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Fleißige Hände

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22.10.2011
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Fleißige Hände

Ich hätte gleich wissen müssen, dass etwas nicht stimmt, als Caro, die Frau vom Pflegedienst, mir das Babyphon gab. „Für dich“, sagte sie, „man kann es auch für Mütter verwenden. Es ist ein Stück Freiheit von ihr.“

*

Sonnenstrahlen werfen lange Streifen auf ihr Bett. Ich will Mutter aufrichten, damit sie hinausschauen kann, doch sie redet lieber mit Caro. Mutter ist gut gelaunt, die Haare sind gewaschen und in Löckchen gelegt. Mit blanken Augen sitzt sie in ihrem Bett, in den Händen knetet sie Apfelschnitze. Eine niedliche Reklame-Oma, die Erinnerungen an lange Kuchentafeln unter blühenden Kastanienbäumen weckt. Ich denke an den Duft von Flieder und Jasmin und an ein Blech Zuckerkuchen.
Ihre Stimme dirigiert mich aus meinem Tagtraum. „Ich möchte Rouge auflegen und Lippenstift, Kind, du weißt schon, welchen. Ich muss schön aussehen, wenn deine Schwester kommt.“
Ich seufze und zucke mit den Schultern. Schon wieder denkt sie das. Wie soll ich sie nur ablenken?
Nie sagt sie „Teresa“, immer nur „deine Schwester“, als wäre das ein Beruf.

Wenn Mutter mit Caro spricht, klingt sie anders. Nicht so fordernd, sondern stolz und fast ein wenig ängstlich. „Meine Tochter hat ja eine Pause eingelegt, ihre Karriere aufgeschoben, um mich zu pflegen. Ich finde, das ist doch auch richtig. Oder?“ Caro legt die Hand auf die zarten Finger meiner Mutter. „Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Wagner, Ihre Tochter weiß schon, was sie tut.“
Ich bin so froh, dass Caro regelmäßig kommt. Die Pflege einer dementen, alten Frau ist nicht leicht. Vor allem, wenn man allein ist. Manchmal möchte ich mich hinter Caro, dieser fröhlichen, immer nach Zitronenseife duftenden Frau verstecken.
Noch ein paar Minuten Ruhe, bevor sie geht, denke ich und blicke aus dem Fenster. Auf der Straße gegenüber läuft eine Frau mit einem kleinen Hund. Sie zieht an der Leine, doch das Tier will nicht weiter. Das Mäntelchen, das es gegen die Kälte tragen muss, ist ihm über den Hals gerutscht. Nun steckt der Kopf unter einem Stofftrichter aus Schottenkaro. Noch hat die Frau nichts bemerkt. Die Leine wird lang und länger, an ihrem Ende baumelt der Stofftrichter, dahinter folgt der kopflose Hundeleib, unter dem sich vier schiefe Pelzstengel in den Boden stemmen. Endlich entdeckt die Frau das Malheur und zieht den Umhang zurecht. Wie auf Kommando trippelt das Tier los. Ich muss lachen.
„Was kicherst du, Kind?“
Ich zeige auf die zottelige Hunderaupe im Schottenmantel.
„Weißt du, dass ich als Kind einen Rock aus Schottenkaro hatte? Selbst genäht natürlich. Ich war eine begeisterte Näherin. Und so begabt. Deine Schwester hat das von mir. Ich verstehe nicht, warum du nicht nähen kannst.“
Ich wende mich vom Fenster ab, der kleine Hund ist längst um die Ecke gebogen.
„Kind, ein bisschen nähen sollte jeder können. Wenigstens kriegst du Sauerbraten hin. Mit irgendwas muss man die Männer beeindrucken. Ich hätte das alles ja nicht gebraucht.“
Ich antworte immer noch nicht. Die Sonnenstreifen sind weitergewandert und umrahmen den Kopf meiner Mutter mit einem seidigen Lichtkranz wie auf einem alten Madonnengemälde. Was für ein unpassender Ort.
„Damals, als wir noch in Köln lebten, da war doch dieser junge Mann, der uns immer Kuchen geschenkt hat. Aber deine Tante war so, du weißt schon, so ein bisschen wie du.“
„Mutter, ja, sie hat dir den Kuchen weggenommen.“
„Woher weißt du das?“
„Du hast es mir erzählt. Ungefähr hundertmal.“
Meine Mutter kichert verlegen. Immer, wenn sie so lacht, könnte ich sie gern haben. Doch wenn man müde ist, hält Liebe kaum zwei Stunden. Ich reiche ihr einen Becher Kakao, meine Hände zittern. Bevor ich das Tablett mit der Tasse richtig abstellen kann, stößt sie dagegen. Flüssigkeit tropft auf das Laken. „Du musst doch sowieso neu beziehen“, murmelt sie. Ich könnte schwören, sie hat das absichtlich getan. Kakaoflecken neben gelblichen Suppensprengseln. Das war gestern. Ein Rorschach-Test für Töchter. Doch dann schäme ich mich. Sie hat ja Recht, ich sollte das Bettzeug wechseln. Aber ich fühle mich so müde. Ich wollte noch warten, bis Caro mir helfen kann. Absichtlich sollte sie mich trotzdem nicht anstoßen. Das tut man nicht. Auch nicht als Mutter.

Die Stunden dehnen sich. Mir fällt es immer schwerer, die alte Frau zu waschen und zu wickeln. Sie hat heute lange gebraucht, um zur Ruhe zu kommen, das Phon ist eingeschaltet. Nun schläft sie. Hoffentlich.
Freiheit, hat Caro gesagt. Ich stelle den Fernseher an, doch ich kann mich nicht konzentrieren. Müdigkeit umgibt mich, eine dicke, milchig gefärbte Glasscheibe, hinter der fremd und ungreifbar meine Gedanken treiben. Wie Quallen dehnen sie sich aus, schrumpfen, kehren wieder.

*

Ein neuer Morgen mit einem verschleierten Himmel dämmert herauf. Es gibt Tage, da sehen selbst die Farben aus, als hätten sie den Grauen Star. Ich fröstele. Die Kreuzschmerzen sind stärker geworden, und meine Finger zittern. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber es wird stärker. Das Tablett für meine Mutter rutscht mir aus den Fingern, der Kakao bespritzt das Bett. Schon wieder. Später hilft Caro mir beim Umbetten und bezieht neu. „Sie sollten Ihre Mutter mal in die Kurzzeitpflege bringen“, sagt sie. „Sie brauchen eine Auszeit. Es ist jetzt schon fast zwei Jahre, dass Sie Ihre Mutter ununterbrochen pflegen. Andere sind da rigoroser.“
Ich blicke auf meine Hände. Sie hat ja Recht. Ich kann das nicht mehr. Aber ein Pflegeheim? Keiner hat Zeit, die alten Leute liegen sich wund. Außerdem wäre sie nicht mehr hier bei mir. Ich spüre, dass meine Mundwinkel sich ein wenig kräuseln, ganz von allein.

Meine Mutter freut sich immer, wenn sie Caro sieht. Die ist geduldig und hört sich die Geschichten der alten Frau auch zum zehnten Mal an. Von dem Pferd und ihrer Allergie und dass ihr Mann zum Glück frühzeitig gestorben ist. Dass sie als Kind vor einem alten Lehrer abgehauen ist, der noch Jahre nach dem Krieg die Schüler in Reih und Glied antreten ließ und immer sagte, „es war nicht alles schlecht damals.“ Dem sie heimlich den Stock klaute, mit dem er die Kinder schlug. Und der sie einsperrte, weil sie nicht erzählen wollte, wer den Stock gestohlen hatte. „Und stellt euch vor“, sagt sie stolz zu uns, „kein Kind hat mich verraten. Sie wussten alle, dass ich es war. Aber sie schwiegen. Und den Stock? Den haben wir verbrannt, Kartoffelfeuer gemacht. Die haben geschmeckt, die Kartoffeln.“ Ihr Gesicht glüht.
Ich liebe diese Geschichte, ich stelle mir vor, wie sie mit wehendem Röckchen vom Dach des Schulhauses auf einen Sandhaufen springt, in der Hand den Stab des Lehrers. Und ich sehe ihr wildes Gesicht, wenn sie den Stock ins Feuer wirft. Alle Kinder hielten dicht für meine Mutter. Ja, so war sie. Ich höre zu und denke an das, was zwischen uns hätte sein können.

Am Abend erzählt sie wieder von ihrer Jugend. Davon, dass sie meinetwegen heiraten musste, dass man leider noch nicht sicher verhüten konnte. Und wieder von Köln - und von dem jungen Mann. Dass er so hübsch war, so charmant, sogar zu mir. Sie redet ohne Atempause, den Oberkörper leicht vorgebeugt. Ihr Kiefer mahlt Worte, die wie schwere Brocken auf den Boden fallen, dort liegen sie und warten, dass jemand sie wegfegt. „Er hat Kuchen mitgebracht. Mir, deiner Tante, sogar dir.“ Ich schaue auf meine Hände, sie zittern. Weiß sie denn nicht mehr, dass dieser junge Mann mein Verlobter war?
Später, als sie schläft, schalte ich den Fernseher an. Ein Tele-Arzt rät zu Entspannung. Was weiß der schon von meinem Leben und von der Zeit, die nicht vergehen will? Sie dehnt sich wie ein Band von hier bis zum Zimmer meiner Mutter und schlingt mich darin ein. Irgendwann schaffe ich es aufzustehen und mich hinzulegen.
Im Traum laufe ich durch die Korridore eines alten Hauses. Die Wände sind schief und verschieben sich immer mehr, als wollten sie aus der Vertikalen flüchten. Etwas lässt mich hochschrecken. Und dann höre ich es. Geräusche. Wispern und Ticken. Zuerst leise, dann immer lauter. Ein stetes Klopfen. Das Phon. Als ich aufmerksam hinhöre, merke ich, dass hinter dem Klopfen eine Stimme ist. Unverständliche Worte, die wie Wellen an mein Ohr schwappen, sich zurückziehen und wiederkehren. Unaufhörlich. Monoton. Ich schleiche zu ihrem Zimmer und öffne die Tür. Sie schweigt. Nur manchmal ein damenhafter Schnarcher. Vielleicht verstellt sie sich.

*

Ich bin seit fünf Uhr früh auf den Beinen, ich muss waschen und Mails an die Krankenkasse schreiben. Erschöpfung hüllt mich ein, aber ich kann nicht ruhen, ich muss mich beeilen, bevor meine Mutter wach wird.
„Kind, wo ist mein Kakao? Ich hatte eine schlechte Nacht.“
Da ist sie schon. Ihre Stimme klingt schwach, aber gebieterisch durch das Phon.
Ich öffne die Tür einen Spalt und stecke den Kopf zu ihr hinein. Sie sieht blass aus.
„Mutter, ich muss nur noch was fertig schreiben, in einer Viertelstunde kriegst du deinen Kakao.“
„Mein Herz klopft, Kind, ich fühle mich nicht gut. Bitte, sei so lieb und komm!“
„Nur einen Moment noch, dann bin ich so weit.“
„Warum lässt du mich betteln? Es ist doch nur ein Kakao. Ich weiß, ich bin eine Last für dich. Es ist schlimm, so alt zu sein.“
„Mutter, bitte, ich bin gleich da.“
Im Weggehen höre ich noch ihre Stimme, ganz klein und dünn: „Ich weiß, du willst mich wegschicken, ich habe gehört, was Caro gesagt hat. Das tut so weh, Kind, dass du mich abschieben willst.“
Sie meint das nicht so, denke ich, das sind ihre Spielchen. Gleich, wenn ich fertig bin, werde ich sie trösten. Trotzdem fühle ich mich schlecht.
Aus dem Zimmer ertönt Poltern. Dann ein Aufschrei. Ich springe hoch und laufe hin. Bei dem Versuch aufzustehen, ist sie aus dem Bett gefallen.
„Du hättest doch nur kurz warten müssen.“ Die Worte bleiben mir in der Kehle stecken. Klein und zerbrechlich liegt sie da am Boden und schaut mich von unten herauf an. Wie ein angefahrenes Tier. Ich fasse sie unter den Armen, will sie hochheben. Ihr Körper fühlt sich leicht an, als wären die Knochen mit Luft gefüllt, ich muss aufpassen, dass sie nicht splittern, Gottseidank zittern meine Hände dieses Mal nicht. Warum bin ich nur manchmal so stur? Alles nur wegen einem Kakao.
Rau stößt sie Worte hervor. Es ist kaum zu verstehen, doch mein Körper begreift sofort. „Deine Schwester soll kommen.“ Ich kann machen, was ich will, mir den Arsch aufreißen, sie sogar zu mir holen, alles aufgeben, damit sie mich endlich bemerkt, doch immer wieder fragt sie nach meiner Schwester. Mir ist, als würde die alte Frau immer schwerer werden.
„Du hast doch nie Zeit für mich“, wimmert sie. „So warst du schon immer, neidisch. Was habe ich dir nur getan? Wo ist deine Schwester?“
„Sie ist nicht da. Du musst schon mit mir Vorlieb nehmen.“
„Sie hätte mir Kakao geholt.“
Ich hole tief Luft, doch irgendwo auf halbem Weg zu meiner Lunge formt sich der Atem zu einem pochenden Klumpen, der sich ausdehnt, bis er riesig und glühend meinen Brustkorb füllt.
„Deine Schwester soll kommen.“
„Sie ist tot.“
„Du lügst.“
„Nein. Und gepflegt hätte sie dich sowieso nicht.“
Sie weint. Ganz tief und schrecklich. „Sie war mir so nah. Warum sie?“
Der Klumpen in meinem Inneren fällt in sich zusammen. Es ist keine Explosion, nichts Aufregendes, er fällt nur zusammen und hinterlässt ein Loch, das sich langsam mit etwas Dunklem auffüllt. Ganz selbstverständlich und unspektakulär, einfach so.
Ich stehe vor ihr, meine Hände unter ihren Armen und fühle das Dunkle, bevor ich mich abwende und sie liegen lasse.

*

Tage reihen sich aneinander wie Perlen einer Kette, durchbrochen von dunklen Einfassungen. Am Tag wasche ich meine Mutter und füttere sie. Ich wechsele die Wäsche und bette sie um. Wir sprechen nicht. Am Tag bin ich eine Maschine auf zwei Beinen, erst in der Nacht werde ich zu einem Menschen. Dann, wenn das Phon zum Leben erwacht und meine Mutter sprechen lässt. Es ist kein Wispern mehr, es sind ganze Sätze. Geschichten aus ihrer Kindheit. Vom Meer, von ihrer Zeit in Köln als Sekretärin und von den vielen Männern. Mitten in der Nacht, in einem andauernden Gleichmaß. Ich habe ihre Erzählungen schon früher gehört. Hunderte von Malen. Aber ich hatte sie nie verstanden, weil das Wort Schwester viel zu oft darin vorkam. Jetzt ist es, als wollte meine Mutter die Zeit nachholen, die sie mit mir verpasst hat. Als wollte sie mich begreifen lassen. Das Phon lässt sie zu mir sprechen. Endlich. Und es tut weh, was sie sagt.
Manchmal gehe ich, während sie redet, zu dem alten Schreibtisch mit den Fotos und betrachte unsere Familie. Meine jüngere Schwester Teresa, mein Vater, dazwischen ich. Über uns das strahlende Lachen meiner schönen Mutter. Nur sie ist geblieben. Und ich. Ich höre ihre Stimme: „Fleißig warst du ja, das kann dir keiner nehmen. Aber zu bemüht.“ Die tiefe Stimme meines Vaters, die ich schon vergessen glaubte, kommt hinzu. „Lass sie in Ruhe, sie ist gut, so wie sie ist.“ Und zu mir sagt er: „Du musst nicht bleiben.“ Doch ihre Stimme gewinnt. Das Phon weiß es. Es ist, als könnte ich die Speicheltröpfchen sehen, die bei jedem Wort von ihren Lippen stieben. Und jede Nacht ertappe ich mich dabei, wie ich vor ihrem Zimmer stehe, das Phon in der Hand, und auf ihren Atem lausche. Und jede Nacht wird das Dunkle in mir schwerer. Ich will es aus meiner Brust reißen, doch es geht nicht, weil meine Hände zittern. Sie zittern von der Anstrengung, nicht die Klinke zu ihrem Zimmer hinunterzudrücken.

Eines Nachts gehe ich doch hinein. Der Redeschwall aus dem Phon ist verebbt. Ich stehe vor ihrem Bett, rieche den faden Altfrauengeruch, sehe die feinen, weißen Haare. Ich blicke auf meine Hände und frage mich, wie sie das aushalten. Raue, trockene Haut, bedeckt von kleinen braunen Flecken. Finger, die sich nach rotem Nagellack sehnen und nach einem Streicheln. Stattdessen bewegen sie sich. Hin und her, ein Rhythmus, den ich nicht steuern kann. Ich fliehe aus dem Zimmer, das Phon schalte ich ab.

*

Wieder ein Tag und eine Nacht. Caro war da und ist wieder gegangen. Oder war das schon mehrmals? Alle Nächte ticken jetzt und flimmern wie weißgraues Rauschen eines kaputten Fernsehbildes. Doch diese ist besonders schlimm. Ich schlafe nicht. Mein Hörvermögen ist so scharf wie das eines Tieres.
Ein gleichförmiger Monolog tönt aus dem Phon. Ich drücke auf die Austaste, doch es summt weiter. Ich häufe Kissen darauf. Ihre Stimme dringt trotzdem zu mir durch. „Dieser Mann, ich wusste, dass du ihn mochtest. Es geschah einfach, Kind.“ Bestimmt bilden sich Speichelbläschen zwischen ihren Lippen, blühen auf und zerplatzen, hinterlassen giftigen Schaum, der in ihre Mundwinkel wandert und dort verkrustet.
Ich reiße das Phon unter den Kissen hervor und schleudere es gegen die Wand, ein Regen aus weißen Plastikteilchen rieselt herunter, aus der Abdeckung tritt Draht.
Irgendwann finde ich mich doch vor ihrem Zimmer. Sie schläft, bestimmt verstellt sie sich. Hat sie Angst, jetzt, da ich alles weiß? Ich will es aus ihrem Mund hören. Doch es bleibt still bis auf ein leises Schnarchen. Dann ein Flüstern, ich weiß nicht, ob sie es ist oder der Sender des Phons, der neben ihrem Bett steht. Aber es ist egal, die Stimme weiß Dinge, die nur meine Mutter wissen kann. „Du hattest schon ein Brautkleid gekauft. Türkisgrün. Es war keine Absicht, Kind, nur ein Ausrutscher.“ Ich wende mich ab, den Sender stecke ich ein. Soll sie doch reden. Doch ich kann nicht gehen. Meine Finger zittern in einem schnellen Rhythmus. Fast wie der eines fröhlichen, fremden Liedes. Ich beobachte, wie sich meine Hände einander nähern, als gehörten sie nicht zu mir, wie sie sich treffen und einen Reigen beginnen. Sich vereinen und lösen und wieder verschmelzen. Ein Tanz zweier Hände, die einander umschlingen und liebkosen, einen Ring verdecken und wieder freigeben, den mir vor langen Jahren ein Mann geschenkt hat. Der mich zu lieben versprach und dann seine Liebe einfach vergaß. Es ist, als würde der schmale Reif von meinen Händen aufgezehrt und wieder entbunden in endloser Schleife. Dann das Weiß eines Kissens. Verbirgt sich darunter ein Gesicht? Ein Spiel fällt mir ein, das ich immer mit meiner Schwester spielte, als wir noch Kinder waren. Man muss die andere so bedecken, dass kein Glied mehr unter der Decke hervorschaut. Es ist schön, dieses Spiel. Es wird das Dunkle in mir tilgen. Ein Gesicht leuchtet fahl, ein Mund öffnet sich, dann wird alles weiß von dem Stoff, der das Gesicht bedeckt und den schreienden Mund. Ich sehe Hände, die neben dem Kissen tanzen und winken, ich weiß, ich muss auch sie bedecken, bis sie ruhig sind, das gehört zu dem Spiel. Nichts darf mehr hervorschauen. Kein Laut darf mehr zu hören sein. Sonst hat man verloren.

Als das Kissen über dem Gesicht meiner Mutter sich leicht anfühlt, nehme ich es weg, falte ihre Hände und schmücke sie mit einem Ring aus Bernstein. Er wird sie an ihre Kindheit erinnern. Dann finde ich mich vor dem Fernseher. Doch ich weiß nicht, was ich sehe. Meine Hände ruhen.

*

Es ist früher Morgen. Der Fernseher ist eingeschaltet. Eine Sendung flackert vor meinen Augen. Ich habe meiner Mutter das Frühstück bereitet. Doch sie will nichts essen. Sie ist so kalt jetzt. Und sie schweigt. Ich weiß, dass etwas Schlimmes passiert ist, nur nicht, was es war. Aber ich bin erleichtert. Das Dunkle hat meinen Körper verlassen, es ist davongeflossen.
Als Caro klingelt, öffne ich ihr nicht. Ich habe frei. Irgendwann steht sie doch vor mir, in der Hand den Schlüssel für den Notfall.
„Anna, was ist mit Ihnen? Haben Sie überhaupt geschlafen?“ Sie klingt so besorgt, dass es mir weh tut.
„Natürlich geht es mir gut, ich habe ja heute frei.“
„Wo ist ihre Mutter, Anna?“
„In der Kurzzeitpflege, da habe ich sie angemeldet.“ Das sollte ich doch, will ich antworten, doch plötzlich höre ich ein Weinen. Es kann nicht sein, aber es ist die Stimme meiner Mutter. Ich soll kommen. Sie braucht mich. Aber ich werde nicht gehen. Nie mehr. Ich greife nach dem Sender, taste überall, doch ich finde ihn nicht, so sehr ich auch suche. Ich will ihn ausschalten, zermalmen, zerquetschen. Die Stimme meiner Mutter wird lauter. Wütender. Wieso hört Caro es nicht? Sie blickt nur auf meine Hände. Ich muss einfach ruhig bleiben, die Finger verstecken, dann wird Caro gehen. Aber sie lassen sich nicht halten, müssen suchen, den verdammten Sender finden. Sie winden sich rastlos, verzweifelt, bis Caro sie festhält. Ich schluchze. Das Phon wird lauter und lauter, das Schreien schwillt an, ich reiße mich los, muss meine Ohren schützen vor dem gellenden Gekreisch.
„Was ist passiert?“, fragt Caro. „Ich helfe Ihnen doch.“
„Ich weiß es nicht! Stell das Phon ab! Bitte.“
Dann ist alles ruhig. Eine Stimme, die wie meine klingt, sagt: „Kommen Sie besser morgen wieder, da habe ich sie hübsch gemacht. Sie muss jetzt schön sein, das hätte sie sich gewünscht.“ Caro steht auf und verlässt das Zimmer, ich folge ihr.
In ihrem Bett liegt, aufgebahrt, meine Mutter. In ihren Händen, wie eine Grabbeigabe, ein weißes, zerkratztes Phon.

 
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Liebe Novak,

Horrorgeschichten sind für mich nicht nur Splatterstories, sondern auch Geschichten, in denen vieles ungesagt bleibt und der Horror durch die Gedanken des Lesers entsteht. Das ist dir sehr gut gelungen.:thumbsup:

Ich hatte deine Geschichte schon nach dem Einstellen gelesen und wollte erst mal abwarten, bis die meisten Kommentare abgearbeitet sind. Jetzt gibt es aber nicht mehr viel zu sagen, ohne alles zu wiederholen …

Es ist ein Stück Freiheit von ihr.
Hm … Könnte auch heißen: „Es ist ein Stück Freiheit für sie.“

Ansonsten möchte ich mich nur noch hieran beteiligen:

"Mein Hörvermögen ist so scharf wie das eines Tieres."
Vielleicht so?
Mein Hörvermögen ist so scharf wie das eines Luchs, der zusätzlich seine Haarpinsel wie Richtmikrofone einsetzt.

Hat mir sehr gut gefallen.
Schönen Tag.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo Novak

da bist du wieder in deinem ureigensten Genre und es ist verdammt gut, was du du machst. Mit Grauen erinnere ich mich an diese Gänse-Geschichte, diese eine Szene, als die Gans auf den Eindringling losgeht. So geht Horror und so macht das auch E.A.Poe. Das bleibt dann und kriegst du nicht mehr raus aus der Birne.

Anfangs dachte ich: okay, demente Mutter:sleep:, dann kam das mit ihrem versteckten und immer deutlicher werdenden Hass auf die Mutter, die Gründe dafür, der stille Mordplan und danach habe ichz atemlos drauf gewartet, wann was passiert. :thumbsup:

Bisschen was zum Text:

Mit blanken Augen sitzt sie in ihrem Bett,
warum blank und nicht offen?

Ich denke an den Duft von Flieder und Jasmin und an ein Blech Zuckerkuchen.
super :)

Die Pflege einer dementen, alten Frau ist nicht leicht.
den Satz könnte man auch weglassen...

Es gibt Tage, da sehen selbst die Farben aus, als hätten sie den Grauen Star. Ich fröstele.
toller Vergleich

Ich liebe diese Geschichte, ich stelle mir vor, wie sie mit wehendem Röckchen vom Dach des Schulhauses auf einen Sandhaufen springt, in der Hand den Stab des Lehrers. Und ich sehe ihr wildes Gesicht, wenn sie den Stock ins Feuer wirft.
klasse wie du das mit der eingestreuten Geschichte machst

Tage reihen sich aneinander wie Perlen einer Kette, durchbrochen von dunklen Einfassungen.
auch das ist gut :)

Als das Kissen über dem Gesicht meiner Mutter sich leicht anfühlt, nehme ich es weg, falte ihre Hände und schmücke sie mit einem Ring aus Bernstein.
sehr gut

Ja, und auch der Schluss sehr überzeugend... runde Sache Patricia High-Novak :Pfeif:
viele Grüße
Isegrims

 

Mit blanken Augen sitzt sie in ihrem Bett,
warum blank und nicht offen?

fragt Isegrims und ich drängel mich mal mehr oder weniger dreist vor: Weil "blank" das treffende Adjektiv ist. Es bedeutet "blinkend, weiß glänzend", ganz einfach "schön". Und wenn ich jetzt die "schöneren" alten Formen niederschreib, liebe Isegrims, wirstu es selbst erkennen, dabei ist das mhd. blanc schon abgeschliffen (wird auch wie heute blank ausgesprochen), während ahd. blanch - und jetzt kommt die eigentliche Überraschung, unser romanischer Nachbar hat das Wort entlehnt nicht nur zur Farbbezeichnung, sondern auch für "rein" und "sauber". Diese Bedeutungen sind aber hier erst mit dem nhd. eingezogen.

So, genug geplaudert, Sonne scheint, Fahrrad rausgeholt und ... Kiste Bier besorgn. Das nenn ich einen Tagesablauf!

Tschüss

Friedel

 

Liebe Novak,
Isegrims hat mich auf etwas gebracht, was ich in meinem Kommentar vergessen habe.
Dieses Bild

Es gibt Tage, da sehen selbst die Farben aus, als hätten sie den Grauen Star.
verwirrt mich, will mir einfach nicht einleuchten, so schön ich es auch am Anfang fand.

Zwei Subjekte sind möglich: die Tage oder die Farben.
Den ‚Grauen Star’ zu haben, bedeutet, dass man Schleier oder Doppelbilder sieht, Kontraste nicht wahrnimmt, usw. s.u. *)

So, wie ich es hier lese, bedeutet das Bild streng genommen, dass die Tage (oder die Farben) den Grauen Star hätten, also deren Wahrnehmung getrübt ist. Dein Bild scheint mir aber doch sagen zu wollen, dass Menschen diese Tage (oder Farben) so wahrnehmen würden, als hätten sie (die Menschen) den ‚Grauen Star’?
Deshalb müsste es mMn ungefähr so lauten:
Es gibt Tage, da sehen wir die Farben, als hätten wir den Grauen Star.
Klingt lange nicht so schön, scheint mir aber logischer.

Ich hoffe, du verstehst mein Problem und hältst mich nicht für zu pingelig. Möglicherweise bin ja auch ich auf dem Holzweg.;)

Liebe Grüße
barnhelm


*)http://www.apotheken-umschau.de/Gra...Linsentruebung-Katarakt-Symptome-11434_4.html

Schleiersehen, Doppelbilder, Kontrastverlust, der das Sehen in der Dämmerung oder bei Dunkelheit erheblich erschwert, eine "an Farben ärmere Welt", vermehrtes Blendungsempfinden, Lichtschein um Objekte, verringerte Hell-Dunkel-Anpassung, Einschränkung des räumlichen Sehens, Sehverschlechterung in der Nähe, zum Beispiel beim Lesen, aber auch in der Ferne: Das alles sind typische Symptome des grauen Stares.

 

mm barnhelm

ich lese es so, als hätte die Umwelt, das Gesehene diesen Schleier und spiegelte sich auf den Betrachter zurück, die Mutter ist Teil der Umwelt, von ihr geht das Verschleiernde, Graue aus und gerade das finde ich recht gut und passend, vielleicht ist dann das Wort "Tage" hier nicht ganz passend, die Aussage finde ich aber sehr richtig, auch so, wie sie da steht...

viele Grüße
Isegrims

 

Liebe Novak

Also das Phon will ich doch deutlicher einführen, denn das waren mir doch zu viele, die darüber gestolpert sind. Klingt wahrscheinlich weniger schön, aber egal. Du sprichst hier einen anderen Punkt an, den ich aber leider nicht ganz verstanden habe.

Ich dachte beim ersten Lesen, sie habe das Phon (via Pflegerin) von ihrer Mutter erhalten (und damit ein Stück Freiheit). Aber dein Satz ist grammatikalisch eindeutig. „Freiheit von einer Person“ ist halt eine etwas ungewöhnliche Formulierung, daher.

Das stimmt so nicht. Du beziehst die Schaffung von Wahrheit nur auf den Leser. Natürlich ist es ihre Sicht, was der Leser auch weiß, aber wie willst du ausdrücken, dass die Frau selbst sich nicht völlig sicher ist? Und das ist sie hier an dieser Stelle noch gar nicht. Sie glaubt es nur, vermutet es und wird es erst im Laufe des Absatzes. Daher die vorangestellte Bemerkung und der Konjunktiv.

Keine Ahnung, was ich mir gedacht habe, du hast natürlich recht.

Und wegen dem grauen Star: Ich bin ebenfalls darüber gestolpert, barnhelm hat es sehr gut auf den Punkt gebracht. Dann dachte ich mir, ich sei da mal wieder überpingelig und hab’s nicht erwähnt. Natürlich gibt es Interpretationen, die das Bild stimmig werden lassen, aber solche Dinge sollten wohl auf Anhieb funktionieren.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Sehr sehr gut gefällt mir in dem Zusammenhang deine Interpretation, Mix, ich fand, da bin ich dir echt Kaffee und Kuchen schuldig, so liebenswert hast du dich auf eine Deutung eingelassen.

Haha, ja, den Kuchen nehm ich, Kaffee aber ist eher nicht so mein Getränk ;)

Nun, jetzt hast du die letzten paar Zeilen ja rausgenommen und das Phon ist damit real. Schade eigentlich, aber ich verstehe, weshalb du es getan hast. Bei meiner Deutung wäre Caro tatsächlich etwas zu kurz gekommen und die Offenbarung, dass das Phon nicht real ist, hat doch etwas zu viel Verwirrung gestiftet. Allerdings frage ich mich jetzt, in wie weit der erste Satz deiner Geschichte noch stimmig ist ("Ich hätte gleich wissen müssen, dass etwas nicht stimmt, als Caro, die Frau vom Pflegedienst, mir das Babyphon gab.") Caro gibt ihr das Phon doch in bestem Gewissen und es ist eben kein imaginäres Teufelswerk mehr. Klar, es entpuppt sich nach wie vor als der Gegenstand, durch den die Erzählerin allmählich den Verstand verliert, und Caros Aussage, es bedeute Freiheit von der Mutter, ist nach wie vor falsch (es stimmt also wirklich etwas nicht), aber so wie es da steht, denke ich weniger an Caros Aussage über das Phon als über die Übergabe des Phons selbst, also den Akt des Gebens, wenn du so willst. Und damit ist ja nun alles in Ordnung, denn das Phon ist real. Insofern finde ich deinen Einstieg, deinen ersten Satz, nicht mehr passend.

Ich hab mich außerdem sehr über deine ausführliche Antwort auf meinen Kommentar gefreut. Danke dafür!

Lieben Gruß
Mix

 
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Himmel, so viel Neues ist eingetrudelt, aber ich mach erst mal weiter:

Liebe TintenfassTintenfass

über deinen Kommentar hab ich mich riesig gefreut. Ich weiß nicht, ich glaub so manche Komms haben mich jetzt ein paar Zentimeter wachsen lassen. So könnt das glatt weitergehen. :) Aber ich weiß schon, die nächste Geschichte kommt. und weil man ein experimentierfreudiger Mensch ist, oder einer, der sich gern auch mal verhaut, kommt der ebenso (wie das Lob) hilfreiche Dämpfer ganz von alleine. :D

zuerst wollte ich deine Geschichte nicht lesen, da du sie auch mit dem Genre "Horror" gepostet hast. So blutrünstiges Zeugs lese ich nicht gerne. Doch dann siegte meine Neugier, denn ich wollte wissen, wie Novak eine Horrorgeschichte schreibt. Und siehe da, es fließt kein Blut, doch Schauer und Unbehagen hätten bei mir nicht größer sein können.
Cool, das mag ich, wenn das so klappt. Ich glaube mir sind das auch immer die liebsten H-Geschichten. Es fließt kein Blut, aber man fühlt was Hintergründiges, das einen auf einen Bogen spannt und nicht mehr runterlässt.

Du beschreibst den Horror einer Tochter in leisen Tönen, beinahe nebenbei und treibst damit die Spannung in die Höhe. (…)
beschreibst du eine Frau, die man keinem Kind zur Mutter wünscht.
i
Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich durch eine harte Schule gegangen bin. Nicht, was meine eigene Mutter betrifft, natürlich, aber diverse Verwandte gab es da schon. Und man erzählt sich halt auch viel unter Freunden.

Dann, an dieser Stelle:
… einen Ring verdecken und wieder freigeben, den mir vor langen Jahren ein Mann geschenkt hat.
musste ich heulen. Das war zuviel Dramatik für mich.
Liebe Tintenfass, das ist natürlich nicht richtig von mir, aber irgendwie freut mich das. :baddevil:

Deine Geschichte, liebe Novak zeigt, dass ein guter Autor mehr können muss, als Rechtschreibung und Grammatik zu beherrschen oder Wortgewand sein. Es gehört neben Beobachtungsgabe und Fingerspitzengefühl auch jede Menge Einfühlungsvermögen in Personen und Szenen dazu.
Mal abgesehen davon, dass mich das auch wahnsinnig gefreut hat, aber ich will noch was dazu sagen. Ich glaube, das Schreiben ist wirklich ein Hobby, das man auch noch als alter Knochen betreiben kann. Die Lebenserfahrung, die vielen Geschichten, die man so in Kopf und Herz gespeichert hat, die kommen einem total entgegen. Wenn ich nochmal anfangen würde mit meinem Leben, ich hätte schon viel früher anfanegn sollen, mir alles Mögliche aufzuschreiben.

Ein wenig gefrustet bin ich jetzt aber schon - ist ein sehr langer Weg den ich noch vor mir habe.

Doch ich seh's als Ansporn

Nee, langer Weg hin oder her, es gibt keinen Grund, gefrustet zu sein. Der Ansporn ists, um den es geht. Ich selbst denke das oft, dass es noch so ein langer Weg ist für mich. Aber vielleicht fangen wir beide an, den Weg als Genuss zu nehmen, noch mehr als bisher schon.

Liebe Grüße zurück von Novak


Und dir, liebe Kanji und lieber GoMusic danke ich erst mal ganz schnell, bevor ich es vergesse, für den Elefanten und den Luchs. Wahrscheinlich wird jetzt ein Elefluchs daraus. Eine rüsselnde Katze oder ein kätzelnder Rüssel. Oh Mann, ich hör schon auf, ich war zu viel bei den Wortkriegern heut.

Halt noch eins, damit ich das auch schon mal aus dem Kopf habe:
Der Graue Star und damit barnhelm Isegrims und Peeperkorn
Die Farben waren gemeint und nicht der Tag. Und es ging auch nicht darum, dass man die Symptome, die der Erkrankte hat, an den Farben sieht, also Doppeltsehen etc, sondern wenn ich als Guckerin jemandem mit fortgeschrittenem Kataralkt in die Augen schaue, dann sehe ich die graue Färbung hinter der Linse. Glaubt mir, ich habe das schon oft sehen müssen, das sieht aus, als läge ein grauer Schleier auf dem Auge oder der Linse. Man sieht das oft bei Hunden.
Von daher finde ich schon, dass es geht, zu sagen, die Farben hätten den Grauen Star.

Zu den anderen Kommentaren komme ich noch später, aber vielen Dank schon einmal und viele Grüße. Geht mir bitte nicht unter, bis ich zurückkomme.

 

Hallo noch mal, Novak!

Hach, jetzt auch das noch. Novak weiß kein Tier. Die Prota auch nicht. Nicht immer ist ein Haus ein Bungalow, ein zehnstöckiges Hochhaus oder ein abgehalfteter Caravan, manchmal ist es eben nur ein Haus. Im Ernst jetzt, wenn du was Hübsches weißt, nur her damit.
Na, da hab ich ja ein Fass aufgemacht ... und schon kommen Vorschläge für die arme Novak, die keine Tiere kennt ... :D Stadtkind, wie?
Nee, ernsthaft, ich finde das richtig schwierig. Man bräuchte ja hier ein Tier, das zum einen gut hören kann (und von dem das die Leser auch wissen) und das zum anderen die Gefühlslage der Prota widerspiegelt, dieses Gehetzte, Paranoide. Also irgendein Fluchttier, vielleicht ein Reh oder so. Aber Rehe bringen auch weitere Assoziationen, die hier nicht so gut passen ... also wirklich schwierig, wie gesagt. Zum Glück bist du die Autorin und ich nur der Kommentator. ;)

Wieso sagt ihr das Handy (die Mutter) nichts Neues? Natürlich tut es das. Am Anfang ist die Mutter/das Handy nur fies und macht Bemerkungen, dass der Verlobte sogar zur Prota nett war und so. Da hat die Mutter vergessen, dass Anna mit diesem Mann zusammen war. Später macht sie Bemerkungen, die auf ein Verhältnis zwischen ihr und ihm schließen lassen können. Aber lassen sie das wirklich so klar? Und sagt das die Mutter real? Ob das die Mutter nun real war oder nur Annas Einbildung oder ob der Betrug tatsächlich einer war oder die Mutter nur rumgeflirtet hat. Das alles ist nicht eindeutig. Es ist vielleicht nur Annas Einbildung, mit der sie sich das Verlassenwerden erklärt, die da aus dem Phon spricht. Oder die Mutter hat tatsächlich einen Betrug an ihrer Tochter begangen hat, und Anna bisher immer nur Anzeichen gemerkt hat, es sich bisher nicht wirklich hat eingestehen wollen, dass es so war. Jetzt, im Zustand der Überforderung und des zunehmenden psychischen Drucks interpretiert sie es aber doch, und zwar richtig. Ganz egal, was da ganz genau war. Der Betrugsverdacht steht massiv im Raum durch die Stimme aus dem Handy. Und dieser sehr starke Verdacht, der ist ihr jetzt klar geworden.
Da war meine Interpretation der Vorgeschichte einfach etwas anders. Irgendwie muss die Verlobung ja geplatzt sein. Ist er einfach still und leise gegangen? Hat er gesagt: du, das mit uns beiden, das passt doch nicht so ganz? Meine Vorstellung war ganz einfach, dass die Verlobung geplatzt ist, weil er was mit der Mutter hatte und weil Anna das erfahren hat. Und in dem Fall hätte ihr das Phon eben nichts Neues gesagt, sondern nur Altes, Verdrängtes wieder aufgewärmt und mit der Stimme der Mutter angereichert, was natürlich schlimm genug sein kann, um sie in den Wahnsinn zu treiben.
Das haste jetzt davon, dass du deinen Lesern so viele Informationen vorenthältst. :lol: Nee, nur Spaß, ich find das gar nicht schlimm, das bringt mich zum Nachdenken, wie das wohl alles zusammenpasst, und vertieft sozusagen das Leseerlebnis. Also alles bestens.

Haha, ja, den Kuchen nehm ich, Kaffee aber ist eher nicht so mein Getränk ;)

Also, wenn ihr :kaffee: übrig habt, den nehme ich euch gerne ab! :lol:

Gute Idee eigentlich, da hole ich mir doch gleich noch einen ...

Grüße vom Holg ...

 
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Lieber GoMusic und lieber Kollege ,

vielen Dank für dein Lesen und deinen Eindruck. Und auch noch mal für den Luchs. Der ist schon sehr schön, wenn ich ihn auch ohne die Richtmikrofone genommen hätte. Wahrscheinlich aber bleib ich einfach ganz banal beim Tier. Ausnahmsweise mal.

Horrorgeschichten sind für mich nicht nur Splatterstories, sondern auch Geschichten, in denen vieles ungesagt bleibt und der Horror durch die Gedanken des Lesers entsteht.
Das sind oft sogar die wesentlich besseren Horrorgeschichten meiner Meinung nach. Und da freut es mich natürlich ganz besonders, wenn du sagst, dass mir das gelungen sei.

Es ist ein Stück Freiheit von ihr.
Hm … Könnte auch heißen: „Es ist ein Stück Freiheit für sie.“
Hmm, ich meins ja umgedreht, dass es Freiheit für die Protagonistin ist. Von ihrer quasselnden Mutter. :D

Ein schönes Wochenende für dich wünscht Frau Novak


Hallo Isegrims

das hat mich ganz arg gefreut, dass du mich besuchen gekommen bist. Und gleich am Anfang so ein wunderschönes Kompliment. Ich kenne ja deine kritische Herangehensweise an Texte, im besten positiven Sinne, die du ja auch total selbstkritisch an eigene Texte anlegst, das hatte mich neulich sehr beeindruckt, muss ich mal sagen, jedenfalls war ich schon ein bisschen darauf gefasst, jetzt etwas gegen den Strich gebürstet zu werden. Und dann so ein samtweiches Isegrimpfötchen wie in dem Zitat hierdrunter. Hättest mich mal schnurren hören sollen.

da bist du wieder in deinem ureigensten Genre und es ist verdammt gut, was du du machst. Mit Grauen erinnere ich mich an diese Gänse-Geschichte, diese eine Szene, als die Gans auf den Eindringling losgeht. So geht Horror und so macht das auch E.A.Poe. Das bleibt dann und kriegst du nicht mehr raus aus der Birne.

Dass du anfangs dachtest, ohje ohje, schon wieder so ein Weiberzoff mit dementer Mutter, hehe, das mochte ich, und ich kanns auch sehr gut nachvollziehen. Ich glaube, es gibt wenige Männer, die Väter oder Mütter pflegen, vielleicht liegt es daran, dass Frauen eher Geschichten mit solchen Themen lesen. Keine Ahnung, aber ich denke, es könnte was dran sein. Zum Glück klebt ja das Horrorstempelchen dran. Obwohl, vielleicht ist das ja auch wieder abschreckend für andere, Dabei ist das gar kein normaler Horror mit abgerissenen Milzen und angekauten Beinen.

warum blank und nicht offen?
Das hat der Friedel, hörst du, Friedrichard ? viel besser beantwortete, als ich das hätte tun können. Danke dir, Friedel, dann gleich mal hier und weiter so schöne Tage dir mit Fahrrad, Sonne und einem leckeren Bier.


"Die Pflege einer dementen, alten Frau ist nicht leicht."
den Satz könnte man auch weglassen...
Ja, du hast Recht, das hat der Peeperkorn auch schon gesagt. Ich weiß bloß nicht, ob das trotzdem so rüberkommt, dass die Mutter pflegebedürftig ist und warum. Was meinst du? Ich such halt die ganze Zeit nach einer Stelle, wo ich die Info geschickt einfließen lassen könnte, ohne Methode Holzhammer zu verwenden.


Ja, und auch der Schluss sehr überzeugend... runde Sache Patricia High-Novak
Super, endlich stimmt der Schluss.

Lieber Isegrims, danke für alles, für die Nennung der schönen Stellen, das braucht man manchmla, sonst fängt man nämlich an, gleich immer alles auszubügeln, was einer angemerkt hat, obwohl es ein echter Darling ist und dann gefällt das einem anderen grad wieder. Danke überhaupt für deinen Besuch. Der war total schön für mich. Ich wünsch dir noch viel Spaß beim Schreiben und Lesen und überhaupt.
Viele Grüße von Novak

Mix und The Incredible Holg euch antworte ich auch noch mal, kurz wenigstens, aber jetzt mag ich nicht mehr viel schreiben, soll ja nicht in Arbeit ausarten so in den Pyrenäen. :)
Und dann ists wahrscheinlich schon wieder Schluss mit dem Feedback für diese Geschichte, schade irgendwie auch, aber so gehts halt, ich weiß nicht, ich glaube immer, früher sind die Geschichten nicht so schnell durchgerutscht.
Einen schönen Kaffee für den Holg kann ich aber schon mal kochen und für dich ein Weinchen oder Bierchen öffnen, Mix. Oder alles für euch beide, ist ja schließlich schon fast Abend.
Bis dann
Novak

 

Liebe Novak,

mit Sicherheit werde ich Dinge wiederholen, die schon gesagt wurden, und vielleicht auch anderen Kommentaren widersprechen, aber ich schaffe es einfach nicht, mit der Diskussion um deine Geschichte Schritt zu halten und ich will sie schon seit Tagen kommentieren. Also werde ich mich ausschließlich auf den Text konzentrieren, damit das hier überhaupt was wird. :)

Zuerst das Allgemeine: Die Geschichte trifft mit so vielen Dingen ins Schwarze, dass es fast unheimlich ist, aber ich schätze, das liegt einfach daran, dass sie eigentlich etwas ganz Alltägliches erzählt, dass es ganz vielen Menschen sehr ähnlich geht. Ich bin noch nie in der Situation deiner Protagonistin gewesen. Aber ich erlebe gerade in der Familie, was passiert, wenn jemand eine Demenz entwickelt. Es ist schlimm, selbst wenn der körperliche Zustand noch ganz okay ist, der Pflegedienst jeden Tag nach dem Rechten schaut, und man nicht die tägliche, zermürbende Pflege übernehmen muss, sondern lediglich hin und wieder Besuche macht, was ja eigentlich eine Art Best Case-Szenario ist. Es gibt einfach keinen Weg, „richtig“ mit so etwas umzugehen.

Man weiß, die Person kann nichts dafür, dass sie immer wieder dieselben Geschichten erzählt, oder dass sie Dinge sagt, die andere verletzen, weil sie nicht mehr in der Lage ist, bewusst zu kontrollieren, was sie sagt. Man kann sich vornehmen, das alles zu ignorieren und freundlich und liebevoll zu sein. Man kann sich mit Gesprächsstoff eindecken – Fotos, hübsche Geschichten, die nicht aufregen – und Kuchen zum Kaffeetrinken mitbringen, damit es nett wird. Nichts davon verhindert, dass man in kürzester Zeit an einem Punkt ist, an dem man sich zusammenreißen muss, und das funktioniert nicht immer, und man sagt etwas, das einem leid tut. Und dann kann man sich nur damit trösten, dass das Gesagte spätestens am nächsten Tag vergessen ist.
Auch wenn jemand nichts dafür kann, was aus seinem Mund kommt, auch wenn sehr viele Erinnerungen verblasst oder gar nicht mehr da sind – irgendwie ist oft noch genug übrig, um genau die neuralgischen Punkte des Gegenübers zu treffen. Die Demenz löscht ja nicht von heute auf morgen den Charakter aus. Sie macht es aber unter Umständen sehr viel schwerer, diesen Charakter zu ertragen, weil Dinge, die früher, als noch Selbstkontrolle da war, vielleicht ungesagt geblieben oder zumindest nicht in Dauerschleife wiederholt worden wären, jetzt einfach rauskommen. Also kurz gesagt:

wenn man müde ist, hält Liebe kaum zwei Stunden.

ist so eine hervorragende Zusammenfassung, dass die Geschichte schon allein für diesen einen Satz ein großes Lob verdient.

Also für mich ist es sehr gut nachvollziehbar, was die Protagonistin durchmacht, und der Horror in der Geschichte entfaltet sich vor allem, weil ihre Situation so ausweglos scheint. Die Stimme aus dem Phon bzw. aus dem Kopf der Protagonistin ist schon fast Nebensache. Ob die Stimme die Wahrheit sagt über den Verlust ihres Verlobten, oder ob sie sich das nur zusammenreimt, ist auch nicht wichtig. Ich denke, sie hat eine Masse negativer Gefühle für ihre Mutter, die sich sehr wahrscheinlich auch angestaut hätten, wenn die Mutter ihr in der Vergangenheit nie irgendwas Schlimmes angetan hätte – einfach weil die Pflege so wahnsinnig anstrengend ist. Und sie braucht irgendein Ventil, um diese Gefühle herauslassen zu können.

Solche Geschichten über das Dunkle in uns selbst sind auf jeden Fall nachhaltigerer Horror als Geschichten über das Dunkle in der Gruft oder unter dem Bett. :)

Noch ein paar Detailanmerkungen:

Ich hätte gleich wissen müssen, dass etwas nicht stimmt, als Caro, die Frau vom Pflegedienst, mir das Babyphon gab.
Ich weiß nicht, ob ich mir das einbilde, aber nach meinem Gefühl gab es diese eingeschobene Erklärung noch nicht in der ersten Fassung der Geschichte. Die Veränderung vom „Phon“ zum „Babyphon“ finde ich okay – auch wenn die Mutter kein Baby mehr ist, ist das einfach das gewohnte Wort, unter dem man das Ding kennt, und „Phon“ hat erst mal so einen Science-Fiction-Klang, dass man sich da leicht irgendein exotisches Hightech-Dings vorstellen könnte. :)
Aber „die Frau vom Pflegedienst“ finde ich nicht gut. Es liest sich ungelenk, und es ist absolut offensichtlich, dass das für die Leser eingeschoben ist. Und ich finde, das darfst du uns schon zumuten, ein paar Sätze weiter zu lesen und Caros Rolle selbst herauszufinden. Das wird aus meiner Sicht ganz schnell klar.

Ich liebe diese Geschichte, ich stelle mir vor, wie sie mit wehendem Röckchen vom Dach des Schulhauses auf einen Sandhaufen springt, in der Hand den Stab des Lehrers. Und ich sehe ihr wildes Gesicht, wenn sie den Stock ins Feuer wirft. Alle Kinder hielten dicht für meine Mutter. Ja, so war sie. Ich höre zu und denke an das, was zwischen uns hätte sein können.
Ich liebe diese Geschichte auch! Das kriegst du sowieso immer sehr gut hin, mit ein paar Sätzen die Figuren zu zeichnen, dass man wirklich das Gefühl bekommt, da gibt es eine ganze Biographie, von der wir als Leser nur kleine Schnipsel zu sehen bekommen. Das finde ich sehr wichtig, dieses "Eigenleben", dieses Gefühl, die Figuren wären auch da, wenn ich sie nicht lesen würde. Das ist fast immer dafür ausschlaggebend, ob man einen Text gern liest.

Im Weggehen höre ich noch ihre Stimme, ganz klein und dünn: „Ich weiß, du willst mich wegschicken, ich habe gehört, was Caro gesagt hat. Das tut so weh, Kind, dass du mich abschieben willst.“
Sie meint das nicht so, denke ich, das sind ihre Spielchen. Gleich, wenn ich fertig bin, werde ich sie trösten. Trotzdem fühle ich mich schlecht.
Ja, das ist es halt. Wie es gemeint ist, ist völlig irrelevant dafür, wie es sich anfühlt.

Es ist, als würde der schmale Reif von meinen Händen aufgezehrt und wieder entbunden in endloser Schleife.
Das ist mir ein bisschen zu dick aufgetragen irgendwie, und sprachlich etwas unlogisch. Wenn etwas aufgezehrt ist, ist es für mich weg, also zerstört, dann kann es auch nicht wieder entbunden werden. Aber das ist abgesehen von dem eingeschobenen Satz am Anfang wirklich die einzige Stelle, an der ich was zu meckern habe. :)

Insgesamt habe ich das wieder extrem gern gelesen. :)

Grüße von Perdita

 
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Moin Novak,

eine (nicht nur) von der Krankenpflege zermürbte Tochter wird über Phon (und offenbar von diesem verstärkt) von der Stimme ihrer Mutter (die an furchtbaren Wesen Borderline-Mama Livia Soprano zu aller Ehre gereicht) langsam in den Wahnsinn getrieben ... und schon hat man die Novak'sche Version des The Tale-Tell Heart.

Novak goes Poe - und es funktioniert, unter anderem auch deswegen weil du Poe erzählst und Novak schreibst! Aber dass du mich mit deinem Stil zu begeistern weißt, weißt du ja, nehme ich an - falls nicht ... gäbe es einen Kurzgeschichtenband von dir, ich würde ihn mir sofort ins Bücherregal stellen (und nicht in die hinterste Reihe), die Geschichten nur ausgedruckt und im Pappschuber sähen irgendwie scheiße aus :(.

Ich weiß, viele schreiben, dass sie es zu vage finden, was in der Vergangenheit geschehen ist. Ich finde, dass ist unerheblich sowohl für den Leser als auch für den Wahnsinn, den Anna im Laufe der Geschichte immer mehr entwickelt. Es ist nicht wichtig zu wissen, ob ihre Mutter ihr den Verlobten ausgespannt hat oder die Schwester oder gar ob Anna Theresa getötet hat. Die Mutter ist mit ihrer Art für Anna schon Monster genug (eine Spitze hier, ein manipulierendes Klagen da), dass das Phon ihr den Wahnsinn entlocken und sie davon getrieben ihrer Mutter schlussendlich den Garaus machen kann. Der Wahnsinn ist genug und du schaffst es mit der Zeichnung deiner Charaktere mehr als ausreichend, dass ich dir das abkaufe.

Was mir an dieser Geschichte besonders gefällt ist die Tatsache, dass du aus der Alltagssituation der Krankenpflege eine Horrorstory strickst. Die Pflege eines nahen Menschen ist für die meisten Menschen, die das tun, genau das: der reinste Horror, der an die Kräfte bis an ihre Grenzen geht - und nicht nur wenn man so eine üble Mutter hat wie Anna, sondern auch bei den guten Müttern (Väter, Brüdern, Ehepartner etc.)! Dem wirst du gerecht.

Also eine Geschichte, der wahrlich ein Krankengeruch anhaftet (für die Atmosphäre löblich) - von wegen Flieder und Jasmin.

Ich könnte jetzt wieder Lieblingsstellen raussuchen, aber ach, davon gibt es einfach zu viele. Da fehlt mir die Zeit.

Wie stets sehr, sehr gerne gelesen.

LG,

fvg.

P.S.: Wenn du mit dem Bild von Livia Soprano nichts anfangen kann, auch nicht schlimm oder im Sopranos-Wiki nachlesen. Wichtig ist nur, du zeichnest da eine ziemlich üble Mutter. Okay, und zum Abschied doch noch meine Lieblingsstelle:

Doch wenn man müde ist, hält Liebe kaum zwei Stunden.

und nicht zu vegessen der

Rorschach-Test für Töchter

Musste ja doch noch mal gesagt werden.

 
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Oh weh, so etwas ist mir glaube ich noch nie passiert.
Ich habe Antworten vergessen zu schreiben und nicht nur das, habe neue Antworten übersehen.
Wahrscheinlich ist das während meines Urlaubs passiert. Ein Freund, der hier mitliest, aber nicht registriert ist, hat nach meiner letzten Geschichte geguckt und mich auf die fehlenden Antworten angesprochen. Und jetzt hab ich mal rangehalten.

Lieber Mix und The Incredible Holg
eure Posts hatte ich wenigstens noch gelesen. Wollte aber mir aber nach einigem Hin und Her mal ein bisschen Forenauszeit nehmen, gerade auch im Urlaub. Und irgendwann, nachdem ich die Geschichte überarbeitet hatte, war ich mir ganz sicher, ich hätte alles erledigt. Tja, so kann man sich täuschen. Dabei war ich mir so sicher.

Und Perdita und fvg eure Kommentare hatte ich die ganze verdammte lange Zeit noch nicht mal mitgekriegt.
Ich weiß gar nicht, was ich sagen, und wie ich mich entschuldigen soll, es tut mir einfach sausauleid. Und ich könnts verstehen, wenn ich nie wieder von euch auch nur einen Fuzzel Kommentar kriege.
Aber ich will das Antworten wenigstens nachholen und vor allem mich bei euch entschuldigen.

---


Lieber Mix, ich hoffe, du bist überhaupt noch da. Dankeschön für das nochmalige Melden und selbstverständlich kriegst du auch ein anderes Getränk, als ausgerechnet Kaffee.

Caro gibt ihr das Phon doch in bestem Gewissen und es ist eben kein imaginäres Teufelswerk mehr. Klar, es entpuppt sich nach wie vor als der Gegenstand, durch den die Erzählerin allmählich den Verstand verliert, (...)Insofern finde ich deinen Einstieg, deinen ersten Satz, nicht mehr passend.
Ich glaube ich versteh, was du meinst, du findest das „etwas“, das da nicht stimmt, jetzt nicht mehr deutlich genug oder nicht eindeutig genug, denn das Phon ist ja physisch vorhanden. Aber könnte es auch sein, dass du noch ein wenig in der alten Version verstrickt bist, denn da hast du dich ja wirklich richtig einfuchsen müssen, denn bezieh das „etwas“ mal auf Freiheit. Ich finde, dann haut es doch wieder hin. Oder?

Ich hab mich außerdem sehr über deine ausführliche Antwort auf meinen Kommentar gefreut. Danke dafür!
Naja, das mit dem ausführlichen Antworten hab ich ja jetzt grad wieder ordentlich versaut. Ich hoffe, du verzeihst es mir trotzdem.
Liebe Grüße an dich von Novak


____

Und auch an dich noch mal ein schönes lautes Hallo, lieber Holg,
auch dir wollte ich eigentlich noch einmal antworten, und zwar zu dem gesuchten Tier.

Na, da hab ich ja ein Fass aufgemacht ... und schon kommen Vorschläge für die arme Novak, die keine Tiere kennt ... Stadtkind, wie?

Stadtkind bin ich erst geworden. Vorher war ich mit verblutsbrüdert mit Dachsen, Rehen und Wölfen. Also fast jedenfalls. Naja gut, zu einem Dackel, mehreren Goldhamstern,diversen wilden Katzen und den kranken Singvögeln, die ich vor den Katzen retten konnte, hat es immerhin gereicht. Aber Schluss mit dem Geplapper. Kurz und gut: Ich hab das Tier „Tier“ sein lassen. Du nennst selbst den einen Grund, dass ein passendes Tier gar nicht so einfach wäre. Der andere ist der: Die Geschichte ist in der Ichform geschrieben, also ganz nah an der Protagonistin und mir will das einfach nicht einleuchten, dass die Frau in dem umnebelten Zustand auf ein spezielles Tier kommt, wenn sie registriert und beschreibt, dass ihre Sinne geschärft sind, sie sich ihrer aber gar nicht mehr kontrolliert bedienen kann. Denkt man da wirklich noch in Kategorien wie Reh oder Luchs? Fällt einem dazu überhaupt etwas anderes ein als Tier? Ich finde einfach, ein spezielles Tier passt hier nicht zu der Protagonistin und ihrem Zustand.

Da war meine Interpretation der Vorgeschichte einfach etwas anders. Irgendwie muss die Verlobung ja geplatzt sein. Ist er einfach still und leise gegangen? Hat er gesagt: du, das mit uns beiden, das passt doch nicht so ganz? Meine Vorstellung war ganz einfach, dass die Verlobung geplatzt ist, weil er was mit der Mutter hatte und weil Anna das erfahren hat. Und in dem Fall hätte ihr das Phon eben nichts Neues gesagt, sondern nur Altes, Verdrängtes wieder aufgewärmt und mit der Stimme der Mutter angereichert, was natürlich schlimm genug sein kann, um sie in den Wahnsinn zu treiben.
Aber ist das denn nicht ein bisschen egal, wie der Kerl gegangen ist? Es hätte so sein können, wie du es sagst, und ich hätte es auch ganz haargenau in der Geschichte festklopfen können, aber ich wollte das nicht.

Das haste jetzt davon, dass du deinen Lesern so viele Informationen vorenthältst.
Oh je, sieht wohl so aus.

Nee, nur Spaß, ich find das gar nicht schlimm, das bringt mich zum Nachdenken, wie das wohl alles zusammenpasst, und vertieft sozusagen das Leseerlebnis. Also alles bestens.
Mir fällt ein Stein vom Herzen, das ist ja gerade nochmal gut gegangen.

Also, wenn ihr übrig habt, den nehme ich euch gerne ab!
Kriegst du. Aber ich befürchte, da sind in der Zwischenzeit schon ganz schön viele Kaffees deine Kehle hinuntergeflossen.
Ich hoffe, auch du verzeihst mir mein Versäumnis.
Eine geknickte Novak.

.............

Liebe Perdita,
ausgerechnet bei dir passiert mir diese Scheiße. Ich hab dir eine PM geschrieben, weil mir das so entsetzlich leid tut, dass ich deinen Komm so lange übersehen konnte. Ein bisschen hängt es wohl mit meiner derzeitigen Stimmung zusammen, was das Schreiben betrifft. Irgendwie ist bei mir was verloren gegangen. Ich meine damit keine Schreibblockade, das wäre Quatsch, da würde ich persönlich immer sagen, dass mir halt grad nix einfällt. Nein, irgendwie ist so ein Nachhall verloren gegangen, der durch das Geschichtenschreiben entstanden war. Aber das soll nicht entschuldigen, höchstens vielleicht ein bisschen erklären, dass man da nicht mehr so rührig ist und eher was übersieht.

Zuerst das Allgemeine: Die Geschichte trifft mit so vielen Dingen ins Schwarze, dass es fast unheimlich ist, aber ich schätze, das liegt einfach daran, dass sie eigentlich etwas ganz Alltägliches erzählt, dass es ganz vielen Menschen sehr ähnlich geht.
Ich glaube, es ist oft so, dass einen das Alltägliche, das einem selbst passieren kann oder sogar passiert, stärker in Angst versetzt als irgendein Gruselwesen. Mich hat ohnehin schon immer stark interessiert, welche Abwege die menschliche Psyche gehen kann, wie sie sich verstrickt in anderes und in sich selbst am meisten. Oft handeln meine Geschichten ja in irgendeiner verwandelten Form auch davon.

Man weiß, die Person kann nichts dafür, dass sie immer wieder dieselben Geschichten erzählt, oder dass sie Dinge sagt, die andere verletzen, weil sie nicht mehr in der Lage ist, bewusst zu kontrollieren, was sie sagt. Man kann sich vornehmen, das alles zu ignorieren und freundlich und liebevoll zu sein. Man kann sich mit Gesprächsstoff eindecken – Fotos, hübsche Geschichten, die nicht aufregen – und Kuchen zum Kaffeetrinken mitbringen, damit es nett wird. Nichts davon verhindert, dass man in kürzester Zeit an einem Punkt ist, an dem man sich zusammenreißen muss, und das funktioniert nicht immer, und man sagt etwas, das einem leid tut. Und dann kann man sich nur damit trösten, dass das Gesagte spätestens am nächsten Tag vergessen ist.
Du beschreibst das wirklich sehr gut. Eigentlich ist das so eine Art Käfig, in dem der andere und man selbst gefangen ist, und man kann eigentlich nur alles falsch machen. Auch ich besuche „nur“, aber das recht häufig und manchmal überfordert es mich sehr. Ich glaube, der Besuchende oder Pflegende muss auf jeden Fall lernen, sehr nachsichtig mit dem Dementen, aber auch mit sich selbst zu sein. Eine Demenz zu erleben, ich empfinde das als große Grausamkeit für denjenigen, der davon betroffen ist, denn zu erleben, wie das Gedächtnis versagt, das ist für jemanden, der es immer benutzt hat, vielleicht sogar sein Selbstvertrauen aus der eigenen Intelligenz gewann, etwas Furchtbares.
Und der Besuchende oder Pflegende muss echt professionell werden, nicht nur, um die Pflege oder die Besuche zu bestehen, ohne allzu genervt zu werden oder mit welchen Tricks man den Dementen trotzdem bei Laune halten kann. Es ist oft auch ein kampf gegen sich selbst und seine unmittelbaren Gefühle.

Auch wenn jemand nichts dafür kann, was aus seinem Mund kommt, auch wenn sehr viele Erinnerungen verblasst oder gar nicht mehr da sind – irgendwie ist oft noch genug übrig, um genau die neuralgischen Punkte des Gegenübers zu treffen. Die Demenz löscht ja nicht von heute auf morgen den Charakter aus. Sie macht es aber unter Umständen sehr viel schwerer, diesen Charakter zu ertragen, weil Dinge, die früher, als noch Selbstkontrolle da war, vielleicht ungesagt geblieben oder zumindest nicht in Dauerschleife wiederholt worden wären, jetzt einfach rauskommen.
Ja, schon allein die Geschichtchen nerven. Aber das andere, der Wegfall von Diplomatie, Rücksichten auf den anderen, Kontrolle über das zu Sagende, das ist noch weitaus schwerer zu ertragen. Ach, ich könnte da Geschichtchen erzählen, die klingen auf den ersten Blick saukomisch und ich ertappe mich oft dabei, wie ich das anderen auch so scheinlustig erzähle, weil der Humor eine Möglichkeit der Distanz ist, aber es ist nicht lustig. Wirklich nicht.
Also du merkst schon, Perdita, es gibt sehr autobiographische Gründe, weshalb ich auf diese Geschichte gekommen bin, wenn auch die in der Geschichte beschriebene Mutter in der Wirklichkeit nicht vorkommt.
Aber wenn man sich das mal vorstellt, das war ja der Ausgangspunkt meiner Geschichte, dass so viele Punkte zusammenkommen, die Demenz, die Bedürftigkeit der Tochter nach Anerkennung, der Wegfall von Selbstkontrolle bei der Dementen, dann kann sich das in einem üblen Szenario ergießen.
Also kurz gesagt:
wenn man müde ist, hält Liebe kaum zwei Stunden.
ist so eine hervorragende Zusammenfassung, dass die Geschichte schon allein für diesen einen Satz ein großes Lob verdient.
Erstens freue ich mich natürlich über das Lob, denn ich finde den Satz selbst gut. Was dahinter steckt: Ich bin der Meinung, dass den Familienmitgliedern, die Angehörige pflegen, eine schier unzumutbare Last auferlegt wird und deswegen finde ich auch dein nächstes Statement so richtig:
Ob die Stimme die Wahrheit sagt über den Verlust ihres Verlobten, oder ob sie sich das nur zusammenreimt, ist auch nicht wichtig. Ich denke, sie hat eine Masse negativer Gefühle für ihre Mutter, die sich sehr wahrscheinlich auch angestaut hätten, wenn die Mutter ihr in der Vergangenheit nie irgendwas Schlimmes angetan hätte – einfach weil die Pflege so wahnsinnig anstrengend ist. Und sie braucht irgendein Ventil, um diese Gefühle herauslassen zu können.
Ja, genau so sehe ich das auch.

Ich weiß nicht, ob ich mir das einbilde, aber nach meinem Gefühl gab es diese eingeschobene Erklärung noch nicht in der ersten Fassung der Geschichte. Die Veränderung vom „Phon“ zum „Babyphon“ finde ich okay – auch wenn die Mutter kein Baby mehr ist, ist das einfach das gewohnte Wort, unter dem man das Ding kennt, und „Phon“ hat erst mal so einen Science-Fiction-Klang, dass man sich da leicht irgendein exotisches Hightech-Dings vorstellen könnte.
Aber „die Frau vom Pflegedienst“ finde ich nicht gut. Es liest sich ungelenk, und es ist absolut offensichtlich, dass das für die Leser eingeschoben ist. Und ich finde, das darfst du uns schon zumuten, ein paar Sätze weiter zu lesen und Caros Rolle selbst herauszufinden. Das wird aus meiner Sicht ganz schnell klar.
Gut, dass du das sagst, ich weiß grad selbst nicht mehr, ob ich das nachträglich eingefügt hatte oder nicht. Muss mal die unterschiedlichen Versionen vergleichen. Aber dein Argument leuchtet mir ein. Ich überprüfe mal in aller Ruhe, ob das nicht wegfallen kann.
Ich liebe diese Geschichte auch! Das kriegst du sowieso immer sehr gut hin, mit ein paar Sätzen die Figuren zu zeichnen, dass man wirklich das Gefühl bekommt, da gibt es eine ganze Biographie, von der wir als Leser nur kleine Schnipsel zu sehen bekommen. Das finde ich sehr wichtig, dieses "Eigenleben", dieses Gefühl, die Figuren wären auch da, wenn ich sie nicht lesen würde. Das ist fast immer dafür ausschlaggebend, ob man einen Text gern liest.
Das ist ein wunderschönes Kompliment.

Es ist, als würde der schmale Reif von meinen Händen aufgezehrt und wieder entbunden in endloser Schleife.
Das ist mir ein bisschen zu dick aufgetragen irgendwie, und sprachlich etwas unlogisch. Wenn etwas aufgezehrt ist, ist es für mich weg, also zerstört, dann kann es auch nicht wieder entbunden werden.
Ja, ich hatte die Geschichte ja schon viel früher geschrieben und dann extrem überarbeitet. Mit diesem Satz, den ich einerseits sehr schön finde, wenn auch dick, das stimmt, hatte ich aber auch immer ein bisschen Probleme. Kennst du ja, man lässt was drin, aber es gibt einen kleinen Zweifel. Ich überleg einfach mal.

Insgesamt habe ich das wieder extrem gern gelesen.
Ich danke dir sehr. Für deinen Komm, für die Gedanken, ich hab meine Geschichte sehr verstanden gefühlt. Und das ist wichtig. Ich bin momentan mit dem Schreiben nicht mehr so verbunden und innig, wie das einmal war. Vielleicht Abnutzungserscheinungen im weitesten Sinne? Vielleicht liegt es auch daran, dass die Geschichten im Forum schnell durchrauschen. Das Schreiben und das Lesen der Kommentare, überhaupt in eine Kommunikation mit den anderen einzutreten, das alles also, was ich hier immer so wahnsinnig geschätzt habe, das ist für mich persönlich ein wenig flüchtig geworden. Vielleicht sind das auch nur schwurbelige Worte für die eigene Bequemlichkeit. :D
Und bitte, wenn ich jemals wieder so eine säumige Antworterin bin, dann liegt das nicht an Ignoranz oder gar an Desinteresse an deiner Antwort. Und dann bitte bitte, einfach in den Arsch treten.
Viele liebe Grüße von Novak

............

Und jetzt komm ich zu dir, lieber fvg, ich könnte mich echt stundenlang in den Arsch beißen, erstens weil ich mich beinahe um einen so wunderbaren Kommentar gebracht hätte, und zweitens, weil, ach Mensch, gerade bei dir hätte mir das genaus wie bei Perdita absolut nicht passieren dürfen.

Ich hab in der Antwort an Perdita ein bisschen was dazu geschrieben, wie es mir momentan mit dem Schreiben geht. Irgendwas ist verloren gegangen. Und ob das nochmal zurückkommt, keine Ahnung. Ist ja auch nicht so, dass ich in der Arbeit an einem Roman feststecken würde. Nee, da denke ich momentan eher: so viele schreiben, und die schreiben sehr schön, ich könnt das doch auch einfach nur lesen. :D
Aber auch dir will ich sagen, das soll mich nicht entschuldigen, nur ein bisschen erklären, wieso mir das vielleicht passiert ist.

eine (nicht nur) von der Krankenpflege zermürbte Tochter wird über Phon (und offenbar von diesem verstärkt) von der Stimme ihrer Mutter (die an furchtbaren Wesen Borderline-Mama Livia Soprano zu aller Ehre gereicht) langsam in den Wahnsinn getrieben ... und schon hat man die Novak'sche Version des The Tale-Tell Heart.
Ja, mir sagt Livia Soprano noch was. Klar. Das passt. :D
Auch dass du hier (wenn auch nur in Klammern) einwirfst, dass die Tochter nicht nur mit der Krankenpflege zermürbt ist, das hast du gut beobachtet. Ich glaube, es ist ein sehr hoffnungsloses Unterfangen, Anerkennung ausgerechnet bei und von jenem haben zu wollen, der einen nicht wertschätzt.

Novak goes Poe - und es funktioniert, unter anderem auch deswegen weil du Poe erzählst und Novak schreibst!
Ui, wenn ich jemals einen Klappentext für ein von mir geschriebenes Buch haben will, darf ich mich dann an dich wenden?

Aber dass du mich mit deinem Stil zu begeistern weißt, weißt du ja, nehme ich an - falls nicht ... gäbe es einen Kurzgeschichtenband von dir, ich würde ihn mir sofort ins Bücherregal stellen (und nicht in die hinterste Reihe), die Geschichten nur ausgedruckt und im Pappschuber sähen irgendwie scheiße aus .
Ja, da stimmt. Pappschuber sehen nicht so dolle aus. Und weißt du was, du schaffst es immer wieder, mich einfach total zum Lachen zu bringen, irgendwie tut das grad unheimlich gut, wenn jemand sowas schreibt. Und gerade dieses Kompliment war es, was den Freund zur Mail bewog: „Hast du se noch alle, so ein schönes Kompliment lässt du unbeantwortet?“ Recht hat er.

Ich weiß, viele schreiben, dass sie es zu vage finden, was in der Vergangenheit geschehen ist. Ich finde, dass ist unerheblich sowohl für den Leser als auch für den Wahnsinn, den Anna im Laufe der Geschichte immer mehr entwickelt. Es ist nicht wichtig zu wissen, ob ihre Mutter ihr den Verlobten ausgespannt hat oder die Schwester oder gar ob Anna Theresa getötet hat.
Ich bin sehr froh, dass auch du das so siehst. Ich war da zwar immer sehr entschieden, auch wenn Kommentatoren das anmahnten, aber so insgeheim nagt es doch ein wenig und man fragt sich, ob man nicht zu stur ist. Jetzt sagen sowohl Perdita als auch du, dass es für euch klappt. Und das ist verdammt gut.

Die Mutter ist mit ihrer Art für Anna schon Monster genug (eine Spitze hier, ein manipulierendes Klagen da), dass das Phon ihr den Wahnsinn entlocken und sie davon getrieben ihrer Mutter schlussendlich den Garaus machen kann. Der Wahnsinn ist genug und du schaffst es mit der Zeichnung deiner Charaktere mehr als ausreichend, dass ich dir das abkaufe.
Das ist ein gutes Argument. Ja, ich muss die Mutter nicht unbedingt noch ein Quäntchen schlechter machen. Gerade das Ungewisse war es ja auch, was mich an der Phonstimme so lockte.

Was mir an dieser Geschichte besonders gefällt ist die Tatsache, dass du aus der Alltagssituation der Krankenpflege eine Horrorstory strickst. Die Pflege eines nahen Menschen ist für die meisten Menschen, die das tun, genau das: der reinste Horror, der an die Kräfte bis an ihre Grenzen geht - und nicht nur wenn man so eine üble Mutter hat wie Anna, sondern auch bei den guten Müttern (Väter, Brüdern, Ehepartner etc.)! Dem wirst du gerecht.
Ja genau, in der Antwort an Perdita hab ich dazu auch schon was geschrieben. Auch bei freundlichen Müttern oder Vätern ist das Horror.

Also eine Geschichte, der wahrlich ein Krankengeruch anhaftet (für die Atmosphäre löblich) - von wegen Flieder und Jasmin.
Das nehm ich mal als Kompliment.

Lieber fvg, was soll ich sagen, ich hab dir ja zwar schon eine PM geschrieben, aber irgendwie … geistig rutsche ich immer noch ein bisschen auf dem Fußboden rum. Bin extra nicht mit zum Fahrradfahren gegangen, weil ich das jetzt auch wirklich an euch schreiben wollte. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Und bitte, wenn mir jemals nochmal so was passieren sollte, bitte tritt mich einfach in den Arsch. Das ist schon okay, wenn man was übersieht.
Ich danke dir sehr für deinen wunderschönen Kommentar.

 

Liebe Novak,

jetzt mach dir bloß keinen Stress wegen der verpassten Antworten. Kein Grund, zu Kreuze zu kriechen. Wer hier könnte denn von sich behaupten, ihm oder ihr sei noch nie was durchgerutscht? Alles ist gut.

Das betrifft auch das namenlose (spezieslose?) Tier und die Unklarheit bzgl. des Endes von Annas Verlobung. Passt so.

Ich wünsche dir (und uns), dass du wiederfindest, was immer du verloren hast!

Grüße vom Holg ...

 

Lieber Unglaublicher, das ist nett, dass du dich nochmal meldest.
Siehst du, man muss nur lange genug warten, dann passts zum Schluss. :D

Im ernst, Dankeschön für deine Geduld.
Bis dann mal.
Novak

 

Liebe Novak,

ohje, deine Geschichte hat mich betroffen gemacht. Nicht, weil sie schlecht ist, ganz im Gegenteil. Sondern weil sie Neid in mir hervorgerufen hat. Neid darauf, eine fesselnde Horrorgeschichte schreibe zu können – sprachlich so schön, dass sie auch in einem anderen Genre für Aufsehen sorgen würde – ohne auf Effekte wie Splatter, Monster und dergleichen zurückgreifen zu müssen. Selbst die Gewalt am Ende verpackst du so geschickt als kindliches Spiel, dass der Schrecken der Tat noch mal um ein vielfaches maximiert wird. Da hatte ich einen dicken Kloß im Hals.

Der Grusel ist sehr subtil und speist sich aus mehreren Quellen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, diese konstanten Sticheleien ... man fühlt richtiggehend mit, wie deine Protagonistin Stück für Stück abgleitet. Am Anfang noch der Wunsch nach Versöhnung oder Ausgleich, am Ende der Muttermord. Dazu das klassische Element der Geisterstimmen, hier modern interpretiert als Stimme aus dem Babyphon. Alles nur Einbildung einer entnervten und gekränkten Tocher? Die Beantwortung dieser Frage überlässt du netterweise dem Leser.

Ein wenig "Ekel" findet man auch hier, hauptsächlich in den Beschreibungen der unschönen Alterserscheinungen des menschlichen Körpers. Nicht respektlos dem Alter gegenüber, aber genau richtig dosiert um eine Wirkung zu entfalten. Speichel der zu giftigem Schaum wird. Sehr schön.

Novak, ich befürchte ich kann außer Lob kaum noch etwas beitragen, da meine Vorredner schon sehr viel gutes Feedback gegeben haben. Aber nun habe ich die Geschichte gelesen und wollte dies nicht unkommentiert tun. Also, was bleibt mir zu sagen? Einfach genial erzählt.

Lieben Gruß

Exilfranke :)

 

Lieber Exilfranke
was für ein Wahnsinnskommentar. ich frag mich gerade, ob ich die Geschichte, von der du da redest, überhaupt geschrieben habe.

ohje, deine Geschichte hat mich betroffen gemacht. Nicht, weil sie schlecht ist, ganz im Gegenteil. Sondern weil sie Neid in mir hervorgerufen hat. Neid darauf, eine fesselnde Horrorgeschichte schreibe zu können – sprachlich so schön, dass sie auch in einem anderen Genre für Aufsehen sorgen würde – ohne auf Effekte wie Splatter, Monster und dergleichen zurückgreifen zu müssen. Selbst die Gewalt am Ende verpackst du so geschickt als kindliches Spiel, dass der Schrecken der Tat noch mal um ein vielfaches maximiert wird. Da hatte ich einen dicken Kloß im Hals.
Boaah, das macht mich grad echt fertig. Ich danke dir echt sehr für dein Lob, das tut sauwohl.
ich weiß noch, dass das Schreiben der Geschichte mir großen Spaß (wenn man da von Spaß reden kann) bereitet hat. ich weiß aber auch noch, dass ich immer so ein bisschen Schiss im Hintergrund vor diesem Thema hatte. Ich finde es mittlerweile ziemlich schwierig, Horrorgeschichten zu schreiben, das Genre ist, wenn man so will, abgegrast, es gibt Muster, die jeder einfach schon kennt, und man muss mit dem Vorurteil kämpfen, dass Horror was Abseitiges ist, was für schlechte Schreiber (zum Glück nicht hier im Forum) oder dass man sich von diesem Genre zumindest tunlichst fernhält, ja, das auch in diesem Forum. :) Mit Anerkennung kann man beim Schreiben von Horrorgeschichten jedenfalls eher selten rechnen.
Ich sehe das anders, ich merke, dass das Schreiben von Horrorgeschichten oder seltsamen Geschichten einem eine große Freiheit gibt, man kann in einer ganz anderen Weise sich mit bedrückenden Themen beschäftigen, sich mit eigenen oder fremden Ängsten, die man aber nachvollziehen kann, auseinandersetzen, man kann richtig abtauchen.
Aber, das ist die Kehrseite, man muss sich auch mit den Eigenheiten des Genres auseinandersetzen. Nur allein schon die Frage, was für wen denn gruselig ist, die lässt sich eigentlich nicht beantworten. Oder finde mal einen Schluss, der nicht schon irgendwie mal da gewesen ist. In einer normalen Geschichte sagen die Leser der Schluss ist gut oder der Schluss ist scheiße, hör mal einen Absatz drüber schon auf. Im Horrorbereich geht es nicht einfach um einen guten oder passenden Schluss, sondern da geht es oft auch um die unerhörte Wendung. Nirgendwo sonst, das merke ich ja auch an meinen eignenen Bedürfnissen bei Horrorgeschichten wird so sehr Originalität und Innovation und was Neues, Aufregendes gefordert wie bei Horrortexten, gleichzeitig wird es als Genre abgetan.
Ich schätze die Freiheit, das Abgründige zu erforschen, wo könnte man das besser als im Horror? Schreib mal einen Text in Alltag über einen Pädophilen und verteufele ihn nicht nur, sondern zeichne ihn als Menschen. Du wirst sehen, du hast sofort eine Debatte am Hals (hier zum Glück eher weniger, trotz der Debatte neulich, aber die wurde sehr sachlich geführt, was einfach an den Leuten hier liegt), also jedenfalls hast du in anderen Foren eine Debatte am Hals, die sich gewaschen hat. Um den Text geht es da euphemistisch gesagt nicht mehr.
Ich versuche immer, den durch das Genre und die Erwartungen an dieses Genre verursachten Spagat durch eine Art Zwittertext zu verkleinern. Und das ist auch das, was ich wohl am ehesten gerne schreiben mag. Aber ob das einem immer so gelingt, phhh, das ist halt die Frage. Das dürfte von Geschichte zu geschichte und von leser zu Leser arg variieren. Einfach nur toll, dass mir das bei dir geglückt ist.

Der Grusel ist sehr subtil und speist sich aus mehreren Quellen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, diese konstanten Sticheleien ... man fühlt richtiggehend mit, wie deine Protagonistin Stück für Stück abgleitet. Am Anfang noch der Wunsch nach Versöhnung oder Ausgleich, am Ende der Muttermord. Dazu das klassische Element der Geisterstimmen, hier modern interpretiert als Stimme aus dem Babyphon. Alles nur Einbildung einer entnervten und gekränkten Tocher? Die Beantwortung dieser Frage überlässt du netterweise dem Leser.
Ja, letzteres war mir wichtig.
Und insgesamt hab ich mich gefreut, dass du dieses Abgleiten, diese Beziehung so betonst, das ist das nämlich, was mir so ungeheuer wichtig ist, Menschen zu zeigen, in einer bestimmten Situation, da auch wirklich reinzugehen, ob das nun ein Horrortext ist oder ein "normaler", ich begeb mich schreiberisch einfach gerne rein in diese Menschen, bau da eine kleine neue Welt, die Spaß macht, und manchmal oder oft (in meinem Falle) baut man etwas Böses, das zwischen den Menschen lauert, das sie tragisch und mörderisch oder einfach nur fies werden lässt, obwohls einfach Menschen sind, Menschen, die vielleicht noch nicht mal was Schlechtes wollten, jedenfalls nicht das, was am Ende als Resultat der Entscheidungen und Entwicklungen rauskommt. Sie machen Fehler, furchtbare Fehler, treffen Entscheidungen, die eine Dynamik in Gang setzen, die im Unheil endet, wenn man aus ihr nicht aussteigen will oder kann oder glaubt, im Recht zu sein.

Novak, ich befürchte ich kann außer Lob kaum noch etwas beitragen, da meine Vorredner schon sehr viel gutes Feedback gegeben haben. Aber nun habe ich die Geschichte gelesen und wollte dies nicht unkommentiert tun. Also, was bleibt mir zu sagen? Einfach genial erzählt.
Ich danke dir nochmal, ich glaub, innerlich hab ichs schon tausend Mal getan, wie auch den vielen anderen Kommentatoren.

Bis dann bald mal wieder vielleicht bei einer deiner Geschichten, vielleicht ja einer Horrorgeschichten.

Lieben Gruß zurück von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

eine tolle Rückmeldung, ich hatte gar nicht gedacht, dass man zu meinem Feedback noch so viel sagen kann, aber du hast ein paar tolle Anstöße zum Thema Horror generell gemacht. Ich bin da größtenteils auf deiner Wellenlänge, gerade was die Schwierigkeit anbelangt, heute noch innovativ dieses Feld zu beackern.

Ich finde es mittlerweile ziemlich schwierig, Horrorgeschichten zu schreiben, das Genre ist, wenn man so will, abgegrast, es gibt Muster, die jeder einfach schon kennt, und man muss mit dem Vorurteil kämpfen, dass Horror was Abseitiges ist, was für schlechte Schreiber (zum Glück nicht hier im Forum) oder dass man sich von diesem Genre zumindest tunlichst fernhält, ja, das auch in diesem Forum.

Die gute Horrorliteratur wird man nicht auf den Bestsellerlisten finden, dafür ist man abseits von wenigen Größen wie King, Masterton oder Campbell einfach zu sehr Nische. Und was diese ganze Schwemme an Werwolf, Vampir und Dämonenbücher anbelangt, nun, das ist doch größtenteils wirklich Kitsch. Betrifft übrigens das Genre Fantasy genauso, weshalb ich eigentlich kaum kontemporäre Werke dieser Richtung lese. Darunter krankt auch das Film-Genre Horror, in fast keinem anderen Bereich wird so viel Schrott produziert. Das soll jetzt überhaupt nicht arrogant klingen, ich behaupte nicht, selbst frei zu sein von Ideen-Recycling und dem Aufgreifen von Konzepten, die bereits vor 100 Jahren funktioniert haben. Ich finde, dass gute Horrorliteratur durchaus mit alten Konzepten arbeiten soll, die aber in neuer Weise interpretiert werden. Das versuche ich selbst, und das sehe ich gerade auch bei dir. Schon alleine, dass du dem Horror eine glaubwürdige Bühne bereitest, die neben Grusel und Schrecken gut gezeichnete Charaktere bietet, unterstützt meine Einschätzung. Mir ist eine dichte Atmosphäre eigentlich wichtiger als tatsächlicher Grusel.

Mit Anerkennung kann man beim Schreiben von Horrorgeschichten jedenfalls eher selten rechnen.

Diese Erfahrung teile ich. Man wird nicht ganz Ernst genommen, auch wenn es gut geschrieben ist. Im besten Fall wird man damit konfrontiert, dass das übernatürliche Element des Horrors die realistischen Teile der Geschichte konterkariert. Meine Verarbeitung der Tempelsprenungen durch den IS musste sich diese Kritik gefallen lassen, da sie dem ganz realen Horror einen übernatürlichen Horror gleichgestellt hat. Auch dir könnte man diesen Vorwurf machen (mache ich natürlich nicht).

Ich schätze die Freiheit, das Abgründige zu erforschen, wo könnte man das besser als im Horror? Schreib mal einen Text in Alltag über einen Pädophilen und verteufele ihn nicht nur, sondern zeichne ihn als Menschen. Du wirst sehen, du hast sofort eine Debatte am Hals (hier zum Glück eher weniger, trotz der Debatte neulich, aber die wurde sehr sachlich geführt, was einfach an den Leuten hier liegt), also jedenfalls hast du in anderen Foren eine Debatte am Hals, die sich gewaschen hat. Um den Text geht es da euphemistisch gesagt nicht mehr.
Ich versuche immer, den durch das Genre und die Erwartungen an dieses Genre verursachten Spagat durch eine Art Zwittertext zu verkleinern. Und das ist auch das, was ich wohl am ehesten gerne schreiben mag. Aber ob das einem immer so gelingt, phhh, das ist halt die Frage. Das dürfte von Geschichte zu geschichte und von leser zu Leser arg variieren. Einfach nur toll, dass mir das bei dir geglückt ist.

Was du da sagst, möchte ich alles unterschreiben. Mit Blut, meinetwegen.

Gruselige Grüße und schönes Restwochenende wünscht

Der Exilfranke :)

 

Liebe Novak,

diesmal ein 'Horror', der besonders lebensnah ist. Und sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Wobei die Demenz ist ja eigentlich das kleinere Übel ist, schlimmer und schmerzhafter wirkt die Lieblosigkeit der Mutter, die es schon immer gab und die in der Krankheit bleibt, sich aber um so deutlicher zeigt.

Ich höre ihre Stimme: „Fleißig warst du ja, das kann dir keiner nehmen. Aber zu bemüht.“
Da hast du - wie auch an anderen Stellen - in ganz wenigen Worten den Abgrund eingefangen. Selbst was als Lob beginnt, wird vergiftet durch eine Doppelbotschaft, aus der es kein Entrinnen gibt.
Du zeichnest sehr genau nach was passiert, wenn jemand Kränkungen schluckt und schluckt, sich eigentlich selbst aufgibt dabei und dann die ganze Trauer, Erschöpfung und Wut ihren eigenen, kaum mehr steuerbaren Weg findet. Das ist sehr einfühlsam beschrieben, ich glaube kaum, dass das noch besser geht. Nur dass zu all dem noch die Affäre der Mutter mit ihrer großen Liebe dazukommt, scheint mir fast 'too much'. Das ist das Einzige, was mir nicht 100% gefällt. Alles andere ist wunderbar.

Viele Grüße,

Eva

 

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