktuelle Version. Die finde ich in vielen Teilen sehr gut.

Für mich funktioniert sie auf mehreren Ebenen. Einmal die Idee, dass Künstler, besonders Musiker, ein Stellvertreterleben haben müssen, um die Massen zu begeistern und ihren Voyeurismus zu befriedigen - hier ist es sehr passend eingefangen, in der extremen Form. Der Freak, der als neuer Jeff Buckley Erfolg hat, der ja auch überhöht wird, mit Talent gesegnet, und der noch mehr Schmerzen erleiden muss für seinen Erfolg. Das ist tatsächlich an sich schon eine Referenz in der Geschichte der Pop-Musik, und das finde ich gut umgesetzt. Dann diese Kritik an der Industrie, und dieses zweischneidige an der Frage: Inwieweit ist man selbstverantwortlich, was Abtreten von Rechten und/oder überhaupt Labeldeals angeht? Das ist ein so komplexes Thema, und ich finde, du stellst hier auch die richtigen Fragen im Text. Er hätte ja auch sagen können: Mach ich nicht! Natürlich sagen alle Musiker immer Ja! zu einem Deal, egal, wie beschissen der ist. Drittens: Publikum und Presse. Ich habe die Kommentare nur überflogen und jemand merkte da an, dass ihm das fiktionale Publikum zu unkritisch ist: Ich denke allerdings, ein derartiges Publikum ist tatsächlich so, völlig unkritisch, die fressen alles. Ich finde es durchaus realistisch dargstellt: Es wird ein Hype entfacht, der zieht, die Kuh muss auf die Weide, und dann abserviert, das Publikum wird dem folgen.

Das Ende finde ich krass und unerwartet. Wie er dann so abdreht und sich rächt ... da hast du mich voll erwischt. :)

Zum Stil: Flüssig zu lesen, angenehme, präzise Schreibe, die musikalischen Szenen sind auch sehr schön zu lesen, ich selber habe damit immer große Schwierigkeiten. Alles in allem denke ich, da könnte man einen ganzen Roman draus machen, da steckt so viel drin, Wahnsinn. Das Sujet ist gut ausgewählt für das, was du sagen möchtest. Mehr kann ich auch nicht sagen: Chapeau!

Gruss, Jimmy.

 

Ja, Mann, das ist ja mal ein Ding. Ich hab das ja immer noch nicht beantwortet. Jetzt wirds aber Zeit.

Ich hab mich unglaublich gefreut über deinen Kommentar. Gerade weil er von dir kommt. Ich hab ja deine Konzertbeschreibung in Eisenkult gelesen und die fand ich so gut und wenn da von dir ein Lob kommt zu den Musikbeschreibungen, das bedeutet mir schon viel.
Ansonsten hab ich mich auch über deine Einschätzung zu den Deals und zum Publikum gefreut. Ich kenn mich da ja nicht so gut aus wie du, du bewegst dich da ja richtiggehend als Musiker, ich bin nur Konzertbesucherin und sehr musikinteressiert. Aber ein paar von meinen Freunden sind Hobbymusiker und was die schon manchmal an Qualen auf sich nehmen, um auftreten zu können, und das sind ganz normale vernünftige Menschen, also da finde ich abwegige Deals gar nicht so daneben.
Ob das aber jemals ein Roman wird? Ich bzweifle das. Im MOment bin ich mal wieder höchst unkreativ. Ich brauch da immer eine Menge Zeit und Vorlauf, um mich einzubeamen. Aber da hilft kein Jammer, das ist dann einfach so.
Weißt du, worüber ich echt lachen musste?
In deiner Antwort zu meinem Kommentar zu Eisenkult schreibst du:

Das Konzert: Mir fällt es schwer, so was zu beschreiben. Meiner Meinung nach ist dir dies in "fucking special" viel besser gelungen, da war ich ein wenig neidisch fast.
Genau dasselbe hab ich umgekehrt auch gedacht. :D Echt jetzt!
Wahrscheinlich ist das bei Schreibern immer so, dass die denken, der andere hätte es besser hingekriegt als man selbst. Macht ja auch nix, am besten wärs, man würde den Zweifel und den Fastneid zum Motor fürs Schreiben umfrisieren. dann ist der Treibstoff schon mal da.

Vielen vielen Dank für deinen Kommentar und deine Rückmeldung.

 

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